DIW Wochenbericht 3/4 / 2023, S. 42
Virginia Sondergeld, Erich Wittenberg
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Frau Sondergeld, bei der Zahl der Frauen in den Vorständen großer deutscher Unternehmen konnte 2021 ein etwas größerer Anstieg als in den Jahren zuvor verzeichnet werden. Wie hat sich der Frauenanteil in Vorständen im Jahr 2022 entwickelt? Nachdem es in den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland in den Vorständen von 2020 auf 2021 einen vergleichsweise großen Anstieg von ungefähr drei Prozentpunkten gab, hat sich die Dynamik im letzten Jahr wieder etwas verlangsamt. Der Frauenanteil in Vorständen hat nur noch um ungefähr einen Prozentpunkt auf nun rund 16 Prozent zugenommen.
Wie ist diese nachlassende Dynamik zu erklären? Die Bundesregierung hat eine Geschlechtermindestbeteiligung für Vorstände beschlossen: In den Vorständen der börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit einem mindestens vierköpfigen Vorstand muss seit August 2022 beim nächsten freiwerdenden Posten eine Frau beziehungsweise ein Mann berufen werden, sofern das jeweilige Geschlecht im Vorstand noch nicht vertreten ist. Diese Bestimmung haben viele Unternehmen bereits im Jahr 2021 antizipiert und eine Vorständin berufen. Dadurch war der Anstieg damals relativ groß. Danach haben die Unternehmen mit ihren Bemühungen aber offenbar schon wieder nachgelassen. Das kann allerdings nicht der einzige Grund für die jetzt wieder nachlassende Dynamik sein. Auch in Unternehmensgruppen wie den Banken, bei denen praktisch kaum Unternehmen von der Mindestbeteiligung betroffen sind, ging es mit Blick auf den Anteil der Vorständinnen 2022 nur noch um gut einen Prozentpunkt nach oben, während wir im Jahr davor noch einen Anstieg von über drei Prozent gesehen haben.
Sieht es bei den Vorständinnen in börsennotierten Unternehmen besser aus? Insbesondere in den DAX-40-Unternehmen blieb die Dynamik aus den vorherigen Jahren bestehen. Der Frauenanteil in Vorständen hat hier 2022 einen großen Sprung von 17,5 auf nun fast 22 Prozent gemacht. In den kleineren börsennotierten Unternehmen, die im MDAX und SDAX notiert sind, sehen wir aber eher eine Stagnation, wenn nicht sogar einen Rückgang auf etwa zwölf Prozent.
Wie hat sich der Anteil der Frauen unter den Vorstandsvorsitzenden entwickelt? Auch hier ist das Bild heterogen. Im DAX-40 haben wir, nachdem im Jahr zuvor die erste Vorstandsvorsitzende ernannt wurde, jetzt auch die zweite gesehen, mit zunächst Carla Kriwet bei Fresenius, die allerdings nach ein paar Monaten durch Helen Giza ersetzt wurde. In den anderen DAX-Gruppen gab es aber höchstens eine Stagnation, teilweise sogar Rückgänge mit Blick auf die Zahl von Frauen als Vorstandsvorsitzende.
Wie war die Entwicklung in den Aufsichtsräten? Wir konnten auch hier überwiegend nur kleine Zugewinne beim Frauenanteil beobachten, insgesamt sind in den Kontrollgremien anteilig aber deutlich mehr Frauen vertreten als in den Vorständen. Die Geschlechterquote für Aufsichtsräte, die ja bereits seit einigen Jahren gilt, hat dazu beigetragen.
Unternehmen mit Bundesbeteiligung hatten bislang einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen als privatwirtschaftliche Unternehmen. Konnte dieser Anteil gesteigert werden? Ja, neben den DAX-40 sind in der Tat die Unternehmen mit Bundesbeteiligung eine Gruppe, in der der Frauenanteil auch im Jahr 2022 wieder gesteigert werden konnte. In den Vorständen haben diese Unternehmen sogar erstmals die 30-Prozent-Marke geknackt. Man muss allerdings dazu sagen, dass Unternehmen mit Bundesbeteiligung nur bedingt mit großen Konzernen vergleichbar sind. Sie sind häufig kleiner und Berufungen in den Aufsichtsrat sind beispielsweise häufig an politische Mandate geknüpft.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Unternehmen, Gender, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-3-4
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/268705