Die Straße von Hormus als Achillesferse der Weltwirtschaft: Kommentar

DIW Wochenbericht 26 / 2025, S. 416

Claudia Kemfert

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Angesichts des Krieges zwischen Israel und Iran rückt die Straße von Hormus wieder einmal in den Fokus. Die ganze Welt fragt sich, ob der Iran die für Öl und Gas wichtige Transportroute blockieren wird. Die Straße von Hormus verkörpert die Verwundbarkeit unserer globalisierten Energieversorgung. Die nur etwa 50 Kilometer breite Meerenge zwischen dem Iran und Oman fungiert als neuralgischer Punkt des Welthandels, täglich 21 Millionen Barrel Öl und ein Viertel des global gehandelten Flüssigerdgases werden dort transportiert. Auch wenn eine vollständige Sperrung praktisch schwer umsetzbar wäre, schließlich gehören Teile der Gewässer zu Oman, zeigt bereits die bloße Drohkulisse die strategische Macht, die geografische Engstellen verleihen können. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie Geografie zur Geopolitik wird.

Für Deutschland ergeben sich daraus wichtige Lehren: Obwohl deutsche Ölimporte nicht direkt über die Straße von Hormus kommen, wäre eine Blockade über den Weltmarktmechanismus dennoch spürbar. Steigende Energiepreise würden vor allem die chemische Industrie, den Transportsektor und die Verbraucher*innen treffen – mit besonders harten Auswirkungen für Geringverdiener*innen, die beispielsweise an der Tankstelle deutlich tiefer in die Tasche greifen müssten. Die Tatsache, dass Deutschland trotz diversifizierter Importquellen verwundbar bleibt, unterstreicht die Notwendigkeit einer konsequenten Energiewende.

Besonders relevant und kaum zu ersetzen ist die Straße von Hormus für den LNG-Handel. Rund ein Viertel des weltweiten Flüssigerdgases passiert die Meerenge, darunter kritische Exporte aus Katar, die für Europas Energieversorgung unverzichtbar geworden sind. Diese Abhängigkeit zeigt, wie die Diversifizierung weg von russischem Gas neue Verwundbarkeiten geschaffen hat. Die Hormus-Frage sollte daher als Weckruf verstanden werden: Eine resiliente Energieversorgung erfordert nicht nur geografische Diversifizierung, sondern fundamentale strukturelle Veränderungen. Deutschland muss die Energiewende nicht nur aus klimapolitischen Gründen vorantreiben, sondern auch als Strategie der nationalen Sicherheit. Elektromobilität, energetische Gebäudesanierung und der Ausbau erneuerbarer Energien sind keine ideologischen Projekte, sondern rationale Antworten auf die Verwundbarkeiten einer fossil dominierten Weltwirtschaft.

Gleichzeitig verdeutlicht die Hormus-Problematik die Grenzen traditioneller Energiediplomatie. Während westliche Staaten jahrzehntelang auf die Diversifizierung von Lieferanten setzten, bleibt das grundsätzliche Problem bestehen: die Abhängigkeit von volatilen und oft politisch instabilen Regionen. Die Konzentration des LNG-Handels auf wenige Routen macht diese Strategie noch anfälliger für Disruption. Ein weiterer Aspekt betrifft die internationale Koordination. Eine Blockade der Straße von Hormus würde nicht nur einzelne Länder treffen, sondern das gesamte internationale Energiesystem. Dies erfordert verstärkte multilaterale Ansätze in der Energiesicherheit und gemeinsame Notfallpläne der Industrienationen. Europa muss dabei seine strategische Autonomie stärken, ohne sich in neue Abhängigkeiten zu begeben.

Die Lehre aus der Hormus-Analyse ist eindeutig: Echte Energiesicherheit liegt nicht in der Diversifizierung von Importen, sondern in der Überwindung der Importabhängigkeit selbst. Für Deutschland ergeben sich daraus konkrete energiepolitische Handlungsfelder: Erstens muss der Ausbau erneuerbarer Energien massiv beschleunigt werden. Die aktuellen Ausbauziele für Wind- und Solarenergie reichen nicht aus, um die Abhängigkeit von fossilen Importen schnell genug zu reduzieren. Zweitens erfordert die Wärmewende höchste Priorität. Da Heizöl und Erdgas besonders vulnerable Importe darstellen, müssen der Ein- und Ausbau von Wärmepumpen und Fernwärmenetzen sowie die energetische Gebäudesanierung forciert werden. Und drittens muss Deutschland seine Rolle als Wasserstoffimporteur überdenken und stattdessen die heimische Wasserstoffproduktion durch Wind- und Solarstrom forcieren.

Deutschland hat die Chance, die Hormus-Verwundbarkeit als Katalysator für eine beschleunigte Energietransformation zu nutzen und sich international als Vorreiter echter Energiesouveränität zu positionieren.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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