DIW Wochenbericht 21 / 2024, S. 316
Franziska Holz, Erich Wittenberg
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Frau Holz, ist die Erdgasversorgung von Deutschland auch ohne Importe aus Russland sicher? Ja, auf jeden Fall ist die Erdgasversorgung sicher. Wir importieren seit 2022 gar kein Pipelinegas mehr aus Russland. Wir kriegen noch Flüssiggas, also sogenanntes LNG, aus Russland, könnten aber auch dieses problemlos ersetzen.
Russland liefert noch immer Flüssiggas und Pipelinegas nach Europa. In welchem Umfang geschieht das und wohin? Russland liefert noch über drei Routen Gas nach Europa. Zum einen tatsächlich noch über die alte Route durch die Ukraine Richtung Ost- und Mitteleuropa, also auch Richtung Österreich zum Beispiel. Zum anderen seit etwa zwei Jahren durch das Schwarze Meer über die Türkei nach Südosteuropa. Zudem gelangt seit einigen Jahren zunehmend Flüssiggas aus Russland überwiegend nach Nordwesteuropa, insbesondere nach Belgien, aber auch nach Deutschland oder in die Niederlande.
Inwieweit ist eine Entkopplung von russischem Erdgas für die Europäische Union überhaupt möglich? Zum einen muss man sagen, dass wir uns schon sehr weit von russischem Erdgas entkoppelt haben, wenn man bedenkt, wie viel wir davon vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verbraucht haben und wie sehr wir davon abhängig waren. Zum anderen wäre aber auch eine weitere Reduzierung der russischen Importe bis hin zu einem Herabsetzen auf null möglich. Im Moment sind vor allem die osteuropäischen Länder noch von russischem Gas abhängig und auch diese könnten durch eine Vielzahl anderer Quellen beliefert werden.
Wenn Europa aus russischem Erdgas aussteigen würde, inwieweit müsste es dann aus anderen Quellen ersetzt werden? Natürlich wäre es wünschenswert, den Erdgasverbrauch zurückzufahren, um vor allem dem Klimaschutz zu helfen. Aber aus Gründen der Versorgungssicherheit ist es nicht unbedingt notwendig, dass die Nachfrage schnell zurückgeht. Selbst in Szenarien mit einer stabilen Nachfrage nach Erdgas ist es möglich, die russischen Lieferungen zu ersetzen. Es besteht also aufgrund des umfangreichen Erdgasangebots auf den Weltmärkten keine Notwendigkeit, weiterhin russisches Erdgas in Europa zu beziehen.
Aus welchen Quellen würde dann das russische Erdgas ersetzt werden? Russisches Erdgas wird innerhalb Europas stark durch norwegisches Erdgas ersetzt, aber auch durch Flüssiggas. Wir importieren heute mehr Flüssigerdgas als noch vor drei bis vier Jahren, insbesondere aus den USA, aber auch aus einer Vielzahl anderer Quellen, zum Beispiel aus Afrika und dem Nahen Osten. Da wir in Europa schon über sehr umfangreiche Kapazitäten für den Import sowohl von Flüssigerdgas als auch für Pipelinegas aus Norwegen verfügen, haben wir hier keinen weiteren Ausbaubedarf.
Wie ist die Situation in den Ländern, die von russischem Erdgas abhängig sind und aus dem Grunde auch keine Sanktionen gegen Russland wollen? Auch in Mittel- und Osteuropa ließe sich russisches Erdgas ersetzen. Nicht durch eine einzige große Quelle, wie norwegisches Gas, sondern durch eine Vielzahl von Quellen, zum Beispiel Flüssigerdgas. Aber auch Gas aus dem zentralasiatischen und kaspischen Raum könnte eine Rolle in der Versorgung spielen, ein Stück weit auch aus Westeuropa weitergeleitetes Gas.
Was würde passieren, wenn der Krieg in der Ukraine endet und Importe aus Russland wieder in größerem Umfang möglich wären? Es ist natürlich ein denkbares Szenario, dass wir wieder zu den früheren russischen Importen zurückkehren. Das wird aber nicht im selben Umfang wie vor dem Krieg geschehen. Ich denke, alle europäischen Länder haben verstanden, dass sie die Erdgasquellen deutlich mehr diversifizieren müssen als früher.
Themen: Ressourcenmärkte, Europa, Energiewirtschaft