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Das ist wohl eher eine Sozialstaatswende

Blog Marcel Fratzscher vom 29. April 2024

Die FDP will mit ihrem Zwölf-Punkte-Plan eine Wirtschaftswende einleiten. Aber um Wirtschaftspolitik geht es im Grunde nicht, sondern eher um den Abriss des Sozialstaats.

Eine Wirtschaftswende will die FDP mit ihrem Zwölf-Punkte-Plan vollbringen, doch der Plan scheint eher eine Sozialstaatswende auslösen zu sollen, mit dem soziale Leistungen gekürzt und die Beziehenden stigmatisiert werden. Der Zwölf-Punkte-Plan scheint daher wenig mehr als ein Wahlkampfslogan der FDP zu sein, um eine kleine Wählerklientel zu befrieden und um sich von den beiden Koalitionspartnern SPD und Grüne abzugrenzen. Das ist schade, denn die FDP könnte durchaus mit liberalen Wirtschaftsideen wichtige Veränderungen auslösen und als Teil der Bundesregierung diese auch umsetzen.

Diese Kolumne erschien am 26. April 2024 auf ZEIT ONLINE in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.

Die FDP betreibt zwar die richtige Problemanalyse und sie verfolgt ein wichtiges Ziel. Deutschland muss dringend neue Wege finden, sich im globalen Wettbewerb mit China und den USA zu behaupten. Die deutsche Wirtschaft muss die ökologische und die digitale Transformation viel schneller akzeptieren und umsetzen. Dafür benötigt sie gute Rahmenbedingungen – bei der Bürokratie, für Innovationen, für Infrastruktur und die Gewinnung von Fachkräften. Der Begriff Wirtschaftswende spielt auf den Begriff der Zeitenwende von Bundeskanzler Olaf Scholz vom Februar 2022 an und unterstreicht somit, dass die Wirtschaftspolitik nicht kleine Anpassungen anstoßen soll, sondern große, grundlegende Veränderungen möglich machen soll.

Der Zwölf-Punkte-Plan ist nicht konstruktiv

Die FDP mahnt im Zwölf-Punkte-Plan auch zu Recht an, dass der Staat sparsamer und effizienter mit seinem Geld umgehen muss und dass dies auch die Sozialsysteme betrifft. Die Forderung zur Abschaffung der sogenannten Rente mit 63 ist aus rein wirtschaftlicher Sicht prinzipiell richtig. Das Problem des Zwölf-Punkte-Plans ist, dass die FDP keine konstruktiven Vorschläge macht, wie denn mehr Menschen in Zukunft länger arbeiten können, ohne vorher erwerbsunfähig zu werden. Die Vorschläge sind letztlich substanzlos und nicht durchdacht. 

Die Liberalen verhindern die Wirtschaftswende, statt sie voranzutreiben

Das wirkliche Problem aber liegt in zwei grundlegenden Widersprüchen des Zwölf-Punkte-Plans, die die deutsche Wirtschaft nicht stärken, sondern schwächen werden. 

Der erste Widerspruch: Die FDP beharrt in der Ampelkoalition auf einem Sparhaushalt und hält dogmatisch an der Schuldenbremse fest, womit die FDP dafür verantwortlich ist, dass die Unternehmen noch immer zu schlechte Rahmenbedingungen haben, um wichtige Zukunftsinvestitionen tätigen und die Transformation bewerkstelligen zu können. Die Wirtschaft braucht dringend eine bessere Infrastruktur, mehr öffentliche Investitionen in Bildung und auch steuerliche Entlastungen. Aber genau solche Entlastungen und dringend benötigte öffentliche Investitionen verhindert Bundesfinanzminister Christian Lindner mit seinem starren Festhalten an der Schuldenbremse.

Der zweite Widerspruch zeigt sich in der Aussage, eine starke Wirtschaft sei grundlegend für einen starken Sozialstaat. Die FDP schlägt jedoch vor, die Sozialausgaben systematisch zu kürzen. Wie soll ein schwächerer Sozialstaat zu einer stärkeren Wirtschaft führen?

Sanktionen beim Bürgergeld sparen so gut wie nichts ein

Der Zwölf-Punkte-Plan ist Sozialstaatspopulismus. Die FDP suggeriert, dass der Staat mit stärkeren Sanktionen bei Bürgergeldempfängern und geringeren sozialen Leistungen viel Geld sparen und die Wirtschaft entlasten könnte. Die Sanktionen für Verweigerer beim Bürgergeld werden weit weniger als 100 Millionen Euro einsparen – ein Tropfen auf den heißen Stein, um die Budgetlücke des Bundesfinanzministers von 25 Milliarden Euro für 2025 zu schließen. Die populistischen Forderungen werden keinerlei nennenswerte Veränderungen herbeiführen, geschweige denn eine Wirtschaftswende auslösen.

Nicht eine Schwächung des Sozialstaats führt zu einer stärkeren Wirtschaft, sondern ein starker Sozialstaat und eine starke Wirtschaft bedingen einander. Mehr Investitionen in Bildung, Qualifizierung und die Integration in den Arbeitsmarkt sind essenziell, damit Unternehmen mehr Fachkräfte bekommen.

Auch bei diesen Themen erklären die Liberalen nicht, wie sie bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen wollen. Dabei liegen die Antworten auf der Hand und sollten Teil einer jeden wirtschaftsliberalen politischen Agenda sein: eine steuerliche Entlastung von Bürger*innen und Unternehmen, vor allem dort, wo die Belastung hoch und Entlastungen große Wirkungen haben könnten. So könnte die FDP sich für eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs einsetzen, was dem Staat einerseits viele Milliarden Euro an Ersparnissen bringen und gleichzeitig ein großes Arbeitskräftepotenzial heben würde.

Die FDP sollte lieber die fossilen Subventionen abschaffen

Aber die Liberalen wollen lieber Subventionen für erneuerbare Energien abbauen. Dabei wäre es sehr viel effektiver, die Milliardensubventionen für fossile Energieträger abzuschaffen. Aber auch bei diesem Thema scheint die FDP eher Klientelpolitik für eine sehr kleine Gruppe zu betreiben, anstatt bessere und faire Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu schaffen.

Der Zwölf-Punkte-Plan wird die Wirtschaft nicht stärken, sondern eher schwächen. Ebenso wie das dogmatische Festhalten an der Schuldenbremse und eine Aushöhlung des Sozialstaats die Wirtschaft schwächt. Immer mehr FDP-Wähler*innen erkennen das. Ein Einzug in den Bundestag könnte für die FDP momentan an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Es wäre klug, wenn die Liberalen sich von ihrer Klientelpolitik abwenden und einer Wirtschafts- und Finanzpolitik zuwenden würde, die im Sinne aller Unternehmen und aller Bürger*innen des Landes ist.

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