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Die Riester-Rente ist nie wirklich in Fahrt gekommen: Interview

DIW Wochenbericht 40 / 2021, S. 674

Peter Haan, Erich Wittenberg

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Herr Haan, was waren die Ziele der Riester-Rente und inwieweit wurden diese erreicht? Das Hauptziel der Riester-Rente war es, neben der Säule für die gesetzliche Rentenversicherung eine zusätzliche private Säule der Vorsorge zu etablieren. Man sieht jetzt 20 Jahre nach Einführung der Riester-Rente, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde, weil nur ein relativ geringer Teil – wir schätzen um die 25 Prozent – wirklich eine Riester-Rente abgeschlossen hat. Insofern kann man nicht sagen, dass diese zweite Säule ausreichend ist, um die erste zu ergänzen.

Welche Personengruppen haben überhaupt eine Riester-Rente abgeschlossen? Hier sieht man einen klaren Unterschied. Menschen mit höherem Einkommen, besserer Bildung und einer höheren beruflichen Stellung haben deutlich höhere Riester-Renten-Quoten. Bei Leuten im obersten Einkommensquintil, also dem Fünftel mit den höchsten Einkommen, sehen wir, dass etwa 30 bis 40 Prozent eine Riester-Rente haben, bei den ärmeren Haushalten sind das etwa zehn Prozent.

Woran liegt es, dass die Verbreitung der Riester-Rente so gering ist? Hier gibt es mehrere Gründe. Der erste ist, dass das Produkt Riester-Rente sehr kompliziert ist. Es gibt wahnsinnig viele unterschiedliche Anbieter und Produkte und man versteht das System eigentlich nicht. Dazu kommt, dass obwohl es vom Staat großzügige Subventionen und Zuschüsse gibt, die Abschluss- und Vertriebskosten so hoch sind, dass die Renditen häufig gering sind. Dadurch ist das Produkt nie in Fahrt gekommen. Der zweite Punkt erklärt zum Teil auch, warum wir Unterschiede nach Einkommen finden: Es ist nicht verpflichtend, eine Riester-Rente abzuschließen und Menschen mit geringen Einkommen können es sich häufig nicht leisten, eine Riester-Rente abzuschließen.

Wie stark trägt die Riester-Rente zur Absicherung der Alterseinkünfte bei? Das können wir heute aus den Daten noch nicht wirklich ablesen, weil wir erst die ersten Rentenkohorten beobachten, die eine Riester-Rente bekommen. Hier ist der Anteil noch relativ gering und liegt um die fünf Prozent der gesamten Alterseinkünfte. Das wird mit den folgenden Kohorten steigen, weil diese häufiger eine Riester-Rente abgeschlossen haben. Aber die Auszahlungen sind ja ein Spiegelbild der Einzahlungen und wenn nur knapp 25 bis 30 Prozent eine Riester-Rente abgeschlossen haben, werden wir in der Auszahlungsphase auch sehen, dass nur ein relativ geringer Teil davon abgesichert ist.

Sind die Anbieter überhaupt in der Lage, in einer Zeit der Niedrigzinsen ausreichende Renditen zu erwirtschaften? Nein, und das ist das nächste Problem der Riester-Rente. Es gibt hier Garantien, die gesetzlich vorgeschrieben sind, was ja erst einmal positiv klingt. Allerdings bedeutet das für die Versicherungswirtschaft, dass sie sichere Anlagen braucht, um diese Garantie auszubezahlen. Auf diese gibt es aber im Moment nur geringe Zinsen. Das heißt, auch die Versicherungswirtschaft hat große Schwierigkeiten mit dem Produkt. Das führt auch dazu, dass die ersten Anbieter sich jetzt aus dem Markt zurückziehen.

Sollte die Riester-Rente reformiert oder komplett abgeschafft und durch ein neues System ersetzt werden? Ich denke, wenn man sich die Zahlen ansieht und sieht, dass insbesondere die Gruppen, die von Altersarmut betroffen sind, keine private Absicherung haben, dann brauchen wir einen radikalen Neustart. Hier bietet es sich an, sich ein System zu überlegen, das wir auch in anderen Ländern schon gesehen haben, zum Beispiel ein kostengünstiges und effektives Produkt in Form eines Vorsorgefonds, den der Staat mitorganisiert.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Peter Haan
Die Riester-Rente ist nie wirklich in Fahrt gekommen - Interview mit Peter Haan

Peter Haan

Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

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