Bericht vom 8. November 2019
Während die Migration nach Deutschland seit 2015 anfangs von jungen, alleinreisenden Männern dominiert wurde, sind zunehmend auch Frauen, zumeist mit ihren Partnern und Kindern, zugezogen. Dies geht aus einem Gutachten zur Familiensituation von Geflüchteten hervor, das der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen dem Bundesfamilienministerium vorgelegt hat und das im Rahmen einer Veranstaltung im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vorgestellt wurde. Mitautorin ist C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie des DIW Berlin. Das Gutachten präsentiert neue und repräsentative Daten zur Kinderzahl, zu Familienformen und zum Fluchthintergrund von Personen, die in den Jahren 2015 bis 2017 aus Syrien, Afghanistan, Irak oder Eritrea nach Deutschland gekommen sind. Die Ergebnisse basieren auf dem Mikrozensus 2017 und der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016/2017.
Ein Großteil der Geflüchteten, die mit einem Partner zusammenleben, hat Kinder, die noch relativ jung sind. Bei rund zwei Dritteln der Familien mit Kindern im Haushalt ist das jüngste Kind unter sechs Jahre alt. „Die Daten unterstreichen, dass die Politik hier vielfältige Möglichkeiten zur Intervention hat, um beispielsweise den deutschen Spracherwerb der Kinder frühzeitig zu fördern“, so Spieß. „Kindertageseinrichtungen sind zudem ganz zentral, wenn Frauen an Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen oder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen.“
Die Erwerbstätigenquote von geflüchteten Frauen fällt laut der Studie auffällig niedrig aus. Im Schnitt haben lediglich zwei Prozent der Frauen, die zwischen 2015 und 2017 nach Deutschland gekommen sind, angegeben, dass sie einer Beschäftigung nachgehen. Neben den Barrieren, denen sich grundsätzlich alle Geflüchteten gegenübersehen, die eine Erwerbstätigkeit anstreben, sind hier außerdem unterschiedliche kulturelle Wertvorstellungen zur Erwerbsarbeit und zur Rolle der Frauen in der Gesellschaft oder in der Partnerschaft von Bedeutung. Darüber hinaus erklären Sprachbarrieren und fehlende Bildungsabschlüsse die niedrige Erwerbsbeteiligung geflüchteter Frauen.
„Über den Spracherwerb hinaus sind Kindertageseinrichtungen auch dann ganz zentral, wenn Frauen an Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen oder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen.“ C. Katharina Spieß
„Aufgrund der niedrigen Erwerbstätigkeit fehlt bei Frauen oft die Möglichkeit, sich über die Erwerbsbeteiligung in die Gesellschaft zu integrieren. Das Kinderbetreuungssystem wie auch das System der Erziehungshilfen kann in diesen Fällen eine besonders wichtige Schnittstelle sein, um Mütter mit Fluchthintergrund zu erreichen“, so Michaela Kreyenfeld, Soziologieprofessorin an der Hertie School und Mitautorin des Gutachtens.
Die Mehrheit der geflüchteten Frauen lebt mit einem Partner zusammen. Allerdings sind 15 Prozent alleinerziehend. Einige dieser Frauen haben erst nach Verlassen des Herkunftslandes Kinder bekommen, teilweise wurden sie Opfer von Vergewaltigungen. Die GutachterInnen gehen davon aus, dass die Gruppe der Alleinerziehenden vielfältigen sozialen Risiken und psychischen Belastungssituationen ausgesetzt ist.