DIW Wochenbericht 29 / 2024, S. 469-475
Kilian Mazurek, Lukas Menkhoff
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„Kleinunternehmer*innen mit moderater Risikotoleranz führen in Uganda die profitabelsten Unternehmen; zugleich hatten ihre Unternehmen in der Corona-Krise auch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. Dies liegt vor allem daran, dass moderat risikotolerante Kleinunternehmer*innen mehr in ihre Unternehmen investieren. Dadurch erzielen sie höhere Gewinne und machen ihre Unternehmen resilienter gegen Krisen.“ Lukas Menkhoff
Kleine Unternehmen leiden gegenwärtig besonders unter dem geringen Wirtschaftswachstum, dem schwachen Konsum und den hohen Energiepreisen. Obwohl sie oftmals weniger als fünf Mitarbeiter*innen beschäftigen, hängen allein in Deutschland Millionen von Jobs an Kleinunternehmen, die damit einen großen Teil der Beschäftigung ausmachen. Doch welche persönlichen Eigenschaften unterscheiden erfolgreiche von erfolglosen Kleinunternehmer*innen? Eine entscheidende Rolle spielt Risikotoleranz, zeigen Befragungsdaten aus Uganda. Zwar unterscheidet sich Uganda in vielen Punkten von Deutschland, doch weisen die Daten die international bekannte Grundstruktur auf, so dass sich Erkenntnisse auch auf Deutschland übertragen lassen. Kleinunternehmer*innen mit einer zu hohen oder zu geringen Risikotoleranz sind oftmals weniger profitabel und haben geringere Chancen, dass ihr Unternehmen Krisensituationen übersteht. Im Gegensatz dazu sind Kleinunternehmer*innen mit einer moderaten Risikotoleranz oft profitabler und besser aufgestellt, um Herausforderungen zu bewältigen. Moderates Risikoverhalten müsste also mehr gefördert werden und Schulungen zu Existenzgründungen sollten die persönliche Risikotoleranz entsprechend differenziert einbeziehen.
Kleinunternehmen gelten als Rückgrat der Wirtschaft. Allein in Deutschland arbeiten 39 Prozent aller Beschäftigten in Kleinst- und Kleinunternehmen.Kleinstunternehmen sind laut Statistischem Bundesamt Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitenden und bis zwei Millionen Euro Umsatz; Kleinunternehmen haben bis zu 49 Mitarbeitende und bis zehn Millionen Euro Umsatz, vgl. Statistisches Bundesamt: Kleine und mittlere Unternehmen: 55 Prozent in kleinen und mittleren Unternehmen tätig (online verfügbar, abgerufen am 28. Mai 2024. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). In weniger entwickelten Volkswirtschaften liegt der Anteil in der Regel nochmals höher. Dabei sind Kleinunternehmen seit geraumer Zeit stark unter Druck – oft stärker als mittlere und große Unternehmen.Das Geschäftsklima bei Kleinstunternehmen wurde im März 2024 weiterhin deutlich schlechter eingeschätzt als in der Gesamtwirtschaft, vgl. auf der Website des ifo Instituts Jimdo-ifo-Geschäftsklimaindex für Selbstständige (online verfügbar, abgerufen am 7. Mai 2024). Durch die Nachwehen der Corona-Pandemie, die zeitweise unerwartet hohe Inflation, den Fachkräftemangel und die zuletzt stark gestiegenen Zinsen kämpfen viele Kleinunternehmen um ihr Überleben.Vgl. Maksim Belitski et al. (2022): Economic Effects of the COVID-19 Pandemic on Entrepreneurship and Small Businesses. Small Business Economics 58, 593–609. Zahlreiche Kleinunternehmer*innen mussten ihr Geschäft bereits aufgeben. Was aber unterscheidet die profitableren – und damit in der Regel krisenfesteren – Unternehmen von den weniger krisenfesten?
Die meisten unternehmerischen Entscheidungen in Kleinunternehmen werden nicht von einem mehrköpfigen Vorstand oder Managementteam, sondern von nur einer Person getroffen. Die Persönlichkeit dieser einen Führungskraft spielt in Kleinunternehmen damit eine entscheidende Rolle. Da fast alle unternehmerischen Entscheidungen Ungewissheit und Risiko beinhalten, ist die Risikopräferenz der Kleinunternehmer*innen eine zentrale Charaktereigenschaft. Es liegt auf der Hand, dass besonders risikofreudige Kleinunternehmer*innen andere Entscheidungen treffen und ihre Unternehmen anders führen als risikoscheue Unternehmer*innen. Insofern schlägt sich die individuelle Risikopräferenz der Kleinunternehmer*innen im Risikoprofil ihrer Unternehmen nieder.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird risikoreiches Verhalten oftmals mit unternehmerischem Erfolg verbunden, nach dem Motto: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Dieser Wochenbericht geht der Frage nach, ob diese Wahrnehmung richtig ist. Möglich wäre ja auch, dass zu viel Risikotoleranz mit negativen Konsequenzen, geringeren Gewinnen und langfristig einer verminderten Überlebenswahrscheinlichkeit in Krisenzeiten zusammenhängt (Risikotoleranz wird als Begriff für gerichtete Risikopräferenz genutzt).Die Vermutung, dass zu viel Risikotoleranz schädlich sein könnte, ist nicht neu in der Literatur, vgl. Thomas M. Begley und David P. Boyd (1987): Psychological Characteristics Associated with Performance in Entrepreneurial Firms and Smaller Businesses. Journal of Business Venturing 2(1), 79–93; Marco Caliendo, Frank M. Fossen und Alexander S. Kritikos (2008): Risikobereitschaft und Unternehmenserfolg. DIW Wochenbericht Nr. 29, 409–411 (online verfügbar). Kaum untersucht wurde aber bisher der Zusammenhang zwischen Risikotoleranz und Profitabilität.
Die empirische Untersuchung dieses Zusammenhangs benötigt zwei Arten von Variablen, die selten in einem einzigen Datensatz vorhanden sind: zum einen Informationen über die Unternehmer*innen selbst, also persönliche Daten, und zum anderen Informationen über deren kleine Unternehmen, also Unternehmensdaten. Für deutsche Studien dieser Art wird häufig das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) herangezogen. Diese Haushaltsbefragung erhebt zwar Daten zu den Unternehmer*innen, enthält aber keine Information über die Gewinne von Unternehmen.Deshalb müssen andere Erfolgsmaße verwendet werden, zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit des Unternehmens zu überleben, vgl. Marco Caliendo, Frank M. Fossen und Alexander S. Kritikos (2010): The Impact of Risk Attitude on Entrepreneurial Survival. Journal of Economic Behavior and Organization 76 (1), 45–63. Deshalb werden stattdessen im Folgenden Daten aus einer Befragung in Uganda verwendet, die die benötigten Informationen liefern kann.
Ein Nachteil ist sicherlich, dass die Verhältnisse in Uganda anders als in Deutschland sind.Ein wichtiger Unterschied besteht in der Motivation für Unternehmertum, die mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen in einer Volkswirtschaft zunehmend eine freie Wahl darstellt und nicht auf Notwendigkeit beruht, weil die Person sonst arbeitslos wäre. Überschlägig beträgt der Anteil der Unternehmertätigkeit aus Notwendigkeit in Deutschland rund 20 Prozent, in Uganda dagegen eher 80 Prozent. Die Konsequenz ist, dass die typischen Determinanten erfolgreicher Tätigkeit überlagert werden von allen möglichen „Notwendigkeiten“ für Unternehmertätigkeit, so dass die Analyse in Uganda erschwert wird und die Zusammenhänge im Zweifelsfall undeutlicher sind. Allerdings weisen die Daten in Uganda die international bekannte Grundstruktur auf: Demnach sind Unternehmer*innen erfolgreicher, die eine bessere Ausbildung aufweisen, die über finanzielle Kenntnisse verfügen, ein mittleres Alter haben (also etwas erfahren, aber noch nicht alt sind), die männlich sind und ein am Markt eingeführtes Unternehmen leiten.Vgl. Caliendo, Fossen und Kritikos (2010), a.a.O.; sowie Christiane Nieß und Torsten Biemann (2014): The Role of Risk Propensity in Predicting Self-employment. Journal of Applied Psychology, 99 (5), 1000–1009. Diese Struktur findet sich sowohl in Uganda als auch in Deutschland. Ferner werden hier Unternehmer*innen relativ zueinander verglichen, die alle im identischen institutionellen Umfeld arbeiten, also zum Beispiel einen begrenzten Zugang zu (günstigen) Krediten haben. Insofern kann man aus dieser Fallstudie auch etwas für Deutschland lernen.
Im Rahmen dieser Studie wurden mehr als 2100 Kleinunternehmer*innen im ländlichen Westuganda zu ihren Lebensumständen, persönlichen Einstellungen und Unternehmen befragt, zunächst im Jahr 2019, also vor der Corona-Pandemie, später noch einmal während der Pandemie (Kasten).Vgl. für mehr Details Melanie Koch und Lukas Menkhoff (2024): The Non-linear Impact of Risk Tolerance on Entrepreneurial Profit and Business Survival. DIW Discussion Paper 2067 (online verfügbar). Die Befragten sind zu 64 Prozent weiblich, im Durchschnitt knapp 34 Jahre alt, haben sechs bis zehn Jahre Schulbildung und mehr als sechs Jahre einschlägige Berufserfahrung. Ihre Unternehmen sind überwiegend kleine Läden (zu fast 70 Prozent) oder sie bieten Dienstleistungen an (26 Prozent), nur vier Prozent stellen Güter her. In der Regel arbeiten die Kleinunternehmer*innen allein (etwa 70 Prozent), die Zahl der Mitarbeitenden beträgt andernfalls meist eine oder zwei Personen. Der monatliche Gewinn pro Arbeitskraft liegt bei rund 125000 Ugandischen Schilling (UGX), umgerechnet 34 US-Dollar.Dies ist nur ein Durchschnittswert; die Spanne ist sehr groß. In der deutschen Wirtschaftsstruktur würde man von Kleinstunternehmen sprechen, weil diese meist Selbstständige sind und gegebenenfalls nur wenige Mitarbeitende beschäftigen. In einem armen Land wie Uganda jedoch sind diese kleinen Unternehmen – neben Kleinbauern – typisch für die ländliche Wirtschaft. Mit diesem Betrag wird im Durchschnitt die Hälfte des mittleren Haushaltskonsums bestritten, wobei das weitere Einkommen aus Nebentätigkeiten (insbesondere in der Landwirtschaft) und/oder von anderen Erwachsenen im Haushalt erwirtschaftet wird.
Für die vorliegende Studie wurden im westlichen Uganda mehr als 2100 Kleinunternehmer*innen interviewt. Das erste Interview fand im Frühjahr 2019 vor Ort statt, eine zweite Interviewrunde dann zwischen Oktober 2020 und April 2021, also nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Kleinunternehmen sind entweder im Verkauf, bei Dienstleistungen oder in der Produktion tätig; darunter sind beispielsweise Handyshops, Lebensmittelläden, Friseurläden, Bars, Autowerkstätten oder kleine Manufakturbetriebe.
Die Befragung erfasst in einem Zufallsverfahren Kleinunternehmer*innen in einer festgelegten ländlichen Region. Die erhobenen Informationen beziehen sich sowohl auf die jeweiligen Personen als auch auf ihre kleinen Unternehmen. Auswertungen zeigen, dass die Antworten typisch für solche Regionen sind und dass sie bekannte Strukturen von Kleinunternehmen spiegeln, wie sie sich überall auf der Welt finden.
Die Kleinunternehmer*innen wurden insbesondere auch gefragt, wie sie ihre eigene Risikobereitschaft in Bezug auf finanzielle Risiken einschätzen, auf einer Skala von 0 (keinesfalls bereit, finanzielle Risiken einzugehen) bis 10 (absolut bereit, finanzielle Risiken einzugehen). Ferner wurde der Gewinn in den letzten vier Wochen abgefragt, eine verlässliche Methode, um den Unternehmensgewinn in einem Umfeld zu ermitteln, in dem es keine verlässlichen Rechnungslegungsdaten gibt.Suresh De Mel, David J. McKenzie und Christopher Woodruff (2009): Measuring Microenterprise Profit: Must We Ask how the Sausage Is Made? Journal of Development Economics 88 (1), 19–31. Weitere abgefragte Variablen sind in der Tabelle erwähnt.
Zu den abgefragten Informationen, die auf einer Skala von 0 (vollkommen unwillig) bis 10 (vollkommen bereit) beantwortet werden, zählt die selbst eingeschätzte Bereitschaft, finanzielle Risiken zu tragen.Diese Art der Messung findet in der empirischen Wirtschaftsforschung breite Anwendung und wurde in experimentellen Studien validiert, wobei eine hohe Korrelation zwischen tatsächlichem Risikoverhalten und der selbst eingeschätzten Risikobereitschaft gezeigt werden konnte, vgl. Thomas Dohmen et al. (2011): Individual Risk Attitudes: Measurement, Determinants, and Behavioral Consequences. Journal of the European Economic Association 9 (3), 522–550. Die Angaben lassen sich näherungsweise den drei Präferenzbereichen „risikoavers“ (0 bis 5), „risikoneutral“ (6 und 7) und „risikofreudig“ (8 bis 10) zuordnen.Vgl. zur Zuordnung und den entsprechenden Werten Dohmen et al. (2011), a.a.O.; Olivier l’Haridon und Ferdinand M. Vieider (2019): All over the Map: A Worldwide Comparison of Risk Preferences. Quantitative Economics 10 (1), 185–215. Der größte Teil der Befragten schätzt sich demnach als risikoavers ein, während die jeweils geringeren Anteile auf risikoneutral und risikofreudig entfallen (Abbildung 1). Ungewöhnlich mag der dennoch beträchtliche Anteil risikofreudiger Unternehmer*innen sein, aber das passt zu der tendenziell höheren Risikotoleranz in einkommensschwächeren Ländern.l’Haridon und Vieider (2019), a.a.O.
Doch wie hängen die Risikopräferenzen der Kleinunternehmer*innen mit ihrem Unternehmenserfolg zusammen? Dabei wird der Unternehmenserfolg hier als Gewinn pro Arbeitskraft gemessen, um die Größe der Unternehmen zu berücksichtigen. Der unmittelbare Zusammenhang, ohne Berücksichtigung weiterer Umstände, zeigt ein klares Ergebnis: Mit steigender Risikopräferenz steigt auch der Unternehmensgewinn pro Arbeitskraft (Abbildung 2). Mehr Risikobereitschaft zahlt sich für die Kleinunternehmer*innen also aus, ihr Unternehmen ist profitabler. Wenn man unterstellt, dass es nur einen einfachen (linearen) Zusammenhang zwischen Risikobereitschaft und Gewinn gibt, also mehr vom einen proportional mehr vom anderen mit sich bringt, dann steigt der Gewinn mit der Risikotoleranz permanent an; die höchste Risikotoleranz führt zum größten Gewinn. Wenn man aber einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen beiden Größen zulässt, dann gilt der Zusammenhang nur bis zu einem Wert auf der Risikotoleranz-Skala von circa 6,7.Es geht hier um die Abbildung eines empirischen Zusammenhangs. Eine quadratische Schätzung beschreibt den vorliegenden Zusammenhang zwischen Risiko und Gewinn besser als eine lineare Schätzung. Ab diesem Punkt sinkt der Unternehmensgewinn mit steigender Risikotoleranz.
Risikofreudige Unternehmer*innen leiten also, dem oben festgestellten Zusammenhang folgend, nicht die profitabelsten Unternehmen. Vielmehr sind es Kleinunternehmer*innen mit moderater Risikotoleranz, die im Durchschnitt die profitabelsten Unternehmen führen. Zu wenig Risiko ist also nachteilig, zu viel Risiko ist es aber auch.
Der einfache Zusammenhang zwischen Risikotoleranz und Unternehmensgewinn könnte jedoch nur scheinbar existieren, falls in Wirklichkeit andere Einflüsse und Faktoren wie Bildung oder Alter wichtiger sind, die im ersten Modell nicht berücksichtigt wurden. Deshalb werden im Folgenden solche potenziellen Einflussgrößen einbezogen. Die Literatur zeigt dabei, dass der Unternehmenserfolg tendenziell steigt, wenn die Kleinunternehmer*innen männlich und besser gebildet, sowohl allgemein als auch finanziell, sind.Vgl. Caliendo, Fossen und Kritikos (2010), a.a.O. Der Einfluss des Alters weist in der Literatur ein gemischtes Bild auf. Obwohl ein gewisses Maß an Erfahrung von Vorteil ist, kann ein zu hohes Alter zu einem geringeren Gewinn führen. Was die Unternehmenscharakteristika betrifft, so ist bekannt, dass ältere Unternehmen profitabler als jüngere sind, vermutlich weil sie sich im Markt bewährt haben und damit für Kund*innen oder Kreditgeber*innen glaubwürdig sind.
Diese verschiedenen Zusammenhänge werden mit den erhobenen Daten aus Uganda überprüft. Die Analyse zeigt qualitativ die gleichen Zusammenhänge, die aus der Literatur bekannt sind (Tabelle, Modell 2).In diesem Modell werden weitere Variablen berücksichtigt, wie der Sektor der Firmentätigkeit, die hier der Einfachheit halber nicht explizit aufgeführt werden, vgl. Koch und Menkhoff (2024), a.a.O. Zum Beispiel ergibt der stark negative Koeffizient für die Variable „weiblich“, dass Unternehmerinnen, werden die aufgeführten Charakteristika berücksichtigt, deutlich weniger Gewinn erzielen als Unternehmer.Der durchschnittliche Gewinn beträgt 125000 UGX, so dass der Koeffizient von minus 51,9 besagt, dass Unternehmerinnen knapp 52000 UGX weniger Gewinn machen als ihre männlichen Kollegen, das ist rund ein Drittel weniger (106000 zu 158000 UGX). Vgl. dazu auch Nathan Fiala (2018): Returns to Microcredit, Cash Grants and Training for Male and Female Microentrepreneurs in Uganda. World Development, 105, 189–200. Ein anderes Beispiel ist der positive Einfluss des Alters des Unternehmens: Der Koeffizient von 0,23 besagt, dass der Gewinn pro Monat Unternehmensalter durchschnittlich um 230 UGX steigt, pro Jahr also um 2760 UGX. Bei einem durchschnittlichen Monatsgewinn pro Mitarbeitenden von rund 125000 UGX entspricht dies 2,2 Prozent.
Koeffizienten für den Einfluss auf den monatlichen Gewinn pro Arbeitskraft in 1000 Ugandischen Schilling (UGX)
Modell 1: Nur Risikotoleranz | Modell 2: Mit Faktoren wie Geschlecht, Alter, Bildung | Modell 3: Zusätzlich mit Investitionen | |
---|---|---|---|
Risikotoleranz | 13,99*** | 10,91*** | 5,15 |
Risikotoleranz (quadriert) | −1,04** | −1,00** | −0,48 |
Weiblich (Referenz: männlich) | −51,91*** | −44,01*** | |
Alter (in Lebensjahren) | −2,94* | −1,01 | |
Alter (quadriert) | −0,04* | −0,02 | |
Bildungsniveau (in Kategorien) | +** | +** | |
Finanzielle Bildung (in Kategorien) | 10,80*** | 7,46* | |
Alter des Unternehmens (in Monaten) | 0,23** | 0,26*** | |
Investitionen (in den vergangenen zwölf Monaten) | 0,02*** | ||
Konstante | 88,10*** | 33,67 | 66,23** |
Adjustiertes R2 | 0,004 | 0,086 | 0,137 |
Beobachtungen | 2144 | 2144 | 2133 |
Anmerkungen: Der Zusammenhang von Unternehmensgewinn pro Mitarbeiter*in und Risikotoleranz wird in linearen Regressionsmodellen mit Kontrollvariablen geschätzt. Die Ergebnisvariable ist der Gewinn. Die Kontrollvariablen erfassen das Geschlecht, Alter, Bildung, finanzielle Bildung, das Alter des Unternehmens und in Modell 3 zusätzlich das Investitionsvolumen; weitere Variablen, die in der Tabelle nicht gezeigt werden, sind Arbeitserfahrung, Kreditzugang, Finanzschocks und der Sektor, in dem das Unternehmen tätig ist. Die Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf-, und Zehn-Prozent-Niveau an. Das adjustierte R2 ist ein Maß für den Zusammenhang zwischen unabhängigen Variablen und abhängiger Variable. Je näher der Wert bei 1 liegt, desto größer ist dieser Zusammenhang.
Lesebeispiel: Unternehmerinnen verdienen rund 52000 UGX weniger als Unternehmer. Werden die Investitionen berücksichtigt, sinkt die Differenz des Gewinns auf 44000 UGX.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Vor allem aber bestätigen die Berechnungen unter Einbeziehung anderer Faktoren, dass mit zunehmender Risikotoleranz der Unternehmensgewinn nicht linear steigt. Dies zeigt sich in einem Modell ohne Berücksichtigung weiterer möglicher Einflüsse (Tabelle, Modell 1). Der Koeffizient für Risikotoleranz ist positiv, also der Gewinn steigt demnach erst einmal mit größerer Risikotoleranz. Gleichzeitig ist der Koeffizient für nichtlineare (quadrierte) Risikotoleranz negativ. Das Quadrieren sorgt dafür, dass dieser Einfluss bei höheren Werten so stark zunimmt, dass der Gesamteffekt aus beiden Variablen ab einer Risikotoleranz von 6,7 wieder sinkt. Dieser nichtlineare Zusammenhang zeigt sich ganz ähnlich, wenn weitere Kontrollgrößen berücksichtigt werden (Tabelle, Modell 2). Die Koeffizienten, die die Wirkung von Risikotoleranz erfassen, bleiben durch die Hinzunahme weiterer Variablen fast unberührt: Der Koeffizient für Risikotoleranz sinkt wenig von 13,99 auf 10,91, der Koeffizient des quadrierten Terms bleibt praktisch unverändert.
Diese Zusammenhänge werden in der Literatur meist kausal interpretiert, weil man davon ausgeht, dass die Risikopräferenz von Menschen ein stabiles Charakteristikum ist (und nicht etwa durch den Unternehmensgewinn systematisch verändert wird).Vgl. Guido De Blasio et al. (2021): Massive Earthquakes, Risk Aversion, and Entrepreneurship. Small Business Economics, 57, 295–322. Allerdings werden inzwischen mögliche Einflüsse auf Risikotoleranz aufgezeigt, insbesondere Alter, Schocks und Emotionen. Die beiden ersten Einflüsse können hier berücksichtigt werden, der Einfluss von Emotionen jedoch nicht.Hannah Schildberg-Hörisch (2018): Are Risk Preferences Stable? Journal of Economic Perspectives 32 (2), 135–154.
Wenn also Risikotoleranz kausal auf den Gewinn wirkt, was könnte ein möglicher Kanal sein, über den sich diese Wirkung entfaltet? Es ist naheliegend, dass risikofreudigere Unternehmer*innen auch mehr Kapital in ihr Unternehmen investieren, zum Beispiel in Maschinen, Geschäftsausstattung, neue Produkte oder einfach einen größeren Vorrat an verkaufsfähigen Produkten. Deshalb wird in der Berechnung das Investitionsvolumen der letzten zwölf Monate als weitere Variable hinzugefügt (Tabelle, Modell 3). Das Ergebnis zeigt, dass Investitionen eine wichtige Erklärungsgröße für den Gewinn sind. Gleichzeitig sinken dadurch die Koeffizienten der Risikotoleranz deutlich (und sind im statistischen Sinne nicht mehr signifikant). Beides zusammen zeigt an, dass Risikotoleranz vermittelt über Investitionen den Gewinn wesentlich bestimmt: Risikotolerantere Unternehmer*innen investieren mehr und erzielen nicht zuletzt dadurch höhere Gewinne.
Das heißt, dass die Risikotoleranz einen Einfluss auf den Gewinn über den Kanal der Investitionsentscheidung hat. Gerade Kleinunternehmer*innen mit moderater Risikotoleranz schaffen durch hohe Investitionen die Voraussetzung für hohe Gewinne. Bei sehr risikoaversen Unternehmer*innen mangelt es an der Bereitschaft, größere Investitionen zu tätigen, was die Unternehmensentwicklung hemmt. Bei risikofreudigen Unternehmer*innen lässt sich vermuten, dass sie glauben oder versuchen, mit begrenzten Investitionen erfolgreich zu sein, was dann aber so nicht eintritt. Vielleicht haben sie Freude an einer riskanten Unternehmensstrategie, vielleicht überschätzen sie auch nur ihre Fähigkeiten.Vgl. ähnliche Effekte bei zu großem Optimismus Manju Puri und David T. Robinson (2007): Optimism and Economic Choice. Journal of Financial Economics 86 (1), 71–99.
Die Risikopräferenzen der Unternehmer*innen haben nicht nur Einfluss auf den Gewinn, sondern auch auf ihre Überlebenswahrscheinlichkeit in Krisenzeiten. Zwischen Oktober 2020 und April 2021, nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und der damit zusammenhängenden Wirtschaftskrise, wurden die Kleinunternehmer*innen in einer zweiten Erhebungswelle erneut befragt. 16 Prozent von ihnen betrieben ihr Unternehmen nicht mehr und fielen somit aus der Befragung heraus. Interessant ist, dass es systematische Unterschiede zwischen „überlebenden“ und „nichtüberlebenden“ Kleinunternehmen gibt.Nicht berücksichtigt wurde bei der Auswertung, ob die nichtüberlebenden Unternehmen stärker von Pandemieeinschränkungen betroffen waren. Die überlebenden Unternehmen hatten signifikant höhere Gewinne und tätigten höhere Investitionen. Die Krise hat also viele weniger profitable Unternehmen zur Schließung gezwungen, was aus volkswirtschaftlicher Sicht als typische, wenn nicht gar erwünschte „Bereinigung“ verstanden werden kann.
Außerdem wurden die geschlossenen Unternehmen öfter von Kleinunternehmer*innen mit niedriger Risikotoleranz geführt. Überlebende Unternehmen wurden hingegen öfter von Kleinunternehmer*innen mit moderater Risikotoleranz geleitet. Das heißt, dass risikoscheue Unternehmer*innen in der Pandemie ihr Kleinunternehmen häufiger schließen mussten und die Unternehmen der risikomoderaten Unternehmer*innen häufiger die Krise überlebten. Risikotoleranz hängt also tendenziell auch mit den unternehmerischen Überlebenswahrscheinlichkeiten in Krisenzeiten zusammen. Im Bereich der niedrigen Werte (zwischen 1 und 4, also im Bereich der geringen Risikotoleranz) gibt es einen höheren Anteil geschlossener Unternehmen (relativ zu überlebenden) (Abbildung 3). Bei höherer Risikotoleranz überleben mehr Unternehmen; insbesondere bei den moderaten Werten (zwischen 6 und 7) unterscheiden sich die Kurven dann stark: Relativ viele der überlebenden Unternehmen hatten Unternehmer*innen mit moderater Risikotoleranz. Dieser Unterschied tritt bei sehr hohen Werten von Risikotoleranz (8 bis 10) nicht mehr klar auf.
Kleine und kleinste Unternehmen sind eine wichtige Säule der Volkswirtschaft. Der Erfolg dieser Unternehmen hängt entscheidend von den Eigenschaften und Entscheidungen der jeweiligen Kleinunternehmer*innen ab, wobei die Bereitschaft, Risiken zu tragen, für Unternehmer*innen elementar ist. Dieser Wochenbericht zeigt, dass Kleinunternehmer*innen mit moderater Risikotoleranz die profitabelsten Unternehmen führen; zugleich hatten ihre Kleinunternehmen in der Corona-Krise auch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. Als Kanal, über den die persönliche Risikopräferenz der Unternehmer*innen und der Unternehmensgewinn zusammenhängen, lassen sich die Investitionen ausmachen. Moderat risikotolerante Kleinunternehmer*innen investieren also mehr in ihre Unternehmen, erzielen dadurch mehr Gewinne und machen ihre Unternehmen resilienter gegen Krisen.
Unzählige Seminare und Fortbildungen für Kleinunternehmer*innen werden von den Handelskammern und privaten Institutionen angeboten, in Deutschland teilweise mit Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. In den meisten davon spielt die persönliche Risikotoleranz eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse verdeutlichen jedoch, dass es bei Seminaren und Lehrgängen für Gründer*innen oder junge Unternehmer*innen wichtig ist, den Umgang mit unternehmerischem Risiko als zentralen Bestandteil des Unternehmenserfolgs zu behandeln und ein moderates Risikoverhalten zu fördern. Unternehmer*innen benötigen Risikotoleranz, so dass sehr risikoaverse Menschen mit dieser Aufgabe vermutlich nicht so erfolgreich sein werden. Aber das Gegenteil, risikoaffines Verhalten, scheint auch nicht ideal für den Unternehmenserfolg: Erfolgreiche Unternehmer*innen gehen zwar Risiken ein, sind aber keine risikofreudigen Zocker*innen.
Themen: Unternehmen, Konjunktur, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: D22;D81;L26;M21
Keywords: risk tolerance, entrepreneurs, profits, investments
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-29-3