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Gender Pay Gap und Gender Care Gap steigen bis zur Mitte des Lebens stark an

DIW Wochenbericht 9 / 2023, S. 99-105

Clara Schäper, Annekatrin Schrenker, Katharina Wrohlich

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  • Gender Pay Gap und Gender Care Gap entwickeln sich im Lebensverlauf ähnlich
  • Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigen, dass auch der Gender Care Gap bis zum mittleren Alter zunimmt
  • Frauen leisten ab der Familiengründung deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit, nehmen länger Elternzeit und arbeiten danach deutlich häufiger in Teilzeit
  • Gender Pay Gap und Gender Care Gap sind in Ostdeutschland geringer als in Westdeutschland
  • Politik sollte beide Gaps gleichzeitig angehen, indem Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung des Elterngeldes gesetzt sowie das Ehegattensplitting und die Minijobs reformiert werden

„Ab einem Alter von 40 Jahren sinkt der Gender Care Gap, während der Gender Pay Gap konstant hoch bleibt. Obwohl sich also die Belastung mit Sorgearbeit wieder etwas angleicht, besteht ein langfristiger Effekt für die ungleiche Verteilung der Lohneinkünfte.“ Clara Schäper

Der Gender Pay Gap, also die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern, beträgt in Deutschland nach wie vor 18 Prozent. Dieser Durchschnittswert ist allerdings nicht für alle Beschäftigten gleich. Große Unterschiede finden sich insbesondere nach dem Alter: Ab einem Alter von 30 Jahren steigt der Gender Pay Gap stark an und bleibt bis zum Ende des Erwerbslebens mit über 20 Prozent konstant hoch. Damit in engem Zusammenhang steht der Gender Care Gap, also der Unterschied in der unbezahlten Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern. Auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigt dieser Bericht, dass auch der Gender Care Gap im mittleren Alter zunimmt: Frauen zwischen 35 und 39 Jahren leisten mit rund neun Stunden pro Tag mehr als doppelt so viel Care-Arbeit wie gleichaltrige Männer. Die Phase der Familiengründung bleibt sowohl für die Zeitverwendung als auch für die Lohnentwicklung vieler Frauen somit einschneidend. Will die Politik hieran etwas ändern, muss sie Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern schaffen. Ein Ansatzpunkt ist eine Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld. Überfällig ist zudem eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs.

Der Gender Pay GapinfoZur Diskussion des Begriffs siehe den Eintrag Gender Pay Gap im Glossar des DIW Berlin (online verfügbar, abgerufen am 10. Februar 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt)., also der prozentuale Unterschied der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen, betrug nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 – wie schon im Jahr zuvor – 18 Prozent.infoPressemitteilung des Statistisches Bundesamts vom 30. Januar 2023 (online verfügbar). Dieser im internationalen Vergleich relativ hohe Gender Pay GapinfoJulia Schmieder und Katharina Wrohlich (2021): Gender Pay Gap im europäischen Vergleich: Positiver Zusammenhang zwischen Frauenerwerbsquote und Lohnlücke. DIW Wochenbericht Nr. 9, 141–147 (online verfügbar). ist jedoch nicht für alle Beschäftigten gleich. Er unterscheidet sich vielmehr sehr stark, beispielsweise nach Region. So gibt das Statistische Bundesamt für Westdeutschland einen Gender Pay Gap von 19 Prozent an, in Ostdeutschland beträgt er hingegen nur sieben Prozent.infoPressemitteilung des Statistisches Bundesamts vom 30. Januar 2023 (online verfügbar).

Gender Pay Gap nimmt ab dem Alter von 30 Jahren stark zu

Des Weiteren unterscheidet sich der Gender Pay Gap sehr stark nach Altersgruppen.infoAnnekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt ab dem Alter von 30 Jahren stark an. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137–145 (online verfügbar). Wie Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (Kasten) zeigen, ist der Gender Pay Gap bei den 20- bis 30-Jährigen noch nicht sehr ausgeprägt. Zwar liegen die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Frauen auch in dieser Altersgruppe etwas unter denen der Männer, aber beide Gruppen verzeichnen in diesem Alter ein ähnliches Lohnwachstum. Ab dem Alter von 30 Jahren jedoch steigt der Gender Pay Gap stark an, da ab diesem Zeitpunkt die durchschnittlichen Brutto-Stundenlöhne der Frauen kaum noch zunehmen, während für Männer bis zum Alter von 40 Jahren ein hohes Lohnwachstum zu verzeichnen ist (Abbildung 1).

Die in diesem Bericht vorgestellten Berechnungen basieren auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).infoFür eine Einführung in das SOEP siehe Gert G. Wagner et al. (2008): Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP): Multidisziplinäres Haushaltspanel und Kohortenstudie in Deutschland – Eine Einführung (für neue Datennutzer) mit einem Ausblick (für erfahrene Anwender). AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv 2 (4), 301–328 (online verfügbar). Das SOEP ist die längste repräsentative Längsschnitterhebung in Deutschland und eignet sich deshalb besonders gut für die Betrachtung des Gender Care Gaps und des Gender Pay Gaps im Zeitverlauf. Die aktuellsten Daten des SOEP liegen für das Jahr 2020 vor. Für den vorliegenden Bericht werden Daten des Erhebungszeitraums von 2010 bis 2020 verwendet.

Zur Berechnung des Gender Care Gaps werden alle Frauen und Männer in Ost- und Westdeutschland im Alter von 20 bis 55 Jahren, unabhängig von ihrem Erwerbsstatus, berücksichtigt. Zur Vergleichbarkeit mit dem Gender Pay Gap, für dessen Berechnung abhängig Beschäftigte berücksichtigt werden, wurde der Gender Care Gap zudem auch für diese Gruppe der Bevölkerung separat ermittelt. Die Analysen für abhängig Beschäftigte enthalten sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte, sowie Personen in geringfügiger Beschäftigung (Minijobs). Nicht berücksichtigt werden Selbstständige, Auszubildende und Nicht-Beschäftigte.

Der Gender Pay Gap ist die prozentuale Differenz der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne zwischen Männern und Frauen im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttostundenlohn der Männer. Zur Berechnung der Bruttostundenlöhne wird der monatliche Bruttoverdienst zunächst durch die Anzahl der vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden geteilt. Anschließend werden die Bruttostundenlöhne auf Basis des Verbraucherpreisindex um die nominale Preisentwicklung bereinigt (Basisjahr 2020). Darüber hinaus werden vor der Berechnung der durchschnittlichen Löhne jeweils das obere und das untere Prozent der Daten eines jeden Erhebungsjahres ausgeschlossen (Trimming), um den Einfluss von Ausreißern bei der Datenerhebung zu reduzieren. Bei der Berechnung von Mittelwerten werden grundsätzlich gewichtete Zahlen ausgegeben, die Besonderheiten des Stichprobendesigns und Veränderungen in der Stichprobenzusammensetzung im Zeitverlauf berücksichtigen.

Der Gender Care Gap ist die prozentuale Differenz der durchschnittlichen täglichen Zeitverwendung für unbezahlte Sorgearbeit aller Frauen in Bezug zur durchschnittlichen täglichen Zeitverwendung für unbezahlte Sorgearbeit der entsprechenden Gruppe der Männer. Standardmäßig werden die Personen im SOEP jedes Jahr dazu befragt, wie viele Stunden sie an einem durchschnittlichen Wochentag für Kinderbetreuung, Betreuung von Angehörigen sowie für Hausarbeiten verwenden.infoZu den Hausarbeiten zählen Wäschewaschen, Kochen und Putzen, Besorgungen, Einkäufe und Behördengänge, sowie Reparatur- und Gartenarbeit. Alle zwei Jahre werden die Befragten auch nach der Zeitverwendung am Wochenende gefragt (vgl. Claire Samtleben (2019) a.a.O.). Da in diesem Bericht auf die Vergleichbarkeit mit dem Gender Pay Gap fokussiert wird, werden ausschließlich die angegebenen Zeiten an Wochentagen betrachtet.

Der Gender Pay Gap beträgt in der Gruppe der 20- bis 30-Jährigen demnach etwa sieben Prozent. Danach steigt er aber stark und erreicht im Alter ab 40 Jahren über 22 Prozent. Auf diesem hohen Niveau verbleibt er dann bis zum Ende des Erwerbslebens (Abbildung 2). Empirische Studien haben gezeigt, dass sich dieses Muster seit Anfang der 1990er Jahre nicht verändert hat.infoAnnekatrin Schrenker und Katharina Wrohlich (2022): Gender Pay Gap ist in den letzten 30 Jahren fast nur bei den Jüngeren gesunken. DIW Wochenbericht Nr. 9, 149–154 (online verfügbar).

Als einer der wesentlichen Gründe für diese Entwicklung des Gender Pay Gaps über den Lebensverlauf, der nicht zufällig zum Zeitpunkt des durchschnittlichen Alters bei Geburt des ersten Kindes stark steigt, wird häufig die ungleiche Verteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen genannt. infoSchrenker und Zucco (2020), a.a.O. Mit der Geburt eines Kindes haben Frauen deutlich häufiger als Männer familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit. Beides beeinflusst auch den Stundenlohn negativ.infoDie Auswirkungen familienbedingter Erwerbsunterbrechungen für Mütter sind bislang gut erforscht. Vgl. beispielsweise Henrik Kleven et al. (2019): Child penalties across countries: Evidence and explanations. AEA Papers and Proceedings. Vol. 109. 2014 Broadway, Suite 305, Nashville, TN37203: American Economic Association (online verfügbar); Jonas Jessen (2022): Culture, Children and Couple Gender Inequality. European Economic Review, 150, 104310 (online verfügbar); Corinna Frodermann, Katharina Wrohlich und Aline Zucco (2023): Parental Leave Policy and Long-run Earnings of Mothers. Labour Economics, 80, 102296 (online verfügbar).

Gender Care Gap steigt ebenfalls im Alter von 25 bis 35 Jahren stark an

Neben dem Gender Pay Gap, über den zuletzt immer mehr in den Medien berichtet wurde,infoSchmieder und Wrohlich (2021), a.a.O. erhielt in den letzten Jahren auch das Konzept des Gender Care GapsinfoZur Diskussion des Begriffs siehe den Eintrag Gender Care Gap im Glossar des DIW Berlin (online verfügbar). international, aber auch in Deutschland mehr Aufmerksamkeit.infoIm internationalen Kontext vgl. Studien der ILO und OECD: Gaëlle Ferrant, Luca Maria Pesando und Keiko Nowacka (2014): Unpaid Care Work: The missing link in the analysis of gender gaps in labour outcomes. Paris (OECD), 211–266 (online verfügbar); Laura Addati et al. (2018): Care Work and Care Jobs for the Future of Decent Work. International Labour Organisation (ILO) (online verfügbar); für Deutschland vgl. Nina Klünder (2017): Differenzierte Ermittlung des Gender Care Gap auf Basis der repräsentativen Zeitverwendungsdaten 2012/13. Expertise für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (online verfügbar); Claire Samtleben (2019): Auch an erwerbsfreien Tagen erledigen Frauen einen Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung. DIW Wochenbericht Nr. 10, 139–144 (online verfügbar).

Der Gender Care Gap misst die Lücke in der Zeitverwendung von Männern und Frauen für unbezahlte Sorgearbeit, auch Care-Arbeit genannt (Kasten). Unbezahlte Sorgearbeit bezieht sich dabei auf alle unbezahlten Dienstleistungen, die innerhalb eines Haushalts für dessen Mitglieder oder für pflegebedürftige Personen außerhalb des Haushaltes erbracht werden. In Deutschland leisten Frauen im Durchschnitt etwa eineinhalbmal so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer – der Gender Care Gap beträgt demnach im Durchschnitt über die Gesamtbevölkerung gut 50 Prozent.infoDiese Zahl basiert auf Daten der Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamtes aus den Jahren 2012/2013. Siehe dazu Klünder (2017), a.a.O. Im weltweiten Vergleich belegt Deutschland damit einen mittleren Rang.infoOECD (2017): Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf. Paris (online verfügbar); Jacques Charmes (2019): The Unpaid Care Work and the Labour Market. An analysis of time use data based on the latest World Compilation of Time-use Surveys. International Labour Office–Geneva: ILO (online verfügbar).

Wie beim Gender Pay Gap, so ist auch beim Gender Care Gap ein ungleicher Verlauf über den Lebenszyklus zu beobachten (Abbildung 3). Auffallend ist zunächst, dass die Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen am wenigsten Zeit für Sorgearbeit aufbringen muss – bei Männern sind es hier etwa zwei Stunden pro Tag, bei Frauen zwischen drei und vier Stunden täglich. Wird der Gender Care Gap analog zum Gender Pay Gap berechnet, also als Differenz der Sorgearbeit der Frauen und Männer im Verhältnis zur Sorgearbeit der Männer, so beträgt der Gender Care Gap bei den 20- bis 24-jährigen Beschäftigten gut 25 Prozent (Abbildung 2). Bei den 35- bis 39-jährigen Beschäftigten ist der Gender Care Gap schon auf 106 Prozent angestiegen. Dies bedeutet, dass abhängig beschäftigte Frauen mehr als doppelt so viel Zeit auf unbezahlt Sorgearbeit wie abhängig beschäftigte Männer verwenden.

Wird diese Differenz für alle Männer und Frauen unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis betrachtet, ist der Gender Care Gap sogar noch höher. Auch hier ist der Gender Care Gap für die Altersgruppe der 34-Jährigen am größten. Frauen verbringen in diesem Alter durchschnittlich fast neun Stunden pro Tag mit unbezahlter Sorgearbeit, während es bei Männern nur etwa drei Stunden sind, das entspricht einem Gender Care Gap von etwa 170 Prozent. Ab dem Alter von 40 Jahren geht der Gender Care Gap wieder etwas zurück, wobei er auch bei den über 50-Jährigen höher ist als bei den 20-Jährigen.

Der Gender Care Gap und der Gender Pay Gap haben somit – zumindest in der Altersgruppe der 35- bis 40-Jährigen – einen sehr ähnlichen Verlauf (Abbildung 2). Mit Anfang 20 ist die geschlechtsspezifische Lücke sowohl bei den Stundenlöhnen als auch bei der unbezahlten Sorgearbeit noch relativ klein – beide Größen steigen dann bis zum Alter von 40 Jahren stark an. Während der Gender Pay Gap danach konstant hoch bleibt, fällt der Gender Care Gap bei den über 40-Jährigen wieder ab – was insbesondere daran liegt, dass die für Kinderbetreuung verwendete Zeit im Lebensverlauf sinkt (Abbildung 4). Diese nimmt ab einem Alter von 40 Jahren bei Frauen kontinuierlich ab, während der Gender Gap bei der Hausarbeit konstant hoch bleibt. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zeit für Pflege von Angehörigen etwas zu, bleibt aber insgesamt auf deutlich niedrigerem Niveau als Hausarbeit und Kinderbetreuung.

Gender Pay Gap und Gender Care Gap sind in Ostdeutschland niedriger als in Westdeutschland

Der durchschnittliche Gender Pay Gap der abhängig Beschäftigten ist in Ostdeutschland mit sieben Prozent deutlich niedriger als in Westdeutschland (19 Prozent). Die Entwicklung des Gender Pay Gaps über den Lebensverlauf ist zudem deutlich flacher als in Westdeutschland (Abbildung 5). Beim Gender Care Gap finden sich ebenfalls Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland ist der Gender Care Gap zu Beginn des Erwerbslebens niedrig und steigt bis zum Alter von 30 bis 35 Jahren stark an. Jedoch ist der Anstieg in Ostdeutschland im Alter von 35 bis 40 Jahren nur noch moderat, während er in Westdeutschland bis zum Alter von 40 Jahren deutlich höher bleibt. Dies liegt zum einen daran, dass Männer in Ostdeutschland über den gesamten Lebensverlauf mehr Zeit für Sorgearbeit aufwenden als Männer in Westdeutschland. Zum anderen verbringen Frauen in Ostdeutschland ab einem Alter von 32 Jahren weniger Zeit mit unbezahlter Sorgearbeit als Frauen in Westdeutschland (Abbildung 6). Ein Grund hierfür ist, dass die familienbedingten Erwerbsunterbrechungen von Frauen in Ostdeutschland durchschnittlich kürzer ausfalleninfoMatthias Keller und Irene Kahle (2018): Realisierte Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wirtschaft und Statistik Nr. 3, 54–71 (online verfügbar). und dass Frauen dort häufiger Vollzeit erwerbstätig sind als in Westdeutschland.infoPatricia Gallego Granados, Rebecca Olthaus und Katharina Wrohlich (2019): Teilzeiterwerbstätigkeit: Überwiegend weiblich und im Durchschnitt schlechter bezahlt. DIW Wochenbericht Nr. 46, 845–850 (online verfügbar). Dies hängt mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Normen, insbesondere der sozialen Akzeptanz der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kleinkindern, zusammen sowie mit institutionellen Unterschieden wie der Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen.infoDenise Barth et al. (2020): Mütter in Ost und West: Angleichung bei Erwerbstätigenquoten und Einstellungen, nicht bei Vollzeiterwerbstätigkeit. DIW Wochenbericht Nr. 38, 699–706 (online verfügbar).

Fazit: Familienpolitik sollte Gender Care Gap und Gender Pay Gap gleichzeitig in den Blick nehmen

Die nahezu parallele Entwicklung des Gender Pay Gaps und des Gender Care Gaps im Alter von Anfang 20 bis Mitte 50 legt nahe, dass die Familiengründung einen kritischen Wendepunkt für den Verlauf der Erwerbskarrieren von Frauen und Männern darstellt. Nach der Familiengründung übernehmen Frauen deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit, nehmen dafür häufiger und länger andauernde ElternzeitinfoClaire Samtleben, Clara Schäper und Katharina Wrohlich (2019): Elterngeld und Elterngeld Plus: Nutzung durch Väter gestiegen, Aufteilung zwischen Müttern und Vätern aber noch sehr ungleich. DIW Wochenbericht Nr. 35, 607–613 (online verfügbar). und arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit.infoSchrenker und Zucco (2020), a.a.O. Auch wenn der Gender Care Gap ab dem Alter von 40 Jahren wieder abnimmt, bleibt der Gender Pay Gap bis zum Ende des Erwerbslebens auf hohem Niveau. Dies legt nahe, dass im Alter zwischen 30 und 40 Jahren entscheidende Weichen für den weiteren Verlauf der Verdienste gestellt werden – in genau dieser Zeit sind aber Frauen deutlich stärker als Männer in unbezahlte Sorgearbeit eingebunden. Die ungleiche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen speziell in dieser Lebensphase ist daher eine wichtige Erklärung für den anhaltend hohen Gender Pay Gap.

Wenn die Politik das Ziel der Chancengleichheit für Frauen und Männer am Arbeitsmarkt ernsthaft verfolgen will, sollte sie daher an der Aufteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit in der kritischen Lebensphase der Familiengründung ansetzen. Eine vielversprechende Maßnahme wäre, die Partnermonate beim Elterngeld auszuweiten. Die derzeit zwei Partnermonate (von 14 Monaten Elternzeit für beide Elternteile insgesamt) wurden 2007 eingeführt und haben dazu geführt, dass deutlich mehr Väter Elternzeit nehmen als zuvor. Überwiegend tun sie dies jedoch nur im Umfang des gesetzlichen Minimums von zwei Monaten, während Mütter überwiegend zwölf Monate Elternzeit nehmen.infoSamtleben et al. 2019, a.a.O. Die Partnermonate sollten daher schrittweise erhöht werden, bis eine Quote von 50 Prozent (sieben von 14 Monaten) erreicht ist. Eine andere Möglichkeit, die längere Inanspruchnahme der Elternzeit von Vätern finanziell zu fördern, wäre eine zeitlich absinkende Lohnersatzrate beim Elterngeld.infoDiese sogenannte „Dynamisierung der Einkommensersatzleistung“ wurde vom Sachverständigenrat des 9. Familienberichts vorgeschlagen, vgl. dazu BMFSFJ (2021): Eltern sein in Deutschland – Ansprüche, Anforderungen und Angebote bei wachsender Vielfalt. Empfehlungen für eine wirksame Politik für Familien. 9. Familienbericht (online verfügbar). Beispielsweise könnten beide Elternteile für sieben Monate Elterngeld mit einer Lohnersatzrate von 80 Prozent beziehen, danach würde die Lohnersatzrate auf 50 Prozent gesenkt werden (für maximal vier Monate). In diesem Modell, das der Sachverständigenrat des 9. Familienberichts vorgeschlagen hat, wäre das Elterngeld beider Elternteile insgesamt am höchsten, wenn beide Elternteile eine siebenmonatige Elternzeit wählen.

Aber auch andere Bereiche des Steuer- und Transfersystems müssten reformiert werden, um eine gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern zu fördern. So gehen vom Ehegattensplitting – insbesondere in Kombination mit der steuerlichen Behandlung der Einkünfte aus Minijobs – erwiesenermaßen negative Erwerbsanreize für verheiratete Frauen aus.infoÜber die negativen Anreize für die Erwerbsbeteiligung von Frauen durch das Ehegattensplitting siehe Kai-Uwe Müller et al. (2013): Evaluationsmodul: Förderung und Wohlergehen von Kindern. Politikberatung kompakt 73. DIW Berlin (online verfügbar); Stefan Bach et al. (2011): Reform des Ehegattensplittings: Nur eine reine Individualbesteuerung erhöht die Erwerbsanreize deutlich. DIW Wochenbericht Nr. 41, 13–19 (online verfügbar); Matthias Blömer und Andreas Peichl (2020): Für wen lohnt sich Arbeit? Partizipationsbelastungen im Steuer-, Abgaben-und Transfersystem (No. 118). ifo Forschungsberichte (online verfügbar). Daher sollte einerseits eine Reform des Ehegattensplittings beispielsweise hin zu einem Realsplitting mit niedrigem ÜbertragungsbetraginfoSefan Bach et al. (2020): Reform des Ehegattensplittings: Realsplitting mit niedrigem Übertragungsbetrag ist ein guter Kompromiss. DIW Wochenbericht Nr. 41, 785–794 (online verfügbar). umgesetzt werden. Zusätzlich sollten die Minijobs – bis auf mögliche Ausnahmen für Schüler*innen, Studierende und Rentner*innen – abgeschafft werden. Diese Maßnahmen hätten nicht nur wichtige gleichstellungspolitische Wirkungen, sondern sie wären auch wirksame Mittel, um dem Arbeitskräftemangel entgegen zu treten.

Clara Schäper

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics



JEL-Classification: J31;J16;J22
Keywords: Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Gender Inequality, Family Policy
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-9-1

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