DIW Wochenbericht 46 / 2024, S. 715
Martin Gornig, Erich Wittenberg
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Herr Gornig, der Expertenrat für Klimafragen mahnt, dass im Gebäudesektor deutlich mehr energetisch saniert werden müsse als bisher. Wie weit sind wir denn von den Sanierungszielen entfernt? Davon sind wir ganz weit entfernt. Die energetische Sanierung des Gebäudebestands war von Anfang an eine gigantische Aufgabe. Wir haben ein Riesenvolumen vor uns und nur ein kleiner Teil der ganz neuen Gebäude ist tatsächlich klimaneutral. Also muss eigentlich der ganze Bestand modernisiert werden – und dass so etwas keine Aufgabe von einem Jahrzehnt ist, war eigentlich von Anfang an klar. Bei der geringen Sanierungsrate von etwa einem Prozent pro Jahr kann man sich ausrechnen, wie lange wir noch brauchen, bis 100 Prozent des Gebäudebestands saniert sind.
Wie haben sich die Ausgaben für die energetische Gebäudesanierung im letzten Jahr entwickelt? Die Ausgaben sind gestiegen. Leider hatten wir gleichzeitig erhebliche Preissteigerungen. Zum Beispiel ist die Produktion von Fensterglas enorm energieintensiv. Entsprechend sind die Preise gerade in diesem Segment deutlich stärker gestiegen als die Ausgaben dafür. Das heißt, wir haben weniger Fenster ausgetauscht als im Jahr davor. Unter dem Strich sind die Investitionen preisbereinigt nicht gestiegen.
Also reicht das, was im Gebäudesektor aktuell getan wird, nicht, um die Klimaziele zu erreichen? So ist es. Seit einigen Jahren sind wir diesbezüglich im negativen Bereich. Wir müssten die derzeitige Sanierungsrate von einem Prozent jährlich eigentlich steigern, um die Klimaziele zu erreichen, aber wir bewegen uns jetzt von diesem einen Prozent aus sogar noch nach unten. Also dauert das Ganze noch länger.
Was müsste im Bereich der energetischen Gebäudesanierung getan werden, damit die Klimaziele schneller erreicht werden können? Wir brauchen einerseits erst einmal einen Anreiz, überhaupt investieren zu wollen. Das sind für die Privaten schlicht steigende Energiekosten. Offensichtlich tun die Kosten im Durchschnitt immer noch nicht so weh, dass die Motivation ausreicht, um tatsächlich energetisch zu sanieren. Wir haben auf der anderen Seite natürlich hohe Risiken, denn die Investitionen in energetische Sanierungen amortisieren sich erst über viele Jahre. Aus meiner Sicht kann der Staat dazu beitragen, dass sich die Investitionen schneller rechnen. Dazu muss er einerseits die CO2-Bepreisung festlegen und deutlich machen, dass Energie im Zweifelsfall noch teurer wird, und gleichzeitig finanzielle Unterstützung bei den Investitionskosten leisten.
Die Bundesregierung hat die Fördermittel für energetische Sanierungen 2024 auf 16,7 Milliarden Euro erhöht. Reicht das nicht? Es war sicherlich ein Kraftakt, diese gut 16 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zusammen zu kriegen. Auch die deutliche Aufstockung gegenüber den Jahren davor ist eine Leistung. Nur sind die Anforderungen noch höher. Dementsprechend muss sich die Politik darauf einstellen, diese 16 Milliarden oder vielleicht sogar noch mehr in den nächsten Jahren immer weiter aufzubringen, wenn sie im Gebäudesektor tatsächlich die Klimaziele erreichen will.
Wo bestehen diesbezüglich die größeren Probleme: Bei den Wohngebäuden oder bei den Nichtwohngebäuden? Der größere Teil von Gebäuden, der beheizt wird, sind Wohngebäude. Von daher könnte man sagen, dass Wohngebäude eigentlich der Schlüsselfaktor sind. Auf der anderen Seite haben wir gerade im Nichtwohnbereich, also in gewerblichen und öffentlichen Gebäuden, enormes Potenzial. Teilweise sind diese Gebäude so schlecht gedämmt, dass man hier mit höheren Investitionen die Heizemissionen möglicherweise schneller reduzieren könnte.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.