DIW Wochenbericht 22 / 2024, S. 323-328
Yann Delaprez, Morgane Guignard
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„Bei der Analyse von Auflagen im Rahmen der Fusionskontrolle ist es unerlässlich, den Wettbewerb entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu untersuchen, um geeignete Maßnahmen zu ermitteln.“ Morgane Guignard
Im Rahmen der Wettbewerbspolitik spielt neben dem Kartellverbot und der Missbrauchsaufsicht die Fusionskontrolle eine zentrale Rolle. Fusionen zwischen großen Herstellern beeinflussen typischerweise den Wettbewerb und müssen daher von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden. Dabei sind Entflechtungen, bei denen die fusionierenden Unternehmen Unternehmensbeteiligungen oder Marken abgeben müssen, eine häufige Auflage. In diesem Bericht wird untersucht, wie wirksam Entflechtungen für die Verbraucherpreise sind, wenn Verhandlungen zwischen Herstellern und Einzelhändlern eine wichtige Rolle spielen. Betrachtet wird ein Joint Venture zwischen DEMB und Mondelez (zwei großen Kaffeeherstellern), das von der Europäischen Kommission im Mai 2015 unter der Auflage einer teilweisen Entflechtung genehmigt wurde. Dabei mussten die Unternehmen eine ihrer Marken an einen konkurrierenden Hersteller verkaufen. Simulationen zeigen, dass die Entflechtung tatsächlich dazu beitrug, die negativen Auswirkungen des Joint Ventures für die Verbraucher*innen zu verringern. Aus Sicht der Verbraucher*innen sollten Entflechtungen zugunsten von Herstellern mit geringer Verhandlungsmacht erfolgen.
In Märkten mit wenigen Teilnehmern hat die Fusionskontrolle als wettbewerbspolitisches Instrument eine große Bedeutung. Nicht nur, weil durch sie eine weitere Verringerung des Wettbewerbs verhindert werden kann, sondern auch weil Auflagen, etwa zu Entflechtungen, einen aktiven Eingriff in den Markt erlauben.
Dies gilt auch im Lebensmittelbereich, in dem die Konzentration entlang der Wertschöpfungskette in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Im Einzelhandel kam es zu einer erheblichen Konzentration, die durch FusionswellenBhattacharya Vivek et al. (2023): Merger effects and antitrust enforcement: Evidence from US retail. NBER Working Paper 31123, 1–75 (online verfügbar, abgerufen am 22. Mai 2024. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt)., die Bildung von EinkaufsallianzenMatthew Grennan (2013): Price discrimination and bargaining: Empirical evidence from medical devices. American Economic Review 103 (1), 145–177 (online verfügbar). und die Verbreitung von HandelsmarkenClaire Chambolle und Morgane Guignard (2024): Buyer Power and the Effect of Vertical Integration on Innovation. DIW Discussion Paper Nr. 2071 (online verfügbar). vorangetrieben wurde. In ähnlicher Weise hat die Konzentration bei den Herstellern von Lebensmitteln zugenommen.Jan De Loecker et al. (2020): The rise of market power and the macroeconomic implications. The Quarterly Journal of Economics 135 (2), 561–644 (online verfügbar). Dies ist zum Teil auf Fusionen und Übernahmen zurückzuführen. Infolgedessen sind die meisten Märkte entlang der Wertschöpfungskette durch eine oligopolistische Marktstruktur gekennzeichnet, in der auf jeder Stufe einige wenige Unternehmen mit großen Marktanteilen tätig sind.
Veränderungen des Wettbewerbs und damit der Marktmacht auf einer Stufe der Wertschöpfungskette wirken sich auf alle Stufen in der Kette aus. So kann eine Fusion zwischen zwei Lebensmittelherstellern zu einem Anstieg ihrer Marktmacht führen, was sich in höheren Großhandelspreisen für die Einzelhändler niederschlagen kann. Das Ausmaß, in dem dies geschieht, und damit auch die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise hängen letztlich von der Verhandlungsmacht der Einzelhändler ab.
Die Wettbewerbsbehörden sollten bei Fusionen in Wertschöpfungsketten alle betroffenen Märkte analysieren, um den Grad des Wettbewerbs entlang der Wertschöpfungskette und die wahrscheinlichen Auswirkungen von Fusionen auf die Verbraucherpreise beurteilen zu können.
In diesem Bericht werden die Auswirkungen eines Joint Ventures zwischen DEMB und Mondelēz, zwei großen Kaffeeherstellern, auf die Preise und die Verbraucher*innen auf dem französischen Kaffeemarkt analysiert (Kasten 1). Besonderes Augenmerk wird auf die Bewertung der von der Europäischen Kommission auferlegten Entflechtung gelegt.Siehe Yann Delaprez und Morgane Guignard (2022): Upstream Mergers with Divestitures in Vertical Markets (online verfügbar). In diesem Bericht werden die Begriffe Fusion und Joint Venture synonym verwendet.
Im Mai 2014 vereinbarten das US-amerikanische Unternehmen Mondeléz International Inc. („Mondelez“) und das niederländische Unternehmen DE Master Blenders 1753 („DEMB“) die Gründung eines neuen Unternehmens namens Jacobs Douwe Egberts („JDE“).Siehe European Commission merger case M.7292 (online verfügbar). Es wurde erwartet, dass das Gemeinschaftsunternehmen in etwa 18 Ländern in Europa, Lateinamerika und Australien die Nummer eins oder Nummer zwei sein würde.Siehe JDE: Conditional Approval Received By European Commission (2) (online verfügbar). Ein Joint Venture ist eine Einheit, die von mehreren Unternehmen gebildet wird, die ihre Fähigkeiten und ihr Kapital für ein bestimmtes Projekt zusammenlegen. In diesem Bericht werden die Begriffe Fusion und Joint Venture synonym verwendet. In Deutschland produziert DEMB führende Marken wie Senseo, und Mondeléz besitzt Marken wie Jacobs. Dies ist auch in Frankreich der Fall, wo beide Unternehmen bekannte Marken wie Grand'Mère für Mondelez und L’Or für DEMB besitzen. Die Europäische Kommission betrachtete die räumlich relevanten Märkte als national und stellte fest, dass das Joint Venture Auswirkungen auf Österreich, Bulgarien, die Tschechische Republik, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, die Niederlande, Polen, die Slowakei, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich hat. In einigen Ländern, in denen wettbewerbsrechtliche Probleme auf nationaler Ebene erwartet wurden, wie zum Beispiel in Frankreich und Dänemark, wurde das Joint Venture jedoch nur unter der Bedingung genehmigt, dass Entflechtungen vorgenommen werden. In Deutschland äußerte die Europäische Kommission Bedenken hinsichtlich des Marktes für Filtermatten. Nach einer Prüfung kam die Europäische Kommission jedoch zu dem Schluss, dass das Joint Venture den wirksamen Wettbewerb nicht erheblich behindern würde. In Frankreich stellte die Kommission hingegen fest, dass das Joint Venture wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwerfe, da es den Wettbewerb zwischen den Marken L’Or und Carte Noire, die von den Verbraucher*innen als enge Substitute angesehen würden, ausschalten würde. Daher sei eine teilweise Entflechtung erforderlich. Die Unternehmen schlugen vor, Carte Noire an Lavazza zu veräußern, einschließlich einer Produktionsstätte in Südfrankreich. Lavazza zentralisierte alle Produktionslinien in dieser Anlage. Durch den Erwerb einer lokalen Produktionsstätte konnte Lavazza seinen Eintritt in den französischen Markt verbessern. Die Kommission genehmigte den Verkauf der Marke im Februar 2016 (Abbildung).
In Europa haben wenige Einzelhändler und Kaffeehersteller einen großen Marktanteil. In Deutschland zum Beispiel dominieren die großen Akteure Aldi, Edeka, REWE und die Schwarz-Gruppe den Einzelhandel im Lebensmittelbereich; in Frankreich sind es E.Leclerc, Carrefour, Les Mousquetaires (ITM) und Système U. Der gemeinsame Marktanteil der vier größten Einzelhandelsunternehmen lag im Jahr 2021 in Deutschland bei 54,6 Prozent und in Frankreich bei 68,7 Prozent, was auf eine erhebliche Marktbeherrschung durch einige wenige große Akteure hinweist.Erin Maddren (2022): The grocery retail market in Germany. Europe Market Research (online verfügbar); für Frankreich siehe Statista (online verfügbar). Ein Wert von über 50 Prozent deutet auf eine erhebliche Marktkontrolle durch die vier größten Unternehmen und einen potenziell eingeschränkten Wettbewerb hin. Darüber hinaus lag der gemeinsame Marktanteil der drei größten Kaffeehersteller in Frankreich im Jahr 2013 bei rund 58 Prozent.Eigene Berechnungen auf Grundlage von Kantar Worldpanel Daten.
Auf derart konzentrierten Märkten werden Großhandelspreise in der Regel durch Verhandlungen zwischen Herstellern und Einzelhändlern festgelegt. Ein geeignetes ökonomisches Modell zur Untersuchung dieser Verhandlungen und den Auswirkungen von Fusionen auf Seiten der Hersteller ist das Nash-Verhandlungsmodell (Kasten 2).Henrick Horn und Asher Wolinsky (1988): Bilateral monopolies and incentives for merger. The RAND Journal of Economics 19 (3), 408–419 (online verfügbar). Hier spielt die Verhandlungsmacht eine entscheidende Rolle: Je größer die Verhandlungsmacht eines Herstellers gegenüber einem Einzelhändler ist, desto höhere Großhandelspreise kann er durchsetzen und desto höher werden die Verbraucherpreise sein. Liegt die Verhandlungsmacht dagegen beim Einzelhändler, werden die Großhandels- und Verbraucherpreise relativ niedrig sein.
Das Modell geht davon aus, dass bilaterale Verträge zwischen Herstellern und Einzelhändlern zu Gewinnen führen, die sich aus der Differenz der jeweiligen Gewinne mit und ohne Abschluss einer Vereinbarung ergeben. Je größer das Produktportfolio eines Herstellers ist, desto weniger profitiert er von einer Vereinbarung mit einem bestimmten Einzelhändler. Ein größeres Produktportfolio führt daher zu einer besseren Verhandlungsposition gegenüber den Einzelhändlern. Die Gewinne aus der Vereinbarung werden zwischen Herstellern und Einzelhändlern aufgeteilt. Hersteller, die einen höheren Anteil an den Gewinnen erhalten, haben gegenüber den Einzelhändlern eine größere Verhandlungsmacht. In den Simulationen wird diese Verhandlungsmacht geschätzt, wobei die Werte zwischen null (keine Verhandlungsmacht) und eins (vollständige Verhandlungsmacht) liegen können.
Der erste Schritt der Analyse besteht darin, die Verhandlungsmacht von Herstellern und Einzelhändlern zu schätzen. Konkret werden die Einkäufe bei den sieben führenden Einzelhandelsunternehmen Carrefour, Leclerc, ITM, Auchan, Système U, Casino und einer Gruppe von Discountern untersucht. Darüber hinaus werden die Marken der acht größten Hersteller betrachtet: DEMB, Lavazza, Legal, Malongo, Mondelez, Nestlé, Segafredo und ein Aggregat von Handelsmarken. Dieser Ansatz umfasst alle Hersteller, die in dem hier betrachteten Fusionsfall von der Europäischen Kommission in ihre Untersuchung einbezogen wurden. Die Daten für die Analyse stammen von Kantar Worldpanel und beziehen sich auf die Käufe der Verbraucher*innen in Frankreich von 2013 bis 2017.
Die Hersteller auf dem französischen Kaffeemarkt stehen mächtigen Einzelhändlern gegenüber (Abbildung 1). Das Joint Venture hat im Vergleich zu den anderen Herstellern die schwächste Verhandlungsmacht. Der Käufer der veräußerten Marke hat ebenfalls eine schwache Verhandlungsmacht. Der negative Effekt – der Anstieg der Großhandelspreise, der durch die Fusion zwischen Herstellern auf dem vorgelagerten Markt entsteht – wird damit nicht vollständig an die Endverbraucher*innen weitergegeben.
Die Schätzungen ermöglichen auch, die mit der Fusion und der Entflechtung verbundenen Kosteneinsparungen zu quantifizieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gesamtkosten im Zusammenhang mit den anderen Produkten von Lavazza gesunken sind. Die Entflechtung umfasste nämlich auch die Produktionsstätte von Mondelez in Südfrankreich, in der Lavazza alle Produktionslinien für die Marke Carte Noire zusammengefasst hat. Der Erwerb der französischen Produktionsstätte ermöglichte es Lavazza zudem, seine eigene Marke in der französischen Anlage zu produzieren. Dies erleichterte den Zugang zum französischen Markt und ermöglichte eine effizientere Produktion.
Um die Auswirkungen des Joint Venture und der Entflechtung auf die Verbraucherpreise zu messen, muss ermittelt werden, wie hoch die Preise ohne die Fusion und die Veräußerung gewesen wären. Der Datensatz erlaubt jedoch nur, die tatsächlichen Preise nach der Fusion und der Entflechtung zu beobachten. Mit Hilfe des Modells können aber kontrafaktische Preise simuliert werden, um die aus der Fusion und der Entflechtung resultierenden Preisänderungen zu berechnen. Die Verhandlungsmacht innerhalb der auf dem französischen Kaffeemarkt bestehenden Beziehungen wird dabei explizit berücksichtigt. Simuliert werden zwei Szenarien:
Szenario 1: Die Fusion findet nicht statt.
Szenario 2: Die Fusion findet ohne Entflechtung statt.
Der Vergleich zwischen den simulierten Preisen von Szenario 1 und den beobachteten Preisen misst den kombinierten Preiseffekt von Fusion und Entflechtung. Der Vergleich zwischen den simulierten Preisen von Szenario 1 und Szenario 2 misst die Preisauswirkungen der Fusion ohne Entflechtung. Darüber hinaus ermöglicht das Modell, die Veränderungen im Nutzen der Verbraucher*innen als Reaktion auf die kontrafaktischen Preise zu schätzen.
Die Fusion hätte ohne die Entflechtung zu Preiserhöhungen von rund fünf Prozent geführt, was einem Anstieg von rund 1,14 Euro pro Kilogramm Kaffee entspricht (Abbildung 2). Die Preisänderungen, die sich mit der von der Europäischen Kommission auferlegten Entflechtung ergeben, sind geringer und führen zu einem Preisanstieg von etwa zwei Prozent, was einem Anstieg von etwa 0,46 Euro pro Kilogramm entspricht. Darüber hinaus führte die Entflechtung zu Kosteneinsparungen bei dem Käufer, die einen weiteren Preisrückgang von etwa 1,72 Prozent beziehungsweise etwa 0,22 Euro pro Kilogramm zur Folge hatte (Abbildung 2).
Die mit Entflechtung genehmigte Fusion führte insgesamt zu einer Verringerung des Nutzens von etwa 132000 Euro für die in der Stichprobe enthaltenen Verbraucher*innen (Tabelle).Die Berechnung der Nutzenveränderung basiert auf einem Discret-Choce-Modell; siehe Kenneth Train (2009): Discrete Choice Methods with Simulation, Cambridge.
Simulationen | |||
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Aktueller Käufer | Ohne Entflechtung | Entflechtung zugunsten eines anderen Herstellers | |
Nutzen in Euro | −132000 | −483000 | −149000 |
Verhandlungsmacht der Hersteller | 0,27 | 0,41 | |
Marktanteile vor der Fusion in Prozent | 1,83 | 1,57 |
Anmerkung: Die durchschnittliche Zahl von Verbraucher*innen in der Stichprobe beträgt 9 300 pro Monat.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Hätte die Europäische Kommission die Fusion ohne Auflagen zur Entflechtung genehmigt, wäre die Verringerung des Nutzens höher ausgefallen und hätte ihn für die in der Stichprobe enthaltenen Verbraucher*innen um etwa 483000 Euro reduziert (Tabelle).
Die Ergebnisse stützen die Entscheidung der Europäischen Kommission, die Entflechtung zu verlangen. Allerdings hat die Entflechtung weder die negativen Auswirkungen auf die Verbraucher*innen vollständig verhindert noch den Wettbewerb wiederhergestellt.
Um die Bedeutung von Verhandlungsmacht innerhalb von Wertschöpfungsketten bei Fusionen und Entflechtungen zu untersuchen, wird ein Szenario analysiert, bei dem die veräußerte Marke an einen anderen Hersteller übertragen wird. Dieses hypothetische Szenario ist für die Wettbewerbspolitik insofern wichtig, als der alternative Hersteller einen geringeren Marktanteil (im Durchschnitt 1,57 Prozent im Vergleich zu 1,83 Prozent) aber eine höhere Verhandlungsmacht (0,41 gegenüber 0,27) hat (Tabelle). Aufgrund des geringeren Marktanteils wäre der konkurrierende Hersteller eine auf den ersten Blick bessere Alternative für die Wettbewerbsbehörden gewesen – sofern man die Verhandlungsmacht außer Acht lässt. Wäre die veräußerte Marke vom alternativen Hersteller gekauft worden, wären die negativen Auswirkungen auf die Verbraucher*innen mit einem Gesamtrückgang des Nutzens von etwa 149000 Euro für die in der Stichprobe enthaltenen Verbraucher*innen höher als bei dem aktuellen Verkauf gewesen (Tabelle).
Generell zeigen die Ergebnisse, dass die tatsächliche Entflechtung zu den geringsten Veränderungen der Konsumentenrente geführt hat.
In Wertschöpfungsketten, in denen Verhandlungen ein wesentliches Merkmal des Marktes sind, können Auflagen bei Fusionen nur in geringerem Umfang wirksam sein. Wenn die Wettbewerbsbehörden das inhärente Ungleichgewicht der Verhandlungsmacht zwischen Herstellern und Einzelhändlern bei der Durchsetzung von Entflechtungen ignorieren, werden sie wahrscheinlich eine Politik verfolgen, die den Wettbewerb auf dem Markt nicht wiederherstellt.
Der Hauptgrund ist, dass es keine direkte Beziehung zwischen Marktanteil und Verhandlungsmacht gibt. In der Verhandlungsliteratur werden mehrere potenzielle Determinanten der Verhandlungsmacht genannt. Eine höhere Verhandlungsmacht kann beispielsweise aus einem überlegenen Markensortiment, der Bereitschaft der Unternehmen, geduldig zu verhandeln, oder einer höheren Verhandlungskompetenz resultieren. Die Wettbewerbsbehörden können die Verhandlungsmacht nicht allein aus den Marktanteilen ableiten, da ein kleiner Abnehmer durchaus eine große Verhandlungsmacht haben kann. Daher ist eine präzise Schätzung der Verhandlungsmacht von entscheidender Bedeutung für die genaue Gestaltung wettbewerbspolitischer Eingriffe.
In Deutschland trat im November 2023 die 11. GWB-Novelle in Kraft.Bundeskartellamt (2023): Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (11. GWB-Novelle). Ein wichtiger Aspekt dieser Novelle ist die Einführung eines neuen Instrumentes zur Marktuntersuchung, das ein Eingreifen auf Märkten ermöglicht, auf denen es zu erheblichen und dauerhaften Wettbewerbsverzerrungen kommt, ohne dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht nachgewiesen ist.Siehe Tabea Bauermeister (2023): New Provisions in German Competition Law: New Competition Tool, Provisions Accompanying the DMA and a Presumption of Benefits (online verfügbar). Damit könnte sich auch die Anzahl der Entflechtungen auf bestimmten Märkten erhöhen. In diesem Bericht wird argumentiert, dass Verhandlungsmacht ein Schlüsselfaktor bei Fusionen in Wertschöpfungsketten ist, der bei wettbewerbspolitschen Eingriffen berücksichtigt werden muss.
Themen: Wettbewerb und Regulierung, Verbraucher, Unternehmen
JEL-Classification: D12;L11;L51;L40
Keywords: Bargaining Power, Merger, Competition Authority, Consumer Surplus
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-22-1