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Einsatz des neuen EZB-Notfallprogramms TPI bisher nicht erforderlich

DIW Wochenbericht 40 / 2022, S. 511-519

Kerstin Bernoth, Sara Dietz, Gökhan Ider, Rosa María Lastra

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  • Straffere Geldpolitik im Euroraum lässt Anleihezinsen in hochverschuldeten Staaten stärker steigen als in Deutschland
  • EZB will im Fall einer riskanten Eskalation mit Notfallprogramm Transmission Protection Instrument (TPI) gegensteuern
  • Schätzmodell untersucht Treiber der unterschiedlichen Zinsentwicklung
  • Bisher keine Marktirrationalitäten zu erkennen: Zinsen werden durch länderspezifische Fundamentaldaten und allgemeine Risikobewertung getrieben
  • TPI gibt aus rechtlicher Sicht Anlass zu Bedenken; EZB sollte Ausgestaltung definieren und absichern

„Seitdem die EZB die Geldpolitik strafft, sind in einzelnen Ländern die Renditen für Staatsanleihen zwar gestiegen. Bislang entwickeln sie sich aber entlang der Fundamentaldaten der jeweiligen Euro-Länder. Marktübertreibungen sind nicht zu erkennen.“ Kerstin Bernoth

Seit Anfang 2022 normalisiert sich die Geldpolitik im Euroraum schrittweise. Infolgedessen steigen die Anleiherenditen hoch verschuldeter Länder wie Italien und Griechenland stärker als die von Ländern mit niedrigerer Verschuldung, wie beispielsweise Deutschland – eine Entwicklung, die als Fragmentierung des Anleihemarktes bezeichnet wird. Um eine einheitliche Wirksamkeit der Geldpolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung und letztendlich die Preisentwicklung in allen Euro-Mitgliedstaaten sicherzustellen, hat der Rat der Europäischen Zentralbank im Juli dieses Jahres das Transmissionsschutzinstrument TPI angekündigt. Es soll ermöglichen, selektiv Staatsanleihen von Ländern zu kaufen, deren Zinsanstieg als nicht durch makroökonomische Fundamentaldaten gerechtfertigt angesehen wird, um so ein ungeordnetes Auseinanderdriften der Zinsniveaus zwischen den Ländern zu verhindern. Der vorliegende Bericht untersucht dieses neue geldpolitische Instrument unter wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten. Modellschätzungen zeigen, dass die Renditespannen zwischen Anleihen der Euro-Länder bisher nicht als ungeordnet oder ungerechtfertigt bezeichnet werden können; die Zinsanstiege sind durch makroökonomische Fundamentaldaten und strengere allgemeine Risikobewertungen zu erklären. Daher sind die TPI-Anforderungen bisher nicht erfüllt. Aus rechtlicher Sicht gibt TPI Anlass zu Bedenken.

Angesichts der seit Mitte 2021 stetig steigenden Inflation im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) Ende 2021 begonnen, eine Normalisierung ihrer Geldpolitik zu signalisieren. Bis Mitte dieses Jahres folgte eine graduelle Beendigung der Nettoankäufe von Wertpapieren. Darüber hinaus wurden die Leitzinsen im Juli um 50 Basispunkte und im September um weitere 75 Basispunkte angehoben. In Reaktion auf die fortschreitende geldpolitische Normalisierung stiegen die Anleiherenditen aller Länder, jedoch stärker in hoch verschuldeten Ländern wie Italien, Griechenland, Portugal und Spanien als in Kernländern wie Deutschland und Frankreich. Diese Entwicklung wird als Fragmentierung des Anleihemarktes bezeichnet (Abbildung 1). Das bedeutet, dass sich die geldpolitische Straffung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich auswirkt. In den hoch verschuldeten Ländern wirkt der geldpolitische Kurs restriktiver und damit wachstums- und preisdämpfender als in den Mitgliedsländern mit niedrigeren Schuldenquoten. Damit ist die Transmission oder Übertragung der Geldpolitik also nicht einheitlich.

Angesichts der heterogenen Entwicklung der Anleiherenditen gibt es unter den Zentralbanken und an den Finanzmärkten Befürchtungen, dass ähnlich wie in der Euro-Schuldenkrise ab 2010 die Integrität des Euroraums und die einheitliche europäische Geldpolitik gefährdet werden könnten. Um diesen Risiken entgegenzuwirken, hat die EZB im Juni und Juli dieses Jahres Tilgungsbeträge aus Käufen von Anleihen der Kernländer im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) verwendet, um sie in Anleihen von Peripherieländern, insbesondere Italien und Spanien, zu reinvestieren (Abbildung 2). Dies steht im Einklang mit der Ankündigung der EZB, dass die Flexibilität bei der Reinvestition im Rahmen des PEPP die erste Verteidigungslinie gegen aus der Pandemie resultierende Fragmentierungsrisiken sein wird.infoEuropäische Zentralbank (2022): The Transmission Protection Instrument. Pressemitteilung vom 21. Juli (online verfügbar, abgerufen am 19. September 2022. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben). Es besteht jedoch das Risiko, dass die Höhe der PEPP-Tilgungsbeträge nicht ausreicht, sollte die Dynamik der Renditedivergenz zwischen den Anleihen der Euro-Mitgliedstaaten ähnlich wie während der europäischen Schuldenkrise 2010 bis 2012 an Fahrt gewinnen.

Aus diesem Grund sah sich die EZB veranlasst, auf den Finanzmärkten ein Machtwort zu sprechen, um Spekulationen über immer weiter auseinanderdriftende Anleiherenditen zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Am 21. Juli 2022 kündigte die EZB mit dem Transmissionsschutzinstrument (TPI) ein neues Instrument an, das „sicherstellen [soll], dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolgt“, während die EZB die Normalisierung ihrer Politik fortsetzt. Das TPI wird ein neues Instrumentarium sein und kann aktiviert werden, „um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen“.infoEuropäische Zentralbank (2022), a.a.O.

Das TPI ermöglicht der EZB den Ankauf von Wertpapieren am Sekundärmarkt, vorwiegend Staatsanleihen, gegebenenfalls auch Wertpapiere des privaten Sektors. Voraussetzung für ein solches Eingreifen ist, dass sich die Finanzierungsbedingungen in einem Land stärker verschlechtert haben, als dies durch die Entwicklung der länderspezifischen Fundamentaldaten, wie zum Beispiel der Staatsverschuldung, gerechtfertigt wäre.

Die Ankündigung des TPI erinnert an das Verhalten der EZB, als sie im August 2012 im Zuge der Euro-Schuldenkrise das Notfallprogramm Outright Monetary Transactions (OMT) bekanntgab (Kasten). Schon die Möglichkeit, solche Transaktionen durchzuführen, beruhigte die Märkte und das Instrument kam bisher nicht zum Einsatz. Die aktuelle Ankündigung eines weiteren Programms hat eine lebhafte Debatte unter Akademiker*innen, Zentralbanker*innen und der breiten Öffentlichkeit ausgelöst. Neben Befürworter*innen gibt es auch kritische Stimmen, die unter anderem bezweifeln, dass weitere Ankäufe von Vermögenswerten angesichts der steigenden Inflation aus wirtschaftlicher Sicht der richtige Weg sind, und die darüber hinaus das TPI aus rechtlichen Gründen in Frage stellen. Dieser Wochenbericht analysiert die wirtschaftlichen und konzeptionellen Aspekte des TPI.infoDieser Wochenbericht basiert auf einer Studie, die die Autor*innen auf Ersuchen des Ausschusses für Economics and Monetary Affairs (ECON) des Europäischen Parlaments im Vorfeld des monetären Dialogs mit der EZB-Präsidentin am 26. September 2022 erstellt haben: Kerstin Bernoth, Sara Dietz, Gökhan Ider und Rosa María Lastra (2022): The ECB’s Transmission Protection Instrument: A Legal & Economic Analysis. Publication for the committee on Economic and Monetary Affairs. Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, European Parliament, Luxembourg (online verfügbar).

Das im Juli 2022 angekündigte Transmission Protection Instrument TPI weist relevante Ähnlichkeiten mit dem in der Euro-Schuldenkrise 2012 angekündigten Notfallprogramm Outright Monetary Transactions (OMT) auf (Tabelle), das der EZB auch heute noch als mögliches geldpolitisches Instrument zur Verfügung steht. Beide Programme verfolgen das Ziel, die Einheitlichkeit der Geldpolitik zu gewährleisten, indem sie Verzerrungen bei der geldpolitischen Transmission entgegenwirken, die sich aus den steigenden Renditeaufschlägen bei Staatsanleihen bestimmter Mitgliedstaaten ergeben.

Tabelle: Unterschiede zwischen den beiden EZB-Notfallprogrammen Outright Monetary Transactions und Transmission Protection Instrument

OMT (2012) TPI (2022)
Selektivität Sekundärmarktkäufe von Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedstaaten Sekundärmarktkäufe von Wertpapieren, die in Ländern begeben wurden, in denen sich Finanzierungsbedingungen verschlechtert haben, ohne dass dies durch länderspezifische Fundamentaldaten gerechtfertigt ist
Förderfähigkeit/Voraussetzungen Strenge und wirksame Auflagen in Verbindung mit einem entsprechenden Programm der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität/Europäischer Stabilitätsmechanismus (EFSF/ESM). Vier Kriterien, die als „Input“ für eine Bewertung gelten: Einhaltung des finanzpolitischen Rahmens der EU, keine gravierenden makroökonomischen Ungleichgewichte, finanzpolitische Nachhaltigkeit sowie solide und nachhaltige makroökonomische Politik
Begrenzung der Käufe Keine quantitativen Grenzen Keine quantitativen Grenzen; das Volumen hängt von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab.
Behandlung von Gläubigern Die EZB wird genauso behandelt wie private oder andere Gläubiger Die EZB wird genauso behandelt wie private oder andere Gläubiger
Kaufparameter Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von ein bis drei Jahren. Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von ein bis zehn Jahren; gegebenenfalls (nach Ermessen der EZB) auch Ankauf von Wertpapieren des Privatsektors.
Bezug zum geldpolitischen Kurs Die durch die OMT geschaffene Liquidität wird vollständig sterilisiert. Die Ankäufe im Rahmen der TPI werden so durchgeführt, dass sie keine Auswirkungen auf den geldpolitischen Kurs haben; der EZB-Rat ist dafür verantwortlich, die Auswirkungen der TPI-Käufe auf das gesamte geldpolitische Schuldtitelportfolio des Eurosystems und die Höhe der Überschussliquidität zu prüfen.

Quelle: Eigene Darstellung.

Es gibt jedoch einige wesentliche Unterschiede bei den Qualifikationskriterien, den Erwerbsparametern und den Sterilisierungsmaßnahmen, also denjenigen Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich durch die Ankäufe die Geldbasis ändert und zu Überschussliquidität im Bankensektor führt. Die Zulassungskriterien des TPI sind wesentlich weniger anspruchsvoll als die Anforderungen der OMT und dienen lediglich als Entscheidungshilfe für den EZB-Rat.infoOMT macht Käufe davon abhängig, dass die Mitgliedstaaten die Verpflichtungen eines Hilfsprogramms der EFSF oder des ESM erfüllen, die sich auf die allgemeine Wirtschafts-, Sozial- und insbesondere Finanzpolitik der Mitgliedstaaten beziehen. Die EZB hat also einen Ermessensspielraum bei der Abwägung und Gewichtung dieser Kriterien. Während sich das im Jahr 2012 angekündigte Notfall-Programm OMT auf den Ankauf von Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit konzentriert, sollen im Rahmen des TPI vor allem Vermögenswerte mit längerer Laufzeit gekauft werden und der Ankauf auch auf Wertpapiere des privaten Sektors ausgeweitet werden dürfen. Außerdem ist die TPI-Pressemitteilung in Bezug auf die Sterilisierung der Ankäufe von Vermögenswerten weniger deutlich als die OMT-Verordnung. Alles in allem bieten diese Unterschiede der EZB mehr Flexibilität und Ermessensspielraum bei der möglichen Umsetzung des TPI.

Fundamentaldaten und Risikobewertung bestimmen Anleiherenditen

Mit der Entscheidung über eine Aktivierung des TPI steht dem EZB-Rat eine große Herausforderung bevor. Es ist an ihm festzustellen, ob der beobachtete Anstieg der Anleiherenditen mit einem Problem zusammenhängt, das in die Verantwortlichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats fällt, oder ob er auf einem Marktversagen beruht, das gemäß dem rechtlichen und operationellen Rahmen der EZB in deren geldpolitischer Zuständigkeit liegt. Daher ist es für Entscheidungsträger*innen wichtig, die treibenden Kräfte für Renditedifferenzen bei Staatsanleihen im Euroraum zu verstehen.

In der Fachliteratur herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass länderspezifische Risikofaktoren und internationale Faktoren wie die Risikoaversion der Anleger*innen die Renditen von Staatsanleihen bestimmen.infoFür eine ausführlichere Literaturübersicht siehe Kerstin Bernoth, Jürgen von Hagen und Ludger Schuknecht (2012): Sovereign risk premiums in the European government bond market. Journal of International Money and Finance 31 (5), 975-995; Kerstin Bernoth und Burcu Erdogan (2012): Sovereign bond yield spreads: A time-varying coefficient approach. Journal of International Money and Finance 31 (3), 639-656. Für eine aktuelle Sicht auf die Fragmentierung von Anleihen siehe Ignazio Angeloni und Daniel Gros (2022): How can the ECB deal with the risk of fragementation?. CEPS Policy Insights Nr. 2022-27, Juli (online verfügbar). Inwieweit eine Veränderung der Renditespanne auf eine Veränderung der makroökonomischen Fundamentaldaten, wie beispielsweise die Haushaltslage eines Landes, zurückzuführen ist und inwieweit sie lediglich eine veränderte Bewertung der Fundamentaldaten widerspiegelt, ist Gegenstand dieses Berichts. Dazu wird ein additives nicht-parametrisches Panelmodell mit festen Effekten geschätzt.infoVgl. Bernoth und Erdogan (2012), a.a.O. Diese Analyse kann zwar keine eindeutige Antwort auf die Frage geben, ob die Marktanpassungen bei der Höhe der Staatsanleiherenditen ungerechtfertigt sind oder nicht, sie liefert jedoch Hinweise auf deren zugrundeliegenden Treiber und ermöglicht eine Bewertung des aktuellen Niveaus der Risikoprämien im Vergleich zu früheren Krisenzeiten.

Die Datenstichprobe beinhaltet die Renditen der Staatsanleihen von zehn Mitgliedstaaten des Euroraums: Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien und umfasst den Zeitraum von Januar 2001 bis Juni 2022. Die Renditeabstände der einzelnen Länder werden als Differenz ihrer zehnjährigen Benchmark-Anleihen gegenüber der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe berechnet. Zur Schätzung des Kreditrisikos fungieren die Variablen, die die fiskalische Situation eines Landes messen, nämlich die Schuldenquote und die erwartete Defizitquote (zwölf Monate im Voraus). Als Maß für das Liquiditätsrisiko der Anleihen wird die Bid-Ask-Spanne verwendet, also die Differenz zwischen An- und Verkaufskurs. Alle drei Variablen werden in Differenzen zum Referenzland Deutschland ausgedrückt. Darüber hinaus wird die Marge für die Rendite von US-Unternehmensanleihen mit niedriger Bonität als Indikator für die Risikoaversion der Anleger*innen verwendet, da dieses Maß die allgemeine Unsicherheit auf dem Markt widerspiegelt. Hohe Renditen sind ein Zeichen für eine höhere allgemeine Risikowahrnehmung und eine niedrigere Risikobereitschaft in globalen Märkten.

Globale Risikoaversion und Schuldenquote erklären Renditeunterschiede bei Staatsanleihen

Die Risikoaversion der Anleger spielt bei der Erklärung der Renditeunterschiede bei Staatsanleihen im Euro-Währungsgebiet insgesamt eine signifikante Rolle, wie die Modellergebnisse zeigen (Abbildung 3, links oben). Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist der Koeffizient für den Renditeabstand von US-Unternehmensanleihen positiv, was darauf hindeutet, dass, wenn die globale Risikoaversion zunimmt, auch die Zinsdifferenzen zwischen den Ländern des Euroraums und Deutschland steigen.

Zu Zeiten der Euro-EinführunginfoAls Referenzjahr wird hier 2001 gewählt, weil in diesem Jahr Griechenland dem Euroraum beitrat. spielte die globale Risikoaversion zunächst nur eine geringe Rolle bei der Erklärung des Zinsgefälles zwischen den Mitgliedstaaten. Mit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 und noch deutlicher während der Schuldenkrise im Euroraum ab 2010 nahm der Einfluss der globalen Risikoaversion auf die Zinsdifferenzen im Euroraum drastisch zu und schwächte sich erst mit dem Beginn der quantitativen Lockerung durch die EZB im Jahr 2015 wieder ab. Seither verharrt der Einfluss jedoch auf einem deutlich höheren Niveau als in der Zeit vor der Finanzkrise. Dies zeigt, dass die Finanzmärkte Deutschland insbesondere in Krisenzeiten den Status eines sicheren Hafens zuschreiben und deutsche Staatsanleihen gegenüber Anleihen anderer Euro-Länder bevorzugen, was deren Renditen und damit die Renditedifferenz steigen lässt.

Zu Beginn der Währungsunion nahmen die Finanzmärkte Unterschiede in der Staatsverschuldung im Allgemeinen deutlich wahr und preisten sie in den Anleiherenditen ein (Abbildung 3, rechts oben). Diese marktdisziplinierende Wirkung ließ jedoch in den Folgejahren nach und verschwand zunächst ab 2005 sogar ganz. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2008 und der europäischen Schuldenkrise im Jahr 2010, als die Finanzmärkte sich um die Tragfähigkeit der griechischen, irischen und portugiesischen Schulden zu sorgen begannen, berücksichtigten die Märkte die Staatsverschuldung bei ihrer Bewertung wieder, und das stärker als je zuvor. Eine Zunahme der Staatsschuldenquote wurde mit hohen Zinsaufschlägen abgestraft.

Mit der Ankündigung des Programms für die Wertpapiermärkte (Securities Market Programme, SMP) im Mai 2010 verlor der Schuldenstand schlagartig seinen Einfluss auf die Renditespannen bei Anleihen. Der geschätzte Koeffizient wird ab diesem Zeitpunkt unbedeutend oder gelegentlich sogar deutlich negativ. Diese Dynamik wurde nach Mario Draghis berühmter „Whatever it takes“-Rede und der Ankündigung geldpolitischer OMT-Geschäfte im Sommer 2012 noch deutlicher. Als sich die europäischen Anleihemärkte allmählich beruhigten, wurde die Marktdisziplin bis Ende 2014 auf den Kopf gestellt: Die Zinsdifferenz gegenüber deutschen Staatsanleihen sank, wenn die Staatsschuldenquoten stiegen.

Seit Anfang 2015 ähnelt der geschätzte Koeffizient eher einem Auf- und Abwärtsmuster, was durch die schwankenden Erwartungen einer geldpolitischen Normalisierung und eines Ausstiegs aus der expansiven Geldpolitik erklärt werden kann. Mit der sich abzeichnenden geldpolitischen Normalisierung ab Ende 2021 steigt der Einfluss des Schuldenstands stetig an und ist seit Februar (nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine) wieder signifikant positiv.

Dies bedeutet, dass die Finanzmärkte wieder Marktdisziplin ausüben: Euro-Staaten mit höheren Schulden zahlen mehr Zinsen für ihre Staatsanleihen als Länder mit geringen Schulden. Überreaktionen sind hier aber bisher nicht zu erkennen. Im Vergleich zur Krise ab 2010 ist die Steigerung noch moderat und eher mit derjenigen zu Beginn der Währungsunion vergleichbar. Das Ergebnis deutet vielmehr auf eine Normalisierung hin, der zufolge die Finanzmärkte die fiskalische Situation eines Landes wieder bei der Bewertung des Ausfallrisikos berücksichtigen.

Während die Finanzmärkte den Schuldenquoten Beachtung schenken, scheinen sie allerdings Unterschiede im Defizit zu ignorieren (Abbildung 3, links unten). Der prognostizierte Defizitabstand zwischen den Euro-Ländern und Deutschland spielt keine Rolle für die Höhe der Zinsdifferenzen; der Koeffizient schwankt die meiste Zeit um Null und ist – mit wenigen Ausnahmen – nicht signifikant. Und auch eine Liquiditätsprämie ist für die Erklärung der Renditedifferenzen bei Anleihen im Euroraum nicht von großer Bedeutung (Abbildung 3, rechts unten).

Bislang keine Anzeichen für Marktirrationalität

Es ist nicht möglich zu beziffern, welches Niveau der Anleiherenditen durch länderspezifische Fundamentaldaten tatsächlich gerechtfertigt wäre. Man kann allerdings die aktuelle Entwicklung der Staatsanleihezinsen mit der in früheren Zeiträumen vergleichen, in denen die Risikoeinschätzung als angemessen erscheint. Dadurch können ungerechtfertigte Zinsentwicklungen identifiziert werden. Gewählt wurde Januar 2001. Zu Vergleichszwecken wird auch der steile Anstieg der Renditeunterschiede einiger Euro-Mitgliedstaaten im Juni 2012 betrachtet, der als nicht durch länderspezifische Fundamentaldaten gerechtfertigt gilt. Damals intervenierte die EZB auf dem Anleihemarkt, indem sie das OMT-Programm ankündigte. Dieser Zeitraum bietet sich also zum Vergleich mit der heutigen Situation an.

Die Veränderung der Renditedifferenzen wird im Modell in zwei Teile zerlegt, in dem jeweils eine Komponente unverändert bleibt: Der erste Teil stellt die Veränderung der Zinsspanne dar, die sich ergibt, wenn die Finanzmärkte das Risiko, das sich aus den makroökonomischen Fundamentaldaten ergibt, mit den gleichen Maßstäben bewerten würden wie 2001 (grüne Balken); der zweite Teil gibt die Veränderung der Zinsspanne an, die sich ergeben würde, wenn die makroökonomischen Fundamentaldaten auf dem Niveau von Anfang 2001 liegen würden, aber die jeweils aktuelle Risikobewertung vorliegt (braune Balken). Daraus lässt sich ablesen, ob eine Veränderung der Fundamentaldaten oder eine veränderte Risikobeurteilung dieser ausschlaggebend für die Veränderung der Zinsspanne waren (Abbildung 4).

Betrachtet man den Anstieg der Anleiherenditen im Jahr 2012, so lässt sich der größte Teil auf eine strengere Risikobewertung zurückführen (Abbildung 4, links). Hätte sich diese nicht verändert, wären die Anleiherenditen trotz verschlechterter Fundamentaldaten nur wenig gestiegen.

Darüber hinaus zeigt sich, dass das Modell die tatsächliche Entwicklung der Anleiherenditen im Jahr 2012 insgesamt recht gut abbildet (orangene Punkte); die einzige große Ausnahme ist Griechenland. Der Renditeabstand griechischer Anleihen stieg während der europäischen Schuldenkrise um rund 20 Prozentpunkte stärker an, als es das Modell vorhergesagt hätte. Dieser Ausreißer bedeutet, dass die Finanzmärkte für griechische Staatsanleihen eine viel höhere Rendite verlangten als für die anderer europäischer Länder. Wie auch die EZB zum damaligen Zeitpunkt argumentierte, ist dieser Anstieg der Renditespannen bei griechischen Anleihen wohl nicht die Folge schlechterer Fundamentaldaten oder einer strengeren Risikobewertung. Ein Teil des Anstiegs spiegelt höchstwahrscheinlich auch das Risiko eines Austritts Griechenlands aus dem Euroraum wider.

Vergleicht man die seit Anfang 2022 beobachteten Anleiherenditen mit den Anleihepreisen Anfang der 2000er Jahre, kommt man zu dem Schluss, dass der Anstieg in den südlichen Euro-Ländern Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien zwischen 2001 und 2022 größtenteils auf eine Verschlechterung der makroökonomischen Fundamentaldaten, vor allem der Schuldenquote, zurückzuführen ist (Abbildung 4, rechts).

Im Gegensatz zum Jahr 2012 deuten die Modellergebnisse darauf hin, dass derzeit keine größeren Ausreißer zu beobachten sind, bei denen einige Länder eine Anleiherendite zahlen, die deutlich über den Vorhersagen des Modells liegt, wie es damals in der Schuldenkrise bei Griechenland der Fall war. Bislang sind die Zinsdifferenzen also auf die makroökonomischen Fundamentaldaten des jeweiligen Mitgliedstaats und einen Anstieg der allgemeinen Risikoaversion zurückzuführen und nicht das Ergebnis von Marktübertreibungen.

Informationen zum TPI ungenau und intransparent

Ungeachtet der Frage, ob TPI bereits zum Einsatz kommen müsste, reißt die Kritik daran nicht ab. Die Kritikpunkte sind vielfältig und betreffen zum einen die Abgrenzung zum Vorläuferprogramm OMT (Kasten) und zum anderen die unklare Ausgestaltung und die rechtliche Zulässigkeit des Programms. Der rechtliche und operative Rahmen einer Zentralbank ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass sie eine unabhängige und unpolitische Institution und damit glaubwürdig bleibt. Im Folgenden werden sechs Kritikpunkte am TPI aufgegriffen.infoEine ausführlichere Analyse des TPI aus juristischer Perspektive ist in Bernoth, Dietz, Ider und Lastra (2022), a.a.O. zu finden.

Monetäre Staatsfinanzierung

Der EuGH hat Leitlinien für die Vereinbarkeit von Staatsanleihekäufen mit den Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere dem Verbot der monetären Finanzierung, aufgestellt.infoUm die Konformität mit Art. 123 AEUV zu gewährleisten, muss die EZB sicherstellen, dass die Ankäufe für die Marktteilnehmer nicht vorhersehbar sind, dass die Mitgliedstaaten nicht damit rechnen können, dass ihre Anleihen von der EZB bis zur Fälligkeit gehalten werden, und somit sicherstellen, dass der Preisbildungsmechanismus des Marktes und der Anreiz zur Haushaltsdisziplin bestehen bleiben. Zeitliche Verzögerungen zwischen der Emission und den Käufen sowie de facto quantitative Beschränkungen der Käufe sind wesentliche Kriterien, um diese Anforderungen zu gewährleisten, vgl. Phedon Nicolaides (2022): The ECB’s new “Transmission Protection Instrument”: Discretion & Proportionality VS Transparency. EU Law Life, Weekend Edition, Nr. 110, 30. Juli. Die TPI-Pressemitteilung schweigt jedoch zu den Parametern, die für diese Leitlinien entscheidend sind, um zu bestimmen, ob Marktpreismechanismen aufrechterhalten werden. Die EZB muss die Parameter des TPI in diesen Punkten konkretisieren, damit sie vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft werden können.

Spagat zwischen Mandat der Preisstabilität und Einheitlichkeit der geldpolitischen Transmission

Derzeit versucht die EZB, die steigende Inflation durch Zinserhöhungen einzudämmen. Dies bringt die EZB in eine erhöhte Rechtfertigungspflicht zu erklären, wie weitere Ankäufe von Vermögenswerten – eine expansive Geldpolitik – in den allgemeinen geldpolitischen Kurs der Inflationsbekämpfung passen. Es gleicht der Quadratur des Kreises, wenn die EZB einerseits versucht, die Anleihezinssätze für einige Mitgliedstaaten durch TPI zu senken, während sie andererseits die Leitzinssätze als Reaktion auf die steigende Inflation erhöht. Der EZB-Rat erklärt, dass er sich mit den Auswirkungen der TPI-Käufe auf die Höhe der Überschussliquidität, also der Liquidität im Bankensystem, die über den Bedarf der Banken hinausgeht, befassen wird. Er stellt aber gleichzeitig fest, dass der Umfang der Ankäufe von Vermögenswerten nicht im Voraus festgelegt wird, sondern von der Höhe der Risiken für die geldpolitische Übertragung abhängt. Es stellt sich die Frage, welche der beiden Überlegungen die vorrangige ist. Und würden sie in einem Szenario, in dem der Umfang der Überschussliquidität für eine Beendigung der Käufe spricht, während die anhaltenden schwerwiegenden Risiken für die geldpolitische Transmission für eine Fortsetzung der Käufe sprechen, unterschiedliche Maßnahmen treffen?

Damit Wertpapierkäufe im Rahmen des TPI mit dem derzeit restriktiveren geldpolitischen Kurs zur Inflationsbekämpfung vereinbar sind, sind bei großen Ankaufsvolumina Sterilisierungsmaßnahmen wichtig.infoSterilisierung von Wertpapierkäufen bedeutet, dass eine Zentralbank gleichzeitig andere Wertpapiere verkauft, um eine Ausweitung der Zentralbankgeldmenge zu verhindern. Damit soll sichergestellt werden, dass der geldpolitische Kurs unverändert bleibt, während die Rendite ausgewählter Anleihen selektiv nach unten gedrückt wird. Doch die Pressemitteilung lässt diese Maßnahmen im Vagen (Tabelle im Kasten).

Bewertung der Zulassungskriterien

Die Aktivierung von TPI erfordert eine solide und nachhaltige Haushalts- und Wirtschaftspolitik, wie aus den in der Pressemitteilung erläuterten Zulassungskriterien hervorgeht. Der institutionelle Aufbau der EZB ist jedoch nicht für eine Beurteilung dieser Kriterien geeignet. Die Überwachung der Einhaltung der finanzpolitischen Regeln und die letztendliche Ermessensentscheidung darüber, ob ein Mitgliedstaat die Anforderungen an eine solide und nachhaltige Finanz- und Wirtschaftspolitik ausreichend erfüllt, kann die EZB politischem Druck aussetzen und ihre Unabhängigkeit gefährden.

Die Entscheidung, ob die EZB selbst eine solche Bewertung vornehmen oder diese in die Zuständigkeit externer Stellen (zum Beispiel des Europäischen Stabilisierungsmechanismus und des Internationalen Währungsfonds) fallen sollte, ist daher eine wichtige Frage, die noch zu klären ist.

Fehlende Begründung und Details

Weitere Kritikpunkte am TPI sind die unzureichende Begründung und fehlenden Details in der Presseerklärung. So ist beispielsweise das Verständnis von „ungerechtfertigter, ungeordneter Marktdynamik“ sehr schwammig. Die EZB sollte ihre Methode, ihren Maßstab, ihre Kriterien und ihren Bewertungsprozess erläutern und begründen, da eine solche Bewertung entscheidend dafür ist, dass die EZB ihr Mandat nicht überstrapaziert. Zudem sind, wie bereits erwähnt, die Bestimmungen darüber, wie der EZB-Rat die aufgelisteten Zulassungskriterien als Input für seinen Entscheidungsprozess verwenden wird, sehr unspezifisch.

Zwar sollten Zentralbanken über einen Ermessensspielraum verfügen, doch wird dieser durch einen normativen Rahmen eingeschränkt, der sicherstellt, dass unabhängige Zentralbanken innerhalb ihres gesetzlichen Mandats bleiben. Wie der EuGH ebenfalls feststellte, entbindet der Ermessensspielraum die EZB nicht von bestimmten rechtlichen Anforderungen an die Art und Weise, wie dieser ausgeübt wird.

Ungeklärte Risiko- und Verlustverteilung

Ein äußerst sensibles Thema ist die Risiko- und Verlustverteilung, die aber in der Pressemitteilung nicht angesprochen wird. SMP und OMT, die beiden Vorläufer des TPI, basieren auf einer Verlustvergemeinschaftung, so dass alle nationalen Zentralbanken die Verluste aus dem Ankauf ausgewählter Staatsanleihen gemäß dem Kapitalzeichnungsschlüssel zu tragen hätten. Auch wenn die Geheimhaltung solcher Entscheidungen rechtlich zulässig ist, sollte die EZB angesichts ihrer Rechenschaftspflicht solche Informationen offenlegen, um sicherzustellen, dass ihre unabhängigen Entscheidungen vom Europäischen Parlament auch im Hinblick auf die Risiko- und Verlustverteilung überprüft werden können.

Abgrenzung zu anderen Programmen

Zwei alternative Programme zum Ankauf von Vermögenswerten stehen derzeit zur Verfügung, um den Risiken, dass eine wirksame geldpolitische Transmission nicht stattfindet, entgegenzuwirken: das Pandemie-Notfallprogramm PEPP und das in der Schuldenkrise angekündigte OMT. Die Flexibilität bei der Reinvestition fällig werdender Wertpapiere im PEPP bleibt die erste Verteidigungslinie, um Risiken für die geldpolitische Transmission im Zusammenhang mit der Pandemie entgegenzuwirken. Es ist jedoch unklar, wie die EZB entscheiden wird, wann Risiken für die geldpolitische Transmission aus der Pandemie resultieren und wann sie in den Aufgabenbereich des TPI fallen. Das Gleiche gilt für OMT. Der EZB-Rat stellt klar, dass TPI das OMT-Programm nicht obsolet macht und dass es im Ermessen der EZB liegt, OMT für die Mitgliedstaaten durchzuführen, die die entsprechenden Kriterien erfüllen. Aber könnte die EZB auch beschließen, TPI für ein Land zu aktivieren, das theoretisch die OMT-Kriterien erfüllt? Wenn ja, würde dies bedeuten, dass das TPI mit seinen „OMT-light“-Zulassungskriterien den Mitgliedstaaten eine Möglichkeit bieten könnte, die wesentlich härteren OMT-Bedingungen zu umgehen.

Die in der Pressemitteilung enthaltenen Leitlinien lassen diese und andere Fragen hinsichtlich der Abgrenzung von TPI zu den anderen Programmen unbeantwortet. Um Verwirrung bei den Marktteilnehmer*innen zu vermeiden und ihrer Pflicht nachzukommen, über ihre Maßnahmen Rechenschaft abzulegen, sollte die EZB diese drei Programme besser voneinander abgrenzen und ihr Zusammenspiel erklären.

Fazit: Die EZB sollte zunächst offene rechtliche Fragen klären und die Wirtschafts- und Finanzpolitik in die Pflicht nehmen

Die Analyse zeigt, dass die aktuellen Renditeunterschiede bei Anleihen noch nicht als ungeordnet oder ungerechtfertigt bezeichnet werden können und sich bisher nicht von den makroökonomischen Fundamentaldaten abgekoppelt haben. Vielmehr haben sie bisher ihren Ursprung in den makroökonomischen Fundamentaldaten des jeweiligen Mitgliedstaates und in der Zunahme der allgemeinen Risikoaversion. Daher erfüllen die Staatsanleihen der Euro-Mitgliedstaaten derzeit nicht die in der TPI-Pressemitteilung festgelegten Anforderungen für Käufe am Sekundärmarkt. Dies kann sich jedoch schnell ändern, da sich die Risikowahrnehmung und die Herdendynamik auf den Finanzmärkten rasch ändern können. Die EZB sollte dies im Blick haben.

Das TPI hat möglicherweise ebenso wie OMT schon allein durch seine Ankündigung die Märkte beruhigt und damit sein Ziel erreicht. Bevor es aber tatsächlich – falls nötig – aktiviert wird, sollten einige Merkmale und Parameter geklärt werden, die aus rechtlicher Sicht Anlass zu Vorbehalten geben. Ungeklärt sind zum Beispiel die Abgrenzung zu anderen Programmen sowie die Ausgestaltung und Kriterien des neuen Instruments. Bis diese Fragen geklärt sind, sollte das Eurosystem weiterhin auf bestehende Programme wie das PEPP und OMT zurückgreifen.

Ratsam wäre es aber auch, die nationalen Regierungen in die Pflicht zu nehmen und der Fragmentierung und steigenden Zinsdifferenzen mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken. Es ist nicht Aufgabe der EZB, die fehlende fiskalische Integration durch geldpolitische Maßnahmen zu kompensieren. Ebenso wenig ist es ihre Aufgabe zu verhindern, dass der Euroraum durch die unterschiedliche wirtschaftliche und fiskalische Situation seiner Mitgliedstaaten, die sich auf den Finanzmärkten widerspiegelt, auseinandergerissen wird. Es liegt in erster Linie in der wirtschaftspolitischen Verantwortung der Mitgliedstaaten – unilateral oder effektiver auf EU-Ebene innerhalb des bestehenden europäischen institutionellen und rechtlichen Rahmens – Maßnahmen zu ergreifen, um die steigende Staatsverschuldung und die wirtschaftlichen Einbrüche zu bekämpfen.

Gökhan Ider

Doktorand in der Abteilung Makroökonomie

Kerstin Bernoth

Vice Dean of Graduate Studies im Graduate Center



JEL-Classification: E42;E43;E52;E58;K20
Keywords: monetary policy transmission, asset purchase programmes, sovereign bond yield spreads, bond market fragmentation, Transmission Protection Instrument, bond market fragmentation
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-40-1

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