DIW Wochenbericht 15/16 / 2022, S. 231-238
Peter Haan, Adrián Santonja di Fonzo, Aleksandar Zaklan
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„Unsere Analyse zeigt, dass Kaufprämien für Elektro-Pkw wirken. Um die Ziele der schnelleren Marktdurchdringung zu erreichen, sind aber eine Vielzahl weiterer Maßnahmen notwendig. Dazu zählen der Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehrsbereich, strengere Flottengrenzwerte und eine längerfristig höhere CO2-Bepreisung.“ Aleksandar Zaklan
Die Elektromobilität wird in Deutschland in erster Linie durch eine Kaufprämie gefördert. Diese hat ein Volumen von etwa fünf Milliarden Euro bis zum Jahr 2025. Wie dieser Wochenbericht zeigt, kommt es auf dem deutschen Automobilmarkt seit der Einführung hoher Kaufprämien für Elektroautos zu erheblichen Verschiebungen: So nimmt die Zahl batterieelektrischer Pkw deutlich zu, während die Zahl von Autos mit Verbrennungsmotor zurückgeht. Empirische Analysen bestätigen, dass die Erhöhung der Kaufprämie ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklungen ist. Der Wachstumspfad der Elektromobilität bleibt jedoch trotz der erhöhten Kaufprämie weit hinter dem Tempo zurück, das zur Erreichung der für das Jahr 2030 gesetzten Ziele erforderlich ist. Dafür ist es nötig, das klimapolitische Paket im Verkehrsbereich und die Verkehrswende insgesamt zu stärken. So ist neben dem deutlich schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur vor allem der Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehrssektor sehr wichtig. Längerfristig würde eine effektive CO2-Bepreisung von Kraftstoffen für verlässliche Anreize zum Kauf von Elektroautos sorgen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass flankierende Maßnahmen, beispielsweise ein Mobilitätsgeld mit Entlastungen vor allem für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen, die zusätzlichen Belastungen und negative Verteilungswirkungen ausgleichen. Darüber hinaus sollten das Steuer- und Abgabensystem im Verkehrsbereich insgesamt stärker auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtet sein und ambitioniertere CO2-Flottengrenzwerte verfolgt werden.
Etwa 20 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen entstehen im Verkehr.Vgl. Europäische Umweltagentur: EEA Greenhouse Gases Data Viewer (online verfügbar, abgerufen am 30.03.2022. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Der Verkehrssektor hat damit nach der Stromversorgung und der Industrie den drittgrößten Anteil am deutschen Treibhausgasausstoß. Während die Emissionen in der Energieversorgung und auch in der Industrie im Vergleich zu 1990 gesunken sind, stagnieren sie im Verkehrsbereich auf dem Niveau von 1990. Zur Dekarbonisierung des Personenverkehrs soll die deutsche Pkw-Flotte daher mittelfristig von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu einem großen Teil auf batterieelektrisch angetriebene Pkw (im Folgenden vereinfachend Elektro-Pkw beziehungsweise Elektroautos genannt) umgestellt werden. So setzt der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung für 2030 das Ziel von 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen.Vgl. Adeline Guéret, Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2022): KoaVTracker (online verfügbar). In diesem Wochenbericht wird angenommen, dass sich das Ziel für 2030 auf die Zahl der Elektro-Pkw bezieht. Unter der Annahme, dass es in Deutschland im Jahr 2030 insgesamt etwa 50 Millionen Pkw geben wird, entspricht das Elektro-Pkw-Ziel einem Anteil von Elektroautos an der Pkw-Flotte von etwa 30 Prozent. Dieses Ziel soll durch ein umfangreiches klimapolitisches Maßnahmenpaket erreicht werden, bestehend unter anderem aus Förderprogrammen zum Ausbau der Elektromobilität und der CO2-Bepreisung von Kraftstoffen. Wesentliche Elemente der Förderstrategie zum Ausbau der Elektromobilität sind Kaufprämien für den Erwerb von Elektroautos und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen, finanzielle Unterstützung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur und weitere flankierende Maßnahmen wie steuerliche Vorteile für HalterInnen von Elektrofahrzeugen (Kasten 1).Für eine Übersicht klimapolitischer Optionen im Verkehrsbereich vgl. Claudia Kemfert (2017): Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor. DIW Aktuell Nr. 4 (online verfügbar) Für diese Maßnahmen hat die Bundesregierung bis zum Jahr 2025 fünf Milliarden Euro bereitgestellt. Es ist jedoch unklar, ob diese Subventionen wirklich zu weniger Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren führen und damit zur Dekarbonisierung beitragen oder ob die finanziellen Anreize genutzt werden, um Elektro-Pkw zusätzlich zu den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu erwerben. In letzterem Fall würde die Zahl der Fahrzeuge insgesamt steigen, was womöglich sogar einen höheren Treibhausgasausstoß zur Folge hätte.
Im Jahr 2016 wurde eine Kaufprämie für Elektro-Pkw im Rahmen eines Förderprogramms, genannt Umweltbonus, eingeführt.Das Kaufprämienprogramm beinhaltet auch die Förderung von Plug-in-Hybrid-Pkw, jedoch mit geringeren Fördersätzen als für Elektro-Pkw. Die Kaufprämie wurde zunächst je zur Hälfte vom Bund und vom jeweiligen Hersteller finanziert. KäuferInnen von neuen Elektro-Pkw mit einem Nettolistenpreis des Basismodells von maximal 60000 Euro wurde für Käufe ab 18. Mai 2016 auf Antrag ein Bundeszuschuss in Höhe von 2000 Euro gewährt, sofern der Hersteller eine Prämie in selber Höhe zahlte.Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016): Richtlinie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Umweltbonus) vom 29. Juni 2016. Bundesanzeiger, BAnz AT 01.07.2016 B1 (online verfügbar).
Sowohl der Bundeszuschuss als auch der Herstelleranteil am Umweltbonus wurden für Käufe ab dem 5. November 2019 erhöht.Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020a): Richtlinie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Umweltbonus) vom 13. Februar 2020. Bundesanzeiger, BAnz AT 18.02.2020 B2 (online verfügbar). Fortan wurde die Höhe der Prämie nach zwei Segmenten differenziert: Für Elektroautos mit einem Nettolistenpreis von bis zu 40000 Euro stieg der Umweltbonus auf insgesamt 6000 Euro, erneut zur Hälfte finanziert vom Bund und von den Herstellern. Fahrzeuge mit einem Nettolistenpreis zwischen 40000 und 65000 Euro erhielten eine Prämie von insgesamt 5000 Euro. Für ab 4. Juni 2020 gekaufte Fahrzeuge wurde der Bundesanteil im Rahmen der sogenannten Innovationsprämie verdoppelt, so dass Elektro-Pkw mit einem Nettolistenpreis bis 40000 Euro nunmehr eine Kaufprämie von insgesamt 9000 Euro erhielten, während die Prämie für Fahrzeuge mit einem Nettolistenpreis zwischen 40000 und 65000 Euro auf 7500 Euro angehoben wurde.Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020b): Richtlinie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Umweltbonus) vom 21. Oktober 2020. Bundesanzeiger, BAnz AT 05.11.2020 B1 (online verfügbar).
Zusätzlich ist zu beachten, dass die Kaufprämie ein Teil eines umfangreichen Maßnahmenpakets zur Förderung der Elektromobilität ist. Weitere Komponenten sind etwa die Förderung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur und steuerliche Vorteile für HalterInnen von Elektro-Pkw.Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022): Elektromobilität in Deutschland (online verfügbar).
Dieser WochenberichtDie Arbeiten im Rahmen dieses Wochenberichts wurden finanziell zum Teil durch das Fördernetzwerk Interdisziplinäre Sozialforschung unterstützt. untersucht, ob das Kaufprämienprogramms für Elektro-Pkw den Automobilmarkt in Deutschland verändert hat. Zunächst erfolgt eine deskriptive Analyse des deutschen Automobilmarkts mit Fokus auf batterieelektrische Pkw und Pkw mit Verbrennungsmotoren. Pkw mit Hybridantrieb sind somit nicht Teil dieser Analyse. In einem zweiten Schritt wird untersucht, ob die Erhöhung der Kaufprämien auf bis zu 9000 Euro pro Elektroauto einen direkten Einfluss auf die Zahl der Neuzulassungen von Elektro-Pkw sowie von Pkw mit Verbrennungsmotor hatte. Die Verteilungswirkungen der Kaufprämie und mögliche Mitnahmeeffekte können auf Basis der Daten nicht quantifiziert werden.
Noch im Jahr 2019 wurden monatlich nur wenige Elektroautos neu zugelassen – im Januar 2019 beispielsweise waren es insgesamt 4614 Fahrzeuge (Abbildung 1). Angesichts einer Gesamtzahl von etwa 250000 neu zugelassenen Pkw machten Elektro-Pkw damit lediglich knapp zwei Prozent aller Neuzulassungen aus. Seit Mitte des Jahres 2020 entfaltete sich in diesem Marktsegment jedoch eine erhebliche Dynamik, mit einem vorläufigen Höhepunkt im Dezember, als etwa 44000 Elektro-Pkw neu zugelassen wurden. Auch die beiden Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 und im Winter 2020/2021, die die Verkäufe von Pkw aller Motorentypen einbrechen ließen, konnten die Zugewinne von Marktanteilen von Elektro-Pkw nicht entscheidend bremsen. Am Ende des Beobachtungszeitraums im Oktober 2021 erreichte der Markt für neue Elektroautos die Größe des Markts für neue Pkw mit Dieselantrieb.
Die Dynamik auf dem Markt für neue Elektro-Pkw wird insbesondere von der Nachfrage nach Fahrzeugen mit einem Listenpreis unter 40000 Euro getrieben (Abbildung 2). In diesem Preissegment, in dem es mit 9000 Euro die höchste Kaufprämie gibt (Kasten 1), stieg die Zahl der monatlichen Neuzulassungen von knapp unter 5000 im Januar 2019 auf fast 40000 im Dezember 2020. KäuferInnen dieser Fahrzeuge erzielen durch die Anrechnung der Prämie auf den relativ gesehen geringeren Listenpreis die höchstmögliche prozentuale Ersparnis. Auch bei Fahrzeugen mit Listenpreisen zwischen 40000 und 65000 Euro, die aktuell eine Prämie von 7500 Euro erhalten, sind steigende Verkaufszahlen zu beobachten. Jedoch ist die Dynamik bezogen auf die Gesamtzahl verkaufter Fahrzeuge deutlich geringer als bei den günstigeren Modellen.
Der Anstieg lässt sich auch auf der Modellebene beobachten: So stiegen die monatlichen Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Listenpreisen von bis zu 40000 Euro von durchschnittlich etwa 250 pro Modell Anfang 2019 auf knapp 1000 im Dezember 2020 (ohne Abbildung). Auch im Preissegment mit Listenpreisen zwischen 40000 und 65000 Euro ist ein erheblicher Anstieg zu beobachten, von etwa 100 Fahrzeugen pro Monat und Modell Anfang 2019 auf etwa 400 im Dezember 2020. Die Zulassungen der nicht förderfähigen Fahrzeuge mit Listenpreisen über 65000 Euro stiegen in diesem Zeitraum ebenfalls, wiesen dabei aber sowohl in der Gesamtbetrachtung als auch auf Modellebene die geringsten Zuwächse auf.
Die Nachfrage nach Pkw hängt unter anderem von der Konjunktur ab, zudem spielen nicht zuletzt saisonale Effekte eine Rolle. Auch bei Berücksichtigung dieser Faktoren (Kasten 2) zeigt sich eine deutliche Zunahme der Zulassungen in den beiden förderfähigen Marktsegmenten nach Erhöhung der Prämie für Elektroautokäufe ab November 2019. Die Entwicklung der Neuzulassungszahl nahm etwa ein halbes Jahr nach Erhöhung der Kaufprämien an Fahrt auf (Abbildung 3). Gegen Ende des Beobachtungszeitraums, im Sommer und Herbst 2021, ist die Zahl der monatlichen Neuzulassungen auf über 400 pro Elektroautomodell gestiegen. Vor der Erhöhung der Kaufprämie war die Zahl der monatlichen Zulassungen hingegen relativ konstant.
Die in diesem Wochenbericht präsentierten Schätzergebnisse beruhen auf einer zweigliedrigen empirischen Strategie. In einem ersten Schritt wird die deskriptive Analyse mittels eines linearen Kleinstquadrate-Modells ökonometrisch unterfüttert, indem Saisonalität und Konjunktureffekte berücksichtigt werden.Konjunkturelle Effekte werden durch die Verwendung des saisonal bereinigten monatlichen Industrieproduktionsindex aus Daten des Statistischen Bundesamtes als Kontrollvariable abgebildet. Dadurch wird die deskriptive Entwicklung bei den Neuzulassungen von Elektro-Pkw beziehungsweise Verbrenner-Pkw mit der Erhöhung der Kaufprämie für Automobilkäufe ab November 2019 in Bezug gesetzt.Die Daten über die Anzahl der Zulassungen lassen sich wegen der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entstandenen Lieferverzögerungen nicht exakt mit den Daten des Fahrzeugkaufs in Verbindung setzen. Daher werden in der empirischen Analyse die Ergebnisse am Ende des Beobachtungszeitraum als Gesamteffekte der Kaufprämie auf Automobilkäufe interpretiert. Die Schätzungen beruhen auf monatlichen Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes zu deutschlandweiten Neuzulassungen von Fahrzeugmodellen und Daten des ADAC zu den Listenpreisen der Fahrzeuge im Zeitraum von Januar 2017 bis Oktober 2021.Der Datensatz in diesem Wochenbericht enthält etwa 94 Prozent der Modelle im Datensatz des Kraftfahrt-Bundesamtes, die mit Listenpreisen aus dem Datensatz des ADAC verknüpft werden konnten. Um extensive Angebotseffekte zu berücksichtigen, werden sämtliche Modelle in Perioden ohne Neuzulassungen als Null-Beobachtungen im Datensatz geführt. Die Analyse des Effekts der Erhöhung der Kaufprämie erfolgt somit ausgehend von ihrem zuvor herrschenden Niveau.Eine Schätzung des Gesamteffekts der Kaufprämie ist bedingt durch die mangelnde Verfügbarkeit von Zulassungsdaten in der öffentlich verfügbaren Datenversion des Kraftfahrt-Bundesamtes für Elektro-Pkw vor 2017. Da der Effekt des zuvor existierenden Prämienniveaus nicht in die Schätzergebnisse eingeht, stellen die in diesem Wochenbericht vorliegenden Ergebnisse einen Partialeffekt dar. Angesichts der vor 2019 geringen Veränderungen in den Zulassungszahlen ist jedoch davon auszugehen, dass der Gesamteffekt im Wesentlichen dem hier geschätzten Partialeffekt entspricht. Im Fall der Schätzungen des Effekts der Kaufprämie auf Neuzulassungen von Elektro-Pkw beruhen die Ergebnisse auf 60 Fahrzeugmodellen und insgesamt 3480 Beobachtungen, während es bei Verbrenner-Pkw 287 Modelle und 16646 Beobachtungen sind.
In einem zweiten Schritt wird eine Differenz-von-Differenzen-Schätzung durchgeführt. Bei einem solchen Ansatz werden grundsätzlich zwei Gruppen verglichen, die betroffene Gruppe (Treatmentgruppe) und die Kontrollgruppe. In der Analyse des Markts für neue Elektro-Pkw besteht die betroffene Gruppe aus Fahrzeugmodellen in den förderfähigen Marktsegmenten mit Listenpreisen von bis zu 65000 Euro. Bei der Analyse des Markts für neue Verbrenner-Pkw werden ebenfalls Fahrzeuge mit Listenpreisen von bis zu 65000 Euro als Treatmentgruppe spezifiziert, da die nachgefragten Fahrzeuge in diesem Preissegment als Substitute für förderfähige Elektro-Pkw angesehen werden. Die Kontrollgruppe ist nicht vom Politikeingriff betroffen und dient als Annäherung an die Treatmentgruppe für den hypothetischen Fall, dass die Politikmaßnahme nicht stattgefunden hätte. In der vorliegenden Analyse des Elektroautomarkts werden nichtförderfähige Elektro-Pkw mit Listenpreisen oberhalb von 65000 Euro als Kontrollgruppe definiert, während in der Analyse von Verbrenner-Pkw analog dazu Fahrzeugmodelle mit Verbrennungsmotor mit Listenpreisen oberhalb von 65000 Euro die Kontrollgruppe bilden. Die Zulässigkeit der gewählten Kontrollgruppe wird statistisch über die parallele Entwicklung der Ergebnisvariable in beiden Gruppen vor der Erhöhung der Kaufprämie festgestellt. Da die Unterschiede in den Zulassungszahlen vor der Erhöhung der Prämie relativ klein und in der Regel nicht statistisch messbar sind, ist die Wahl der Kontrollgruppe plausibel. Die Verwendung des Differenz-von-Differenzen-Ansatzes zur Evaluation der Wirksamkeit der Erhöhung der Kaufprämie trägt somit auch zur stärkeren Evidenzbasierung der deutschen Klimapolitik bei.
Der Differenz-von-Differenzen-Ansatz nutzt ebenfalls Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes über Neuzulassungen sowie Daten zu Listenpreisen des ADAC. Er ist jedoch stärker auf die Untersuchung der intensiven Marge ausgerichtet, also auf die Quantifizierung des Effekts der Politikmaßnahme auf Neuzulassungen für am Markt existierende Modelle. Dieser Fokus wird durch eine Beschränkung des Datensatzes auf Modelle, die mindestens je eine Zeitperiode vor und nach November 2019 Zulassungen aufweisen, umgesetzt.Die Ergebnisse mit derselben Datengrundlage wie beim Kleinstquadrate-Ansatz sind qualitativ vergleichbar. Dadurch beruhen die Schätzergebnisse für Elektro-Pkw auf 26 Modellen und 1223 Beobachtungen und für Verbrenner-Pkw auf 275 Modellen und 14766 Beobachtungen. Während die Schätzergebnisse mittels Kleinstquadrate-Ansatz im Wesentlichen als deskriptive Evidenz zu verstehen sind, erlaubt der Differenz-von-Differenzen-Ansatz durch die Verwendung einer Kontrollgruppe eine Abschätzung der Auswirkung des Politikeingriffs.
Die Nachfrage nach Pkw mit Verbrennungsmotor zeigt eine im Vergleich zum Markt für Elektro-Pkw gegenläufige Entwicklung. Die Gesamtzahl monatlich neu zugelassener Pkw sank von knapp 300000 im Frühjahr des Jahres 2019 auf 185000 Ende 2020 und unter 100000 im Herbst 2021 (Abbildung 1). Die Entwicklung der Nachfrage nach Pkw mit Verbrennungsmotor in unterschiedlichen Preissegmenten ist ein Spiegelbild der Dynamik auf dem Elektroautomarkt: Während die Verkäufe förderfähiger Elektro-Pkw stark steigen, sinkt die Zahl der Zulassungen für Verbrenner-Pkw mit Listenpreisen unterhalb von 40000 Euro erheblich und trägt angesichts ihres hohen Anteils an insgesamt verkauften Verbrenner-Pkw maßgeblich zur Schrumpfung dieses Markts bei (Abbildung 4). Wie bei den Elektroautos ist die Entwicklung auch bei den Verbrennern ebenfalls auf der Modellebene zu beobachten: Die Zahl durchschnittlich neu zugelassener Fahrzeuge pro Verbrennermodell sank von monatlich etwa 1200 im Frühjahr 2019 auf rund 900 Ende 2020 und circa 500 im Herbst 2021 (ohne Abbildung).
Das Ergebnis ändert sich wie bei den Elektroautos auch hier nicht, wenn saisonale und konjunkturelle Effekte berücksichtigt werden (Abbildung 5). Die Schätzungen zeigen, dass die Zahl der monatlichen Neuzulassungen pro Modell vor der Erhöhung der Kaufprämie konstant war und danach gesunken ist. Im Herbst 2021 war die Nachfrage nach Autos mit Verbrennungsmotor um etwa 400 Fahrzeuge pro Monat und Modell gesunken.
Die Trends in der Nachfrage nach Elektro-Pkw und Verbrenner-Pkw spiegeln sich auch auf der Angebotsseite des Markts wider: Die Zahl der angebotenen Elektro-Pkw hat sich von 30 Modellen vor Ende 2019 auf 59 Modelle im Jahr 2021 in etwa verdoppelt (Abbildung 6). Demgegenüber sank die Zahl der in Deutschland verfügbaren Modelle von Pkw mit Verbrennungsmotor von 295 Anfang 2019 auf 253 im Jahr 2021. Die rasch schrumpfenden Umsätze von Verbrenner-Pkw auf Modellebene lassen erwarten, dass die Zahl der angebotenen Modelle mit Verbrennungsmotor mittelfristig weiter abnehmen wird.
Die unterschiedliche Entwicklung der Zulassungen von Elektro-Pkw und Verbrenner-Pkw legt nahe, dass die Erhöhung der Kaufprämie einen Effekt auf die Nachfrage nach Elektroautos hatte. Diese Entwicklung kann aber auch auf den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer stärkeren Präferenz für Klimaschutz zurückgehen. Der Vergleich der Zulassungen von per Kaufprämie förderfähiger Elektroautos mit der Anzahl der Elektro-Pkw, die nicht subventioniert werden (Modelle, die über 65000 Euro kosten), erlaubt es den gesellschaftlichen Wandel zu berücksichtigen und somit den Effekt der erhöhten Kaufprämie zu isolieren. Im Jahr 2018 (vor der Erhöhung der Kaufprämie) wurden etwa 33000 Elektro-Pkw mit Listenpreisen unter 65000 Euro zugelassen, in den Jahren nach der Einführung der Kaufprämie stieg diese Zahl bis auf 258000 in den ersten zehn Monates des Jahres 2021 (knapp 17 Prozent der insgesamt zugelassenen Pkw). Der relative Zuwachs beträgt also etwa 680 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Zulassungen der nicht geförderten Elektro-Pkw von 1780 vor der Erhöhung der Subvention auf 5300 in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021, also um lediglich 200 Prozent. Setzt man diese beiden Zahlen in Relation, zeigt sich ein deutlicherer Anstieg der Zulassungen der geförderten Elektroautos, sowohl in absoluten als auch in relativen Größen.
Für die Analyse auf Modellebene ergibt sich ein ähnliches Bild. Hier erfolgt die Analyse auf Basis eines Differenz-von-Differenzen Ansatzes (Kasten 2). Dabei bilden die förderfähigen Elektro-Pkw mit einem Listenpreis von bis zu 65000 Euro die betroffene Gruppe, während die Vergleichsgruppe aus Elektro-Pkw mit Listenpreisen oberhalb von 65000 Euro besteht. Die Schätzungen ergeben, dass die Zahl der Neuzulassungen von Elektro-Pkw aufgrund der Erhöhung der Kaufprämie mittelfristig – das heißt im letzten bisher verfügbaren Zeitraum nach deren Erhöhung – um mehr als 500 pro Monat und Fahrzeugmodell gestiegen ist (Abbildung 7). Diese Ergebnisse zeigen, dass die erhöhte Kaufprämie einen erheblichen Anteil der gestiegenen Nachfrage nach Elektroautos erklärt.
Ein Vergleich der Zulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotor in unterschiedlichen Preissegmenten über die Zeit zeigt, dass die Erhöhung der Kaufprämie für Elektro-Pkw auch eine Veränderung bei den Käufen von Pkw mit Verbrennungsmotor bewirkt. Gegenläufig zu der Entwicklung bei den Elektro-Pkw ist erkennbar, dass die Zahl der Zulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotor mit einem Preis von über 65000 Euro um 35 Prozent gesunken ist. Bei den Verbrennern mit Listenpreisen von unter 65000 Euro war das Minus mit 47 Prozent sogar noch deutlich größer.
Auf Modellebene zeigt sich, dass die Erhöhung der Kaufprämie mittelfristig zu einer Senkung der Zahl der Neuzulassungen von Verbrenner-Pkw um etwa 600 pro Modell und Monat geführt hat (Abbildung 8). Um den gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf die Käufe von Verbrenner-Pkw zu berücksichtigen, wird bei der Schätzung erneut ein Differenz-von-Differenzen Ansatz verfolgt. Analog zur Analyse der Elektro-Pkw stehen Verbrenner-Pkw mit einem Listenpreis von bis zu 65000 Euro für die betroffene Gruppe, während Verbrenner-Pkw mit Listenpreisen oberhalb von 65000 Euro die Kontrollgruppe bilden.Die Wahl des im Vergleich zu den Elektro-Pkw selben Preissegments als betroffene Gruppe erfolgt aus der Logik, dass preislich ähnliche Verbrenner-Pkw am ehesten durch Elektro-Pkw substituiert werden. Siehe dazu auch Kasten 2 in diesem Bericht. Dies entspricht quantitativ in etwa dem Ergebnis für den Elektroautomarkt und legt nahe, dass die Erhöhung der Kaufprämie zu einer Substitution von Verbrenner-Pkw durch Elektro-Pkw geführt hat.
Wie dieser Wochenbericht zeigt, führt die Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos zu einem steigenden Anteil von Elektroautos auf dem Neuwagenmarkt in Deutschland. Gleichzeitig senkt die Kaufprämie die Nachfrage nach Pkw mit Verbrennungsmotor. Dadurch ergibt sich eine erhebliche Verschiebung in der Zusammensetzung der deutschen Pkw-Flotte, hin zu einem deutlich höheren Anteil von Elektrofahrzeugen auf dem Markt für neue Pkw.
Die Kaufprämie, für die bis zum Jahr 2025 etwa fünf Milliarden Euro bereitgestellt wurdenVgl. Bundesministerium der Finanzen (2021): Bericht über die Tätigkeit des Energie- und Klimafonds im Jahr 2020 und über die im Jahr 2021 zu erwartende Einnahmen- und Ausgabenentwicklung (online verfügbar)., kann nur dann die volle Wirkung entfalten, wenn sie in eine nachhaltige Verkehrspolitik eingebettet wird, die insbesondere auf die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen und auf die Verkehrswende insgesamt setzt. Ebenso entscheidend ist, ob die Kaufprämie weitere Innovationseffekte im Elektroautosegment befördert und so der Wandel zu einer emissionsarmen Mobilität weiter verstärkt werden kann.Vgl. Philippe Aghion et al. (2016): Carbon Taxes, Path Dependency, and Directed Technical Change: Evidence from the Auto Industry. Journal of Political Economy 124(1), 1–51 (online verfügbar). Für eine politische Einschätzung sind auch die Verteilungswirkungen relevant, die auf Basis der in diesem Bericht genutzten Daten nicht untersucht werden konnten. Haushalte mit geringen Einkommen, die sich keinen Pkw leisten können, profitieren von der Kaufprämie nicht. Daher ist es wichtig, auch den öffentlichen Verkehr auszuzubauen und weiter zu fördern, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen.
Auf Basis dieser Analyse lässt sich jedoch festhalten, dass der bisherige Zuwachs bei den Elektroautos deutlich hinter dem Tempo zurückbleibt, das zur Erreichung des im aktuellen Koalitionsvertrag festgelegten Ziels von 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 erforderlich ist. Dieses Ziel impliziert rein rechnerisch durchschnittliche monatliche Neuzulassungen von etwa 130000 Elektro-Pkw bis 2030. Im Jahr 2021 wurden im Durchschnitt aber nur 30000 Elektroautos pro Monat neu zugelassen.Nötig ist also eine weitere Stärkung der klimapolitischen Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität. Kurz- und mittelfristig beinhaltet dies insbesondere eine Beschleunigung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Längerfristig würde eine effektive CO2-Bepreisung von Kraftstoffen für verlässliche Anreize zum Kauf von Elektroautos sorgen. Außerdem muss es auch darum gehen, den Kauf von Autos durch einen leistungsstarken und zuverlässigen ÖPNV zumindest teilweise obsolet zu machen. Bei allen Maßnahmen ist es jedoch wichtig, dass flankierende Maßnahmen, beispielsweise ein Mobilitätsgeld mit Entlastungen vor allem für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen, die zusätzlichen Belastungen und negative Verteilungswirkungen ausgleichen.Vgl. Stefan Bach et al. (2019): CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor: Diskussion von Wirkungen und alternativen Entlastungsoptionen. DIW Politikberatung kompakt Nr. 140 (online verfügbar). Darüber hinaus müssen das Steuer- und Abgabensystem im Verkehrsbereich stärker auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtet und ambitioniertere CO2-Flottengrenzwerte verfolgt werden.
Themen: Klimapolitik, Energiewirtschaft
JEL-Classification: Q54;Q58;H23;R48
Keywords: Decarbonizing road transport, electric mobility, purchase subsidies, policy effectiveness, distributional effects of climate policy
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-15-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/254315