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Ukraine-Konflikt: In drei Schritten zur Unabhängigkeit von Russland

Medienbeitrag vom 28. Februar 2022

Der Krieg gegen die Ukraine ist auch ein Energiekrieg. Deutschland zahlt den Preis für die verschleppte Energiewende.

Dieser Beitrag erschien am 27. Februar 2022 in der Frankfurter Rundschau.

Kiew/Moskau/Berlin – Was für ein Horror. Das schlimmste Szenario, vor dem wir seit über einem Jahrzehnt warnen, ist eingetreten: Wir befinden uns inmitten eines Energiekriegs. Russland nutzt schon lange Gas als politische Waffe, hat mehrfach den Gashahn zugedreht, nun droht Präsident Wladimir Putin auch noch indirekt mit Atomwaffen. Mehr Beweis, dass Atom, Erdgas und Erdöl keine Friedenstechnologien sind, gibt es nicht.

Die Folgen sind unabsehbar. Die Risiken sind hoch, dass fossile Energiepreise wie Öl und Gas stark ansteigen werden und somit die Belastungen für die Wirtschaft hoch werden. Und Deutschland ist schlecht vorbereitet, wir zahlen nun den sehr hohen Preis für die verschleppte Energiewende. 

Der Stopp der Zertifizierung von Nord Stream 2 ist richtig. Wir benötigen diese Pipeline nicht, daher ist sie auch zur Sicherung der Energieversorgung nicht notwendig. Wir können ausreichend Gas aus anderen Quellen beziehen, dafür wird diese Pipeline nicht benötigt. Sie würde die Abhängigkeit von Russland noch weiter ansteigen lassen, auf deutlich über 60 Prozent, das ist ungut. Wir sollten besser auf eine Diversifikation der Gasbezüge setzen und können auch auf Flüssiggas ausweichen, da in Europa mehr Kapazitäten vorhanden sind. Es gibt ausreichende Flüssiggas-Terminals in Europa, auf die auch Deutschland zugreifen kann.

Stopp der Energie-Bezüge aus Russland durch Ukraine-Krieg könnte Deutschland abfedern

Die Frage ist eher, ob es vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts zu einem generellen Lieferstopp von Gas aus Russland kommt. Auch dies könnten wir überbrücken, zumindest für einen gewissen Zeitraum. Zum Glück sind wir am Ende des Winters. Es ist unwahrscheinlich, dass es in unseren Häusern kalt wird, im allerschlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass die Industrie den Verbrauch drosseln muss.

Sollten die gesamten fossilen Energie-Bezüge gestoppt werden, wird es allerdings erheblicher Anstrengungen bedürfen, diese entsprechend auszugleichen Die Gaspreise sind aufgrund der schwierigen Lage ohnehin schon gestiegen. Es ist mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen, aber nicht, weil Nord Stream 2 gestoppt wird, sondern weil es sich generell um eine sehr ernste geopolitische Krise handelt.

Deutschland hat vor 15 Jahren den Fehler gemacht, eine direkte Pipeline nach Russland zu bauen anstelle eines LNG-Flüssiggasterminals. Heute nun benötigen wir den Bau eines Wasserstoff-Terminals, mit dem künftig grüner Wasserstoff importiert werden kann, nicht eines für LNG.

Deutschland sollte Gasspeicher von Russland zurückkaufen

Jetzt gilt es nach vorn zu blicken und alles dafür zu tun, damit die Energiewende schnell vorangeht. Der Krisenplan muss folgende Punkte umfassen, um die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu mindern:

Erstens: Diversifikation der Energieimporte, vor allem beim Erdgas, aber auch bei Erdöl und Kohle. Kurzfristig sollten wir im europäischen Verbund die Möglichkeiten, Flüssiggas nach Europa und Deutschland zu bringen, voll ausschöpfen, zudem auch über vorhandene Pipelinerouten Erdgas beziehen. Wir müssen endlich die strategische Gasreserve einrichten, die uns für 90 Tage im Ernstfall die Versorgungssicherheit gewährleistet. Und wir sollten die Gasspeicher von Russland zurückkaufen und in Staatsbetrieb verwalten, damit wir uns ausreichend versorgen können. Zudem sollten wir den Planungsprozess für den Bau von Wasserstoff- Terminals beginnen.

3-Schritte-Krisenplan für den Ukraine-Konflikt

Erster Schritt Diversifikation der Energieimporte: Gasreserve; Gasspeicher von Russland zurückkaufen, Wasserstoff-Terminals planen
Zweiter Schritt heimische Energie ausbauen, Kapazität existierender Anlagen hochfahren
Dritter Schritt Energiesparen und Energie- sowie Verkehrswende vorantreiben

Zweitens sollten alle heimischen Energiekapazitäten sofort ausgebaut und genutzt werden, zudem brauchen wir möglichst viele Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit nachhaltigem Biogas. Die Kapazität existierender Anlagen kann kurzfristig verdoppelt werden, sodass möglichst viel erneuerbare Energie für Nah- und Fernwärme sowie Industrie hergestellt werden kann.

Um Abhängigkeiten von Russland zu verringern, sollten wir auch bei der Verkehrswende vorankommen

Drittens muss das Energiesparen Tempo aufnehmen und die Energie- und die Verkehrswende sollte beschleunigt werden. Die Bundesregierung muss alles dafür tun, damit die Investitionen in das Energiesparen sowohl im Gebäudebereich als auch in der Industrie vorankommen, und noch schneller werden bei der Elektromobilität. Sie muss der Industrie helfen auf dem Dekarbonisierungspfad, denn erneuerbare Energien und Energiesparen senken die Energiekosten. Generell müssen der Ausbau der Öko-Energien und die Versorgungssicherheit erste Priorität haben. Planungs- und Ausbauverfahren sollten beschleunigt werden mit der Begründung der Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Zudem brauchen wir einen Booster beim Ausbau der Ladeinfrastruktur und der Stärkung des Schienenverkehrs und des ÖPNV.

Eine beschleunigte Energiewende wirkt auch friedensstiftend

Zusammengefasst: Die beste Antwort auf fossile Energiekriege ist nicht eine Laufzeitverlängerung von Atom- und Kohlekraftwerken, wie sie jetzt in Zusammenhang mit den Entwicklungen des Ukraine-Kriegs vereinzelt diskutiert werden, sondern die beschleunigte Energiewende mit einem schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und verstärktem Energiesparen. Die Energie- und Verkehrswende machen nicht nur unabhängig von fossilen Preisschocks, sondern wirken auch friedensstiftend. 

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