Medienbeitrag vom 17. Februar 2017
Deutschland erwirtschaftet große Exportüberschüsse, der Gewinn aber wird im Ausland verzockt. Die Lösung lautet: in Deutschland investieren.
Seit dem Jahr 2000 hat jeder Deutsche einen durchschnittlichen Verlust von durchschnittlich 7.500 Euro im Ausland erlitten. Wie? Hat unser Land volkswirtschaftlich betrachtet wegen der Rekord-Exportüberschüsse nicht viel mehr Geld von seinen ausländischen Partnern eingenommen als umgekehrt? Ja, die deutschen Unternehmen und somit auch die Bürgerinnen und Bürger haben 2.200 Milliarden Euro mehr an Gütern und Dienstleistungen produziert und exportiert als verbraucht. Soweit zur positiven Handelsbilanz.
Was aber geschah mit dem Geld, das die deutsche Volkswirtschaft eingenommen hat? Es wurde von deutschen Unternehmen, vor allem von deutsche Banken und andere Finanzinstitutionen, bevorzugt im Ausland investiert. Die dort angelegten Ersparnisse haben in den vergangenen Jahrzehnten aber hohe Verluste gemacht. Netto wurden so 2.200 Milliarden Euro seit dem Jahr 2000 im Ausland investiert und angelegt, dieses Auslandsvermögen beträgt heute jedoch nur noch 1.600 Milliarden Euro, oder durchschnittlich 20.000 Euro pro Kopf. Es wurden also hohe Verluste auf diese Auslandsinvestitionen gemacht. Sie belaufen sich auf 600 Milliarden Euro, das sind die 7.500 Euro pro Kopf.
Steuerzahler haben schludrige Banken gerettet
Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort ist: Allen voran die deutschen Banken haben ungeheuer viel Geld im Ausland sehr schlecht investiert. Es ging nicht nur sehr viel Geld verloren, der deutsche Steuerzahler musste auch noch viele der betroffenen Institute retten. In fast keinem Land Europas haben die Banken während der globalen Finanzkrise mehr Verluste gemacht und ist der Steuerzahler mit höheren Summen eingesprungen als in Deutschland.
Das war nicht nur der globalen Finanzkrise geschuldet. Deutsche Unternehmen und Finanzinstitutionen waren in der Vergangenheit schon schlecht darin, ihr Geld im Ausland gewinnbringend zu investieren. So kauften viele deutsche Unternehmen in den 1990er Jahren amerikanische Technologieunternehmen zu völlig überhöhten Preisen, um dann einen großen Teil dieser Investitionen durch das Platzen der Dotcom-Blase zu verlieren.
Diese riesigen Verluste sind umso erstaunlicher, weil die Zinsen auf Deutschlands eigene Verpflichtungen gegenüber Ausländern obendrein noch sehr niedrig sind. Diese halten zu einem ungewöhnlich hohen Anteil sichere deutsche Staatsanleihen, die zurzeit sogar meist negative Zinsen anbieten. Ein Grund für das katastrophale Scheitern deutscher Finanzinstitutionen und Unternehmen im Ausland mag in fehlender Kompetenz und auch in der schieren Größe dieser Summe liegen.
Was wäre die Alternative zum Sparen?
Aber ist es nicht eigentlich richtig, Ersparnisse aufzubauen? Die Antwort ist ein klares Nein. Sparen macht nur dann Sinn, wenn der Sparer etwas davon in der Zukunft hat und er dieses Geld nicht verzockt. Genau dies trifft jedoch auf Deutschland nicht zu. Deutschland verspielt seine Zukunft durch seinen Sparirrsinn.
Für uns Deutsche ist das Sparen etwas moralisch Gutes, und Schulden sind verwerflich. Dieses Phänomen scheint tief in unserer Psyche verankert zu sein. Nicht umsonst leitet sich das Wort "Schulden" von "Schuld" ab. Dabei sind weder das Sparen noch Schulden per se etwas Gutes oder Schlechtes, Richtiges oder Falsches. Sparen bedeutet einen Verzicht auf Wohlstand heute in der Hoffnung, diesen Wohlstand für die Zukunft zu wahren oder gar zu erhöhen. Und Schulden sind nicht zwingendermaßen schlecht, wenn sie klug in die Zukunft investiert und somit in mehr künftigen Wohlstand verwandelt werden.
Keine Ersparnisse für die unteren 40 Prozent
Dass deutsche Ersparnisse im Ausland verzockt werden, ist schlimm genug. Es ist aber noch problematischer, weil die deutschen Ersparnisse ungleicher verteilt sind als in fast allen anderen westlichen Ländern. Die unteren 40 Prozent der deutschen Haushalte haben praktisch keine Nettoersparnis, also nichts, was sie für die Bildung ihrer Kinder oder für die eigene Vorsorge im Alter nutzen können. Die oberen 10 Prozent besitzen dagegen über 60 Prozent der gesamten Nettovermögen der Deutschen.
Aber was sollte Deutschland mit seinem Geld tun, statt es zu sparen? Die ungleich bessere Option, als das Geld im Ausland anzulegen und zu verzocken wäre, den größten Teil dieser Ersparnis in Deutschland zu investieren. Wenn der deutsche Staat, die Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger das Geld in Bildung, in Innovation und in eine gute Infrastruktur investieren würden, dann würde dies ganz direkt und unmittelbar den Menschen zugutekommen und auch den künftigen Generationen helfen. Investitionen in Deutschland zu steigern, würde die Produktivität verbessern, mehr gute Jobs schaffen, höhere Einkommen ermöglichen, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland langfristig sichern und somit auch den Wohlstand erhöhen.
Wir Deutschen sollten realisieren, dass wir klüger mit unserem Reichtum und unserer Ersparnis umgehen müssen als bisher. Die Handelsüberschüsse Deutschlands sind schlecht, nicht, weil wir zu viel exportieren, sondern weil wir zu wenig in Deutschland investieren und zudem unsere Ersparnisse im Ausland in das Falsche investieren. Nur mit einem Abbau der Handelsüberschüsse und mehr Investitionen in Deutschland kann sowohl die wirtschaftliche Zukunft gesichert werden, als auch mehr Menschen im Land ermöglicht werden, eigene Ersparnisse aufzubauen und damit mehr Eigenverantwortung zu übernehmen.
Dieser Beitrag ist am 17. Februar in der ZEIT ONLINE– Kolumne „Fratzschers Verteilungsfragen“ erschienen.
Themen: Finanzmärkte , Öffentliche Finanzen