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Mehr Ökonominnen braucht das Land! Kommentar

DIW Wochenbericht 25 / 2019, S. 452

Kerstin Bernoth, Franziska Bremus, Geraldine Dany-Knedlik, Stephanie Ettmeier

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Knapp die Hälfte von rund 9000 internationalen Ökonominnen gab bei einer im März veröffentlichten Umfrage der American Economic Association zum Klima im Wissenschaftsbetrieb an, schon einmal in ihrem Arbeitsumfeld aufgrund ihres Geschlechts unfair behandelt worden zu sein. Die Umfrageergebnisse weisen darauf hin, dass bei Stellenbesetzungen, Publikationsentscheidungen oder beim Einwerben von Forschungsgeldern in der Volkswirtschaftslehre Frauen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden. Diese Einschätzung deckt sich auch mit dem empirischen Befund, dass Frauen von gemeinsam erstellten wissenschaftlichen Arbeiten karrieretechnisch weniger profitieren als ihre männlichen Ko-Autoren.

Ähnlich wie in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind in der Volkswirtschaftslehre deutlich mehr Männer als Frauen tätig. So wird derzeit lediglich ein Drittel aller akademischen Stellen im Bereich VWL an europäischen Forschungseinrichtungen von Frauen besetzt. Allerdings variiert der Frauenanteil erheblich von Land zu Land. Führend in puncto Gleichstellung sind Rumänien, Polen, Irland und Spanien mit Frauenanteilen zwischen 39 und 61 Prozent. Deutschland und Tschechien bilden mit 24 Prozent das Schlusslicht im europäischen Vergleich.

Akademische Spitzenpositionen sind dabei noch ungleicher verteilt. Im europäischen Durchschnitt besetzen Frauen knapp ein Viertel der VWL-Professuren, in Deutschland sind es lediglich 18 Prozent. Im Bereich Makroökonomie und Finanzwissenschaften dürfte der Frauenanteil in den wissenschaftlichen Leitungspositionen noch geringer sein. Vergleicht man dies mit dem Anteil der Bachelorabsolventinnen von rund 35 Prozent in Deutschland so fällt auf, dass der Frauenanteil entlang der wissenschaftlichen Karriereleiter stetig sinkt.

Der geringe Anteil von leitenden Wissenschaftlerinnen ist nicht nur aus Gründen der Gleichstellung und Chancengleichheit bedenklich, sondern hat auch Folgen für das Imageproblem der Volkswirtschaftslehre als Männerdomäne und die oft aggressive Diskussionskultur. Dabei stehen die Wirtschaftswissenschaften vor der komplexen Aufgabe, Lösungsansätze für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und letztlich für nachhaltigen Wohlstand zu liefern. Dies kann nur durch eine Vielfalt an Perspektiven und durch die Nutzung des gesamten wissenschaftlichen Potenzials gelingen, so dass Diversität auch aus dieser Sicht wichtig wäre. Da persönliche Interessen und Erfahrungen ausschlaggebend die eigene Forschungsagenda bestimmen, würde ein höherer Anteil an Ökonominnen den Blickwinkel des Faches weiten. Dies käme nicht nur Forschung und Lehre zugute, sondern führte auch zu neuen Perspektiven in der Politikberatung.

Auch wenn es einige Initiativen zur Frauenförderung in der VWL gibt, richten sich diese überwiegend an Frauen aus der gesamten Forschungslandschaft dieses Fachbereichs und fördern den für die wissenschaftliche Karriere so wichtigen fachlichen Austausch nur am Rande. Dass Fachkonferenzen, an denen ausschließlich Frauen teilnehmen, den Forschungsaustausch, die Vernetzung und die Sichtbarkeit der Volkswirtinnen aktiver unterstützen könnten, haben jüngst renommierte US-Universitäten wie die University of Chicago mit Erfolg getestet.

Aus diesem Grund haben wir, vier Ökonominnen auf unterschiedlichen Stufen der akademischen Laufbahn, mit dem „Workshop for Women in Macroeconomics, Finance, and Economic History“ (WIMFEH) dieses Jahr eine neue Veranstaltungsserie ins Leben gerufen, die jährlich wiederholt werden soll. Neben wissenschaftlichen Vorträgen stehen bei dieser Veranstaltung auch die Förderung fachlicher Netzwerke und der Erfahrungsaustausch hinsichtlich Frauenförderung sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit auf dem Programm. Ziel ist es, junge Wissenschaftlerinnen zu bestärken, dass die VWL auch für Frauen vielfältige und interessante Karrieremöglichkeiten bietet. Außerdem sollen die Vernetzung und Sichtbarkeit von Ökonominnen vorangetrieben werden. Damit dieses Land mehr Volkswirtinnen bekommt!

Geraldine Dany-Knedlik

Leitung Prognose und Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

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