DIW Wochenbericht 20 / 2023, S. 233-240
Tomaso Duso, Alexander Schiersch
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„Deutschland liegt bei der Nutzung von Cloud-Computing nur im europäischen Mittelfeld“ Alexander Schiersch
Cloud-Computing ist für Unternehmen eine kostengünstige und flexible Art der IT-Nutzung, ohne dass Investitionen in die eigene, teure und starre IT-Infrastruktur notwendig sind. Daher wird erwartet, dass die Nutzung von Cloud-Diensten sich in geringeren IT-Investitionen niederschlägt und zugleich die Produktivität erhöht. Ob dem tatsächlich so ist, wird mit Hilfe von aktuellen aggregierten Daten und speziellen Unternehmensdaten für die Jahre 2014 und 2016 nachgegangen. Es zeigt sich, dass die Verwendung von Cloud-Computing in keinem der untersuchten Wirtschaftszweige mit signifikant geringeren IT-Investitionen einhergeht. Allerdings findet sich für das Verarbeitende Gewerbe ein positiver Zusammenhang zwischen der Arbeitsproduktivität von Unternehmen und der Nutzung von Cloud-Computing. Um Chancen der Cloud-Technologie voll auszuschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten oder gar zu steigern, sollte der Staat die Rahmenbedingungen verbessern, unter anderem indem er den Ausbau der Breitbandinfrastruktur – wo notwendig – unterstützt. Darüber hinaus ist eine aufgeschlossenere Haltung gegenüber innovativen Technologien in Unternehmen und Gesellschaft notwendig.
Seit der Einführung des Cloud-Computing Service (Amazon Web Services, AWS) durch Amazon im Jahr 2006 ist diese Art der Nutzung von Software- und Hardwarelösungen, im allgemeinem mit IT-Lösungen umschrieben, explosionsartig gewachsen. Seitdem sind viele neue Anbieter in den Markt eingetreten, und eine rasant wachsende Zahl von Unternehmen nutzt IT-Lösungen, die in der Cloud angeboten werden. Laut einem Bericht der Synergy Research Group erreichte der globale Cloud-Markt im Jahr 2022 einen Umsatz von mehr als 500 Milliarden US-Dollar und wuchs damit im Vergleich zum Vorjahr um etwa 21 Prozent.Synergy Group (2023): Total Public Cloud Revenues Jumped 21 % in 2022 Surpassing $500 Billion Despite Economic Headwinds (online verfügbar, abgerufen am 4. Mai 2023. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht). Im Folgenden wird gezeigt, wie sich Cloud-Computing entwickelt hat, wie sich die Nutzung über die Unternehmen verteilt und ob es empirische Belege für einige der mit der Cloud-Nutzung erwarteten Veränderungen und Vorteile für Unternehmen gibt.Die hier dargestellten Ergebnisse basieren auf Tomaso Duso und Alexander Schiersch (2022): Let’s switch to the cloud: cloud adoption and its effect on IT investment and productivity. DIW Discussion Paper No. 2017 (online verfügbar). Das Diskussionspapier ist im Rahmen des Projektes Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland entstanden, das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima durchgeführt wird (online verfügbar).
Definitionen von Cloud-Computing des U.S. National Institute of Standards and Technology (NIST) und des Berkeley RAD Lab beschreiben Cloud-Computing als eine Dienstleistung, bei der die Nutzung von Soft- und Hardware über das Internet flexibel, mit geringem Aufwand und in (fast) unbegrenztem Umfang angeboten wird.OECD (2014): Cloud Computing: The Concept, Impacts and the Role of Government Policy. OECD Digital Economy Papers, 4 (online verfügbar). Es gibt im Wesentlichen drei Arten von Cloud-Dienstleistungen: erstens „Software as a Service“ (SaaS). Hier nutzen die Unternehmenskunden Softwarelösungen, die auf der Hardware des Cloud-Anbieters zur Verfügung stehen. Sie haben keinerlei Zugriff auf die zugrunde liegende Cloud-Infrastruktur und können auch die gebuchten Anwendungen nicht signifikant modifizieren.Peter Mell und Tim Grance (2011): The NIST Definition of Cloud Computing. NIST Special Publication, 800–145 (online verfügbar). Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von Microsoft 365. Die zweite Art der Nutzung wird als „Platform as a Service“ (PaaS) bereitgestellt. Hier nutzen die Unternehmen die verfügbare Infrastruktur für selbst erstellte oder gekaufte Softwarelösungen. Sie haben weiterhin keine Kontrolle über die zugrunde liegende Infrastruktur, dafür aber über die Software, deren Funktionsfähigkeit sie zudem selbst gewährleisten müssen. Ein Beispiel hierfür ist die App Engine von Google. Schließlich gibt es „Infrastructure as a Service“ (IaaS). Hier stellt das Cloud-Unternehmen die wichtigsten Computing-Ressourcen wie Verarbeitung, Speicherung und Netzwerke bereit.OECD (2014), a.a.O. Obwohl der Kern der zugrunde liegenden Infrastruktur immer noch nicht von den cloudnutzenden Unternehmen kontrolliert wird, haben sie Zugriff auf praktisch alle anderen Aspekte der Roh-Computing-Ressourcen, die sie nach Belieben nutzen können. Letztlich ist es so, als ob ein Teil der Kapazitäten eines Rechenzentrums gebucht würden. Was dort möglich ist – eigene Programme zu entwickeln oder laufen lassen, Back-ups zu speichern oder die Kommunikation abzuwickeln, um nur einige Beispiele zu nennen – ist den Unternehmen komplett selbst überlassen. In der Praxis sind die genannten Dienste in verschiedenen Konfigurationen verfügbar und Überschneidungen zwischen ihnen vorhanden.
Die Verwendung der Cloud funktioniert im Wesentlichen als „Pay as you go“-Service, bei dem Unternehmen nur für die IT-Kapazitäten und die IT-Lösungen bezahlen, die sie tatsächlich nutzen. Das bedeutet auch, dass Unternehmen (fast) jede benötigte IT-Lösung in beliebigem Umfang und zu jeder Zeit nutzen können, ohne (große) Vorabinvestitionen zu tätigen. Der Wegfall von bisher notwendigen IT-Investitionen wird als wesentlicher Vorteil von Cloud-Computing angesehen, der vor allem kleineren Unternehmen zugutekommen sollte.OECD (2014), a.a.O.; Wang Jin und Kristina McElheran (2019): Economics Before Scale: Survival and Performance of Young Plants in the Age of Cloud Computing. Rotman School of Management Working Paper No. 3112901 (online verfügbar); Peter Gal et al. (2019): Digitalisation and Productivity: In search of the Holy Grail – Firm-level Empirical Evidence from EU Countries. OECD Economics Department Working Papers, Febuary 2019, No. 1533 (online verfügbar); Timothy De Stefano, Richard Kneller und Jonathan Timmis (2020): Cloud Computing and Firm Growth. CESifo Working Paper No. 8306 (online verfügbar); Nicholas Bloom und Nicola Pierri (2018): Research: Cloud Computing is Helping Smaller, Newer Firms Compete. Harvard Business Review, August 31 (online verfügbar). In diesem Zusammenhang wird sogar von der Demokratisierung der IT-Nutzung durch Cloud-Computing gesprochen.Bloom und Pierri (2018), a.a.O.
Ein weiterer Vorteil von Cloud-Computing ist deren Skalierbarkeit. Die Unternehmen können die benötigten IT-Ressourcen schnell hoch- oder herunterfahren und somit immer zeitnah ihren tatsächlichen Bedürfnissen anpassen. Dies ermöglicht Effizienzgewinne. Der Verzicht auf eine eigene vollumfängliche IT-Infrastruktur in den Unternehmen löst auch ein weiteres Problem: Unternehmen müssen ihre IT-Kapazitäten bislang so wählen, dass sie auch mit Spitzenbelastungen fertig werden. Das hat zur Folge, dass die Kapazitäten überdimensioniert sein müssen, was wiederum höhere IT-Investitionen erforderlich macht.OECD (2014), a.a.O. Dies geht zudem mit höheren Kosten aufgrund von höheren Wartungsanforderungen und höherem Energieverbrauch einher. Es wird erwartet, dass Cloud-Computing derartige Ineffizienzen eliminiert.Eric Masanet et al. (2013): The Energy Efficiency Potential of Cloud-Based Software: A U.S. Case Study. Ernest Orlando Lawrence Berkeley National Laboratory (online verfügbar).
Unternehmen, die Cloud-Lösungen nutzen, profitieren des Weiteren davon, dass Cloud-Anbieter große Skaleneffekte generieren können, was wiederum ihre Betriebskosten erheblich senkt.Alexander Benlian und Thomas Hess (2011): Opportunities and Risks of Software-as-a-Service: Findings from a Survey of IT Executives. Decision Support Systems 51, 232–246 (online verfügbar). Auch wenn Cloud-Anbieter diese Kostenvorteile nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben, da sie einen Gewinn erzielen wollen, wird erwartet, dass die Betriebskosten für Cloud-Nutzer dennoch niedriger sind, als wenn sie ihre eigene IT-Infrastruktur betreiben würden.OECD (2014), a.a.O. Schließlich ermöglichen Cloud-Lösungen einen einfachen und kostengünstigen Zugang zu neuesten Technologien und Dienstleistungen. Es wird erwartet, dass dies das Wachstum und die Produktivitätsentwicklung von Unternehmen unterstützt.
Die Nutzung von Cloud-Computing durch Unternehmen hat in Europa seit der ersten EU-weiten Erhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen (IKT-Erhebung) hierzu im Jahr 2014 schnell und deutlich zugenommen (Abbildung 1). So gaben im Jahr 2014 etwa 18 Prozent aller Unternehmen in der Europäischen UnionWerte für die Europäische Union ohne Vereinigtes Königreich. an, dass sie kostenpflichtige Cloud-Dienste in Anspruch nehmen. Dieser Anteil wuchs innerhalb von vier Jahren um etwa sechs Prozentpunkte auf rund 24 Prozent im Jahr 2018. Die veränderten Arbeitsbedingungen infolge der COVID-Pandemie haben der Cloud-Nutzung zusätzlichen Schwung verliehen. So nahm der Anteil innerhalb von zwei Jahren um rund zwölf Prozentpunkte auf 36 Prozent im Jahr 2020 zu. Laut Eurostat betrug der Anteil der Unternehmen, die kostenpflichtige Cloud-Dienste nutzten, im zuletzt aktuellen Berichtsjahr 2021 europaweit bereits 41 Prozent.
Die Entwicklung der Cloud-Nutzung unter den deutschen Unternehmen verlief ähnlich wie im europäischen Durchschnitt. Zu Beginn der Beobachtungsperiode nahmen nur etwa elf Prozent der Unternehmen Cloud-Dienste in Anspruch und damit noch deutlich weniger als im europäischen Vergleich. Allerdings stieg der Anteil der Nutzer schnell an und betrug im Jahr 2018 schon rund 22 Prozent. Diese dynamische Entwicklung erhielt durch die COVID-Pandemie zusätzlichen Schwung, so dass im Jahr 2020 bereits jedes dritte Unternehmen hierzulande auf Cloud-Anwendungen setzte. Mit rund 42 Prozent im Jahr 2021 lag der Anteil der Cloud-Nutzer dann sogar leicht über dem europäischen Durchschnitt.
Ein Vergleich der EU-Länder untereinander zeigt, dass Cloud-Anwendungen sehr unterschiedlich verbreitet sind (Abbildung 2). Erwartungsgemäß ist die Nutzungshäufigkeit in den skandinavischen Ländern besonders hoch. In Schweden und Finnland werden Cloud-Dienste von drei Vierteln aller Unternehmen genutzt. Aber auch in den Niederlanden oder Italien lag der Anteil der Unternehmen mit 65 beziehungsweise 61 Prozent deutlich höher als hierzulande.
Die geringste Verbreitung haben Cloud-Dienste bisher in Bulgarien und Rumänien, wo sie im Jahr 2021 von etwa 13 beziehungsweise 14 Prozent der Unternehmen genutzt wurden. Eine im europäischen Vergleich geringe Nutzungshäufigkeit zeigt sich im gleichen Jahr auch in Frankreich und Spanien mit einem Anteil von rund 30 Prozent.
Hinsichtlich der Frage, welche Unternehmen Cloud-Computing nutzen und für welches Unternehmen es am ehesten sinnvoll ist, gibt es in der akademischen Literatur zwei divergierende Erwartungen. Es gibt zum einen die Sichtweise, dass insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen Cloud-Computing nutzen und von dieser Technologie profitieren werden.Bloom und Pierri (2018), a.a.O. Der Hauptgrund ist, dass kleine und kleinste Unternehmen eher Finanzierungsengpässe haben. Der mit dem Unternehmenswachstum verbundene Auf- oder Ausbau eigener IT-Kapazitäten wird dadurch eher behindert, was wiederum das Unternehmenswachstum beschränkt. Derartige Schwierigkeiten entfallen mit dem Aufkommen vom Cloud-Computing, da große und finanziell belastende IT-Investitionen nicht mehr notwendig sein sollten. Darauf deuten auch die Ergebnisse einer Befragung hin, derzufolge der Anteil von Cloud-Nutzern bei Kleinstunternehmen in den USA im Jahr 2016 bei 12,5 Prozent lag und damit deutlich höher war als bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen.
Dagegen gibt es eine umfangreiche Evidenz, dass die Wahrscheinlichkeit der Einführung und Nutzung neuer digitaler Technologien im Allgemeinen mit der Unternehmensgröße zunimmt.De Stefano, Kneller und Timmis (2020), a.a.0; OECD (2017): Digital Economy Outlook, Paris (online verfügbar); Zolas et al. (2021): Advanced Technologies Adoption and Use by U.S. Firms: Evidence form the Annual Business Survey. National Bureau of Economic Research Working Papers 28290 (online verfügbar). Getrieben wird dies dadurch, dass größere Unternehmen eher über fortschrittliche Managementpraktiken, ausreichend qualifiziertes Personal und die nötigen IT-bezogenen Fähigkeiten verfügen.Benlian und Hess (2011), a.a.O.; Chinyao Low, Yahsueh Chen und Mingchan Wu (2011): Understanding the determinats of cloud computing adoption. Industrial Management & Data Systems, Vol. 111, No. 7, 1006–1023 (online verfügbar); Haibo Yang und Mary Tate (2012): A Descriptive Literature Review and Classification of Cloud Computing Research. Communications of the Association for Information Systems, 31, 35–60 (online verfügbar); Gary Garrison, Robin L. Wakefield und Sanghyun Kim (2015): Effects of IT Capabilities and Delivery Model on Cloud Computing Success and Firm Performance for Cloud supported Processes and Operations. International Journal of Information Management, 35, 377–393 (online verfügbar); Tiago Oliveira, Manoj Thomas und Mariana Espadanal (2014): Assessing the determinants of cloud computing adoption: An analysis of the manufacturing and services sectors. Information and Management, 51(5), 497–510 (online verfügbar); Raphaela Andres et al (2020): Capital Intensive Policies in the Age of Cloud Computing: An Empirical Case Study. ZEW-Centre for European Economic Research Discussion Paper No. 20-036 (online verfügbar); Guiseppe Nicoletti, Christina von Rueden und Dan Andrews (2020): Digital technology diffusion: A matter of capabilities, incentives or both? European Economic Review, Vol. 128, Article 103513 (online verfügbar).
Nachfolgend wird daher zunächst näher beleuchtet, wie sich die Nutzungshäufigkeit im Falle von Cloud-Computing in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße in Deutschland darstellt. Dafür werden zum einen aggregierte Zahlen verwendet, die für das Jahr 2021 vorliegen. Zum anderen werden detailliertere Unternehmensdaten genutzt, die allerdings nur für die Jahre 2014 bis 2016 zur Verfügung stehen. Mit diesen wird untersucht, inwieweit die Vermutungen zutreffen, dass Cloud-Computing mit geringeren Investitionen in Software und Datenbanken einhergehen, und ob sich positive Produktivitätseffekte zeigen.
Eine Aufgliederung der Cloud-Nutzung nach Größenklassen (Abbildung 3) zeigt, dass die Annahme, Kleinst- und Kleinunternehmen würden besonders häufig auf Cloud-Dienste zurückgreifen, im Falle Deutschlands keine Bestätigung findet. Vielmehr ist der Anteil der Cloud-Nutzer am geringsten bei den Solo-Entrepreneurs (Unternehmen ohne Beschäftigte) und bei Kleinstunternehmen (Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten). Ferner steigt die Nutzungshäufigkeit mit zunehmender Unternehmensgröße. So beträgt der Anteil der Unternehmen, die kostenpflichtige Cloud-Dienste nutzen, in der Größenklasse von zehn bis 49 Beschäftigte etwa 38 Prozent. Bei Firmen mit 50 bis 249 Beschäftigten setzt schon die Hälfte der Unternehmen Cloud-Lösungen ein. Bei Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten liegt der Anteil sogar bei etwas mehr als 70 Prozent. Dieses Muster findet sich nicht nur für deutsche Unternehmen, sondern gleichermaßen innerhalb der Europäische Union, auch wenn hier nur Zahlen für Unternehmen mit zehn oder mehr Beschäftigten vorliegen. Die Nutzung der Cloud unterscheidet sich entgegen der Erwartungen in keiner Weise von der Nutzung anderer IT-Lösungen. Das heißt, je größer die Unternehmen, desto eher werden sie die Cloud nutzen.
Die zugrundeliegenden IKT-Erhebungen beinhalten keine Auswertungen dazu, warum sich Unternehmen für oder gegen die Nutzung von Cloud-Lösungen entscheiden. Mithilfe der für die Jahre 2014 bis 2016 vorliegenden Unternehmensdaten (Kasten 1) lassen sich dennoch wichtige Einflussfaktoren mittels einer Probit-AnalyseEin Probit ist ein statistisches Verfahren, das verwendet wird, um die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses in Abhängigkeit von anderen Faktoren zu quantifizieren. identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit der Cloud-Nutzung erklären.
Die empirischen Untersuchungen basieren auf den Unternehmensdaten der amtlichen Statistik. Diese umfassen das AFiD-Panel Industrieunternehmen und das AFiD-Panel Dienstleistungsunternehmen sowie die Erhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen, welche nachfolgend vereinfachend als IKT-Erhebung bezeichnet wird.Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Metadatenreport. Teil II: Produktspezifische Informationen zur Nutzung AFiD-Panel Industrieunternehmen 1995 bis 2018, Version 1, Standort Halle (Saale) 2022 (online verfügbar);Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Metadatenreport. Teil II: Produktspezifische Informationen zur Nutzung des AFiD-Panels Dienstleistungen 2008–2020 (EVAS-Nummer: 47415), Version 1, Berlin 2023 (online verfügbar);Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Metadatenreport. Teil II: Produktspezifische Informationen zur Nutzung der Erhebung über die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Unternehmen 2016 per On-Site-Nutzung (EVAS-Nummer: 52911), Version 1, Berlin 2017 (online verfügbar). Die beiden erstgenannten Datensätze sind repräsentative Stichprobenerhebungen für Unternehmen aus den Wirtschaftsabschnitten Verarbeitendes Gewerbe (NACE Rev.2 Code C), Verkehr und Lagerei (NACE Rev.2 Code H), Information und Kommunikation (NACE Rev.2 Code J), Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (NACE Rev.2 Code M), Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (NACE Rev.2 Code N) und Erbringung von sonstigen Dienstleistungen (NACE Rev.2 Code S). Die den AFiD-Panel zugrundeliegende Erhebungen erfassen als IT-Investitionen die nach Handelsgesetzbuch (HGB) aktivierbaren Investitionen in Software und Datenbanken.
Im Rahmen der IKT-Erhebung werden Unternehmen aus allen Wirtschaftszweigen zur Nutzung verschiedener Informations- und Kommunikationstechnologien befragt. Während die AFiD-Datensätze als Panelerhebungen eine Beobachtung von Unternehmen über einen längeren Zeitraum ermöglichen, wird die Masse der Unternehmen in der IKT-Erhebung nur einmalig befragt. Die verschiedenen Datensätze werden über eindeutige Unternehmensidentifikatoren miteinander verbunden. Der so erzeugte finale Datensatz umfasst 3218 Beobachtungen aus den oben benannten Wirtschaftsabschnitten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Verfügbarkeit von Breitbandinternet die Wahrscheinlichkeit der Cloud-Nutzung erhöht.Vgl. zu den Ergebnissen der Schätzungen Duso und Schiersch (2022), a.a.O., Tabelle 2. Dies gilt zumindest im Falle des Verarbeitenden Gewerbes. Die entsprechenden Koeffizienten sind bei Schätzungen für die Dienstleistungen jedoch nicht signifikant. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die berücksichtigten Dienstleistungsunternehmen häufig in Agglomerationsräumen angesiedelt sind, die bereits über eine gute Breitbandversorgung verfügen. Wie die deskriptive Darstellung bereits andeutete, ist eine wesentlicher Einflussfaktor die Größe von Unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit, Cloud-Dienste zu nutzen, steigt erheblich mit der Unternehmensgröße. Zusätzlich gibt es zwei weitere Indikatoren, die in allen Schätzungen signifikante Korrelationen aufweisen. Dies ist zum einen das Vorhandensein von IT-Personal in den Unternehmen und zum anderen der Anteil des Umsatzes, den ein Unternehmen über das Internet erzielt. Die letztgenannte Variable lässt sich als Indikator für die digitale Affinität beziehungsweise als Gradmesser für die Digitalisierung des verfolgten Geschäftsmodells interpretieren. Unternehmen mit einem höheren Anteil des Umsatzes, der über das Internet erzielt wird, entscheiden sich somit eher für die Nutzung von Cloud-Lösungen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Verarbeitende Gewerbe oder verschiedene Dienstleistungssektoren betrachtet werden.
Als wesentlicher Vorteil der Verwendung von Cloud-Lösungen gilt, dass die Unternehmen nicht mehr in vollem Umfang in IT-Lösungen selbst investieren müssen, sondern diese hinzukaufen, ähnlich wie bei anderen Dienstleistungen und Vorprodukten. Hierzu gibt es jedoch kaum empirische Untersuchungen. Die vorhandenen Studien zeichnen ein gemischtes Bild. Eine deskriptive Gegenüberstellung auf Basis von deutschen Unternehmensdaten, die für die Jahre 2014 und 2016 verfügbar sind, liefert keinen Beleg dafür, dass auf Investitionen in Software oder Datenbanken verzichtet wird, wenn Cloud-Lösungen genutzt werden (Abbildung 4).Diese Ergebnisse ändern sich nicht, wenn die Selbstselektion in die Cloud-Nutzung ökonometrisch berücksichtigt wird. Zu den Ergebnissen siehe Duso und Schiersch (2022), a.a.O. Der Anteil der Unternehmen, die Cloud-Lösungen nutzen, aber keinerlei Investitionen vornehmen, ist in allen Größenklassen sehr klein. Viel dominanter ist der Anteil der Unternehmen, die sowohl Cloud-Dienstleistungen in Anspruch nehmen als auch Investitionen in Software oder Datenbanken tätigen.
Selbstverständlich sagt eine solche Gegenüberstellung nichts über den Umfang der Investitionen aus. Aber selbst wenn die durchschnittlichen Investitionssummen in den verschiedenen Gruppen betrachtet werden, finden sich keine deutlichen Hinweise darauf, dass die Unternehmen, die Cloud-Lösungen nutzen, weniger in Software und Datenbanken investieren als Unternehmen, die auf Cloud-Dienste bislang verzichten. Dieser Befund wird durch empirische Analysen unterstützt, bei denen verschiedene andere Einflussgrößen berücksichtigt werden.Vgl hierzu die empirischen Ergebnisse in Kapital 6 Duso und Schiersch (2022), a.a.O. Insgesamt finden sich also bisher keine Belege, dass die Nutzung von Cloud-Lösungen dazu führt, dass deutsche Unternehmen weniger in Software und Datenbanken investieren.
Effizienz- und Produktivitätsgewinne zählen entsprechend der Literatur ebenfalls zu den mit der Nutzung von Cloud-Computing erwarteten Vorteilen. Mit Hilfe empirischer VerfahrenEs wurde sowohl die Kleinste-Quadrate-Methode verwendet als auch eine Endogenous Treatment Regression geschätzt. Letzteres wird genutzt, wenn die Annahme unzulässig ist, dass es keine unbeobachtete Variable gibt, die sowohl die abhängige Variable, hier also die Nutzung von Cloud-Diensten, als auch die zu erklärende Variable, hier also die Arbeitsproduktivität, beeinflusst. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Kleinst-Quadrate-Schätzung vorgestellt. Für weitere Informationen zu den verwendeten Methoden siehe J. M. Wooldridge (2010): Econometric Analysis of Cross Section and Panel Data. 2nd ed. Cambridge, MA: MIT Press. und auf Basis der verfügbaren Unternehmensdaten wurde auch dieser Aspekt untersucht. Hierfür wurde auf eine Cobb-Douglas Produktionsfunktion zurückgegriffen und diese so umgestellt, dass die Arbeitsproduktivität die zu erklärende Variable ist (Kasten 2). Dabei wird unterstellt, dass die Unternehmen mit variablen Skalenerträgen arbeiten, weshalb der Produktionsfaktor Arbeit weiterhin als erklärende Variable berücksichtigt werden muss. Cloud-Computing fließt als „ja/nein“-Dummy in die Schätzungen ein, weil nur diese Aussage vom Statistischen Bundesamt im Rahmen der IKT-Erhebung abgefragt wird.
Im Rahmen der mikroökonometrischen Untersuchungen wird eine Cobb-Douglas Produktionsfunktion geschätzt. In ihrer einfachsten Form lautet die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion:
wobei die Bruttowertschöpfung, den physischen Kapitalstock, den Arbeitseinsatz, die Totale Faktorproduktivität (TFP) sowie beziehungsweise die Produktionselastizitäten der Faktoren Arbeit und Kapital bezeichnen. Der Index steht für die einzelnen Unternehmen. Die TFP wird in der ökonomischen Literatur als Indikator für die technologische Leistungsfähigkeit beziehungsweise die Gesamteffizienz des Faktoreinsatzes in der Produktion verwendet. Durch Division beider Seiten durch , kann sie so umgeformt werden, dass sie eine Funktion für die Beschreibung der Arbeitsproduktivität ist. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob angenommen wird, das Unternehmen unter konstanten oder variablen Skalenerträge operieren.
Unter der Annahme von konstanten Skalenerträgen gilt ; dies hat zur Folge, dass die obige Funktion nach dem Umstellen die folgende Form annimmt:
wobei die Arbeitsproduktivität bezeichnet und die Kapitalintensität. Der Faktor Arbeit taucht somit nicht mehr als selbstständige erklärende Einflussgröße auf und es wird dementsprechend auch keine Produktionselastizität dafür geschätzt.
Konstante Skalenerträge sind eine sehr harte Annahme und es lassen sich in der Wirtschaft genügende Beispiele finden, wo die Ausweitung der Produktion eines Gutes oder einer Dienstleistung nicht eine Ausweitung des Faktoreinsatzes im exakt gleichen Verhältnis benötigt. Zugleich können und sollten konstante Skalenerträge nicht für alle Wirtschaftszweige und Unternehmen von vornherein ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund ist die Annahme variabler Skalenerträge eher angebracht. Sie erlaubt, dass Unternehmen fallende, steigende oder aber auch konstante Skalenerträge haben können. Da aber dies durch die Daten bestimmt wird, werden die Schätzungen nicht unter der Bedingung vorgenommen. Aus diesem Grund folgt aus der Umstellung der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion, dass die Arbeitsproduktivität nun durch die folgende Funktion erklärt wird:
mit . In den empirischen Schätzungen wird somit geschätzt und der Produktionskoeffizient für den Inputfaktor muss für unter der Annahme variabler Skalenerträge damit negativ sein.
Dies ist auch inhaltlich zu begründen. Die Produktionskoeffizienten sagen aus, um wieviel Prozent sich die abhängige Variable ändert, wenn sich die unabhängige Variable um ein Prozent ändert, während alle anderen Variablen unverändert bleiben. Wird nun der Arbeitseinsatz erhöht, ohne dass sich andere Faktoren ändern, sinkt automatisch die gemessene Arbeitsproduktivität.
Die Schätzungen zeigen, dass die Unternehmen, die Cloud-Computing nutzen, eine höhere Arbeitsproduktivität aufweisen (Tabelle). Werden alle Beobachtungen im Datensatz verwendet, dann ist die Nutzung von Cloud-Computing mit einer um etwa sechs Prozent höheren Arbeitsproduktivität assoziiert. Damit ist der Effekt in etwa genauso stark wie die einprozentige Erhöhung des IT-Kapitals.Produktionsfunktionsschätzungen werden – wie im Kasten erläutert – mit Kapitalstöcken und nicht mit Investitionen durchgeführt. Entsprechend wurden für die Regressionsanalyse die Investitionen in Software- und Datenbanken kapitalisiert, genau wie die Investitionen in physisches Kapital. Die beiden folgenden Spalten zeigen jedoch, dass dieser Befund nicht gleichermaßen für alle Wirtschaftszweige gilt. So findet sich zwar ein positiver Zusammenhang zwischen Cloud-Computing und Arbeitsproduktivität im Verarbeitenden Gewerbe, nicht jedoch in den hier berücksichtigten Dienstleistungssektoren. An diesem Befund ändert sich auch nichts, wenn die Schätzungen separat für jede einzelne Dienstleistungsbranche im Datensatz durchgeführt werden. Inwieweit dies der Datenlage in den Dienstleistungen geschuldet ist, oder welche ökonomischen Gründe dahinter stehen könnten, ist Gegenstand zukünftiger Analysen.
Regressionskoeffizienten
Gesamtdatensatz | Verarb. Gewerbe | Dienstleistungen | KMU | Großunternehmen | |
---|---|---|---|---|---|
Cloud-Computing | 0,0621*** | 0,0575*** | 0,0360 | 0,0512** | 0,0952*** |
Anzahl der Beschäftigtent−1 | −0,216*** | −0,212*** | −0,245*** | −0,227*** | −0,153*** |
physisches Kapitalt−1 | 0,198*** | 0,232*** | 0,170*** | 0,200*** | 0,150*** |
IT-Kapitalt−1 | 0,0500*** | 0,0481*** | 0,0528*** | 0,0549*** | 0,0333** |
Beobachtungszahl | 3218 | 1860 | 1358 | 2555 | 663 |
Anmerkungen: Die Schätzungen werden mit Hilfe eines multivariaten Regressionsmodels durchgeführt (Kleinst-Quadrate-Methode). Den Schätzungen zugrunde liegt eine um das IT-Kapital erweiterte logarithmierte Produktionsfunktion (Kasten 1). Zusätzlich zu den angegebenen Variablen wird mit Hilfe von Dummy-Variablen für zeitinvariante Unterschiede zwischen Sektoren, Bundesländer, ökonomieweite zeitspezifische Effekte sowie die regionale Bevölkerungsdichte kontrolliert. Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.
Lesehilfe: Die Nutzung von Cloud-Computing im Unternehmen geht mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Arbeitsproduktivität von rund sechs Prozent einher. Die Erhöhung des IT-Kapitals um ein Prozent ist mit einer um fünf Prozent höheren Arbeitsproduktivität assoziiert. Allerdings würde mit einem um drei Prozent höheren IT-Kapital schon eine um 15 Prozent höhere Arbeitsproduktivität verbunden sein.
Quellen: AFiD-Panel Industrieunternehmen, AFiD-Panel Dienstleistungen und IKT-Erhebung.
Wird der vorhandene Datensatz in kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit bis zu 499 Beschäftigten und Großunternehmen unterteilt, findet sich für beide Gruppen ein positiver Zusammenhang zwischen der Nutzung von Cloud-Diensten und der Arbeitsproduktivität. Dabei scheinen Großunternehmen stärker zu profitieren. Die Robustheitsprüfungen mit Hilfe alternativer empirische Methoden können diesen Befund jedoch nicht bestätigen. In den betreffenden Schätzungen finden sich ausschließlich signifikante Effekte für KMU, was vermutlich auf das kleinere Subsample und die geringere Effizienz der Schätzer bei Großunternehmen zurückzuführen ist.
Cloud-Technologien ermöglichen es Unternehmen, ihre IT-Kapazitäten und IT-Lösungen flexibel an den aktuellen Bedarf anzupassen und ihre IT-Ressourcen damit schnell und effizient auf- und abzuskalieren. Sie bergen damit ein Potenzial zur Steigerung der Produktivität. Weltweit haben viele Unternehmen die Bedeutung dieser technologischen Revolution bereits erkannt und Cloud-Lösungen eingeführt.
Auch in Deutschland nutzt eine wachsende Zahl von Unternehmen Cloud-Dienste und profitiert von den damit einhergehenden Vorteilen. Kleinere und mittelgroße Unternehmen nutzen die Cloud jedoch deutlich weniger als große Unternehmen und profitieren damit auch weniger von den Potenzialen von Cloud-Diensten. Ferner zeigt sich im europäischen Vergleich, dass Deutschland bei der Cloudnutzung lediglich im Mittelfeld liegt.
Da die Einführung von Cloud-Lösungen eine Entscheidung im Rahmen der Unternehmensführung ist und staatlicherseits auch keine formalen Hindernisse existieren, ist eine aktive Rolle des Staates – beispielsweise durch spezielle Förderprogramme – nicht angemessen. Dennoch könnte der Staat bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit sich mehr Unternehmen für die Nutzung von Cloud-Computing entscheiden. Hier ist in erster Linie eine moderne, leistungsfähige Breitbandinfrastruktur zu nennen, da die Analyse gezeigt hat, dass eine starke positive Korrelation zwischen der Breitbandinfrastruktur und der Nutzung von Cloud-Lösungen besteht. Eine weitere Unterstützung des Breitbandausbaus aus wirtschaftspolitischer Sicht ist daher sinnvoll. Diese kann die Nutzung von Cloud-Lösungen gerade auch in abgelegenen Regionen unterstützen.
Des Weiteren zeigt die OECD, dass die Bedenken bezüglich des Datenschutzes und zur digitalen Sicherheit oft ein Hindernis für die Einführung digitaler Techniken sind.OECD (2017), a.a.O. Gerade in Deutschland gibt es häufiger Bedenken als in anderen europäischen Ländern zum Umgang und zur Weitergabe von Daten im Netz. Dies wirkt sich auch auf das Cloud-Computing aus. Ein Umdenken in Bezug auf neue Technologien ist indes erforderlich, um die Vorteile von Cloud-Lösungen zu erkennen und zu nutzen.
Themen: Unternehmen, Produktivität, Digitalisierung
JEL-Classification: D24;D25;L60;L80;O14;O33
Keywords: cloud computing, investment, productivity, IT, substitution, firm performance
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-20-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/273592