Klimapaket: Der homöopathische CO2-Preis ist ein Witz: Kommentar

DIW Wochenbericht 39 / 2019, S. 732

Claudia Kemfert

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Die Erwartungen waren hoch. Sehr hoch. Fridays for future, scientists for future, entrepreneurs for future und Millionen andere Menschen waren am Freitag auf den Straßen, um zu fordern, dass Klimaschutz endlich beherzt umgesetzt wird – und zwar überall auf der Welt. Auch in Deutschland. Zeitgleich hat das deutsche Klimakabinett das Klimaschutzprogramm für 2030 präsentiert: Es bleibt leider weit hinter den hohen Erwartungen zurück. Der versprochene große Wurf ist ausgeblieben. Es wurde nicht das formuliert, was klimapolitisch notwendig, sondern was politisch durchsetzbar ist. In dieser Form kann das Klimapaket nur ein Anfang für ambitionierten Klimaschutz sein. Es gibt ein wenig Licht, wirft aber viel Schatten.

Doch fangen wir mit dem Licht an: Positiv ist, dass es konkrete Sektorziele gibt, die auch jährlich von einem Expertenrat überprüft und an europäischen Zielen ausgerichtet werden. Richtig ist sicherlich auch der Ansatz, den Ausbau der erneuerbaren Energien schneller und intensiver voranzutreiben – doch leider bleiben die Abstandsregeln für Windenergie bestehen. Der Ausbau-Deckel der Solarenergie wird dagegen endlich abgeschafft. Außerdem sind keine neuen Ölheizungen ab dem Jahr 2026 erlaubt, die energetische Gebäudesanierung wird finanziell stärker unterstützt. Auch in den Schienenverkehr soll mehr Geld fließen und die Ladeinfrastruktur soll ebenso wie der Öffentliche Nahverkehr gestärkt werden.

Schade ist, dass an der schwarzen Null so streng festgehalten wird. In Zeiten drohender Rezession, niedriger Zinsen und billigen Geldes sind Klimaschutzinvestitionen die Garantie für eine dauerhaft nachhaltige, innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft. Selten waren die Bedingungen so gut, den Klimaschutz als Wirtschaftsmotor für eine nachhaltige Zukunft stärken können.

Kommen wir aber zu den gravierenden Schattenseiten dieses Klimapakets: Die Emissionsminderungsziele bis 2030 sind mit den beschlossenen Maßnahmen nicht zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor werden die Klimaziele deutlich verfehlt, die Emissionsminderungslücke aufgrund unzureichender Maßnahmen beträgt bis zu 55 Millionen Tonnen CO2. Der gewählte CO2-Preis ist viel zu niedrig, um eine Lenkungswirkung zu entfalten: drei Cent pro Liter Preiserhöhung in zwei Jahren (!) entsprechen den täglichen Schwankungen der Benzinpreise an der Zapfsäule. Dafür wird keiner sein Auto stehen lassen oder auf Umwelt und Klima schonende Varianten umsteigen. Wenn gleichzeitig auch noch die Pendlerpauschale erhöht wird, konterkariert dies die Klimaziele, da auch die autofahrenden, einkommensstärkeren Pendlerinnen und Pendler Extra-Geld ohne Gegenleistung erhalten. Statt einer Pendlerpauschale wäre ein Mobilitätsgeld für echte nachhaltige Mobilität sinnvoller gewesen.

Ebenso hätte der Einstiegspeis pro Tonne CO2 bei 35 Euro statt zehn Euro liegen und sich auf 80 Euro bis zum Jahr 2025 erhöhen müssen, um die Emissionen in ausreichendem Maße zu senken. Die Vermeidungskosten im Verkehrssektor (und auch im Gebäudesektor) sind sehr hoch (180 bis 240 Euro pro Tonne CO2). Der nun vereinbarte homöopathische CO2-Preis ist somit ein Witz.

Schlimmer noch: Statt umweltschädliche Subventionen abzubauen, werden diese sogar noch erhöht. Versäumt wurde, sowohl das Dieselprivileg abzubauen oder aber eine Klima-Maut einzuführen, als auch die Kerosinsteuer zu erhöhen. Die Zielverfehlung ist somit vorprogrammiert: Wir werden in Europa Zertifikate zukaufen müssen, was Milliarden kosten wird. Wenig Klimaschutz für viel Geld – das erhöht nicht gerade die Akzeptanz.

Statt ein großer Wurf ist das Klimaschutzpaket nur ein kleiner Anfang, dem viele große Schritte folgen müssen: Der Kohleausstieg muss rasch angegangen werden, die Windenergie-Abstandsregelung müssen abgeschafft oder zumindest flexibler gestaltet werden, die klimaschädlichen Subventionen runtergefahren werden. Außerdem bedarf es vieler Anstrengungen im Verkehrsbereich. Gelingt dies alles, könnten die Klimaziele bis 2030 tatsächlich noch erreicht werden. Aber dafür wird die Fridays-for-Future-Bewegung weiter kämpfen müssen, so viel ist sicher.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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