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Mietkauf wäre ein Baustein zur Lösung des Wohnungsmarktproblems: Interview

DIW Wochenbericht 29 / 2019, S. 507

Markus M. Grabka, Erich Wittenberg

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Herr Grabka, das DIW Berlin schlägt ein Modell staatlicher Förderung von Immobilienerwerb für Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen ohne Eigenkapital vor. Was hat es damit auf sich? Gegenwärtig wird in Deutschland vielfach gerade in den städtischen Regionen von stark steigenden Mietpreisen berichtet. Familien mit kleinen Kindern sind davon besonders stark betroffen. Eine Lösungsmöglichkeit, um die Situation dieser Familien zu verbessern, wäre, diese in die Lage zu versetzen, eine Immobilie zu erwerben.

Wie sieht das Modell aus und wo liegen die Vorteile? Der Kernvorteil besteht darin, dass der Staat, weil er aktuell nahezu ohne Zinsen Kredite aufnehmen kann, jungen Familien ohne nennenswertes Eigenkapital zu vergleichsweise günstigen Konditionen per Mietkauf den Erwerb einer Immobilie ermöglichen kann. Diese Haushalte bauen also Sachvermögen auf, was auch mit Blick auf die Vermeidung künftiger Altersarmut große Bedeutung hat. Die Mietkäuferhaushalte lösen diesen Kauf dabei nicht mit einem Einmalbetrag ab, sondern über einen Zeitraum von 20 oder 30 Jahren, und zwar mit einem Betrag, der ungefähr der Höhe der sonst fälligen Miete entspräche.

Warum präferieren Sie dieses Mietkaufmodell, wenn es doch schon andere staatliche Fördermaßnahmen wie das Baukindergeld gibt? Beim Baukindergeld ist es so, dass die Wissenschaft einhellig der Meinung ist, dass es weitgehend zu Mitnahmeeffekten kommt. Das heißt, diejenigen, die eh schon beabsichtigen, eine Immobilie zu erwerben, nehmen diese staatliche Förderung einfach mit. Letztendlich kann es auch auf Seiten der Verkäufer zu Mitnahmeeffekten kommen, weil diese die staatliche Förderung in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen. Deswegen präferieren wir das Mietkaufmodell, weil wir davon ausgehen, dass dieses gerade Familien ohne Eigenkapital, die über den klassischen Weg auf dem Immobilienmarkt keine Chance hätten, in die Lage versetzt eine Immobilie zu erwerben.

Wie würde man diese Familien erreichen beziehungsweise auswählen? Wir haben noch nicht im Detail durchgespielt, welche Auswahlkriterien man heranziehen sollte, aber aus meiner Sicht sollten vor allem Familien gefördert werden, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht. Es sollten zudem möglichst Eltern sein, die jünger als 40 Jahre sind, weil wir mit einer Rückzahlungsperiode von 20 bis 30 Jahren kalkulieren, die bis zum Renteneintritt abgeschlossen ist. Zudem sollte ein Kriterium sein, dass die Familien über kein nennenswertes Eigenkapital verfügen. Fehlendes Eigenkapital ist bislang ein Haupthinderungsgrund, Immobilien zu erwerben. Denkbar wäre ein Punktesystem nach diesen Kriterien, das natürlich absolut transparent sein müsste.

Sind überhaupt genügend Wohnungen vorhanden, die für dieses Mietkaufmodell infrage kämen? Nicht die Wohnungen an sich sind das Problem, sondern die freien Grundstücke. Natürlich ist es gerade in Innenstadtlagen schwierig, noch geeignete Grundstücke zu finden, aber wir gehen davon aus, dass der Bund eigene Grundstücke in Form eines Erbpachtmodells zur Verfügung stellen kann.

Warum ist eine höhere Eigentümerquote überhaupt erstrebenswert? Der Anteil der Haushalte, die in den eigenen vier Wänden leben, ist in Deutschland EU-weit am geringsten. Natürlich können nicht alle Menschen eine Immobilie besitzen. Und natürlich kann das Mietkaufmodell nur ein Baustein sein, die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Es würde aber dazu beitragen, das Angebot an bezahlbarem Wohnraum zu erhöhen. Lösungsansätze wie die Mietpreisbremse gehen an dem Kernproblem vorbei, dass letztendlich eine Knappheit auf dem Mietmarkt herrscht. Es kommt vor allem darauf an, zusätzliche Wohnungen zu bauen und anzubieten.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

Markus M. Grabka

Direktorium SOEP und kommissarische Bereichsleitung in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

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