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Armut

Armut

Der Begriff Armut bezeichnet in der wirtschafts- und sozialpolitischen Diskussion einen Mangel an finanziellen Mitteln oder lebenswichtigen Gütern, unter dem einzelne Personen oder Personengruppen leiden. Man unterscheidet zwischen absoluter und relativer Armut.

Absolute Armut (physische Armut) liegt vor, wenn Personen über ein Einkommen unterhalb des Existenzminimums verfügen. Das bedeutet, dass sie ihre Grundbedürfnisse - etwa nach Nahrung, Kleidung und Obdach - nicht befriedigen können. Diese Armutsschwelle liegt nach Angaben der Weltbank bei 1,90 US-Dollar (in Kaufkraftparitäten) pro Tag. Absolute Armut ist in entwickelten und hochentwickelten Ländern faktisch überwunden.

Relative Armut besteht dann, wenn ein Einkommen unterhalb des sozio-kulturellen Existenzminimums vorliegt. Nach der Definition des Rats der europäischen Gemeinschaft von 1984 gelten Menschen als arm, „die über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist." Armut ist damit in zweifacher Hinsicht relativ: Sie ist abhängig vom Lebensstandard einer bestimmten Gesellschaft und vom Zeitpunkt, zu dem dieser Lebensstandard vorherrscht. Das sozio-kulturelle Existenzminium wird anhand eines normativ festgelegten Prozentsatzes des bedarfsgewichteten mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung (Medianeinkommen) berechnet. In der europäischen Sozialberichterstattung wird dieser Grenzwert bei 50 Prozent des Medianeinkommens angesetzt. Bereits bei einem Schwellenwert von 60 Prozent wird von einem erhöhten Armutsrisiko ausgegangen. Diese auf 60 Prozent basierende sogenannte Armutsrisikogrenze wird auch im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verwendet.

Das DIW Berlin folgt bei seinen Berechnungen meist den Konventionen der EU und des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Nach den Daten des SOEP lag die Schwelle, ab der ein relatives Einkommensarmutsrisiko vorliegt, in Deutschland im Jahr 2014 für einen Einpersonenhaushalt bei rund 1050 Euro pro Monat. Unterhalb dieser Schwelle befanden sich 2014 insgesamt knapp 16 Prozent der gesamten Bevölkerung, das waren über zwölf Millionen Menschen.

Bei der Bestimmung relativer Armut können unterschiedliche Einkommenskonzepte genutzt werden. Nach den Empfehlungen der Canberra Group sind für Einkommensverteilungsanalysen Jahreseinkommen zu verwenden. Da sich die Jahreseinkommen aber immer nur auf das Jahr vor dem jeweiligen Befragungszeitpunkt beziehen können, wird alternativ auch das Monatseinkommen herangezogen. Dabei werden allerdings unterjährige Einkommensschwankungen und unregelmäßig anfallende Einkommenskomponenten wie Kapitalerträge oder Boni nur unzureichend erfasst. Neben der Berücksichtigung regionaler Preisniveaus oder fiktiver Einkommensbestandteile wie des Mietwerts selbstgenutzten Wohneigentums gibt es weitere Aspekte, die bei der Armutsmessung relevant sind. Diese Fülle von Variablen erklärt, warum viele Armutsstatistiken und -berichte zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.


Bei einer über die bloße Einkommenshöhe hinausgehenden - mehrdimensionalen - Erfassung von Armutsgefährdung wird auf eine Vielzahl von Indikatoren zurückgegriffen. Das DIW Berlin nutzt meist die sogenannten Laeken-Indikatoren, die auch von der Europäischen Kommission und dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) empfohlen werden.

Siehe auch Äquivalenzeinkommen

Das DIW Glossar

Das DIW Glossar ist eine Sammlung von Begriffen, die in der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts häufig verwendet werden. Die hier gelieferten Definitionen sollen dem besseren Verständnis der DIW-Publikationen dienen und wichtige Begriffe aus der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung so prägnant wie möglich erklären. Das Glossar hat keinen Anspruch auf lexikalische Vollständigkeit.

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