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Der Emissionshandel braucht ein starkes Klimaschutzgesetz

Medienbeitrag vom 3. Mai 2023

Der Emissionshandel allein sei kein glaubwürdiges Instrument, um ausreichende Investitionen in den Klimaschutz anzureizen. Die Lenkungswirkung hoher CO2-Preise finde sich daher eher in ökonomischen Modellen als in der Realität, konstatieren Karsten Neuhoff und Mats Kröger vom DIW Berlin in ihrem Standpunkt. Eine Überbetonung des Potenzials von CO2-Preisen ohne flankierende Maßnahmen birgt deshalb das Risiko, dass effektiver Klimaschutz weiter aufgeschoben wird.

Nach der Entscheidung des Koalitionsausschusses gegen jährliche Emissionsziele für einzelne Sektoren wie Verkehr, Industrie und Gebäude werden wieder die alten Stimmen laut. Sie fordern, Klimapolitik solle vor allem durch einen starken Emissionshandel umgesetzt werden. Ihr Grundgedanke lautet: Wenn Minderungsziele nicht erreicht werden, steige der CO2-Preis und damit könne Deutschland mit der unsichtbaren Hand des Marktes die Ziele von Treibhausgasminderung und Klimaschutz erreichen.

Der Gastbeitrag ist am 3. Mai 2023 bei Tagesspiegel Background erschienen.

Das funktioniert jedoch nicht. Die Gaspreiskrise hat bereits gezeigt, dass Kostenanstiege besonders im Energiesektor große Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bergen. Während hohe Energiepreise für wohlhabende Haushalte nicht mehr als eine Unannehmlichkeit sind, belasten sie bestimmte Gruppen wie einkommensschwache Haushalte in schlecht gedämmten Wohnungen oder Pendler in Regionen ohne ausreichende Nahverkehrsanbindung stark. Einen moderaten Kostenanstieg kann die Bundesregierung noch mit einem Klimageld abfedern. Doch bei sehr hohen CO2-Preisen können Pauschalzahlungen keinen ausreichenden Ausgleich für diese besonders betroffenen Haushalte leisten.

CO2-Preiswirkung überzubetonen birgt Risiko des Aufschiebens

Die Politik hat in der Gaspreiskrise daher zurecht eingegriffen, als die Preisanstiege zu einer zu großen Belastung für die Bevölkerung und Wirtschaft wurden. Die Regierung hat die Energiepreise für 80 Prozent des Verbrauchs im Vorjahr abgesichert und kurzfristige Einsparanreize erhalten. Langfristig entstehen so jedoch keine ausreichenden Investitionsanreize. Eine ähnliche Intervention wäre auch bei starken Anstiegen der CO2-Preise zu erwarten. Der Emissionshandel ist daher allein kein glaubwürdiges Instrument, um ausreichende Investitionen in den Klimaschutz anzureizen.

Die Lenkungswirkung hoher CO2-Preise findet sich daher vermutlich eher in ökonomischen Modellen als in der Realität. Eine Überbetonung des Potenzials von CO2-Preisen ohne flankierende Maßnahmen birgt deshalb das Risiko, dass effektiver Klimaschutz lediglich weiter aufgeschoben wird.

Das Aufgeben der verbindlichen Sektorenziele ist vor diesem Hintergrund ein fatales Signal. Die Bundesregierung beschädigt so die Glaubwürdigkeit ihrer klimapolitischen Maßnahmen und Ziele.  Doch ohne diese Glaubwürdigkeit wird die Wirtschaft nicht in die Produktion von klimaschützenden Technologien investieren. Denn Unternehmen tätigen transformative Investitionen nur, wenn es für die grünen Produkte auch Absatzmärkte gibt. Das zeigt sich zum Beispiel im Gebäudebereich, in dem die Politik seit mehr als einem Jahrzehnt von einer Steigerung der energetischen Modernisierungsrate spricht. Die Ziele hatte sie jedoch nicht verbindlich gemacht. Jetzt zeigt sich, dass die notwendigen Produktions- und Handwerkerkapazitäten nicht aufgebaut wurden.

Es braucht verbindliche Ziele für die Transformation, damit Investoren Vertrauen haben in die Umsetzung von notwendigen Programmen und Maßnahmen. Hierzu gehören kurzfristig vor allem drei Punkte. Erstens ein klarer regulatorischer und finanzieller Rahmen für den geplanten Ausbau erneuerbarer Energien und diesen gleichzeitig zu nutzen für eine Absicherung der Verbraucher*innen gegen hohe Strompreise. Zweitens müssen regulatorische Rahmenbedingungen für den notwendigen Ausbau der Infrastruktur wie für die Wasserstoff-, Strom- und Wärmenetze und die öffentlichen Verkehrsnetze gesetzt werden und Unternehmen beim Aufbau einer klimaneutralen Produktion unterstützt werden. Und drittens muss der Staat eine ausreichende Anschubförderung von energetischen Gebäudesanierungen auf den Weg bringen und das Mietrecht weiterentwickeln, um einen Anstieg der Warmmieten zu vermeiden.

Geschwächte Glaubwürdigkeit bedeutet weniger Investitionen

Das Klimaschutzgesetz setzt den klaren Rahmen, in dem diese Maßnahmen wirken können. Monitoring und Transparenz ermöglichen zugleich der Zivilgesellschaft, den Medien und allen anderen Akteur*innen die Wirksamkeit politischer Maßnahmen zu kontrollieren. Sollte die Regierung diese Kontrolle ersatzlos streichen und gleichzeitig ihre selbstgesteckten Ziele verfehlen, schwächt das die Glaubwürdigkeit der klimapolitischen Ziele und damit auch den Rahmen für Investitionen in die Transformation.

Die Klimapolitiker der Regierungsfraktionen sollten dies nicht hinnehmen. Anstatt sich in identitätspolitischen Debatten über einzelne Maßnahmen zu verlieren, sollte die Bundesregierung einen Politikentwurf für die klimaneutrale und wirtschaftliche Transformation Deutschlands vorlegen. Für die Glaubwürdigkeit solch einer Transformations-Strategie sollten verbindliche Ziele für die wichtigen Veränderungsschritte in jedem Sektor benannt werden – vom Anteil der erneuerbaren Energien bis zur jährlichen Rate der energetischen Gebäudesanierung.

Die Ampelregierung deckt die gesellschaftliche Vielfalt ab, die für die gesellschaftliche Zustimmung und Akzeptanz der Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur notwendig ist. Der Emissionshandel allein kann die dafür notwendigen politischen Entscheidungen nicht ersetzen. Der Emissionshandel allein ist nicht glaubwürdig, sondern nur gemeinsam mit einem starken Klimaschutzgesetz wirksam.

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