DIW Wochenbericht 22 / 2025, S. 319-327
Sarah Godar, Hjalte Boas, Matthew Collin, Carolina Moura, Andreas Økland
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„Die über den CRS gemeldeten Vermögen sind deutlich gestiegen. Werden aber nur die Vermögen in bei Steuerhinterziehenden beliebten Finanzzentren betrachtet, sind diese niedriger als die vom EU Tax Observatory geschätzten Offshore-Vermögen. Insbesondere die Identifikation der Steuerpflichtigen hinter passiven Firmenkonstrukten scheint noch verbesserungswürdig.“ Sarah Godar
Mit dem 2013 eingeführten automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten im Rahmen des Common Reporting Standard (CRS) gelang den G20-Staaten ein Durchbruch bei der Bekämpfung internationaler Steuerhinterziehung. Der vorliegende Bericht veröffentlicht erstmals gesammelte Statistiken über die von 16 Ländern im Rahmen des CRS erhaltenen Informationen. Diese decken etwa 30 Prozent der laut OECD im Jahr 2022 ausgetauschten Informationen ab. Detailliertere von Dänemark, Deutschland, Spanien, Slowenien und dem Vereinigten Königreich bereitgestellte Daten zeigen, dass Auslandsvermögen stärker in Finanzzentren wie Luxemburg oder Schweiz konzentriert sind und dort häufig von passiven Firmenkonstrukten gehalten werden. Die über den CRS gemeldeten Haushaltsvermögen in Finanzzentren sind allerdings mindestens 30 Prozent niedriger, als bisherige Schätzungen über Offshore-Vermögen nahelegten, was als Hinweis auf Untererfassung gewertet werden könnte. Die gemeldeten Trefferquoten der Finanzbehörden deuten auf eine gute Qualität und Verarbeitung der CRS-Daten hin. Bei über Unternehmensstrukturen gehaltenen Konten, die mit einem höheren Steuerhinterziehungsrisiko verbunden sind, besteht jedoch noch Verbesserungsbedarf. Die Politik sollte die Steuerbehörden bei der Datenverarbeitung umfassend unterstützen und mehr Transparenz über Auslandsvermögen und die Effektivität des Informationsaustauschs herstellen.
Bei der Bekämpfung internationaler Steuerhinterziehung ist den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) ein entscheidender Durchbruch gelungen: An dem 2013 eingeführten automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten unter dem Common Reporting Standard (CRS) beteiligen sich mehr als 100 Länder und Gebiete. Das internationale Abkommen verpflichtet Finanzinstitute seit dem Jahr 2017 dazu, Kontoinformationen von nicht im Land ansässigen Kontoinhaber*innen zu erheben und an ihre Steuerverwaltungen weiterzuleiten. Diese wiederum haben sich verpflichtet, die gesammelten Informationen automatisch mit den jeweils zuständigen Steuerbehörden im Wohnsitzland der Kontoinhaber*innen zu teilen. Ziel des automatischen Informationsaustauschs ist es, Transparenz über auf Auslandskonten generierte Kapitaleinkommen herzustellen und damit deren rechtmäßige Besteuerung abzusichern. Insbesondere werden Finanzinstitute verpflichtet, auch die wahren wirtschaftlichen Eigentümer*innen hinter Briefkastenfirmen zu ermitteln, um gängige Verschleierungskonstrukte der Schattenfinanzwelt aufzudecken und unwirksam zu machen.
Knapp ein Jahrzehnt nach der Einführung bleibt die Frage, in welchem Umfang Auslandsvermögen auch weiterhin der Besteuerung im Wohnsitzland entzogen werden, ein zentrales Thema in Politik und Wissenschaft. Doch die bisher veröffentlichten Erkenntnisse sind noch sehr lückenhaft. Viele Steuerverwaltungen und Finanzministerien zeigen sich zurückhaltend und veröffentlichen nur wenige Informationen über die erhaltenen Daten – obwohl die Veröffentlichung aggregierter Statistiken kaum ein Risiko für die bei personenbezogenen Einzeldaten angebrachte Vertraulichkeit darstellen würde.
Um zur Auswertung der Effektivität des automatischen Informationsaustauschs beizutragen und die Transparenz über die ausgetauschten Datenmengen zu erhöhen, veröffentlicht der vorliegende Bericht erstmals Statistiken über die von 16 Ländern im Rahmen des CRS erhaltenen Informationen. Die Statistiken wurden von Finanzministerien und Steuerverwaltungen auf Anfrage bereitgestellt oder zum Teil aus anderen Veröffentlichungen zusammengetragen (Kasten). Im vorliegenden Bericht werden der Umfang der berichteten Auslandsvermögen analysiert und Auskünfte über die Datenqualität und -nutzung seitens der Steuerbehörden zusammengefasst.
Der von der OECD eingeführte Common Reporting Standard (CRS) verpflichtet Banken und andere Finanzinstitute seit 2017, Kontostände und Kapitalerträge auf Konten von Steuerpflichtigen im Ausland zu melden – auch wenn diese Konten über Firmenstrukturen gehalten werden. Um die aggregierten Daten über die durch den CRS erfassten Auslandsvermögen zu erheben, wurden Finanzministerien, Steuerbehörden und Statistikämter in 34 CRS-Ländern kontaktiert – 16 davon lieferten zumindest die globale Summe der für ihr Land berichteten Auslandsvermögenswerte oder hatten diese bereits veröffentlicht.Dazu gehören Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Estland, Japan, Kanada, Norwegen, Polen, Schweden, Slowenien, Spanien, Südafrika, Tschechien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Zwar war kein Land bereit, Aufschlüsselungen nach Meldeländern zu liefern, einige stellten jedoch Daten nach Ländergruppen oder Art der Eigentümer*innen bereit. 19 Länder antworteten trotz mehrfacher Nachfrage nicht oder gaben an, aus Vertraulichkeitsgründen keine Daten weitergeben zu dürfen, da dies über die Befugnisse internationaler Abkommen hinausgehe. Das ist überraschend, da statistische Auswertungen klar von personenbezogenen Mikrodaten abzugrenzen sind.Andres Knobel (2019): Statistics on automatic exchange of banking information and the right to hold authorities (and banks) to account. Tax Justice Network (online verfügbar, abgerufen am 30. Juli 2024).
Die Daten wurden auf unterschiedlichen Wegen erhoben: In Belgien, Japan und Südafrika waren sie öffentlich zugänglich, für das Vereinigte Königreich wurde ein Antrag auf Informationsfreiheit gestellt, und in Deutschland erfolgte der Zugang über das Netzwerk Empirische Steuerforschung des Finanzministeriums. Besonders detaillierte Daten lieferte dank einer Forschungskooperation die dänische Steuerverwaltung, darunter Angaben zum Anteil der Konten in Hand von passiven Gesellschaften ohne identifizierbare wirtschaftliche Eigentümer*innen.
Insgesamt wurden aggregierte Zahlen für 16 Länder zusammengetragen; fünf davon lieferten zusätzliche Aufschlüsselungen nach Finanzzentren, vier nach direkter beziehungsweise indirekter Kontoinhaberschaft durch natürliche Personen oder Unternehmen. In manchen Fällen lagen Zeitreihen vor, in anderen nur Einzeljahre.
Da im Fall von mehreren Kontoeigentümer*innen pro Eigentümer*in ein separater CRS-Datensatz erstellt wird, kommt es zu Doppelzählungen. Der basierend auf den dänischen Daten entwickelte Vorschlag, die Kontostände durch die Zahl der Kontoinhaber*innen zu teilen, bevor eine Aggregation erfolgt, wurde nicht in allen Ländern umgesetzt. Norwegen und Slowenien gaben an, die Daten um Doppelzählung bereinigt zu haben, im Fall von Norwegen zumindest teilweise. Belgien, Kanada, Deutschland und Spanien wiesen hingegen explizit auf mögliche Doppelzählungen hin. Bei den anderen Ländern lagen keine Angaben vor. Mehr Informationen zu möglichen Korrekturen der Doppelzählung finden sich im Online-Appendix des englischsprachigen Berichts.Hjalte Boas et al. (2025): Assessing the Coverage of the Automatic Exchange of Information under the CRS. EU Tax Observatory (im Erscheinen).
Abgeglichen werden die Daten mit bisherigen Schätzungen des EU Tax Observatorys, eines unabhängigen Forschungsinstituts, das sich seit Jahren der Untersuchung von Steuerhinterziehung und -vermeidung widmet. Die aktuellen Schätzungen des globalen Offshore-Vermögens, an denen auch zwei Autorinnen dieses Wochenberichts beteiligt waren, gehen davon aus, dass Haushalte weltweit im Jahr 2022 Finanzvermögen im Wert von 11,5 Billionen US-Dollar offshore in internationalen Finanzzentren hielten.Finanzzentren sind Volkswirtschaften, in denen das Geschäft mit Finanzdienstleistungen für vermögende Privatkunden, insbesondere aus dem Ausland, überdimensioniert im Verhältnis zur heimischen Wirtschaft ist, zum Beispiel die Britischen Jungferninseln, Luxemburg oder die Schweiz. Als hybride Finanzzentren könnten das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet werden, in denen auch relevante reale wirtschaftliche Aktivitäten stattfinden und größere Bevölkerungen leben, die wiederum selber Vermögen in anderen Finanzzentren halten. Vgl. Souleymane Faye et al. (2025): Global offshore wealth, 2001–2023. EU Tax Observatory (im Erscheinen). Wegen der schwierigen Abgrenzbarkeit wurden die hybriden Finanzzentren im vorliegenden Wochenbericht den Nicht-Finanzzentren zugerechnet. Für dasselbe Jahr gibt die OECD an, dass unter dem CRS Informationen über Finanzvermögen von insgesamt umgerechnet 12,7 Billionen US-Dollar ausgetauscht wurden. Es wäre naheliegend zu schlussfolgern, dass das Problem anonymer Offshore-Vermögen damit gelöst sei, da zwei völlig unabhängig voneinander erhobene Zahlen ein ähnliches Bild zeichnen. Die vorliegende Auswertung zeigt jedoch, dass diese Schlussfolgerung zu optimistisch wäre.
Der CRS verpflichtet Banken und andere Finanzinstitute, Kontostände und Kapitalerträge auf Konten von Steuerpflichtigen im Ausland zu melden – auch wenn diese Konten über Firmenstrukturen gehalten werden. Dazu muss festgestellt werden, wer ein Konto tatsächlich kontrolliert, wie das Einkommen erzielt wird und wo die wirtschaftlich Berechtigten steuerlich ansässig sind. Firmen werden in aktive und passive Nicht-Finanzunternehmen unterteilt: Erstere erzielen überwiegend aktive Einkünfte (zum Beispiel aus Beratung), letztere vor allem passive Einkünfte (zum Beispiel aus Zinsen und Dividenden). Bei über passive Firmenstrukturen gehaltenen Konten bestand bisher ein erhöhtes Risiko, dass die dort eingehenden Kapitalerträge den Steuerbehörden verborgen bleiben. Dies sollte sich mit dem CRS ändern. Doch darüber, wie gut die Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigten hinter Firmenkonstrukten funktioniert, ist bisher wenig bekannt.
Die Wirksamkeit des CRS erhält wachsende Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Literatur. Frühere Studien zeigen, dass die Einführung des CRS spürbare Auswirkungen auf internationale Finanzströme hatte: Grenzüberschreitende Bankeinlagen in Finanzzentren beziehungsweise Steueroasen gingen um zwölf bis 35 Prozent zurück.Sebastian Beer, Maria Delgado Coelho und Sebastien Leduc (2019): Hidden treasure: The impact of automatic exchange of information on cross-border tax evasion. International Monetary Fund; Elisa Casi, Christoph Spengel und Barbara Stage (2020): Cross-border tax evasion after the common reporting standard: Game over? Journal of Public Economics, 190, 104240; Lukas Menkhoff und Jakob Miethe (2019): Tax evasion in new disguise? Examining tax havens’ international bank deposits. Journal of Public Economics, 176, 53–78 (online verfügbar, abgerufen am 19. Mai 2025. Die gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben); Pierce O’Reilly, Kevin Parra Ramírez und Michael Stemmer (2021): Exchange of information and bank deposits in international financial centres. Hacienda Publica Espanola, 239, 27–69. Dies lässt sich teilweise durch die Rückführung von Vermögen ins Heimatland erklären, etwa in DänemarkHjalte Boas et al. (2024): Taxing capital in a globalized world: The effects of automatic information exchange. Technical report. National Bureau of Economic Research. oder NorwegenAnnette Alstadsæter et al. (2023): Lost in information: national implementation of global tax agreements. NHH Dept. of Business and Management Science Discussion Paper Nr. 22., teils aber auch durch Verlagerung in Länder außerhalb des CRS, insbesondere in die USA.Casi et al. (2020), a.a.O. Die Wirkung des CRS hängt auch von der Rechtsdurchsetzung in Steueroasen ab: Aus Ländern mit schwacher Umsetzung ist die Rückführung von Vermögen deutlich seltener.Alstadsæter et al. (2023), a.a.O.
Trotz eingeschränktem Zugang zu Mikrodaten zeigen erste Studien, dass der CRS Steuerverwaltungen hilft, grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu bekämpfen – etwa durch mehr Selbstanzeigen oder gezielte Prüfungen.Boas et al. (2024), a.a.O. Eine Analyse geleakter CRS-Daten einer Bank auf der Isle of Man legt allerdings nahe, dass erhebliche Vermögen aufgrund von Ausnahmeregelungen für bestimmte Einkommensarten und Gesellschaftsformen der Meldung entgehen.Jeanne Bomare und Matt Collin (2025): When Bankers become Informants: Behavioral Effects of Automatic Exchange of Information. EU Tax Observatory (im Erscheinen).
Trotz wichtiger Fortschritte bestehen weiterhin Schlupflöcher, die in der Literatur diskutiert werden. So können Meldegrenzen durch Aufteilung von Konten unter mehreren Personen gezielt unterschritten werdenBeer, Delgado Coelho und Leduc (2019), a.a.O. oder eigene sogenannte Shell Banks eingesetzt werden, die die Meldepflicht durch Dritte faktisch in eine Selbstmeldepflicht umwandeln.Um zu vermeiden, dass Finanzinstitute ihre Konteninformationen an die Behörden weitergeben, können Vermögende eigene Finanzintermediäre quasi als Briefkastenbanken gründen, auf die dann die Berichtspflicht übergeht, die damit effektiv in eine Selbstmeldepflicht umgewandelt wird. Vgl. Noam Noked und Zachary Marcone (2023): Closing the" shell bank" loophole. Virginia Journal of International Law 64, 119. Desweiteren können Citizenship-by-investment- und Residence-by-investment-Programme genutzt werden, um den CRS zu umgehen.Citizenship-by-investment- und Residence-by-investment-Programme ermöglichen es Personen, durch eine finanzielle Investition eine Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltsgenehmigung in einem anderen Land, oft ohne lange Aufenthaltszeiten, zu erhalten. Die CRS-Berichte über ihre Konten würden dann an diese neuen (vermeintlichen) Wohnsitzländer geschickt, die möglicherweise ihrerseits zwar CRS-Informationen senden, aber sie nicht selbst einfordern oder nicht auswerten. Vgl. Andres Knobel und Frederik Heitmüller (2018): Citizenship and residency by investment schemes: Potential to avoid the common reporting standard for automatic exchange of information (online verfügbar); Dominika Langenmayr und Lennard Zyska (2023): Escaping the exchange of information: Tax evasion via citizenship-by-investment. Journal of Public Economics, 221 (online verfügbar). Zudem ist die Umsetzung durch Banken noch lückenhaft.U.S. Senate Finance Committee (2023): Credit Suisse’s role in U.S. tax evasion schemes: A democratic staff investigation; Boas et al. (2024), a.a.O.; Bomare und Collin (2025), a.a.O.
Nur wenige Staaten veröffentlichen bisher Statistiken zu den im Rahmen des CRS übermittelten oder empfangenen Daten. Noch seltener sind Bewertungen zur Wirksamkeit, zur Datenqualität oder zur Nutzung durch die Steuerbehörden. Positive Ausnahmen sind Belgien, Norwegen, Slowenien und das Vereinigte Königreich, die zumindest teilweise öffentlich über ihre Erfahrungen mit dem CRS berichten.Für Belgien: Cour des Comptes (2020): Échange automatique de données fiscales au niveau international. Rapport de la cour des comptes transmis à la chambre des représentants, Brüssel (online verfügbar); für das Vereinigte Königreich: UK Government (2024): Undisclosed foreign income in self-assessment by UK residents 2018 to 2019 (online verfügbar); für Norwegen: Riksrevisjonen (2024): Skatteetatens arbeid med å avdekke norske skattepliktiges inntekter og formuer i utlandet samt kryptovaluta. Technical report, Riksrevisjonen, October 2023 (online verfügbar); für Slowenien: Finančna uprava Republike Slovenije (2025): Letno poročilo finančne uprave republike slovenije za leto 2024. Technical report, Ministrstvo za finance (online verfügbar). Aus ihren Berichten ergeben sich drei zentrale Erkenntnisse: Erstens erreichen CRS-Daten meist hohe Trefferquoten beim Abgleich mit nationalen Steuerregistern. In Belgien waren zum Beispiel nur rund vier Prozent der Meldungen für 2016/17 nicht eindeutig zuzuordnen.Cour des Comptes (2020), a.a.O. Die Trefferquote ist bei direkt geführten Konten höher, sinkt aber bei Firmenkonten oder bei wirtschaftlich Berechtigten, unter anderem aufgrund fehlender internationaler Unternehmenskennziffern oder bei mehreren Eigentümer*innen.
Zweitens zeigen sich Unterschiede zwischen CRS-Meldungen und den von Steuerpflichtigen selbst deklarierten Vermögen. In Slowenien waren nur knapp 20 Prozent der für 2023 gemeldeten Konten bereits durch Steuerpflichtige angegeben.Finančna uprava Republike Slovenije (2025), a.a.O. Unklar bleibt, ob dies daran liegt, dass manche durch den CRS übermittelte Vermögen oder Einkommen steuerlich eigentlich nicht meldepflichtig wären oder ob die Diskrepanz tatsächlich auf unvollständige Meldung oder andere Ursachen zurückzuführen ist. Das Vereinigte Königreich schätzt, dass nur vier Prozent der betroffenen Personen im Steuerjahr 2018/19 ihre Auslandseinkünfte unvollständig deklarierten – mit einem Steuerausfall von etwa 300 Millionen Pfund.UK Government (2024), a.a.O.
Drittens scheint die systematische Nutzung von CRS-Daten für Steuerprüfungen bislang begrenzt. Norwegen etwa berichtet, dass vor 2022 die Daten oft zu spät oder unvollständig ankamen. Seitdem habe sich die Lage deutlich verbessert – unter anderem durch eine stärkere Fokussierung auf besonders vermögende Personen. Seit 2025 nutzt die norwegische Steuerverwaltung CRS-Daten für gezielte Prüfungen und „Nudging“-Maßnahmen wie Erinnerungsschreiben oder Hinweise in Steuerformularen. Riksrevisjonen (2024), a.a.O. In Belgien werden die Daten zur Risikoanalyse bei der Steuerfahndung genutzt.Cour des Comptes (2020), a.a.O.
Der vorliegende Datensatz aus 16 Ländern umfasst ein globales Auslandsfinanzvermögen von 3,6 Billionen US-Dollar – das entspricht knapp 30 Prozent des von der OECD für 2022 gemeldeten weltweiten Betrags von 12,7 Billionen Dollar. Seit dem Start des CRS ist die Zahl der jährlichen Meldungen deutlich gestiegen, was auch auf den Beitritt weiterer Länder zum Informationsaustausch zurückzuführen ist. In den meisten Fällen ist ein steter Anstieg zu beobachten, was auf eine verbesserte Abdeckung hindeutet (Abbildung 1). Teilweise wurden Meldungen im Nachhinein angepasst, etwa wegen verspäteter Einreichungen, Korrekturen oder besserer Datenbereinigung, was einzelne Sprünge im sonst gleichmäßigen Anstieg erklären dürfte.
Der CRS erfasst einen relevanten Anteil der Nettohaushaltsvermögen des Landes, dem Auslandsvermögen gemeldet wurden. Im Durchschnitt entsprechen die über den CRS gemeldeten Vermögen rund vier Prozent der gesamten Haushaltsvermögen des jeweiligen Landes beziehungsweise neun Prozent des Finanzvermögens der Haushalte (ohne Sachvermögen wie Immobilien) eines Landes. In Brasilien, Kanada und Japan sind die gemeldeten CRS-Werte im Verhältnis zum Haushaltsvermögen vergleichsweise gering (Abbildung 2). Das deutet darauf hin, dass dort weniger Auslandsvermögen gehalten werden oder dass ein größerer Teil der Auslandsvermögen in den USA liegt, die nicht am CRS teilnehmen.
Die gemeldeten Auslandsvermögen einzelner Haushalte sind erheblich: Der durchschnittliche Kontostand im Ausland beträgt 70000 US-Dollar. Bei Haushalten aus Belgien, Brasilien, Südafrika und dem Vereinigten Königreich liegt der Durchschnitt bei über 100000 US-Dollar pro Auslandskonto. Ungarn, Polen und Slowenien melden die niedrigsten Durchschnittswerte mit unter 40000 US-Dollar (Abbildung 3). Einige Länder stellen separate Zahlen für Auslandsvermögen in Finanzzentren wie Luxemburg, den Britischen Jungferninseln und der Schweiz zur Verfügung. Diese differenzierte Betrachtung ermöglicht eine Schätzung, bei wie viel dieser Vermögen tatsächlich von einem erhöhten Steuerhinterziehungsrisiko auszugehen ist. Es zeigt sich durchweg, dass in Finanzzentren deutlich höhere Vermögen gehalten werden. Die dänischen Vermögen in Finanzzentren sind im Schnitt sogar sechsmal höher als der Durchschnitt aller dänischen Auslandsvermögen. Das könnte darauf hindeuten, dass wohlhabendere Haushalte eher Vermögen in Finanzzentren halten. Konten außerhalb der Finanzzentren könnten hingegen häufiger Restbestände aus früherer Berufstätigkeit im Ausland oder einem Auslandsstudium sein.
Ein zentrales Ziel des CRS ist es, die wirtschaftlich Berechtigten hinter Briefkastenfirmen zu identifizieren. Zwar sind laut reiner Zählung nur wenige Konten auf Firmen registriert (zum Beispiel ein Prozent in Japan, vier Prozent in Belgien und dem Vereinigten Königreich), doch der Anteil am gesamten Auslandsvermögen ist erheblich: Im Schnitt halten Firmen 48 Prozent des gemeldeten Auslandsvermögens, mit großen Unterschieden zwischen den Ländern (zum Beispiel 16 Prozent in Südafrika, 82 Prozent in Dänemark).
Besonders häufig kommen passive Firmenkonstruktionen in Finanzzentren vor: 63 Prozent des von Finanzzentren an Dänemark gemeldeten Vermögens entfallen auf passive Gesellschaften; nur 17 Prozent des Vermögens passiver Firmen liegen auf Konten in Nicht-Finanzzentren. Ein ähnliches Muster, wenn auch weniger ausgeprägt, zeigt sich in Deutschland (23 Prozent versus zehn Prozent), Slowenien (15 Prozent versus elf Prozent) und dem Vereinigten Königreich (24 Prozent versus 20 Prozent). Die Kombination aus passiven Firmenkonstrukten und Vermögensverwaltung in Finanzzentren deutet darauf hin, dass für diesen Teil des Auslandsvermögens ein stark erhöhtes Steuerhinterziehungsrisiko besteht.
Entscheidend für den Nutzen der Daten sind deren Qualität und die Auswertungsmöglichkeiten der Steuerbehörden. Die Trefferquoten beim Abgleich der CRS-Berichte mit im Inland registrierten Steuerpflichtigen liegen in Belgien, Deutschland, Norwegen und Spanien zwischen 82 und 96 Prozent (Tabelle). Für Unternehmenskonten sind sie deutlich geringer (zum Beispiel Belgien 72 Prozent, Deutschland 39 Prozent). Dänemark und das Vereinigte Königreich berichten zudem, dass nur bei rund 60 Prozent der indirekt über passive Firmen gehaltenen Konten die tatsächlichen Eigentümer*innen ermittelt werden konnten. Insgesamt zeigen die Zahlen, dass die Daten größtenteils von guter Qualität und die Steuerbehörden erfolgreich bei ihrer Verarbeitung sind. Zugleich scheint aber Verbesserungspotenzial bei der Identifikation von Firmenstrukturen und wirtschaftlichen Eigentümer*innen zu bestehen.
In Prozent
Referenzjahr | Anteil der Firmenkonten | Anteil der Firmenguthaben am Gesamtauslandsvermögen | Anteil der Guthaben passiver Firmen am Gesamtauslandsvermögen | Gesamttrefferquote der Steuerbehörden | Trefferquote bei Firmenkonten | Anteil der Konten passiver Firmen mit verfügbaren Eigentümerinformationen | |
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Belgien | 2018 | 4 | 95 | 72 | |||
Deutschland | 2022 | 2 | 50 | 20 | 82 | 39 | |
Dänemark | 2022 | 3 | 82 | 46 | 60 | ||
Spanien | 2022 | 96 | |||||
Japan | 2022 | 1 | 34 | ||||
Norwegen | 2022 | 2 | 79 | 18 | 96 | ||
Schweden | 2022 | 2 | 37 | 13 | |||
Südafrika | 2018 | 2 | 16 | ||||
Vereinigtes Königreich | 2022 | 4 | 37 | 23 | 59 |
Anmerkungen: Die Daten zur Eigentümer*innenstruktur und Datenqualität wurden nur von einem Teil der Länder veröffentlicht oder auf Anfrage bereitgestellt. Die Trefferquote bezieht sich auf den Anteil der erhaltenen Berichte, die inländischen Steuerzahler*innen zugeordnet werden konnten.
Quelle: Angaben der Steuerbehörden aus den jeweiligen Ländern.
Um eine Vorstellung davon zu erhalten, ob die CRS-Meldungen eine realistische Einschätzung der Auslandsvermögen erlauben, werden diese Daten mit bisherigen Schätzungen des EU Tax Observatory über Offshore-Vermögen verglichen. Allerdings sind die globalen Summen der unter dem CRS gemeldeten Auslandsvermögen nicht ohne Weiteres mit den vom EU Tax Observatory geschätzten Offshore-VermögenFaye et al. (2025), a.a.O. vergleichbar, da sich letztere nicht auf Daten der Steuerbehörden, sondern auf internationale Finanzstatistiken stützen. Zudem bezieht sich die Schätzung des Offshore-Vermögens erstens nur auf in Finanzzentren gehaltene Vermögen und zweitens nur auf von Privathaushalten oder passiven Firmenkonstrukten gehaltene Vermögen, die indirekt Privathaushalten gehören. Die global aggregierten CRS-Zahlen isolieren die direkt oder indirekt von Privatpersonen gehaltenen Konten nicht von Konten aktiver Firmen und enthalten auch Kontostände von passiven Firmen in CRS-Ländern, deren Eigentümer*innen aber nicht in CRS-Ländern wohnen. Die Behörden wurden daher darum gebeten, die CRS-Statistiken nach Konten in Finanzzentren und nach Konten, die direkt oder indirekt Privathaushalten zuzuordnen sind, zu untergliedern.
Das global gemeldete CRS-Kontoguthaben übersteigt die Schätzungen für Offshore-Vermögen in 13 von 16 Ländern deutlich (Abbildung 4). Dänemark, Deutschland, Slowenien, Spanien und das Vereinigte Königreich stellen die für den Vergleich mit Offshore-Vermögen erforderliche Untergliederung der CRS-Daten bereit. Zumindest in Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich werden die Zahlen jedoch nicht um Doppelzählungen bereinigt und müssten vermutlich nach unten korrigiert werden. Die deutschen und slowenischen Vermögen in Finanzzentren mussten außerdem nach unten korrigiert werden, damit sie sich auf dieselbe Liste von Finanzzentren beziehen wie die Zahlen der anderen Länder.Für die Liste der Finanzzentren und vorgenommene Korrekturen vgl. Online-Appendix von Hjalte Boas et al. (2025): Assessing the coverage of the automatic exchange of information under the CRS. EU Tax Observatory (im Erscheinen).
Die Untergliederung bestätigt, dass die im Rahmen des CRS gemeldeten Vermögen in Finanzzentren konzentriert sind: Durchschnittlich 60 Prozent des gesamten gemeldeten Vermögens werden in Finanzzentren gehalten. Dieser Anteil ist am höchsten im Vereinigten Königreich: Britische Haushalte haben 78 Prozent ihres Auslandsvermögens in Finanzzentren oder über Finanzzentren vermittelt angelegt, während slowenische Haushalte mit nur 29 Prozent eine Ausnahme darstellen. Der größte Teil des Vermögens in Finanzzentren gehört privaten Haushalten (81 Prozent). Dazu gehören auch indirekt über passive Nicht-Finanzfirmen gehaltene Vermögen. Die Länderergebnisse reichen von 70 Prozent in Deutschland bis 92 Prozent im Vereinigten Königreich.
Die Schätzungen des EU Tax Observatory für Offshore-Vermögen übersteigen die von privaten Haushalten in Finanzzentren gehaltenen und durch den CRS gemeldeten Vermögen in allen Fällen außer Deutschland (Abbildung 5). In Dänemark machen CRS-gemeldete Vermögen von Einzelpersonen in Finanzzentren 63 Prozent des geschätzten Offshore-Vermögens aus. Der Anteil beträgt 63 Prozent für Spanien, 44 Prozent für Slowenien und 88 Prozent für das Vereinigte Königreich. Die mögliche Schlussfolgerung, dass heute im Durchschnitt 70 Prozent des geschätzten Offshore-Vermögens durch den CRS abgedeckt sind, erscheint jedoch zu optimistisch. Die Daten in Deutschland, im Vereinigten Königreich und in Spanien wurden nicht um Doppelzählungen bereinigt; damit dürfte die Abdeckung deutlich niedriger liegen (Kasten). Würde die dänische Bereinigung um Doppelzählungen, die die Vermögen um 41 Prozent reduziert, auch auf die britischen, deutschen und spanischen Zahlen angewandt, würde die Abdeckung auf 52 Prozent für das Vereinigte Königreich, 72 Prozent für Deutschland und 37 Prozent für Spanien sinken. Die durchschnittliche Abdeckung läge dann nur noch bei 54 Prozent. Das mag nicht schlecht erscheinen, da bei der Gesamtbetrachtung auch die Auslandskonten hinzuzufügen wären, die über das FATCA-Abkommen abgedeckt sind. In diesem ist der Informationsaustausch zu Auslandsvermögen mit den USA, die nicht am CRS beteiligt sind, geregelt. Auch könnte die vorgeschlagene Korrektur um Doppelzählungen zu konservativ sein, wenn zum Beispiel die Anzahl von Konten mit mehreren Eigentümer*innen unter den Ländern stark variiert, sodass die britische, deutsche oder die spanische Steuerverwaltung bei selbst vorgenommener Korrektur andere Ergebnisse erzielen würde.
Im Ausland angelegtes Finanzvermögen unterliegt einem höheren Risiko der Steuerhinterziehung. Mit dem 2017 in Kraft getretenen automatischen Informationsaustausch CRS soll Transparenz über auf Auslandskonten generierte Kapitaleinkommen hergestellt werden, um die rechtmäßige Besteuerung abzusichern. Die vorliegenden Daten aus 16 am CRS beteiligten Ländern decken knapp 30 Prozent der von der OECD berichteten globalen CRS-Vermögen ab.
Der Auswertung der CRS-Daten zufolge sind die Auslandsvermögen im Verhältnis zum Haushaltsvermögen erheblich. Das durchschnittliche Kontoguthaben im Ausland beträgt 70000 US-Dollar. Ein Großteil davon wird in Finanzzentren wie den Britischen Jungferninseln, Luxemburg oder der Schweiz angelegt. Hier sind Konten, die durch passive Firmen und damit indirekt von Privatpersonen gehalten werden, besonders häufig. Dies sind vermutlich auch die Konten mit höherem Steuerhinterziehungsrisiko, da solche Firmenkonstrukte oft zur Verschleierung von Eigentumsverhältnissen genutzt werden.
Zwar sind die gemeldeten Trefferquoten der Behörden insbesondere bei privaten Konten hoch (82 bis 96 Prozent), was bedeutet, dass sie die CRS-Berichte inländischen Steuerzahler*innen zuordnen können. Dies deutet auf eine gute Datenqualität und -verarbeitung hin. Doch die Zuordnungsraten für durch Unternehmen gehaltene Konten sind noch verbesserungswürdig. Unklar ist, ob es an Friktionen bei der Datenverarbeitung, an Gesetzeslücken oder Umsetzungsschwierigkeiten bei den Finanzinstituten und mangelnder Kontrolle liegt.
Auch wenn der CRS bereits erste Früchte trägt, sollten die Bemühungen zur Verbesserung der Effektivität des CRS insbesondere bei den Unternehmenskonten fortgesetzt werden. Dazu bedarf es auch politischer Unterstützung der Arbeit der Steuerbehörden, damit die Datenqualität verbessert und Steuergerechtigkeit hergestellt werden kann. Zudem bedarf es mehr Transparenz bei der Offenlegung der CRS-Statistiken, um gegebenenfalls politischen Druck auf Länder, deren Daten zu niedrigen Trefferquoten führen, auszuüben.
Die regelmäßige Veröffentlichung von CRS-Statistiken würde die Auswertung erleichtern und die Transparenz über im Ausland gehaltene Privatvermögen erhöhen. Sie könnte helfen, Kapitalflucht zu messen, und eine informierte öffentliche Debatte über die Effektivität der Besteuerung von Kapitaleinkommen fördern. Um das Potenzial des CRS als neue zentrale Datenquelle zu nutzen, wäre ein einheitlicher Standard für Datenaufbereitung und Veröffentlichung hilfreich.Andres Knobel (2019): Statistics on automatic exchange of banking information and the right to hold authorities (and banks) to account. Tax Justice Network (online verfügbar, abgerufen am 30. Juli 2024). Dazu sollte die OECD klar definieren, dass die bei Steuerdaten notwendige Vertraulichkeit nur für Mikrodaten auf Ebene der Steuerpflichtigen gilt und nicht für Einkommens- und Vermögensstatistiken, die aus den CRS-Daten entstehen.Knobel (2019), a.a.O. Öffentliche CRS-Statistiken würden nicht nur Forschenden, sondern auch politischen Entscheidungsträger*innen helfen, die Effektivität des internationalen automatischen Informationsaustauschs über den CRS besser zu beurteilen und letztlich eine gerechte Besteuerung auch von Kapitaleinkommen sicherzustellen.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Steuern
JEL-Classification: D31;H26;H87
Keywords: Automatic exchange of information, wealth, tax evasion, tax enforcement
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-22-1