Heimische Produktion von grünem Wasserstoff kann mit Kavernenspeicherung günstiger werden

DIW Wochenbericht 41 / 2023, S. 573-580

Dana Kirchem, Wolf-Peter Schill

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  • Studie untersucht die Auswirkungen der Produktion und Speicherung von grünem Wasserstoff in Deutschland auf den Stromsektor
  • Zur Analyse wurde das Stromsektormodell DIETER auf Szenarien mit verschiedenen Wasserstoffspeicheroptionen im Jahr 2030 angewandt
  • Wasserstoffspeicherung in unterirdischen Kavernen entlastet das Stromsystem und senkt die Kosten der Stromversorgung
  • Flexible Produktion von Wasserstoff kann die Kosten für weniger flexible Stromverbraucher erhöhen
  • Politik sollte auf möglichst flexible Wasserstoffproduktion sowie den zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien hinwirken

„Für die heimische Produktion von grünem Wasserstoff muss die Photovoltaik weiter ausgebaut werden, wenn wir davon ausgehen, dass der Ausbau der Windkraft weiterhin schleppend verläuft. Am kostengünstigsten ist es, wenn für die Wasserstoffspeicherung unterirdische Kavernen in Verbindung mit einem Wasserstoffnetz zur Verfügung stehen.“ Dana Kirchem

Grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien soll künftig fossile Energieträger in bestimmten Anwendungen in der Industrie und im Verkehr ersetzen, die nicht direkt elektrifizierbar sind. Laut Nationaler Wasserstoffstrategie soll ein Teil des künftigen Wasserstoffbedarfs inländisch durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom erzeugt werden. In dieser Studie wird mit einem Stromsektormodell untersucht, welche Auswirkungen dies auf den deutschen Stromsektor hätte. Dabei werden unterschiedliche verbrauchsnahe oder -ferne Speicheroptionen für Wasserstoff berücksichtigt: in Hochdrucktanks oder in unterirdischen Kavernen. Deutlich wird, dass die Produktion von grünem Wasserstoff in jedem Fall einen zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert. Die Nutzung zentraler Kavernenspeicher führt in der Modellierung zu den geringsten Gesamtkosten der Stromversorgung. Dies gilt dann, wenn sowohl die Wasserstoffherstellung als auch der Wasserstoffverbrauch nah am Kavernenspeicher liegen oder ein leistungsfähiges Wasserstoffnetz vorhanden ist. Muss der Wasserstoff dagegen nach einer zentralen Kavernenspeicherung per Lastwagen zum Verbraucher transportiert werden, kann eine verbrauchsnahe Produktion mit kleineren und teureren Tankspeichern günstiger sein. Die Ergebnisse der Modellierung legen nahe, dass Politik und Infrastrukturplanung auf eine möglichst flexible Wasserstoffproduktion unter Nutzung großer Speicher hinwirken sollten. Dabei können sich allerdings die Strompreise für alle anderen Verbraucher leicht erhöhen.

Sogenannter grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse auf Basis erneuerbaren Stroms und Wasser hergestellt und soll ein wichtiger Baustein der Energiewende werden. Er kann zur Treibhausgasminderung beitragen, indem er fossile Energieträger vor allem in solchen Anwendungen ersetzt, die aufgrund technischer Anforderungen nicht oder nur zu sehr hohen Kosten direkt elektrifizierbar sind. Dazu gehören insbesondere Teile der Industrie (zum Beispiel die Stahl- oder Glasherstellung) sowie der Schiffs- und Flugverkehr.infoIPCC (2022): Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. Working Group III Contribution to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA (online verfügbar, abgerufen am 23.09.2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt.) Daher hat sich die Bundesregierung in der neuen Nationalen WasserstoffstrategieinfoBundesregierung (2023): Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie. 26.07.2023 (online verfügbar) das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 eine heimische Elektrolysekapazität von zehn Gigawatt (GW) aufzubauen. Damit könnten voraussichtlich rund 28 Terawattstunden (TWh) grüner Wasserstoff in Deutschland erzeugt werden. Dies entspricht rund einem Viertel bis zu einem Drittel des angenommenen Wasserstoffbedarfs im Jahr 2030. Benötigt würden dafür ungefähr 40 TWh Strom für die Elektrolyse, was einem Anteil von rund sieben Prozent am heutigen Stromverbrauch entspricht. Ein ausführlicher Hintergrund zum Thema Wasserstoff und eine Analyse der neuen Nationalen Wasserstoffstrategie findet sich in einem weiteren Wochenbericht dieser Ausgabe.infoMartin Kittel et al. (2023): Nationale Wasserstoffstrategie konsequent und mit klarem Fokus umsetzen. DIW Wochenbericht Nr. 41/1, 561–571 (online verfügbar)

Bisher werden nur sehr geringe Mengen grüner Wasserstoff in Deutschland produziert. Von der im Jahr 2030 angestrebten Elektrolyseleistung ist derzeit erst rund ein Prozent installiert (circa 0,1 GW).infoAmpel-Monitor Energiewende des DIW Berlin (online verfügbar) Beim Hochlauf der grünen Wasserstoffproduktion sind verschiedene Wechselwirkungen mit dem Stromsektor denkbar. Einerseits kann die Produktion grünen Wasserstoffs zur Integration fluktuierender erneuerbarer Energien beitragen, wenn sie zeitlich ausreichend flexibel ist.infoVgl. Dai Wang et al. (2018): Quantifying the flexibility of hydrogen production systems to support large-scale renewable energy integration. Journal of Power Sources 399, 383–391; sowie Fabian Stöckl, Wolf-Peter Schill und Alexander Zerrahn (2021): Optimal supply chains and power sector benefits of green hydrogen. Scientific Reports 11 (1), 14191. Zeitliche Flexibilität ergibt sich durch die Speicherung von Wasserstoff. Denn die Speicherung erlaubt es, die Wasserstoffproduktion und damit den Stromverbrauch der Elektrolyse in Stunden mit möglichst günstiger Stromerzeugung zu verschieben. Andererseits führt die grüne Wasserstoffproduktion per Elektrolyse zu einem erhöhten Strombedarf, so dass erneuerbare Energien noch stärker ausgebaut werden müssen. Vor diesem Hintergrund werden mit Hilfe eines Stromsektormodells mögliche Auswirkungen der Produktion grünen Wasserstoffs in Verbindung mit verschiedenen Wasserstoffspeicheroptionen auf den Stromsektor im Jahr 2030 untersucht.infoFür eine Langfassung dieser Studie in englischer Sprache siehe Dana Kirchem und Wolf-Peter Schill (2023): Power sector effects of green hydrogen production in Germany. Energy Policy 182, 113738. Von Interesse sind die Effekte auf das optimale Kraftwerks- und Stromspeicherportfolio, dessen Einsatz sowie Systemkosten und Preise.

Modellbasierte Analyse für das Jahr 2030

Für die Untersuchung wird das am DIW Berlin quelloffeninfoQuelloffenheit bedeutet, dass der gesamte Modellcode frei zur Verfügung steht. Dies dient der Transparenz und Replizierbarkeit. entwickelte Stromsektormodell DIETER eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Optimierungsmodell, dessen Ergebnisse sich als idealisiertes langfristiges Marktgleichgewicht interpretieren lassen (Kasten 1).

Das Stromsektormodell DIETER (Dispatch and Investment Evaluation Tool with Endogenous Renewables) ermittelt für gegebene Nachfragedaten die kostenminimale Kombination von Stromerzeugungskapazitäten sowie deren stündlichen Einsatz.infoVgl. Alexander Zerrahn und Wolf-Peter Schill (2017): Long-run power storage requirements for high shares of renewables: review and a new model. Renewable and Sustainable Energy Reviews 79, 1518–1534; sowie Carlos Gaete-Morales et al. (2021). DIETERpy: a Python framework for the dispatch and investment evaluation tool with endogenous renewables. SoftwareX 15, 100784. Modelliert wird ein komplettes Jahr in stündlicher Auflösung unter der Annahme perfekter Voraussicht. Dies erlaubt eine gute Abbildung der zeitlichen Variabilität von Wind- und Solarenergie sowie der Stromnachfrage. DIETER ist in der Abbildung von sogenannten Flexibilitätsoptionen wie zum Beispiel Energiespeichern sowie Technologien der Sektorenkopplung detaillierter als viele größere Energiesystemmodelle; gleichzeitig ist das Modell schlank genug, um nachvollziehbare länder- und sektorübergreifende Analysen in hoher zeitlicher Auflösung zu ermöglichen. Beschränkte Stromübertragungskapazitäten zwischen Ländern werden berücksichtigt, innerhalb einzelner Länder wird dagegen von perfekt ausgebauten Stromnetzen ausgegangen.

Das Modell enthält eine Vielzahl von Gleichungen, um die Interaktionen im Stromsektor abzubilden. In der Zielfunktion werden die Systemkosten minimiert, die alle variablen und fixen Kosten sowie die Investitionskosten der Stromerzeugung und -speicherung enthalten. Eine Energiebilanz stellt sicher, dass Stromangebot und -nachfrage für jedes Land in jeder Stunde im Gleichgewicht sind. Sie fordert, dass die Stromnachfrage, die Stromspeicherzuflüsse und der Strombedarf für die Wasserstoffproduktion durch die Summe aller inländischen fossilen und erneuerbaren Stromerzeugung, die Stromspeicherentnahmen sowie die Nettostromimporte gedeckt werden müssen.

Wichtige Input-Parameter für das Modell sind die Kapitalkosten und Betriebskosten von Erzeugungs- und Speichertechnologien, deren Wirkungsgrade sowie Zeitreihendaten der Verfügbarkeit für erneuerbare Energien und Lastprofile. Der Modellcode und die hier verwendeten Daten stehen ohne Zugangsbarrieren im Internet, also quelloffen, zur Verfügung.infoCode und Daten: https://gitlab.com/diw-evu/projects/hydrogensupplychains. Modelldokumentation: https://diw-evu.gitlab.io/dieter_public/dieterpy/.

Modell berechnet optimale Stromversorgung in Deutschland und den Nachbarländern

In dem Modell werden Szenarien für Deutschland, alle Nachbarländer sowie Italien betrachtet. Um die Komplexität der Berechnungen zu reduzieren, wird Wasserstoff und der optimale Ausbau von Kraftwerks- und Speicherkapazitäten nur in Deutschland abgebildet, während der Kraftwerkspark in anderen Ländern konstant gehalten wird (Abbildung 1). Das bedeutet, dass die zusätzliche Stromerzeugung und -nachfrage, die sich durch die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland ergibt, den Stromaustausch mit anderen Ländern steigern oder senken kann. Ein zusätzlicher Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten im Ausland ist im Rahmen der Modellannahmen nicht möglich.

In der jährlichen Bilanz muss das Modell 80 Prozent der Stromnachfrage in Deutschland, die nicht zur Wasserstoffproduktion genutzt wird, mit inländischer erneuerbarer Stromerzeugung decken. Dies entspricht den Zielvorgaben der Bundesregierung für den Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2030.infoDieses Ziel ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 festgeschrieben. In anderen Ländern werden keine Ziele für erneuerbare Energien berücksichtigt, beziehungsweise ergeben sich implizit aus den dort angenommenen Kraftwerksparks. Darüber hinaus muss der Strom für die Wasserstoffproduktion in der Jahresbilanz zu 100 Prozent durch zusätzliche erneuerbare Energien gedeckt werden. Dies stellt die Produktion von jahresbilanziell grünem Wasserstoff sicher.

Wesentliche Annahmen für die Modellierung des Stromsektors

Die Daten für die stündliche Stromnachfrage, die Nettotransferkapazitäten zwischen den Ländern sowie die Erzeugungskapazitäten der deutschen Nachbarländer stammen aus einem Szenario der europäischen Netzbetreiber.infoENTSO-E (2022): TYNDP 2020 Scenarios (online verfügbar). Genutzt wird das Szenario „Distributed Energy“.' Diesem Szenario zufolge beträgt die jährliche Gesamtlast, ohne die Stromnachfrage für die Wasserstoffproduktion, in Deutschland 648 TWh und die Spitzenlast beträgt 97 Gigawatt (GW) im Jahr 2030. Für Deutschland werden die Erzeugungskapazitäten des ENTSO-E „Ten-Year Network Development Plans“ (TYNDP 2020) als untere Kapazitätsgrenzen für erneuerbare Energiequellen sowie für Stein- und Braunkohle verwendet. Zusätzlich werden obere Kapazitätsgrenzen für den Ausbau der Windkraftleistung angenommen, die bei 30 GW für Windkraft auf See und 100 GW für Windkraft an Land liegen. Diese orientieren sich an den Ausbauzielen der Bundesregierung für die Windkapazität zu Anfang des Jahres 2022.infoIm Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 wurde das Ausbauziel für Windkraft an Land im Jahr 2030 auf 115 GW erhöht. Die hier angenommene niedrigere Obergrenze von 100 GW ist etwas konservativer, da die Erreichung des Windkraft-Ausbauziels unsicher ist (vgl. Diskussion im Podcast fossilfrei Folge #6, online verfügbar). Im Gegensatz dazu gibt es keine Obergrenze für den Ausbau der Photovoltaik. Für fossile Energieträger wird ein CO2-Preis von 130 Euro pro Tonne angenommen.infoVgl. Robert C. Pietzcker et.al., (2021): Notwendige CO2-Preise zum Erreichen des europäischen Klimaziels 2030. Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (online verfügbar).

Annahmen zur Wasserstoffproduktion in Deutschland

Die Produktion und Nachfrage von grünem Wasserstoff wird in der Modellanalyse nur in Deutschland explizit abgebildet.infoIn den Nachbarländern ist eine (zeitlich nicht optimierte) Wasserstoffproduktion implizit in den Lastzeitreihen der ENTSO-E berücksichtigt. Bestimmt werden die kostenminimierenden Investitionen in Elektrolysekapazitäten und Wasserstoffspeicher sowie die stündliche Nutzung dieser Technologien. Dabei stehen zwei verschiedene Elektrolyseverfahren zur Verfügung: alkalische Wasserelektrolyse und die Protonenaustauschmembran-Elektrolyse (PEM). Die alkalische Wasserelektrolyse hat niedrigere Investitions- und Betriebskosten, aber einen geringeren Wirkungsgrad. PEM hingegen ist teurer, aber auch energieeffizienter.infoSayed M. Saba (2018): The investment costs of electrolysis–A comparison of cost studies from the past 30 years. International Journal of Hydrogen Energy 43 (3), 1209–1223. Bei den Wasserstoffspeichern werden teurere Drucktanks und günstigere Kavernen unterschieden. Die Speicheralternativen werden in den Szenarien exklusiv berücksichtigt, es steht also immer nur eine Speicheroptionen zur Verfügung. Die Kompression vor der Speicherung sowie der damit zusammenhängende Stromverbrauch werden ebenfalls berücksichtigt.

Der angenommene Wasserstoffbedarf von 28 TWh ergibt sich aus der neuen Nationalen Wasserstoffstrategie.infoVgl. Kittel et al. (2023) a.a.O. Dabei wird im Modell von einer nicht näher spezifizierten industriellen Wasserstoffnachfrage ausgegangen mit einem konstanten stündlichen Nachfrageprofil.

Szenarien mit verschiedenen Annahmen zu Wasserstoffspeichern

Das Modell wird für verschiedene Szenarien des Jahres 2030 angewandt, die sich in Hinblick auf die angenommenen Wasserstofflieferketten unterscheiden (Abbildung 2). Im ersten Szenario wird Wasserstoff am Ort des Bedarfs erzeugt. Dort können als Speicheroption annahmegemäß nur relativ teure Wasserstoff-Drucktanks gebaut werden. Im zweiten und dritten Szenario können kostengünstigere unterirdische Kavernenspeicher genutzt werden. Die Speicheroptionen unterscheiden sich im Hinblick auf maximale Speicherkapazität und Investitionskosten (Kasten 2). Im zweiten Szenario wird angenommen, dass der Wasserstoff direkt am Standort einer solchen Kaverne benötigt wird, oder ein leistungsfähiges Wasserstoffnetz die Kavernen mit den Anlagen des Wasserstoffverbrauchs verbindet. In einem dritten Szenario wird angenommen, dass Elektrolyse und Kavernenspeicher 250 Kilometer vom Ort des Wasserstoffbedarfs entfernt sind und dass der Wasserstoff als Druckgas per Tanklaster transportiert werden muss.

Für die Tankspeicherung von Wasserstoff kommt die Druckgasspeicherung oder die Flüssiggasspeicherung in Frage. Bei ersterem wird das Wasserstoffgas mithilfe von Kompressoren auf ein hohes Druckniveau verdichtet. Für die Tankspeicherung größerer Mengen Wasserstoff kann er auch verflüssigt werden, was aber eine starke Kühlung des Gases verlangt und daher energieintensiver ist. Die Flüssiggasspeicherung wird in dieser Studie nicht berücksichtigt. Tankspeicher sind in der Anschaffung vergleichsweise teuer. Zur saisonalen Speicherung sehr großer Mengen Wasserstoff eignen sie sich aufgrund der begrenzten Kapazität daher nicht.

Hierfür bieten sich stattdessen unterirdische Kavernen an.infoVgl. Nationaler Wasserstoffrat (2021): Die Rolle der Untergrund-Gasspeicher zur Entwicklung eines Wasserstoffmarktes in Deutschland (online verfügbar). Diese bestehen aus Hohlräumen, die in Salzstöcken durch Ausspülen des Salzes geschaffen werden. In diesen Hohlräumen können dann unter geringem Druck verschiedene Energieträger gespeichert werden. Derzeit werden Kavernen in Deutschland vor allem zur Erdgasspeicherung genutzt. Das Gestein garantiert dabei eine hohe natürliche Dichtheit, die eine weitere Auskleidung unnötig macht. In Deutschland gibt es europaweit das größte Potenzial für Wasserstoff-Kavernenspeicher. Geeignete Standorte hierfür sind jedoch weitgehend auf den Norden Deutschlands beschränkt.infoVgl. Dilara G. Caglayan et al. (2020): Technical potential of salt caverns for hydrogen storage in Europe. International Journal of Hydrogen Energy 45(11), 6793–6805; sowie Nationaler Wasserstoffrat (2021), a.a.O.

Grüne Wasserstoffproduktion erfordert zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien

Die Ergebnisse im Referenzszenario ohne grüne Wasserstoffproduktion zeigen, dass ein großer Teil der installierten Stromerzeugungsleistung im Jahr 2030 aus Photovoltaik besteht (Abbildung 3, links). Der Ausbau der Stromerzeugung aus Solarenergie ist erforderlich, um das Ziel von 80 Prozent erneuerbaren Energien nach Ausschöpfung der als begrenzt angenommenen Ausbaumöglichkeiten der Windenergie zu erreichen. Gesicherte Leistung wird darüber hinaus insbesondere von Erdgaskraftwerken bereitgestellt.

Die zusätzliche Erzeugung von grünem Wasserstoff erfordert in allen Speicherszenarien einen Ausbau der erneuerbaren Energien, der aufgrund der begrenzten Ausbaumöglichkeiten der Windkraft überwiegend aus Photovoltaik (PV) besteht.infoIn der Langfassung dieser Studie sind weitere Szenariorechnungen mit unbeschränktem Windkraftausbau enthalten, in denen statt der Photovoltaik die Windkraft stark ausgebaut wird. Vgl. Kirchem und Schill (2023) a.a.O. Der optimale PV-Zubau liegt zwischen 48 GW und 53 GW, was gegenüber der Referenz ohne Erzeugung von grünem Wasserstoff eine Steigerung von rund 25 Prozent bedeutet. Zum Vergleich: heute liegt die installierte Photovoltaikkapazität in Deutschland bei rund 75 GW; sie soll bis 2030 auf 215 GW fast verdreifacht werden.infoAmpel-Monitor Energiewende des DIW Berlin (online verfügbar) Am größten ist der Photovoltaikausbau im Szenario mit verbrauchsnaher Speicherung in Hochdrucktanks; am geringsten ist er, wenn Wasserstoff in Kavernen gespeichert werden kann. Das liegt daran, dass große Kavernenspeicher einen streichen besseren Ausgleich zwischen den saisonalen Schwankungen der Solarenergieerzeugung und dem Wasserstoffbedarf ermöglichen.

Bei der Stromerzeugung ergibt sich ein ähnliches Bild: der Großteil des zusätzlich benötigten Stroms wird aus Photovoltaik erzeugt. Sind nur teure (und entsprechend kleine) verbrauchsnahe Wasserstoff-Tankspeicher verfügbar, wird sogar noch etwas weniger Windenergie genutzt als im Referenzszenario. In den Szenarien mit Kavernenspeicherung erhöht sich (bei gleichbleibenden Kapazitäten) dagegen die Stromerzeugung der Windkraft auf See, da die Speicher eine Nutzung von ansonsten abgeregelten Erzeugungsspitzen erlauben. Gleichzeitig gehen die Stromexporte sowie die fossile Stromerzeugung aus Erdgas zurück.

Gesamtkosten sind bei verbrauchsnaher Kavernenspeicherung am niedrigsten

Die Gesamtkosten der Stromversorgung sind am niedrigsten, wenn eine Kavernenspeicherung möglich ist, wenn also die Wasserstoffnachfrage am Ort der Kaverne liegt oder ein leistungsfähiges Wasserstoffnetz vorhanden ist (Abbildung 4). Wasserstoffkavernen bieten eine hohe zeitliche Flexibilität, was eine hohe Auslastung der erneuerbaren Energien sowie Einsparungen bei der fossilen Stromerzeugung ermöglicht.infoVgl. auch Jan Michalski et al. (2017): Hydrogen generation by electrolysis and storage in salt caverns: Potentials, economics and systems aspects with regard to the German energy transition. International Journal of Hydrogen Energy 42 (19), 13427–13443. Können dagegen nur Hochdrucktanks für die Wasserstoffspeicherung genutzt werden, sind die Zusatzkosten im Stromsektor höher. Dies liegt daran, dass die Investitionen pro Einheit gespeichertem Wasserstoff bei Druckspeichern deutlich höher sind als bei Kavernen. Wenn Wasserstoff per Lastwagen über die Straße transportiert wird, können die zusätzlichen Transportkosten die Flexibilitätsvorteile der Kavernenspeicherung überwiegen.infoEin Pipeline-basierter Wasserstofftransport verursacht ebenfalls Kosten, allerdings deutlich geringere als ein Lkw-Transport, so dass hier von ihnen abgesehen wird.

Die Kosten steigen zu einem großen Teil aufgrund der Investitionen in erneuerbare Energieerzeugungskapazitäten. Die Produktionskosten für grünen Wasserstoff, inklusive der Kapital- und Betriebskosten der Elektrolyse und der Kompression vor der Speicherung, sind eine weitere wichtige Kostenkomponente. Diese sind bei den Szenarien mit Kavernenspeicherung in der Regel höher, da auch höhere Elektrolyseurkapazitäten im Vergleich zu Wasserstoff-Lieferketten mit Tankspeichern installiert werden. Kavernenspeicher senken jedoch gleichzeitig die variablen Kosten für die fossile Stromerzeugung.

Die Auswirkungen von grünem Wasserstoff auf das Stromsystem sind auch von der Verfügbarkeit anderer Flexibilitätsmaßnahmen abhängig. In dieser Studie sorgt vor allem der Stromaustausch mit den Nachbarländern dafür, dass die Variabilität von erneuerbaren Energien und die Nachfrage über verschiedene Länder günstiger ausgeglichen werden können.infoVgl. Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2023): Geographical balancing of wind power decreases storage needs in a 100 percent renewable European power sector. iScience 26(7), 107074 In einem kontrafaktischen Szenario ohne Stromaustausch mit dem Ausland würde sich der Wert einer flexiblen Wasserstofflieferkette noch einmal deutlich erhöhen.infoFür entsprechende Szenariorechnungen siehe Kirchem und Schill (2023) a.a.O. Die Ergebnisse hängen auch davon ab, in welchem Umfang andere Flexibilitätsoptionen genutzt werden können, wie beispielsweise Batteriespeicher oder verschiebbare Lasten bei Elektrofahrzeugen oder Wärmepumpen.infoVgl. Alexander Roth et al. (2023): Flexible heat pumps: must-have or nice to have in a power sector with renewables? (online verfügbar)

Strompreise für flexible Wasserstofferzeuger deutlich geringer als für andere Stromverbraucher

Die durchschnittlichen jährlichen Großhandelsstrompreise, die Elektrolyseure (Hersteller von Wasserstoff) und andere Stromverbraucher in den verschiedenen Wasserstoffszenarien zahlen, unterscheiden sich stark (Abbildung 5). Der durchschnittliche Strompreis für die Elektrolyse ist in allen Szenarien deutlich niedriger als die durchschnittlichen Preise für die restliche Stromnachfrage. Das liegt daran, dass Produzenten von grünem Wasserstoff das zeitliche Flexibilitätspotenzial ihrer Anlagen nutzen können, um in Zeiten mit niedrigen Preisen zu produzieren. Dies ist in höherem Maße möglich, wenn kostengünstige Kavernen gebaut werden können, was sich in niedrigeren Durchschnittspreisen als bei der Tankspeicherung niederschlägt.

Die übrigen Stromnachfrager, die eine solche zeitliche Flexibilität annahmegemäß nicht haben, müssen deutlich höhere durchschnittliche Großhandelspreise zahlen. Darüber hinaus steigt der Durchschnittspreis ihrer Stromnachfrage auch noch leicht gegenüber der Referenz ohne Wasserstoff, wenn Wasserstoff-Kavernen vorhanden sind. Dies liegt daran, dass die durch Kavernen zeitlich flexibler einsetzbaren Elektrolyseure eine deutlich höhere Stromnachfrage in Stunden mit hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien verursachen, was die Preise in diesen Stunden erhöht. Die höhere Flexibilität, die Wasserstoff-Kavernenspeicher in das System bringen, kommt also nur den Elektrolyseuren zugute und nicht den anderen Stromverbrauchern.

Fazit: Politik sollte Ausbau von erneuerbaren Energien und Wasserstoffspeichern vorantreiben

Der Strombedarf für die grüne Wasserstoffproduktion erfordert einen zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien. Unter der Annahme, dass die Windkraft bis 2030 nicht beliebig weit ausgebaut werden kann, geht eine heimische Erzeugung von grünem Wasserstoff in Höhe von 28 TWh im Jahr 2030 in den modellierten Szenarien mit einem zusätzlichen Ausbau der Photovoltaik von 25 Prozent gegenüber einem Referenzszenario ohne heimische Wasserstoffproduktion einher. Zentrale Wasserstoff-Kavernenspeicher können wertvolle zeitliche Flexibilität zur Integration erneuerbarer Stromerzeugung bereitstellen und helfen, Windkraft- und Photovoltaikanlagen besser auszulasten. Perspektivisch werden sie in Kombination mit Wasserstoff-Gasturbinen auch als saisonale Stromspeicher an Bedeutung gewinnen. Sind zur Nutzung solcher Kavernen allerdings Lkw-basierte Transporte von Wasserstoff erforderlich, können die zusätzlichen Wasserstofftransportkosten die Flexibilitätsvorteile der Kavernen aufwiegen.

Die Modellrechnungen legen mehrere politische Schlussfolgerungen nahe. Erstens führt selbst eine gegenüber dem gesamten Wasserstoffbedarf des Jahres 2030 moderat erscheinende heimische Produktion von grünem Wasserstoff von 28 TWh zu einem beträchtlichen zusätzlichen Bedarf an erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten. Daher sollten die politischen Entscheidungsträger*innen den schnellen Kapazitätsausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Zweitens ist eine höhere zeitliche Flexibilität der Lieferketten für grünen Wasserstoff aus Sicht des Energiesystems wünschenswert. Politische Entscheidungsträger*innen sollten daher diese Flexibilität unterstützen, indem sie beispielsweise die Entwicklung und Netzeinbindung kostengünstiger Kavernen für die Wasserstoffspeicherung befördern. Drittens sollten Wasserstoffproduzenten Anreize bekommen, die Flexibilitätspotenziale bei Investitions- und Betriebsentscheidungen der Wasserstoffinfrastruktur zu heben. Dazu sollte das Preissignal des Stromgroßhandelsmarkts möglichst unverzerrt bei ihnen ankommen. Gleichzeitig sollte die Politik die tendenziell negativen Verteilungseffekte der Wasserstofferzeugung auf andere, weniger flexible Stromverbraucher beachten. Die Wasserstoffproduzenten sollten von den Flexibilitätsvorteilen profitieren, die sie dem Stromsektor bieten; allerdings müssten nachteilige Auswirkungen auf andere Stromverbraucher minimiert werden. Hierfür wäre es hilfreich, wenn die Flexibilität der Stromnachfrage in allen Sektoren gestärkt würde.

Dana Kirchem

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt



JEL-Classification: Q41;Q48
Keywords: hydrogen; storage; renewable energy; power sector modeling
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-41-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/279504

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