DIW Wochenbericht 27 / 2021, S. 463-470
Stefan Bach, Sebastian Eichfelder
get_appDownload (PDF 329 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 3.3 MB)
„Die skizzierten Reformen im Bereich der Immobilienbesteuerung könnten die Vermögens- und Einkommensungleichheit reduzieren, da Immobilien praktisch ausschließlich von den oberen 50 Prozent der Vermögensverteilung gehalten werden. Vor allem Hochvermögende profitieren bisher von Steuerprivilegien für Immobilien. Es ist nicht sachgerecht, diese Gruppe steuerlich besserzustellen.“ Stefan Bach
Immobilien werden in Deutschland vergleichsweise gering besteuert. Vor allem Wohlhabende profitieren von zahlreichen Steuerprivilegien. Dieser Bericht beschreibt den Status quo der Immobilienbesteuerung in Deutschland und skizziert Reformvorschläge, die das Steueraufkommen und die Effizienz des Steuersystems erhöhen sowie die Vermögens- und Einkommensungleichheit reduzieren könnten. Bei der Grundsteuer sollte die wertbezogene Besteuerung gestärkt und das Aufkommen längerfristig verdoppelt werden. Bei den Ertragsteuern sollten alle Veräußerungsgewinne erfasst und Gestaltungen, insbesondere durch die Nutzung von Immobilien-GmbHs, begrenzt werden. Bei der Erbschaftsteuer wäre es ratsam, Wohnungsunternehmen nicht mehr zu begünstigen. Bei der Grunderwerbsteuer sollten „Share Deals“ und ähnliche Gestaltungen deutlich eingeschränkt werden, gegebenenfalls könnte man Ersterwerbe von Wohneigentum begünstigen. Unter dem Strich ließe sich das Steueraufkommen um rund 27 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen – das entspricht 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Geld könnte unter anderem verwendet werden, um die Steuerbelastung von Erwerbseinkommen zu reduzieren, insbesondere für Haushalte der Mittelschicht.
Im internationalen Vergleich belastet Deutschland mittlere und höhere Arbeitseinkommen stark mit Sozialbeiträgen und Einkommensteuer.OECD (2021): Taxing Wages 2021 (online verfügbar; abgerufen am 23. Juni 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Bei hohen Einkommen, Vermögenseinkommen und Vermögen wurden hingegen die Steuerbelastungen in den zurückliegenden Jahrzehnten erheblich gesenkt. Bei den Steuern auf Vermögen und Vermögenszuwächse kann Deutschland sogar als Steueroase bezeichnet werden. Die Grundsteuer ist sehr niedrig und die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer ist gering, zudem gibt es bei hohen Erbschaften zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten und Schlupflöcher. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen sind häufig steuerlich privilegiert oder ganz steuerfrei.
Die Debatten um eine stärkere steuerliche Beteiligung hoher Einkommen und Vermögen konzentrieren sich zumeist auf die Spitzensteuersätze der Einkommensteuer, die Steuerbelastung von Unternehmen, die Wiedererhebung der Vermögensteuer oder eine Erhöhung der Erbschaftsteuer.Vgl. etwa Stefan Bach (2020): Steuersenkungen: untere und mittlere Einkommen entlasten!. Wirtschaftsdienst, 100(3), 170ff. (online verfügbar); Clemens Fuest und Andreas Peichl (2020): Acht Elemente einer grundlegenden Reform des Steuer- und Transfersystems. Wirtschaftsdienst, 100(3), 162ff. (online verfügbar); Sebastian Eichfelder (2018): Braucht Deutschland eine neue Unternehmensteuerreform?. Deutsches Steuerrecht, 56(45), 2397ff. Dabei wird meist vernachlässigt, dass bei der Besteuerung von Immobilien erhebliche steuerliche Privilegien existieren, von denen insbesondere die obersten Schichten der Einkommens- und Vermögensverteilung profitieren.Christoph Trautvetter (2020): Immobilienmärkte (be-)steuern. Info Steuergerechtigkeit #19, November 2020 (online verfügbar). So wurden die Immobilienwerte bei der Grundsteuer seit Jahrzehnten nicht erneuert. Die Grunderwerbsteuer weist zahlreiche Schlupflöcher auf, vor allem für Übertragungen von Grundstücksgesellschaften („Share Deals“). Bei der Einkommensteuer sind Veräußerungsgewinne im Privatvermögen spätestens nach zehn Jahren Haltedauer steuerfrei, während Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwand bei Mietimmobilien steuerwirksam geltend gemacht werden können. Beim Einsatz von Objektgesellschaften kann die Steuer auf Mieterträge auf 15,8 Prozent begrenzt und eine Steuer auf Veräußerungsgewinne selbst beim Unterschreiten der Zehnjahresfrist weitgehend vermieden werden.
Immobilien und vor allem das zugrundeliegende Bauland sind knappe Produktionsfaktoren, die nicht beliebig vermehrt werden können. Stadtentwicklung und Siedlungspolitik begrenzen die Flächennutzung ebenso wie der Umwelt- und Klimaschutz oder die Bestandsinteressen von AnwohnerInnen und anderen „Insidern“ („NIMBY“). Hohe Baustandards, Angebotsrestriktionen (etwa bei der Ausweisung von Bauland), Zuzug, das Wachstum von attraktiven Ballungsräumen (etwa Berlin) sowie die niedrigen Zinsen haben zu einem starken Anstieg der Immobilienpreise geführt. Die daraus resultierenden Gewinne kommen zumeist den Wohlhabenden zugute und werden nur moderat oder gar nicht besteuert. Da vermögende Schichten dazu neigen, ihre Überschüsse zu reinvestieren, steigt die Nachfrage nach Immobilien und es entsteht ein Verdrängungswettbewerb, bei dem „ärmere“ Gruppen nicht mehr mithalten können.
Bodenwertsteigerungen und relativ risikoarme Renditen ohne größere wirtschaftliche Aktivitäten bedeuten sogenannte ökonomische „Renten“. Die ökonomische Theorie lehrt, dass man solche „Renten“ hoch besteuern kann, ohne dass dadurch Effizienznachteile entstehen. Unter meritokratischen Gesichtspunkten gilt das als gerecht, da diese Einkommen zufällig oder spekulativ entstanden sind und keine produktiven Leistungen dafür erbracht wurden. Immobilien können der Besteuerung auch nicht durch Verlagerung ins Ausland ausweichen. Steuern auf die „Bodenrente“ sind daher eine klassische Idee der Steuerpolitik. Vor diesem Hintergrund stellt sich insbesondere die Frage, ob Deutschland als Wirtschafts- und Technologiestandort gut beraten ist, gerade Investitionen in den Immobilienbereich zu fördern, während Erwerbseinkommen sowie riskante Investitionen mit großen Wachstumspotenzialen hoch belastet werden, etwa bei der Digitalisierung oder auf anderen innovativen Märkten.
Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft und deren Besteuerung sowie die Privilegierung bei der Ertragsbesteuerung verdeutlichen Zeitreihen auf Grundlage der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) und der Steuerstatistiken (Abbildung 1). Der Anteil der Bruttowertschöpfung der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist bis Ende der 1990er Jahre auf etwa zehn Prozent gestiegen und bewegt sich seither auf diesem Niveau. Die Bedeutung des Grundsteueraufkommens sank im Verhältnis zur Bruttowertschöpfung der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft seit den 1970er Jahren, während sich das Aufkommen der Grunderwerbsteuer seit Ende der 1990er Jahre und vor allem in den vergangenen zehn Jahren kräftig erhöht hat.
Bei den Ertragsteuern werden die steuerpflichtigen Einkünfte aus Immobilien dargestellt, die in der Einkommen- und Körperschaftsteuerstatistik separat nach positiven und negativen Einkünften (Verluste) aufbereitet werden. Dabei fällt auf, dass in der Vergangenheit die Immobilienbranche erhebliche steuerliche Verluste generiert hat, die die positiven steuerlichen Einkünfte um mehr als das Doppelte überstiegen und damit zu Steuerersparnissen geführt haben. Dies deutet auf erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten hin, da Immobilien rasch abgeschrieben werden konnten (durch degressive Abschreibungen oder Sonderabschreibungen vor allem in den 1990er Jahren) und Veräußerungsgewinne im Privatvermögen nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei blieben. Dies schafft einen starken Anreiz, Immobilien sobald möglich steuerfrei zu veräußern, wobei die ErwerberInnen dann die Anschaffungskosten inklusive Wertsteigerung wiederum steuerlich geltend machen können. Faktisch können also Investitionen in Immobilien mehrfach steuerlich geltend gemacht werden, während Wertsteigerungen steuerfrei sind.
Durch die Reduzierung der Abschreibungsmöglichkeiten, die Verlängerung der Spekulationsfristen und Einschränkungen der Verlustverrechnung sind diese Gestaltungsmöglichkeiten zwar reduziert, aber nicht abgeschafft worden. Bis in die jüngere Vergangenheit (2016) summieren sich die Verluste aus Vermietung und Verpachtung bei Einkommensteuer und Körperschaftsteuer auf elf Milliarden Euro im Jahr.Dabei sind Verrechnungen von Verlusten innerhalb der positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (zum Beispiel aus mehreren Immobilien) noch nicht berücksichtigt.
Die Grundsteuerbelastungen betragen in vielen Ländern ein Mehrfaches des deutschen Niveaus (Abbildung 2). In Großbritannien, Kanada, den USA oder anderen angelsächsischen Ländern zahlt man in guten Lagen für Eigenheime schnell 2000 Euro und mehr im Jahr. Auch in europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark oder Polen liegen die Grundsteuern über dem OECD-Durchschnitt.Vgl. dazu OECD (2020): Revenue Statistics 2020 (online verfügbar); OECD (2016): Fiscal Federalism 2016. Making Decentralisation Work (online verfügbar). In diesen Ländern werden allerdings mit der Grundsteuer häufig auch öffentliche Leistungen wie Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung oder Schulen finanziert. Dagegen wird in Deutschland allein an Gebühren für Wasser, Abwasser und Abfall häufig mehr als das Doppelte gezahlt als für die Grundsteuer – diese Gebühren werden pauschal je Person oder Haushalt erhoben, wirken also wie eine Flat- beziehungsweise Poll-Tax regressiv bezogen auf das Haushaltseinkommen. Dagegen kostet in Deutschland ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung selbst in Ballungsräumen zumeist nur 200 bis 400 Euro Grundsteuer im Jahr.
Bei der Grundsteuer wurden bisher uralte Immobilienwerte zugrunde gelegt, die seit Jahrzehnten nicht erneuert wurden – in den alten Ländern aus dem Jahr 1964, in den neuen Ländern aus dem Jahr 1935 (die nur grob auf die Wertverhältnisse von 1964 hochgerechnet werden). Nach dem Urteil des BundesverfassungsgerichtsUrteil vom 10. April 2018, 1 BvL 11/14 (online verfügbar). müssen die Besteuerungsgrundlagen der Grundsteuer bis 2025 neu geregelt und dann regelmäßig aktualisiert werden. Mit der Grundsteuerreform 2019 haben die Länder die Möglichkeit bekommen, von den neuen bundesgesetzlichen Regelugen abzuweichen und eine eigene Grundsteuer zu erheben.
Das neue Grundsteuermodell des Bundes bewertet Wohnimmobilien mit einem stark vereinfachten Ertragswertverfahren. Für die Bodenwerte der Objekte werden die tatsächlichen BodenrichtwerteDie Bodenrichtwerte sind durchschnittliche Lagewerte für den Boden, die von den kommunalen Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf Grundlage der amtlichen Kaufpreissammlungen ermittelt werden (§ 196 BauGB). verwendet, die Gebäudewerte werden pauschaliert anhand der Durchschnittsmiete der Gemeinde ermittelt. Für Betriebsgrundstücke gilt ein vereinfachtes Sachwertverfahren. Dieses „Bundesmodell“ wird voraussichtlich in den meisten Ländern angewendet.Haufe online (2021): Die Bundesländer und ihre Modelle (online verfügbar). Das Bundesmodell wollen übernehmen: Berlin, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Bremen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, wahrscheinlich auch Nordrhein-Westfalen. Sachsen und das Saarland wollen es leicht modifizieren. Niedersachsen, Hamburg und Hessen planen ein „Flächen-Lage-Modell“, das die Bodenwerte nur pauschaliert. Baden-Württemberg hat eine reine Bodenwertsteuer beschlossen. Bayern plant eine reine Besteuerung nach der Grundfläche, ohne Berücksichtigung der Boden- und/oder Gebäudewerte.
Aus ökonomischer Perspektive spricht einiges für eine Stärkung der Bodenwertkomponente bei der Grundsteuer – bis hin zur reinen Bodenwertsteuer. Die Bodenwertbesteuerung belastet stärker die Bodenrente, die vor allem bei einem unelastischen Angebot auf den Immobilienmärkten in den Ballungsräumen entsteht, und reduziert damit die Überwälzung der Grundsteuer auf die NutzerInnen. Dies unterstützt auch den politischen Interessenausgleich innerhalb der Kommunen, da sich kommunale Infrastrukturleistungen in Immobilienpreisen niederschlagen. Ferner fördert die Bodenwertbesteuerung wichtige siedlungspolitische Ziele wie die Sicherung des Immobilienangebots und eine Begrenzung der Zersiedelung, da sie Anreize zur intensiven Nutzung attraktiven und hochpreisigen Baulandes setzt.
Die Bodenwertbesteuerung belastet zumeist Personen mit hohen Einkommen und entlastet Personen mit niedrigeren Einkommen, da diese regelmäßig in besseren Lagen beziehungsweise schlechteren Lagen wohnen. Dagegen belastet die bayerische Flächensteuer alle Lagen mit derselben Steuerzahlung, innenstadtnahe Nobelviertel genauso wie Großwohnsiedlungen mit sozialen Brennpunkten in der Peripherie. Allerdings können sich auch bei einer reinen Bodenwertsteuer verteilungspolitische Probleme ergeben, denn auch in guten Lagen wohnen Alteingesessene mit niedrigeren Einkommen. Bei einer reinen Bodenwertsteuer führt dies insbesondere bei einer wenig intensiven Bebauung zu überproportionalen Belastungen – etwa für eine Witwe mit mäßiger Rente im Einfamilienhaus in Toplage. Aus diesen Gründen schrecken viele Länder vor einer reinen Bodenwertsteuer zurück und wollen die Bodenwertkomponente im Bundesmodell entschärfen.
Die Gemeinden haben versprochen, die Grundsteuerreform zunächst aufkommensneutral umzusetzen. Längerfristig sollte das Aufkommen der Grundsteuer aber erhöht werden, um damit kommunale Leistungen – etwa im sozialen Wohnungsbau – zu verbessern und weniger effiziente Formen der Besteuerung mit nachteiligen Anreizwirkungen zu senken, etwa die hohen Steuern und Abgaben auf Arbeitseinkommen. Eine Verdopplung des Grundsteueraufkommens würde Mehreinnahmen von 15 Milliarden Euro im Jahr bedeuten (Tabelle). Im Gegenzug könnte der Gemeindeanteil am Aufkommen der Gewerbesteuer reduziert werden, der stark mit der Konjunktur schwankt und daher häufig prozyklische Wirkungen bei den kommunalen Investitionen nach sich zieht. Dies würde allerdings größere Reformen der Verteilung des Steueraufkommens auf Bund, Länder und Gemeinden bedeuten.
Längerfristige jährliche Aufkommenswirkungen, geschätzt für das Jahr 2022
Reformmaßnahme | Finanzielle Wirkung | |
---|---|---|
Mrd. Euro | Prozent BIP | |
Erhöhung Grundsteuer | ||
Insbesondere durch die Stärkung der Bodenwertbesteuerung | 15,0 | 0,40 |
Reform Einkommensbesteuerung von Immobilienerträgen | ||
Abschaffung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücksunternehmen, § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG | 1,5 | 0,04 |
Abschaffung der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften | 3,5 | 0,09 |
Besteuerung Veräußerungsgewinne | 6,0 | 0,16 |
Abschaffung der Begünstigung für Übertragungen von Wohnungsunternehmen bei der Erbschaftsteuer | 1,0 | 0,03 |
Aufkommensneutrale Reform der Grunderwerbsteuer | ||
Einschränkung Gestaltungen, insbesondere Share Deals, Begünstigung Wohneigentum oder Senkung Steuersätze | 0,0 | 0,00 |
Insgesamt | 27,0 | 0,73 |
Quelle: Eigene Berechnungen.
Bei der Besteuerung von Einkommen werden Veräußerungsgewinne von Immobilien im Privatvermögen regelmäßig nicht besteuert. Veräußerungsgewinne bei Aktien, Fonds oder anderen Wertpapieren unterliegen im Privatbereich dagegen der Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag von 26,4 Prozent. Dagegen werden bereits mittlere Arbeitseinkommen oder Selbständigeneinkünfte durch den stark progressiven Einkommensteuertarif höher belastet. Um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen, sollten Veräußerungsgewinne und -verluste unabhängig von der Haltedauer steuerlich berücksichtigt werden. Sie sollten im Rahmen der Einkommensteuer steuerpflichtig sein und bei Immobilien den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften zumindest zum Teil einen Inflationsausgleich darstellen. Dies sollte man berücksichtigen, indem man entsprechende Freibeträge gewährt oder die Steuersätze senkt. Ferner fließen entsprechende Einkünfte üblicherweise kumuliert zu, was zu einer höheren progressiven Steuerbelastung führt. Dementsprechend erscheint es zweckmäßig, die progressionsmildernde Verteilung von außerordentlichen Einkünften über fünf Jahre und gegebenenfalls auch eine ermäßigte Besteuerung zu gewähren (§ 34 Abs. 1, 3 EStG).
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass eigengenutzte Immobilien aufgrund der Lebensumstände möglicherweise veräußert werden müssen. Beispielsweise wird Wohneigentum häufig aus beruflichen Gründen verkauft und der Erlös in eine neue Immobilie in einer anderen Stadt investiert. Aus diesem Grund sollte bei eigengenutzten Immobilien eine Möglichkeit geschaffen werden, Veräußerungsgewinne auf neu erworbene Immobilien zu übertragen und eine Besteuerung damit analog zu § 6b EStG in die Zukunft zu verschieben. Diese Möglichkeit sollte aber sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich nicht für vermietete Immobilien gewährt werden, um Begünstigungen gegenüber anderen Branchen zu vermeiden, bei denen keine vergleichbaren Vorteile bestehen.
Eine beliebte steuerliche Gestaltung im Bereich von vermieteten Immobilien sind Objektgesellschaften, zumeist in Form einer GmbH, die wiederum über Holdinggesellschaften gehalten werden können.Trautvetter (2020), a.a.O., 14. Derartige Gestaltungen haben mehrere Vorteile für die EigentümerInnen der Immobilien: So unterliegen die Mieteinkünfte auf Ebene der Objektgesellschaften aufgrund der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags (§ 9 Nr. 1 Satz 2ff. GewStG) nur der Körperschaftsteuer und dem Solidaritätszuschlag, aber nicht der Gewerbesteuer. Faktisch werden die Mieteinkünfte dann nur mit 15,8 Prozent Körperschaftsteuer plus Solidaritätszuschlag besteuert, solange diese nicht ausgeschüttet werden. Dies ist eine massive Privilegierung im Verhältnis zu anderen Einkünften, die einschließlich Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit mehr als 50 Prozent besteuert werden können. Ein zweiter Vorteil ist, dass die Holding die Anteile an der Objektgesellschaft steuerlich begünstigt veräußern kann (§ 8b Abs. 2, 3 KStG), so dass faktisch nur fünf Prozent des Veräußerungsgewinns steuerpflichtig sind. Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 Prozent wird ein Veräußerungsgewinn in dieser Konstellation auch bei einer Haltedauer von weniger als zehn Jahren nur mit einer effektiven Steuerlast von 1,5 Prozent belastet, solange die Gewinne wieder reinvestiert werden.
Diese Steuervergünstigungen sollten abgeschafft werden, um steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten einzudämmen. Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücksunternehmen stammt aus einer Zeit, in der die Belastung durch die Grundsteuer noch höher war als heute, die Gewerbesteuer als Betriebsausgabe abzugsfähig war und der Körperschaftsteuersatz sich am Spitzensteuersatz orientierte. Spätestens seit der Unternehmenssteuerreform 2008/2009 stellt diese Regelung aber keine Vermeidung einer Doppelbesteuerung mehr dar, sondern ist schlicht eine Steuervergünstigung. Gleiches gilt für die faktische Freistellung von 95 Prozent des Veräußerungsgewinns, wenn Anteile über eine Holdinggesellschaft gehalten werden. Anders als im Falle von Dividendenausschüttungen werden Veräußerungsgewinne regelmäßig nicht durch Steuern auf Ebene der Objektgesellschaft vorbelastet.Eine Doppelbesteuerung kann sich bei thesaurierten Gewinnrücklagen ergeben, die bereits mit Unternehmenssteuern vorbelastet sind. Dies könnte dadurch vermieden werden, dass die Holdinggesellschaft Anschaffungskosten auch um thesaurierte Gewinnrücklagen erweitern kann. Bereits versteuerte Gewinnrücklagen der Objektgesellschaft würden auf diesem Wege nicht noch einmal versteuert werden.
Durch die Besteuerung der Veräußerungsgewinne und die Begrenzung von Steuergestaltungen bei Immobilien könnten den Schätzungen für diesen Bericht zufolge Mehreinnahmen von etwa elf Milliarden Euro im Jahr generiert werden, die aufgrund der steigenden Immobilienpreise künftig sogar noch höher ausfallen sollten (Tabelle). Von diesen erwarteten Mehreinnahmen entfallen schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro auf die Streichung der erweiterten Kürzung,Schätzungen auf Grundlage von Statistisches Bundesamt (2021): Gewerbesteuerstatistik 2016. Fachserie 14 Reihe 10.2 (online verfügbar). 3,5 Milliarden Euro auf die Streichung der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne von KapitalgesellschaftenSchätzungen auf Grundlage von Statistisches Bundesamt (2021): Körperschaftsteuerstatistik 2016. Fachserie 14 Reihe 7.2 (online verfügbar). und sechs Milliarden Euro auf die Steuerpflicht der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.Schätzungen auf Grundlage von Statistisches Bundesamt (2021): Lohn- und Einkommensteuer 2017. Fachserie 14 Reihe 7.1 (online verfügbar), sowie der Körperschaftsteuerstatistik 2016, a.a.O. (Fußnote 12).
Bei der Erbschaftsteuer werden Übertragungen von Wohnungsunternehmen als begünstigte Übereignung von Betriebsvermögen (gemäß § 19a ErbStG) behandelt, wenn die EmpfängerInnen die Unternehmen fortführen. Die Finanzverwaltung wendet diese Begünstigung bei Unternehmen mit mehr als 300 Wohnungen an.Vgl. R E 13b. 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019 (online verfügbar). Damit will die Finanzverwaltung die Begünstigung auf echte Wohnungsunternehmen begrenzen und die Vermögensverwaltung ausschließen. Obwohl der Bundesfinanzhof die Anwendung der Begünstigung in einem Urteil im Jahr 2017Urteil vom 24. Oktober 2017, II R 44/15 (online verfügbar). deutlich einschränkte, setzt sie die Finanzverwaltung dennoch weiter fort. Dies hat zur Folge, dass die Erbschaft zu 80 Prozent (Regelverschonung) oder vollständig (Vollverschonung) steuerfrei bleibt, während bei nicht begünstigten Übertragungen Erbschaftsteuern mit einem Steuersatz von bis zu 50 Prozent erhoben werden.
Während diese massiven Begünstigungen von Betriebsvermögen bereits bei Produktionsunternehmen als zu weitgehend und vermutlich auch verfassungswidrig erscheinen, gilt dies umso mehr bei großen Wohnungsgesellschaften mit mehr als 300 Wohnungen in ihrem Bestand. Bei anderen Unternehmen gelten Wohnungsbestände nicht als Betriebsvermögen, sondern als Verwaltungsvermögen, die nicht begünstigt werden. Denn Wohnimmobilien sind in aller Regel recht liquide und können mit Krediten belastet werden. Daher ist eine Begünstigung grundsätzlich nicht erforderlich. Weder gefährdet die Erbschaftsteuer hier Unternehmensnachfolgen und Arbeitsplätze, noch führt sie zu Verwerfungen auf den Immobilienmärkten. Stattdessen privilegiert die Steuervergünstigung (§ 13a EStG) große Wohnungsgesellschaften gegenüber privaten VermieterInnen und kleinen Gesellschaften. Dadurch verzerrt sie den Wettbewerb bei der Wohnungsvermietung. Durch eine Streichung der Regelung für große Vermietungsgesellschaften ließen sich jährliche Mehreinnahmen von schätzungsweise etwa einer Milliarde Euro erzielen (Tabelle).Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2019): 27. Subventionsbericht des Bundes: 2017-2020, 19 (online verfügbar).
Die Grunderwerbsteuersätze sind in den vergangenen 15 Jahren stark gestiegen. Seit 2006 dürfen die Bundesländer den Steuersatz selbst festlegen. Vorher lag er bundeseinheitlich bei 3,5 Prozent, bis 1996 sogar nur bei zwei Prozent. Die meisten Länder haben ihn auf 4,5 bis 6,5 Prozent erhöht. Lediglich Bayern und Sachsen sind beim alten Steuersatz geblieben. Das Steueraufkommen stieg von sechs auf knapp 16 Milliarden Euro (oder von 0,26 auf 0,42 Prozent des BIP), wozu wohl auch die boomenden Immobilienmärkte beigetragen haben.
Die Grunderwerbsteuer belastet die Immobilientransaktionen allerdings ungleich. Während sie bei kleineren Transaktionen (etwa bei Eigenheimen) üblicherweise ohne größere Erhebungsprobleme entrichtet wird, gibt es bei großen AnlegerInnen Gestaltungsmodelle, womit diese auf dem Immobilienmarkt faktisch einen Wettbewerbsvorteil haben.
Eine beliebte Gestaltungsmöglichkeit ist der „Share Deal“, bei dem anstelle der Immobilie die Anteile einer Kapitalgesellschaft erworben werden, in der die Immobilie „verpackt“ ist. Eine entsprechende Gestaltung ist nach aktuellem Rechtsstand steuerfrei, solange nicht mindestens 90 Prozent der Anteile der Gesellschaft (also praktisch 90 Prozent der Immobilie) veräußert werden. Damit bleiben Share Deals unter einer Erwerbsschwelle von 90 Prozent trotz der Einschränkungen durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 2021 weiterhin möglich. Möglich bleiben auch sogenannte „Unit Deals“, bei denen anstelle der Immobilie selbst die Nutzungsrechte beziehungsweise Erträge der Immobilie veräußert werden.Vgl. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2019): Unit Deals im Grunderwerbesteuerrecht. Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 117/19 (online verfügbar).
Sinnvoll wäre eine umfassende Reform der Grunderwerbsteuer, die solche Gestaltungen generell ausschließt. Dafür sollte zum einen die Erwerbsschwelle an Objektgesellschaften so stark reduziert werden (zum Beispiel auf 25 Prozent), dass alle strukturierten Gestaltungen erfasst werden. Im Gegenzug sollte aber auch nur der Anteil besteuert werden, der veräußert wird.Trautvetter (2020), a.a.O., 13. Ferner sollten Vertragsgestaltungen erfasst werden, die nicht die Immobilie selbst, sondern nur die Rechte an den Erträgen aus der Immobilie veräußern. Im Gegenzug sollte die Reform Regelungen enthalten, die eine Übermaßbesteuerung besser verhindern als derzeit (etwa keine Besteuerung bei Umstrukturierungen im Konzern). Damit könnte die Grunderwerbsteuer auch weiterhin ihre bisherige Funktion erfüllen, Veräußerungsgewinne abzuschöpfen, die bisher im Bereich der Ertragsteuern nicht oder nur unzureichend erfasst werden, und als Ersatz für die Nichterhebung der Mehrwertsteuer bei Immobilientransaktionen fungieren.
Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum kann sinnvoll sein, um die hohen Nebenkosten beim Erwerb von Eigenheimen und Eigentumswohnungen zu reduzieren. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass vor allem in Ballungsräumen mit hohen Immobilienpreisen die Grunderwerbsteuer zu einem erheblichen Teil von den VerkäuferInnen getragen wird.Clemens Fuest, Carla Krolage und Florian Neumeier (2019): Who Bears the Burden of Real Estate Transfer Taxes? Evidence from the German Housing Market. ifo Working Paper No. 308 (online verfügbar). Eine Steuersenkung würde dann tendenziell zu höheren Immobilienpreisen führen und den VerkäuferInnen zugutekommen.
Insgesamt sollte die Reform der Grunderwerbsteuer aus fiskalischen und verteilungspolitischen Gründen aufkommensneutral ausgestaltet werden. Mehreinnahmen aus der Einschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten sollten verwendet werden, um Steuerpflichtige mit geringen Vermögen zu fördern, etwa über Freibeträge für Ersterwerbe von Wohneigentum, sowie um Doppelbelastungen zu vermeiden, etwa bei Umstrukturierungen.
Die hier skizzierten Reformen könnten längerfristig ein Mehraufkommen in einer Größenordnung von insgesamt 27 Milliarden Euro im Jahr erzielen, das sind 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Tabelle).Geschätzt wurden die Aufkommenswirkungen bei einer längerfristigen vollständigen Einführung der Reformen für die wirtschaftlichen Verhältnisse im Jahr 2022 (nach Überwindung der Corona-Krise). Dieses Aufkommen könnte zur Entlastung der stark belasteten Erwerbseinkommen der Mittelschichten oder auch für eine effektivere Förderung der Vermögensbildung in diesen Gruppen verwendet werden.
Anreizwirkungen und Ausweichreaktionen werden bei den Berechnungen vernachlässigt. Allerdings ist anzunehmen, dass durch eine Abschaffung steuerlicher Privilegien keine großen wirtschaftlichen Nachteile entstehen, sondern im Gegenteil die Effizienz des Steuersystems verbessert würde. Ferner würde die Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen und Einkommen reduziert, da Immobilien praktisch ausschließlich von den oberen 50 Prozent der Vermögensverteilung und insbesondere von den Haushalten mit hohen und höchsten Vermögen gehalten werden. Vor allem letztere dürften häufig von den Steuerprivilegien für Immobilien profitieren. Es ist nicht sachgerecht, diese Gruppe steuerlich gegenüber dem Rest der Bevölkerung zu privilegieren.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Steuern, Märkte, Immobilien und Wohnen
JEL-Classification: H24;R31;D31
Keywords: Income and wealth taxation, housing and real estate markets, distribution of income and wealth
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-27-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/242051