Statement vom 6. Juli 2022
Das Europäische Parlament hat einer Ergänzung der EU-Taxonomie zugestimmt, die Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltig einstuft. Dazu ein Statement von Franziska Schütze, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Mitglied der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance:
Dass die EU Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke fortan als nachhaltig einstuft, ist eine schlechte Entscheidung. Die EU-Taxonomie ist in erster Linie ein Transparenzinstrument, das eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit ermöglichen soll. Sie klassifiziert wirtschaftliche Aktivitäten, die einen positiven Beitrag zur Dekarbonisierung und Transformation der Wirtschaft leisten. Der Erfolg der Taxonomie hängt davon ab, wie glaubwürdig sie ist und wofür sie eingesetzt wird. Sie verliert an Glaubwürdigkeit, da nun bei Erdgas von den ursprünglich festgelegten und am Klimaziel der EU orientierten Kriterien und Schwellenwerten für Emissionen im Energiesektor (100g CO2/Mwh) abgewichen wird. So misst die Taxonomie nun mit zweierlei Maß. Auch die Aufnahme von Atomkraft schadet der Glaubwürdigkeit, denn die Taxonomie betrachtet nicht nur CO2-Emissionen, sondern auch andere Aspekte von Nachhaltigkeit wie Abfallvermeidung, Wasserschutz, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität. In diesen Bereichen ist Atomenergie weiterhin sehr umstritten.
Es ist fraglich, ob sich die Taxonomie in dieser Form als einheitliche Definition von Nachhaltigkeit im Finanzmarkt etablieren wird und Greenwashing-Vorwürfen entgegenwirken kann. Das betrifft Anbieter nachhaltiger Finanzprodukte, aber auch Akteure der öffentlichen Hand, die nachhaltige Projekte fördern.
Themen: Finanzmärkte , Klimapolitik , Verbraucher