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Erwerbschancen geflüchteter Frauen in Deutschland verbessern sich trotz ungünstiger Ausgangslage

DIW Wochenbericht 19 / 2023, S. 217-225

Adriana Silva Cardozo

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  • Studie untersucht Erwerbschancen nach Deutschland geflüchteter Frauen auf Basis von IAB-BAMF-SOEP-Daten aus den Jahren 2016 bis 2020
  • Niedriges Bildungsniveau, begrenzte Berufserfahrung vor der Flucht und geringe Sprachkenntnisse erschweren Zugang zu deutschem Arbeitsmarkt
  • Wegen traditioneller Rollenmuster investieren geflüchtete Frauen überdurchschnittlich viel Zeit in Kinderbetreuung und Hausarbeit
  • Erwerbsbeteiligung geflüchteter Frauen ist noch relativ gering, Chancen auf Arbeitsmarkt verbessern sich aber zunehmend
  • Potenzial geflüchteter Frauen sollte gefördert werden, speziell auf sie zugeschnittene Ausbildungsprogramme und Sprachkurse müssen ausgebaut werden, um Integration zu erleichtern

„Die Mehrzahl der geflüchteten Frauen, die zum Höhepunkt der Fluchtzuwanderung nach Deutschland kamen, geht keiner bezahlten Beschäftigung nach. Allerdings nimmt ihre Erwerbsbeteiligung zu. Bestehende Integrationskurse insbesondere für Frauen mit Kindern sollten ausgebaut werden, um die Integration auf dem Arbeitsmarkt voranzutreiben.“ Adriana Cardozo

Die Mehrheit der geflüchteten Frauen, die zwischen 2013 und 2019 und damit auch zum Höhepunkt der Fluchtmigration 2015 nach Deutschland kamen, ist nicht erwerbstätig. Auf Grundlage von Daten aus der IAB-BAMF-SOEP-Geflüchteten-Befragung sucht diese Studie nach Erklärungen für die begrenzte Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Fluchthintergrund. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Kombination aus niedrigem Bildungsniveau im Vergleich zur deutschen Bevölkerung, langsamen Fortschritten beim Spracherwerb und traditionellen Rollen bei der Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit innerhalb der Familie Hemmnisse für die Arbeitsmarktintegration der Frauen darstellen. Dennoch hat sich der Anteil der geflüchteten Frauen, die einer bezahlten Beschäftigung nachgehen, verdoppelt. Darüber hinaus halbierte sich der Anteil der Frauen mit geringen Deutschkenntnissen. Gleichzeitig nahm der Anteil der Frauen mit mittleren oder guten Sprachkenntnissen zu. Der Anteil junger geflüchteter Frauen, die an Bildungsprogrammen teilnahmen, verdreifachte sich. Dies zeigt, dass die Integration von geflüchteten Frauen in den Arbeitsmarkt voranschreitet. Daher wird dringend der Ausbau bestehender Integrationsmaßnahmen, die speziell auf Frauen zugeschnitten sind, empfohlen.

Geflüchteten Frauen fällt es schwer, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Viele Studien haben sich bereits mit der Integration der Frauen beschäftigt, die zum Höhepunkt der Fluchtzuwanderung 2015 sowie in den Jahren kurz davor und danach nach Deutschland kamen. Die Untersuchungen kamen zu folgenden zentralen Ergebnissen: Das Bildungsniveau von geflüchteten Frauen lag zum Zeitpunkt ihrer Einwanderung unter dem durchschnittlichen Bildungsniveau in Deutschland.infoCornelia Kristen et al. (2020): Mehrheit der Geflüchteten hat höhere Bildung im Vergleich zur Herkunftsgesellschaft. DIW Wochenbericht Nr. 34, 563–570 (online verfügbar, abgerufen am 16. April 2023, das gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Zudem bringen die Frauen wenig Berufserfahrung mit.infoZerrin Salikutluk and Katrin Menge (2021): Gendered integration? How recently arrived male and female refugees fare on the German labour market. Journal of Family Research 33(2), 284–321 (online verfügbar). Ihre Erwerbschancen sind schlechter als die von geflüchteten Männern, unter anderem, weil sie wegen der Betreuung ihrer Kinder in der Berufsausübung eingeschränkt sind.infoYuliya Kosyakova et al. (2021): Arbeitsmarktintegration in Deutschland: Geflüchtete Frauen müssen viele Hindernisse überwinden. IAB-Kurzbericht, Nr. 08. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg (online verfügbar). Darüber hinaus nehmen weibliche Geflüchtete seltener an Spracherwerbs- und Integrationsprogrammen teil als männliche.infoSusanne Worbs und Tatjana Baraulina (2017): Geflüchtete Frauen in Deutschland: Sprache, Bildung und Arbeitsmarkt. BAMF-Kurzanalyse 01. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (online verfügbar).

Dieser Wochenbericht geht der Frage nach, wie sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Frauen, die zwischen 2013 bis 2019 nach Deutschland gekommen sind, im Laufe der Zeit verändert haben. Untersucht werden Aspekte, die die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Zu den ausgewählten Kriterien gehören das Bildungsniveau, die Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache und die Aufteilung der Zeit zwischen Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit. Die Analyse basiert auf der IAB-BAMF-SOEP-Geflüchteten-Befragung (Kasten), die zwischen 2016 und 2020 und damit nach dem hohen Anstieg der Fluchtmigration im Jahr 2015 durchgeführt wurde.

Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten besteht aus mehreren Teilstichproben, die aus dem Ausländerzentralregister gezogen wurden. Die Auswertungen dieser Studie basieren auf den Teilstichproben M3 bis M6. Die Befragten für die Teilstichproben M3 und M4 sind Asylbewerber*innen und Schutzsuchende, die zwischen Januar 2013 und Januar 2016 nach Deutschland gekommen sind und bis einschließlich Juni 2016 einen Asylantrag gestellt haben.infoHerbert Brücker, Nina Rother und Jürgen Schupp (2018): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016: Studiendesign, Feldergebnisse sowie Analysen zu schulischer wie beruflicher Qualifikation, Sprachkenntnissen sowie kognitiven Potenzialen. Forschungsbericht 30. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (online verfügbar). Die Teilstichprobe M5 ist sowohl eine Auffrischung der M3/M4-Befragten als auch eine zusätzliche Stichprobe von Asylbewerber*innen und Schutzsuchenden, die zwischen Februar 2016 und Ende Dezember 2016 in Deutschland angekommen sind und bis zum Januar 2017 einen Asylantrag gestellt haben.infoSimon Kühne, Jannes Jacobsen und Martin Kroh (2019): Sampling in Times of High Immigration: The Survey Process of the IAB-BAMF-SOEP Survey of Refugees. Survey Methods: Insights from the Field. Swiss Foundation for Research in Social Sciences, Lausanne (online verfügbar). Bei den Befragten der Stichprobe M6 handelt es sich um zwei Hauptgruppen: Erstens Personen, die zwischen Januar 2013 und einschließlich Dezember 2016 nach Deutschland kamen, einen Asylantrag gestellt haben und deren letzter Wechsel des Asylstatus zwischen Anfang 2013 und Ende 2016 liegt. Zweitens Personen, die zwischen Januar 2013 und Ende Juni 2019 nach Deutschland kamen, einen Asylantrag gestellt haben und deren letzte Änderung des Asylstatus zwischen Anfang 2017 und Ende Juni 2019 lag.infoHans Walter Steinhauer et al. (2022): Sampling, Nonresponse, and Weighting of the 2020 Refreshment Sample (M6) of the IAB-BAMF-SOEP Refugee Panel. SOEP Survey Papers 1104 (online verfügbar). Die Querschnittsdaten stammen von 9559 Geflüchteten, die mindestens einmal an der Befragung teilgenommen haben. 3842 von ihnen sind Frauen.

Geflüchtete Frauen sind eher jung und machen ein Drittel aller Geflüchteten aus

Etwa ein Drittel der 2020 in der IAB-BAMF-SOEP-Befragung erfassten Geflüchteten sind Frauen. Ihr Anteil ist im Laufe der Zeit leicht gestiegen. Sie sind meistens eher jung: Etwa 39 Prozent von ihnen sind unter 30 Jahre und weitere 35 Prozent zwischen 30 und 39 Jahre alt (Abbildung 1).

Die Mehrzahl der befragten Frauen stammt vor allem aus folgenden Ländern: Syrien (42 Prozent), Afghanistan (elf Prozent), Irak (zehn Prozent), Iran (sechs Prozent) und Eritrea (vier Prozent). Dies sind überwiegend Staaten, in denen traditionellere Geschlechterrollen als in Deutschland verankert sind – sowohl auf familiärer als auch auf institutioneller Ebene.infoNach einem kürzlich von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) erstellten Index, der Variablen zur Diskriminierung in sozialen Einrichtungen erfasst, ist die Diskriminierung von Frauen innerhalb der Familie in den Hauptherkunftsländern der Geflüchteten hoch. Auf einem Index von 0 bis 100, wobei 100 die höchstmögliche Diskriminierung darstellt, hat der Iran einen Index von 93, der Irak 87, Syrien 82 und Eritrea 55. Im Vergleich dazu weisen Länder wie Venezuela und die Ukraine niedrige Werte von 9,7 beziehungsweise 14,9 auf. Deutschland weist einen Index von 7,8 auf. Vgl. OECD (2023): Social Institutions and Gender Index (Edition 2023). OECD International Development Statistics (online verfügbar).

Frauen flüchten häufiger als Männer in Begleitung ihrer Familien

Die Mehrzahl der geflüchteten Frauen gab in der Befragung an, verheiratet zu sein, mit ihrem Lebenspartner zusammen zu wohnen und mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen zu sein (Abbildung 2). Bei der Befragung im Jahr 2020 lag der Anteil der verheirateten Frauen bei 59 Prozent. Drei Viertel der Frauen gaben im selben Jahr an, mindestens ein Kind zu haben, darunter etwa knapp ein Drittel mindestens ein Kind unter drei Jahren. Durch Familienzusammenführungen und Geburten in Deutschland stieg die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau zwischen 2016 und 2020 von 1,4 auf 1,7. Während jüngere Männer (20 bis 29 Jahre) fast keine Kinder im Vorschul- oder schulpflichtigen Alter hatten, waren es bei Frauen desselben Alters durchschnittlich 1,2 Kinder.

Bildungsniveau der Geflüchteten im Durchschnitt geringer

Obwohl das absolute Bildungsniveau der Geflüchteten geringer ist als das in Deutschland, sind sie tendenziell gebildeter als der Durchschnitt der Bevölkerung in ihrem Herkunftsland.infoChristoph Spörlein et al. (2020): Selectivity profiles of recently arrived refugees and labour migrants in Germany. Soziale Welt 71 (1–2), 54–89. Mit Blick auf die gesamten Bildungsjahre vor der Flucht – inklusive beruflicher Bildung und universitärer Abschlüsse – ist der Unterschied zwischen Frauen und Männern nicht sonderlich groß. Männer blicken auf durchschnittlich zwölf Jahre und Frauen auf 11,5 Jahre Bildung zurück. In der Hochschulbildung besteht jedoch eine etwas größere Lücke. Der Anteil der Männer mit einem höheren Bildungsniveau liegt bei 17 Prozent; der von Frauen bei 14 Prozent. Nach Herkunftsländern aufgeteilt lässt sich feststellen, dass Menschen aus Syrien im Durchschnitt ein höheres Bildungsniveau haben als Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern.

Fast die Hälfte der Frauen mit Fluchthintergrund hat nur einen Grundschulabschluss und weitere 20 Prozent verfügen über einen Abschluss der Sekundarstufe I. Das entspricht im deutschen System unter anderen Hauptschulen, Realschulen oder Gymnasien bis zur 10. Klasse. Weitere 18 Prozent haben es bis zum Sekundarbereich II geschafft (Abitur oder berufsbildend). Nur knapp drei Prozent haben einen Bildungsabschluss, der einer Berufsausbildung entspricht. Auch der Anteil der Frauen, die nach eigenen Angaben vor der Migration Berufserfahrung hatten, ist gering (33 Prozent der Frauen gegenüber 80 Prozent der Männer bei den Befragten der Erhebung 2020).infoDieses Verhältnis bleibt von Jahr zu Jahr im Wesentlichen unverändert, weshalb nur Daten aus dem Jahr 2020 angegeben werden. Hinzu kommt, dass geflüchtete Frauen oft über Erfahrung in Berufen verfügen, deren Zugang in Deutschland stark reglementiert ist (zum Beispiel Lehrer*in).infoKosyakova et al. (2021), a.a.O.

Immer mehr geflüchtete Frauen nehmen Bildungsangebote in Anspruch

Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung hat ergeben, dass geflüchtete Frauen im Laufe der Zeit immer öfter an Bildungsprogrammen in Deutschland teilgenommen haben. Besonders ausgeprägt ist dieser Trend bei unter 30-Jährigen. Etwa fünf Prozent von ihnen gab 2016 an, an einem Ausbildungsprogramm teilzunehmen. Im Jahr 2020 steigt der Prozentsatz für dieselbe Altersgruppe auf 17 Prozent. Auch die Teilnahme an Sprachkursen ist deutlich gestiegen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Geflüchtete Frauen in Ausbildung

In Prozent

Befragungsjahr
Alter 2016 2017 2018 2019 2020
<30 5,3 8,7 16,6 15,8 17,0
30–39 1,6 3,1 4,7 2,2 4,1
40–49 3,9 3,1 2,9 4,9 3,0
50+ 1,4 2,3 2,7 1,3 0
Total 3,2 5,1 8,9 8,1 9,1

Fragestellung: Sind Sie derzeit in Ausbildung? Das heißt: Besuchen Sie eine Schule oder Hochschule (einschließlich Promotion), machen Sie eine Berufsausbildung oder nehmen Sie an einem Weiterbildungslehrgang teil?

Quelle: IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016–2020, Daten gewichtet.

Von den geflüchteten Frauen in Bildungsprogrammen hat laut Befragungen zwischen 2016 und 2020 der Anteil derer deutlich zugenommen, die eine Ausbildung machen oder eine Hochschule besuchen. Von den Frauen in einem Bildungsprogramm macht die Mehrheit eine berufliche Ausbildung (64 Prozent). 14 Prozent besuchen nach eigenen Angaben eine allgemeinbildende Schule und zwölf Prozent eine Hochschule. Der Rest befindet sich in Weiterbildung oder Umschulung (Tabelle 2).

Tabelle 2: Frauen in Bildungsprogrammen

In Prozent

2016 2020
Allgemeinbildende Schule 22 14
Hochschule 7 12
Berufliche Ausbildung 47 64
Weiterbildung / Umschulung 24 10
Total 100 100

Quelle: IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016–2020, Daten gewichtet.

Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache

Geflüchtete Frauen und Männer haben nach wie vor sehr unterschiedliche Deutschkenntnisse. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass Männer schnellere Fortschritte beim Erlernen der Sprache machen. Die Ursache dürfte allerdings darin liegen, dass Männer bereits früher an Sprach- und Integrationskursen teilgenommen haben als Frauen.infoWenke Niehues, Nina Rother und Manuel Siegert (2021): Spracherwerb und soziale Kontakte schreiten bei Geflüchteten voran: vierte Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten. BAMF-Kurzanalyse 04. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg (online verfügbar). Es ist evident, dass geflüchtete Frauen mit kleinen Kindern beim Besuch von Integrationskursen benachteiligt sind. Eine Ursache dafür ist, dass bei Familien mit kleinen Kindern erstmal nur der Vater einen Integrationskurs besucht, während die Mutter die Kinderbetreuung übernimmt.infoAnna Tissot et al. (2019): Zwischenbericht I zum Forschungsprojekt „Evaluation der Integrationskurse (EvIk)“. Erste Analysen und Erkenntnisse, Forschungsbericht 33. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg (online verfügbar).

Neben der unzureichenden Kinderbetreuung gibt es weitere Hürden für Frauen, die sie von der Teilnahme an Integrationskursen abhalten: eingeschränkte Mobilität, fehlende grundlegende Informationen und Restriktionen im Rahmen traditioneller Familienrollen. All diese Faktoren verlangsamen den Prozess des Deutschlernens, obwohl es ein spezifisches, aber nur begrenztes Angebot an Integrationskursen für Frauen mit kleinen Kindern gibt, die teilweise auch Kinderbetreuung einschließen.infoAnna Tissot (2021): Hürden beim Zugang zum Integrationskurs. Alltagserfahrungen geflüchteter Frauen mit Kleinkindern. BAMF-Kurzanalyse 03. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg (online verfügbar).

Die Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung bestätigen die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Erwerb der deutschen Sprache. So geben im Jahr 2020 etwa 53 Prozent der Männer, aber nur 26 Prozent der Frauen an, ein hohes Sprachniveau zu haben. Im Jahr 2020 hatten 36 Prozent der Frauen keinerlei Sprachzertifikat, 30 Prozent ein Zertifikat über Grundkenntnisse und nur 34 Prozent ein Zertifikat, das Kenntnisse der Stufe B1 (fortgeschritten) bescheinigt. Im Vergleich dazu lag der Anteil der Männer, die ein Zertifikat über fortgeschrittene Sprachkenntnisse erworben haben, bei 54 Prozent. Die Zahl der Frauen mit geringen Deutschkenntnissen ist aber seit 2016 deutlich zurückgegangen, wenn auch nicht in einem so starken Ausmaß wie bei den Männern. (Abbildung 3).

Geflüchtete Frauen haben im Alltag nur wenig Kontakt zu Deutschen

Vorhandene Sprachkenntnisse werden durch regelmäßiges Sprechen mit Muttersprachler*innen vertieft. Bei geflüchteten Frauen ist der tägliche Kontakt zu Menschen außerhalb ihrer Familie begrenzt, was nicht nur die Sprachpraxis, sondern auch den Zugang zu Informationsnetzwerken für die Arbeitssuche einschränkt.infoAslihan Yurdakul, Adriana Cardozo und Yuliya Kosyakova (2023): Wohnsitzauflage: An opportunity for integration? The Impact of Residency Obligation Act on Refugee Women´s Access to Paid Work (im Erscheinen). In den Jahren von 2016 bis 2019 nahmen die täglichen Kontakte männlicher Geflüchteter zu Einheimischen um 48 Prozent zu, bei Frauen waren es lediglich drei Prozent. Dieses Ergebnis ist wenig überraschend: Männer gehen in größerem Umfang einer bezahlten Arbeit nach. Daher ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sie sich am Arbeitsplatz mit Deutschen austauschen. Im Jahr 2020 gingen wegen der Corona-Pandemie die Kontakte außerhalb der Familie insgesamt stark zurück.

Auffallend ist zudem, dass sich der Anteil der Geflüchteten, die zwischen 2016 und 2019 über täglichen Kontakt zu Personen aus demselben Herkunftsland berichtet haben, sowohl bei Männern als auch bei Frauen halbiert hat. Der tägliche Kontakt mit Menschen aus anderen Ländern wird dagegen in einem sehr ähnlichen Verhältnis über die Zeit aufrechterhalten.

Geflüchtete Frauen wenden Großteil ihrer Zeit für Betreuungsarbeit auf

Rechtliche und institutionelle Einschränkungen haben Einfluss darauf, wann Geflüchtete mit einem Integrationskurs und der Suche nach einer formellen Beschäftigung beginnen können.infoJana Kuhlemann (2022): Refugees' time investments—Differences in the time use of refugees, other immigrants, and natives in Germany. Frontiers in Human Dynamics. Volume 4 (online verfügbar). Wenn dann zusätzlich die Betreuung von Kindern unter sechs Jahren aus kulturellen Gründen oder wegen fehlender Betreuungsplätze zum Problem wird, müssen viele geflüchtete Mütter über einen längeren Zeitraum auf das Erlernen der deutschen Sprache verzichten und verschlechtern damit ihre Chancen auf eine Integration in den Arbeitsmarkt.infoYuliya Kosyakova und Nevena Kulic (2022): Kinship, Inter- and Intraethnic Social Networks and Refugees’ Division of Housework. Journal of Family Research 34 (2), 802–22.

Wie die Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung bestätigen, verbringen geflüchtete Frauen einen Großteil ihrer Zeit mit unbezahlter Sorgearbeit wie Kinderbetreuung und Haushaltstätigkeiten, anstatt die Sprache zu erlernen oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.infoDie Ergebnisse des Fragenkomplexes zur Zeiteinteilung sind nicht unbedingt additiv, da mehrere dieser Aufgaben parallel ausgeführt werden können. Außerdem variiert die Anzahl der Personen, die die einzelnen Fragen beantworten, da in einigen Fällen die Frage nicht zutrifft. Darüber hinaus ist ein direkter Vergleich der Zeitverwendung mit Personen ohne Migrationshintergrund zumindest in den ersten Jahren nach der Flucht nur bedingt möglich, da bei Letzteren die Lebensverläufe nicht durch Migration unterbrochen wurden. Dies hat sich über die Jahre kaum verändert (Tabelle 3).infoCristina de Paiva Lareiro (2021): Geflüchtete Frauen in Deutschland – Freizeitverhalten und soziale Kontakte. BAMF-Kurzanalyse 02. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg (online verfügbar). Geflüchtete Frauen verbrachten 2019 nach eigenen Angaben täglich doppelt so viel Zeit mit Kinderbetreuung und Hausarbeit wie Männer. Für die Ausübung des Berufs brachten sie 20 Prozent weniger Zeit auf als Männer.

Tabelle 3: Nutzung der Zeit im Alltag (Wochentage von Montag bis Freitag)

In Stunden

Aktivität Verhältnis 2019 Verhältnis 2020
Frauen/Männer Frauen/Männer
Berufstätigkeit, Nebenerwerbstätigkeit oder Praktikum; inklusive Arbeitsweg 0,8 0,8
Kinderbetreuung 2,2 4,8
Versorgung und Betreuung von pflegebedürftigen Personen 1,3 2,9
Hausarbeit wie zum Beispiel Waschen, Kochen, Putzen 2,0 2,4
Besorgungen und Einkaufen 1,2 1,2
Reparaturen am Haus, in der Wohnung, am Auto, Gartenarbeit 1,2 0,2

Anmerkungen: (1) Fragestellung: „Jetzt geht es darum, wie derzeit Ihr normaler Alltag aussieht. Sagen Sie bitte zu den folgenden Tätigkeiten, wie viele Stunden Sie jeweils an einem durchschnittlichen Werktag damit verbringen (Bitte immer auf ganze Stunden runden)“. (2) Unterschiede in den Mittelwerten von Männern und Frauen getestet auf Grundlage eines t-Tests auf Fünf-Prozent-Fehlerniveau. (3) Weitere nicht signifikante Kategorien sind Ausbildung, Weiterbildung, Lernen; auch Schule, Studium oder Promotion; Lernen der deutschen Sprache; Behördengänge; körperliche Aktivitäten wie zum Beispiel Sport, Fitness, Gymnastik; sonstige Freizeitbeschäftigungen und Hobbys; frustrierende Wartezeiten ohne sinnvolle Beschäftigung.

Quelle: IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016–2020, Daten gewichtet.

Darüber hinaus verdoppelte sich durch die Corona-Pandemie der Unterschied bei den Kinderbetreuungsstunden zu Lasten der Frauen,infoMaria Grasso et al., (2021): The impact of the coronavirus crisis on European societies. What have we learnt and where do we go from here? – Introduction to the COVID volume. European Societies, 23(sup1), S2–S32 (online verfügbar). wovon sowohl geflüchtete Frauen als auch andere Frauen in Deutschland betroffen waren.infoJonas Jessen, C. Katharina Spieß und Katharina Wohlrich (2021): Sorgearbeit während der Corona-Pandemie: Mütter übernehmen größeren Anteil – vor allem bei schon zuvor ungleicher Aufteilung. DIW Wochenbericht Nr. 9, 131–129 (online verfügbar). Vergleicht man nur berufstätige Frauen und Männer, so stellt man fest, dass geflüchtete Frauen im Durchschnitt fast doppelt so viel Zeit für die Sorge- und Haushaltsarbeit aufwenden wie Männer.infoUnter Sorge -und Haushaltsarbeit wird Zeit für Kinderbetreuung, Versorgung und Betreuung von pflegebedürftigen Personen, Hausarbeit (wie zum Beispiel Waschen, Kochen, Putzen), Besorgungen und Einkaufen und Reparaturen am Haus, in der Wohnung und am Auto addiert. Diese Ergebnisse liegen über dem Durchschnitt der deutschen Gesamtbevölkerung, wo dieselbe Relation etwa bei 1,5 liegt.infoClara Schäper, Annekatrin Schrenker und Katharina Wrohlich (2023): Gender Pay Gap und Gender Care Gap steigen bis zur Mitte des Lebens stark an. DIW Wochenbericht Nr. 9, 99–108 (online verfügbar).

Erwerbsbeteiligung von geflüchteten Frauen steigt allmählich

Die Erwerbsbeteiligung von geflüchteten Frauen ist im Vergleich zu Männern nach wie vor gering. Dennoch hat sie sich zwischen 2017 und 2020 verdoppelt. Im Jahr 2020 gaben 12,8 Prozent der geflüchteten Frauen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland an, erwerbstätig zu sein (2017: 5,3 Prozent). Weitere 5,6 Prozent (2017: 4,51 Prozent) befanden sich in Ausbildung. Nicht nur der Anteil der erwerbstätigen Frauen und derjenigen in Ausbildung ist gestiegen, sondern auch der Anteil der arbeitslos gemeldeten Frauen (Befragung 2020: 16,5 Prozent, 2017: 12,3 Prozent). Parallel zu der gestiegenen Erwerbsbeteiligung stieg der Anteil der Frauen in Elternzeit von 7,2 auf 11,8 Prozent. Mehr Frauen absolvierten eine Ausbildung oder waren als arbeitssuchend registriert (Abbildung 4).

Insbesondere wegen der Kinderbetreuung sind geflüchtete Frauen nach wie vor sehr eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, kurzfristig eine Beschäftigung aufzunehmen. So verneinten 2020 etwa 70 Prozent der nicht erwerbstätigen Frauen die Frage, ob sie in der Lage wären, innerhalb von zwei Wochen eine Stelle anzunehmen, wenn ihnen eine geeignete Stelle angeboten würde. Bei den Männern verneinten nur 28 Prozent diese Frage.

Um statistisch zu untersuchen, welche Faktoren die Chancen auf Beschäftigung beeinflussen, wird in dieser Studie eine logistische Regression durchgeführt (Tabelle 4, Abbildung 5).infoDie binäre logistische Regression kann in diesem Fall verwendet werden, weil die zu erklärende Variable (abhängige Variable) zwei mögliche Werte annehmen kann: ob die Person erwerbstätig ist oder nicht. Dabei werden als erwerbstätige Personen diejenigen berücksichtigt, die in Vollzeit oder Teilzeit arbeiten, eine Ausbildung oder ein Betriebspraktikum absolvieren oder geringfügig beschäftigt sind. Die Analyse zeigt nur Korrelationen auf und stellt keine kausalen Zusammenhänge dar.infoErwerbstätig im Sinne der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist jede Person im erwerbsfähigen Alter, die in einem einwöchigen Berichtszeitraum mindestens eine Stunde lang gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen oder mithelfenden Tätigkeit gearbeitet hat. Weltweit lag die Erwerbsquote von Frauen im Jahr 2021 bei rund 43 Prozent, während sie bei Männern 67 Prozent betrug. Vgl. International Labour Organization. ILO modelled estimates database, ILOSTAT (online verfügbar). Das Modell wird für die Gesamtheit der Befragten sowie für Frauen und Männer getrennt gerechnet. Zu den erklärenden Variablen gehören Bildung, die Zahl der Kinder unter sechs Jahren, das Sprachniveau, der Kontakt zu Deutschen (mindestens einmal die Woche oder häufiger) und die Frage, ob eine Wohnsitzauflage (Residenzpflicht) besteht oder nicht.infoHerbert Brücker, Andreas Hauptmann und Philipp Jaschke (2020): Wohnsitzauflagen reduzieren die Chancen auf Arbeitsmarktintegration. IAB-Kurzbericht 3. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg (online verfügbar). Die letztgenannte Variable ist von Bedeutung, weil sie zusätzlich die Mobilität der Menschen und ihren Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkt. Weitere Kontrollvariablen sind Alter, Herkunftsland, Berufserfahrung vor der Flucht, Familienstand, Art der der Unterkunft, Wohnort (West- oder Ost-Deutschland), Gesundheitszustand und Erhebungsjahr.

Tabelle 4: Durchschnittliche Effekte verschiedener Faktoren auf die Ausübung einer bezahlten Erwerbstätigkeit von Geflüchteten

In Prozentpunkten

Männer Frauen Insgesamt
Frauen −14,9*
Alter in Jahre 3,0* 0,2 1,8*
Bildungsniveau (Ref: Niedrig)
Mittel 4,2* 0,3 2,0*
Hoch 1,4 0,4 0,5
Kompetenz deutsche Sprache 2,0* 0,4* 1,4*
Anzahl von Kindern von 0 bis < 3 Jahre −2,8* −3,2* −3,4*
Anzahl von Kindern von 3 bis < 6 Jahre −2,5* −1,5* −2,6*
Hat Berufserfahrung vor der Flucht 10,9* 1,1* 6,8*
Residenzpflicht −2,5* 0,3 −0,9
Verheiratet −7,4* −0,2 −4,1*
Kontakt zu Deutschen (wöchentlich oder häufiger) 16,4* 3,3* 10,7*
Jahre seit Zuflucht 8,2* 0,4* 4,3*
Region (Ref: Westdeutschland)
Ostdeutschland −5,0* 0,0 −2,3*
Subjektiver Gesundheitszustand (Ref: Niedrig bis Mittel)
Guter bis sehr guter subjektiver Gesundheitszustand 11,5* 1,0* 6,2*
Wohnsituation (Ref: Gemeinschaftsunterkunft oder andere)
Private Unterkunft 4,2* 0,8* 2,7*
Stichprobengröße 11243 6817 18060

Anmerkungen: Multivariate binäre logistische Regressionsergebnisse. * Signifikanz auf dem Fünf-Prozentniveau oder weniger. Abhängige Variable: Erwerbstätigkeit. Durchschnittliche marginale Effekte in Prozentpunkten. Konfidenzintervalle zum 95-Prozent-Niveau wurden unter Verwendung von cluster-robusten Standardfehlern berechnet.

Das Modell „Insgesamt“ untersucht die gesamte Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren (N = 18060); Modell „Frauen“: 6817 Beobachtungen, Modell „Männer“: 11243 Beobachtungen. Weitere nicht gezeigte Kontrollvariablen: Alter hoch zwei, Herkunftsland und Erhebungsjahr.

Lesebeispiel: Frauen haben im Vergleich zu Männern eine 14,9 Prozentpunkte niedrigere Wahrscheinlichkeit, eine bezahlte Arbeit auszuüben.

Quelle: IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016–2020, Daten gewichtet.

Die Regressionsergebnisse bestätigen den geschlechtsspezifischen Unterschied in den Chancen, einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen. Bei sonst gleichen Bedingungen haben Frauen eine um etwa 15 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit erwerberbstätig zu sein als Männer.

Kinder unter sechs Jahren wirken sich sowohl für Frauen als auch für Männer negativ auf die Beschäftigungschancen aus. Dazu sind die Chancen, erwerbstätig zu sein, für Frauen mit Kindern unter drei Jahren um 3,2 Prozentpunkte geringer als für Frauen mit älteren Kindern.

Die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, steht bei Männern in einem signifikant positiven Zusammenhang zu einem mittleren Bildungsniveau (im Vergleich zu Männern mit niedrigem Bildungsniveau, die die Referenzgruppe darstellen).infoNiedriges Niveau bezeichnet die ISCED-Kategorien keine Bildung, Primärbereich und Sekundärbereich I; unter mittleres Bildungsniveau fallen die ISCED-Kategorien Sekundarbereich II und kurzes tertiäres Bildungsprogramm. Ein hohes Bildungsniveau bezeichnet die Kategorien Bachelor, Master und Promotion. Bei Frauen ist dieser Zusammenhang statistisch nicht signifikant. Somit findet sich nach diesen Regressionsergebnissen keine Korrelation zwischen Bildung und besseren Arbeitsmarktchancen bei Frauen.

Berufserfahrung spielt eine wichtige Rolle bei der Beschäftigung, aber ihr Einfluss auf die Beschäftigungschancen ist bei Männern größer als bei Frauen. Bei Männern mit Berufserfahrung vor der Flucht ist die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, elf Prozentpunkte höher als bei Männern ohne Berufserfahrung. Frauen mit Berufserfahrung vor der Migration haben hingegen eine 1,1 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, als Frauen ohne Berufserfahrung vor der Flucht. Im Gegensatz dazu steht eine offizielle Zuweisung zu einem Wohnort (Residenzpflicht) in einem negativen und signifikanten Zusammenhang mit der Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Männern, aber nicht von Frauen.

Bei Männern mit guten Deutschkenntnissen ist die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbstätigkeit deutlich höher als bei Frauen. Ähnlich verhält es sich beim sozialen Austausch: Wöchentlicher (oder häufigerer) Kontakt mit Deutschen korreliert bei Männern deutlich stärker mit den Chancen auf Erwerbstätigkeit als bei Frauen (16,4 gegenüber 3,3 Prozent).

Für andere Kontrollvariablen, die in das Modell einbezogen werden, ergeben sich die erwarteten Vorzeichen. Zum Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung umso höher, je länger die Aufenthaltsdauer in Deutschland ist. In fast allen Fällen ist der Zusammenhang zwischen der analysierten Variablen und den Chancen auf eine Erwerbstätigkeit für Männer größer.

Fazit: Integration von geflüchteten Frauen in Arbeitsmarkt muss weiter vorangetrieben werden

Geflüchtete Frauen, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen, stehen vor erheblichen Herausforderungen bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Als Bremsfaktoren erweisen sich ein niedriges Bildungsniveau, geringe Berufserfahrungen, langsame Fortschritte beim Erwerb der deutschen Sprache und eine traditionelle familiäre Rollenverteilung bei Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit. Allerdings hat sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Fluchthintergrund zwischen 2017 und 2020 verdoppelt. Gleichzeitig war der Anteil von Frauen mit guten Deutschkenntnissen in der Befragung von 2020 fast sieben Mal höher als 2016. Darüber hinaus hat sich die Bildungsbeteiligung junger Frauen verdreifacht. Allerdings sind das Sprachniveau und die für den Arbeitsmarkt erforderlichen Fähigkeiten nach wie vor sehr gering. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Teilnahme an Bildungs- und Sprachprogrammen durch den hohen Zeitaufwand für unbezahlte Sorgearbeit behindert wird. Darüber hinaus verringern die begrenzten sozialen Kontakte außerhalb der Familie den Zugang zu relevanten sozialen Netzwerken, die den Frauen Informationen über Beschäftigungs- und Bildungsmöglichkeiten verschaffen würden.

Die Ergebnisse der statistischen Analyse zeigen, dass die erwarteten positiven Auswirkungen von Berufserfahrung, Bildung und Sprache auf die Wahrscheinlichkeit, beschäftigt zu sein, für Männer viel größer sind als für Frauen. Dies deutet auf die Notwendigkeit hin, zusätzliche Variablen einzubeziehen, die die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten einer Erwerbstätigkeit erklären.

Es ist daher wichtig, die bestehenden Bildungsmaßnahmen für geflüchtete Frauen zu erweitern und gegebenenfalls neue Sprach- und Integrationsprogramme zu konzipieren. Besonderes Augenmerk sollte auf das Potenzial von Frauen gerichtet werden, deren Kinder bereits schulpflichtig sind und daher nicht mehr durchgehend betreut werden müssen.

Angesichts des Arbeitskräftemangels in Deutschland – nicht nur für qualifizierte, sondern auch für ungelernte Tätigkeiten – sollten spezielle Integrationsmaßnahmen und Ausbildungsprogramme für Flüchtlinge erprobt werden, um insbesondere mehr Frauen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Auch der Ausbau spezieller Programme für Frauen mit Kindern ist angesichts der großen Zahl ukrainischer geflüchteten Frauen, die seit 2022 als Folge des Krieges nach Deutschland kommen, sinnvoll.

Adriana Cardozo Silva

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

Themen: Migration, Gender



JEL-Classification: J15;J22;F22
Keywords: Refugees, Integration, Labor Force Participation, Language Skills of Refugees
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-19-1

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