DIW Wochenbericht 10 / 2022, S. 166
Stefan Bach, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 83 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.62 MB)
Herr Bach, die Ampel-Koalition plant Reformen bei der Lohnsteuer von EhepartnerInnen. Was genau soll geändert werden? Geplant ist, die Lohnsteuerklasse V abzuschaffen. Diese wird von vielen teilzeitbeschäftigten Ehefrauen in Kombination mit der Lohnsteuerklasse III beim Partner gewählt. Sie führt zu sehr hohen Belastungen durch die Lohnsteuer auf den laufenden Verdienst.
Wird sich das durch diese Reform ändern? Beim Lohnsteuerverfahren schon. In den für die teilzeitarbeitende Frauen typischen Einkommensverhältnissen von 20000 bis 35000 Euro Bruttolohn bedeutet ein Wechsel zur Lohnsteuerklasse IV, dass diese Frauen 200 bis 300 Euro mehr im Monat in die Familienkasse einbringen. Der besser verdienende Partner zahlt dann natürlich mehr Lohnsteuer und bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird das wieder ausgeglichen, da dann die gemeinsame Besteuerung mit Ehegattensplitting maßgeblich ist.
Das Ehegattensplitting wird schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Wenn jetzt eine Reform der Lohnsteuerklassen angegangen wird, warum wird dann nicht auch gleich das Ehegattensplitting mit in Angriff genommen? In der Tat ersetzt diese Reform keine Reform des Ehegattensplittings. Das ist aber umstritten in der Politik, weil daran viele festhalten wollen, insbesondere die Union, die über den Bundesrat eingebunden ist. Hier ist im Moment allerdings keine Reformperspektive zu erkennen und deswegen versucht man jetzt, zumindest über das Lohnsteuerverfahren Fehlanreize zu verringern.
Wie schätzen Sie die Beschäftigungswirkungen der Lohnsteuerklassenreform ein? Die Beschäftigungswirkungen können potenziell schon spürbar sein, wenn man sich die extremen Belastungsunterschiede gerade bei den in Teilzeit arbeitenden Frauen anschaut. Aber wir vermuten, dass sich viele Paare letztlich doch an dem gemeinsamen Veranlagungsergebnis orientieren. Deswegen sind die Beschäftigungswirkungen vermutlich schwach positiv, aber größere Effekte erwarten wir nicht.
Hätte man bei einer Reform nicht auch gleich das gesamte Verfahren vereinfachen können? Wenn die Lohnsteuerklasse V abgeschafft wird, fallen die Paare auf die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV zurück. Das ist praktisch eine Individualbesteuerung. Dies hat den Nachteil, dass der Splittingvorteil komplett wegfällt und über die Veranlagung zur Einkommensteuer wieder eingeführt werden muss. Die Veranlagung ist aber nicht zwingend erforderlich bei der IV/IV Kombination. Die Alternative wäre das sogenannte Faktorverfahren, das die Ehepartner aber auch beantragen müssen. Diese Möglichkeit ist wenig bekannt und wird wenig genutzt, weil das relativ kompliziert beantragt werden muss. Wir schlagen deshalb einen Lohnsteuerjahresausgleich vor, den die Partner einfach beantragen können und den das Finanzamt automatisch im nächsten Frühjahr macht, wenn alle Informationen vorliegen. Das wäre eine vereinfachte, vorausgefüllte Steuererklärung, die automatisch durchläuft.
Wie bewerten Sie insgesamt die geplante Lohnsteuerreform? Die Reform geht in die richtige Richtung, weil sie die sehr hohen Belastungen der ZweitverdienerInnen reduziert. Man sollte allerdings das Lohnsteuerverfahren in der Steuerklasse IV, insbesondere das Faktorverfahren, vereinfachen und durch einen automatisierten Steuerausgleich ergänzen, damit alle Ehepaare von der Reform profitieren und nicht in der Steuerklassenkombination IV/IV zu viel Einkommensteuer zahlen. Außerdem sollte man das Ehegattensplitting durch ein Realsplitting ersetzen, das Einkommensteuervorteile bei hohen Einkommen deutlich begrenzt, sie bei geringen und mittleren Einkommen aber erhält.
Themen: Steuern, Gender, Familie, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-10-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/251419