DIW Wochenbericht 20 / 2021, S. 348
Tomaso Duso, Erich Wittenberg
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Herr Duso, Sie haben untersucht, wie sich die Marktkonzentration in Deutschland entwickelt. Auf welche Daten stützen Sie sich dabei? Für die Studie haben wir einen neuartigen Datensatz, die EU-Fusionsdatenbank, genutzt, den wir über mehrere Jahre konstruiert haben. Dieser Datensatz basiert auf der Analyse und Kategorisierung von fast 6000 Dokumenten, die die kartellrechtliche Prüfung von Fusionen durch die EU-Kommission abbilden. Diese Daten ermöglichen es uns, Konzentrationskennzahlen auf der Ebene des so genannten kartellrechtlich relevanten Marktes und nicht auf der Ebene breit definierter Wirtschaftszweige zu berechnen.
Wie hat sich die Marktkonzentration in den verschiedenen Wirtschaftszweigen in Deutschland entwickelt? Im Durchschnitt bleibt die Konzentration in Deutschland konstant. Es gibt aber eine sehr große Variation zwischen den Märkten. Manche Märkte sind sehr konzentriert, andere sind viel weniger konzentriert. Wenn wir die betrachteten Märkte grob in verarbeitendes Gewerbe und den Dienstleistungssektor unterteilen, sehen wir ziemlich markante Unterschiede. In Märkten des verarbeitenden Gewerbes bleibt die durchschnittliche Konzentration auf einem hohen Niveau konstant, in den Dienstleistungsmärkten fängt sie hingegen in den 90-er Jahren auf einem niedrigeren Niveau an und nimmt über die Zeit zu.
Verläuft diese Entwicklung EU-weit gesehen anders? Deutschland ist keine Ausnahme. Ähnliche Verläufe sehen wir in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Betrachtet man nicht nur nationale Märkte, sondern Märkte, in denen der Wettbewerb auf EU- oder sogar weltweiter Ebene stattfindet, ist die Zunahme der durchschnittlichen Konzentration in Dienstleistungsmärkten sogar markanter.
Welche Folgen hat ein Konzentrationsprozess für die VerbraucherInnen? Wenn die Konzentration von erhöhter Marktmacht getrieben wird, dann hat sie oft höhere Preise, eine niedrigere Qualität und weniger Investitionen zur Folge. In konzentrierteren Märkten sinken oft auch die Löhne, denn Unternehmen haben dort meist auch viel Macht gegenüber ArbeitnehmerInnen. Daher können Konzentrationsprozesse die Ungleichheit in der Ökonomie verstärken, da die mächtiger werdenden Unternehmen einen immer größeren Teil vom volkswirtschaftlichen Kuchen erhalten.
Kann eine Marktkonzentration auch positive Effekte haben? Ja, das kann auch der Fall sein. Wenn sehr effiziente Unternehmen innovativer als ihre Wettbewerber sind und daher bessere Produkte oder Dienstleistungen anbieten, können diese Unternehmen, die oft „super star firms“ genannt werden, Marktanteile gewinnen. Auch in solchen Fällen kann die Konzentration steigen, aber das kann trotzdem gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher sein.
Wodurch wird die Konzentration von Märkten vorangetrieben? Wir stellen fest, dass Konzentration stark mit Eintrittsbarrieren korreliert und zwar unabhängig von der Branche oder der geografischen Marktgröße. Eintrittsbarrieren sind ein sehr wichtiger Treiber von Markmacht. Wenn Unternehmen sich vom Wettbewerb abschotten können, dann haben sie mehr Macht, die Preise und andere Produktmerkmale so zu bestimmen, dass sie ihre Gewinne auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher maximieren.
Wie ließen sich die VerbraucherInnen vor den negativen Folgen zunehmender Marktkonzentration schützen? Eine effiziente und konsequent durchgesetzte Wettbewerbspolitik soll Märkte offen und wettbewerbsfähig halten. Aber die Regulierung und andere Politikbereiche können auch dazu beitragen, Eintrittsbarrieren abzubauen und damit auch die Marktkonzentration zu reduzieren.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Wettbewerb und Regulierung, Unternehmen, Märkte
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-20-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/235730