Statement vom 10. Januar 2025
Zu den wirtschaftspolitischen Plänen der Union eine Einschätzung von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Die Union setzt mit ihrer Agenda 2030 bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf die klassischen Instrumente von Steuersenkungen, weniger Staat, einen Abbau des Sozialstaats und stärkere Arbeitsanreize. Die Agenda 2030 enthält einige kluge und wichtige Elemente, jedoch auch drei grundlegende Widersprüche und Inkonsistenzen. Diese Widersprüche bedeuten, dass die Union die meisten ihrer Maßnahmen nicht umsetzen können und somit ihre Ziele verfehlen wird.
Die Agenda 2030 der Union setzt die Priorität auf Umverteilung und die Entlastung von Spitzenverdienenden und Unternehmen. Sie macht zahlreiche ambitionierte Versprechen und setzt unrealistische Ziele. Ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent ist illusorisch und erfordert eine deutliche Zunahme der Zuwanderung nach Deutschland und eine Integration von mehr als 500 000 zusätzlichen Arbeitskräften aus dem Ausland – und das in jedem Jahr über das nächste Jahrzehnt. Zudem müssten viele der Hürden vor allem für Frauen abgebaut werden, etwa das Ehegattensplitting. Auch wären mehr Investitionen in Kitas und Schulen bis hin zur Abschaffung der Minijobs nötig. Die Migrationspolitik und die Familienpolitik der Union gehen jedoch in die gegengesetzte Richtung. Gekoppelt mit der von der Union geforderten Steuerbefreiung für Überstunden und einer Beschneidung der Sozialausgaben wird die Agenda 2030 das Arbeitskräfteproblem weiter verschärfen und zu zahlreichen Insolvenzen beitragen.
Die Agenda 2030 enthält einige kluge Elemente, wie die Steuerbefreiung für zusätzliche Einkommen von Rentner*innen, die Erhöhung der Forschungsausgaben oder die Reduzierung der Netzentgelte. Sie zeigt jedoch auch drei grundlegende Widersprüche. Der Dreiklang von geringeren Steuern, höheren Investitionen und weniger Schulden ist ein Widerspruch in sich und erfordert die Quadratur des Kreises. Ein Festhalten an der Schuldenbremse wird unweigerlich zu geringeren öffentlichen Investitionen, höheren Steuern und weniger Wirtschaftsleistung führen.
Die Politik der Union bedeutet eine massive Umverteilung von Arm zu Reich und von Jung zu Alt. Die fast 100 Milliarden Euro an Steuerentlastungen kommen zum größten Teil den Spitzenverdienenden zugute, die untere Hälfte der Menschen mit mittleren und geringen Einkommen geht größtenteils leer aus. Dies wird die Wirtschaftsleistung schwächen, die wirtschaftliche Transformation erschweren und den Verteilungskampf in Deutschland verschärfen. Es fehlt an einer konsistenten Klima- und Energiepolitik, was das Erreichen der Klimaschutzziele und die grüne Transformation der Wirtschaft erschweren wird.
Steuerliche Entlastungen für Unternehmen sind notwendig, aber sie allein werden Deutschland nicht wieder zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verhelfen. Die Union bleibt viele Antworten schuldig, so auch, wie Innovation, mehr private Investitionen in Forschung und Entwicklung oder ein Bauboom entstehen sollen. Die Union bleibt nicht nur die Frage der Finanzierung der massiven Steuererleichterung für Spitzenverdienende schuldig, sondern es fehlt ein überzeugendes Konzept, wie Menschen besser in den Arbeitsmarkt integriert und die Produktivität gesteigert werden soll.
Das Versprechen von Einsparungen bei den Sozialsystemen wird die Union nicht erfüllen können, zumal sie beispielsweise bei der Mütterrente selbst zusätzliche Ausgaben verspricht. Die Agenda 2030 malt ein Bild, bei dem verletzliche Gruppen und vermeintlich arbeitsunwillige Menschen an der derzeitigen wirtschaftlichen Misere schuld sind. Eine ehrliche Problemanalyse und mutige, konsistente und in die Zukunft schauende Reformen kommen in der Agenda 2030 zu kurz.
Themen: Arbeit und Beschäftigung , Konjunktur , Steuern