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Mit neuem Grenzausgleichsmechanismus auch CO2 in Importen erfassen: Interview

DIW Wochenbericht 22 / 2023, S. 269

Robin Sogalla, Erich Wittenberg

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Herr Sogalla, um der CO2-Bepreisung durch den Europäischen Emissionshandel (EHS) zu entgehen, können treibhausgasintensive Industrien ihre Produktion ins Nicht-EU-Ausland verlagern. Das wird auch als Carbon Leakage bezeichnet. Wie groß ist dieser Carbon Leakage? Bisher hat die CO2-Bepreisung im europäischen Zertifikatehandel nicht zu Carbon Leakage geführt, beziehungsweise sehen wir keine Studien, die das quantifizieren können. Der Hauptgrund dafür dürfte sein, dass die emissionsintensiven Industrien, bei denen die Gefahr besonders groß ist, dass Emissionsverlagerungen entstehen, bislang Emissionszertifikate frei zugeteilt bekommen haben (freie Allokationen). Diese Industrien waren dem CO2-Preis also weniger stark ausgesetzt. Eine Frage ist aber, wie das in der Zukunft aussehen wird, denn im Fit-for-55-Paket wurde festgelegt, dass die Obergrenze für Emissionen deutlich stärker reduziert werden soll, wodurch die CO2-Preise steigen werden. Auch die freien Allokationen sollen sukzessive abgeschafft werden und durch einen CO2-Grenzausgleich ersetzt werden.

Dieser CO2-Grenzausgleich CBAM soll die Produktionsverlagerung, also Carbon Leakage, eindämmen. Wie kann man sich CBAM vorstellen? Aktuell betrifft die CO2-Bepreisung des EHS die Emissionen, die innerhalb der EU entstehen. Wenn hier zum Beispiel eine Tonne Stahl produziert wird, dann fällt dafür ein CO2-Preis an. Der CO2-Grenzausgleich soll das nun ausweiten auf die Emissionen, die in den Importen enthalten sind. Das heißt, für die Emissionen, die im EU-Ausland bei der Produktion beispielsweise einer Tonne Stahl angefallen sind, soll an der Grenze eine Abgabe erhoben werden.

Welche Industrien sollen unter den neuen Grenzausgleich fallen? Im aktuellen Vorschlag sollen in der ersten Phase Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff unter den neuen Grenzausgleichsmechanismus fallen. Nach einer Übergangsphase bis 2026 soll zudem noch geprüft werden, ob auch organische Chemikalien und Polymere unter den CBAM fallen könnten.

Wie stark würde CBAM den Carbon Leakage eindämmen? Das ist schwer exakt vorherzusagen. Es gibt viele generelle Gleichgewichtsstudien, wie auch in diesem Wochenbericht, die quantifizieren, dass ein CO2-Grenzausgleich im Vergleich zu einer CO2-Bepreisung ohne Industriekompensation das Carbon-Leakage-Risiko um ein Drittel senken würde. Nun sollen die freien Allokationen, die eine Industriekompensation waren, abgeschmolzen werden und durch den CBAM ersetzt werden. Das heißt, wenn man diesen Vergleich wählt, wird der CBAM wahrscheinlich zu etwas höheren Leakage-Raten führen als das freie Allokationssystem. Auf der anderen Seite ist es deutlich kostengünstiger, weil wir weniger Subventionen durch die freien Allokationen haben und dafür mehr Einnahmen durch den Grenzausgleich.

Wie stark sind die Effekte des CBAMs auf Europas Handelspartner? Modellberechnungen zeigen, dass die Effekte für die meisten europäischen Handelspartner eher gering sind. Der Grund dafür ist, dass wir hier steigende CO2-Preise haben und der CBAM einen Teil dieser steigenden Kosten in der EU ausgleicht. Allerdings gleicht CBAM diesen Wettbewerbsnachteil der EU nur teilweise aus. Für bestimmte Länder kann es auch Herausforderungen geben. Beispiele sind Mosambik, das mehr als 20 Prozent seines Aluminiums in die EU exportiert oder Serbien und Bosnien, wo über fünf Prozent der Exporte CBAM-Produkte in die EU sind. Hier sollte überlegt werden, ob vielleicht Teile der Einnahmen dafür verwendet werden könnten, diesen Ländern zu helfen, ihre Produktion auf emissionsärmere Technologien umzustellen.

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O-Ton von Robin Sogalla
Mit neuem Grenzausgleichsmechanismus auch CO2 in Importen erfassen - Interview mit Robin Sogalla

Robin Sogalla

Doktorand in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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