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Gehälter von Frauen und Männern: Wie sich die Unterschiede erklären

Medienbeitrag vom 28. Mai 2024

Jahr für Jahr wird am 6. März der Equal Pay Day gemeldet. Bis zu diesem Tag im Jahr haben Frauen symbolisch gratis gearbeitet, vergleicht man ihre durchschnittlichen Gehälter mit denen von Männern. Den Unterschied zwischen dem, was Männer und Frauen  verdienen, bezeichnet man als Gender Pay Gap. In Berlin haben 2023 Frauen elf Prozent weniger verdient als Männer, in Brandenburg vier Prozent.

Dieser Text von Katharina Wrohlich erschien am 28. Mai 2024 im Tagesspiegel und den Potsdamer Neuesten Nachrichten.

Was Daten dazu immer wieder zeigen: Der Gender Pay Gap verändert sich im Lebensverlauf. Mit zunehmendem Alter und längerer Betriebszugehörigkeit wird der Unterschied größer.

Warum sind die Gehaltssprünge für Männer höher?

Bei Menschen mit Führungsverantwortung ist er laut Arbeitgebervergleichsportal Kununu größer als bei Menschen ohne. Nach sechs bis zehn Jahren Berufserfahrung beträgt das Bruttomediangehalt in Berlin bei Frauen  laut Daten des Jobportals Stepstone 45.500 Euro, bei Männern 50.000 Euro.

Am auffälligsten ist der Gender Pay Gap nach Unternehmenszugehörigkeit. In Berlin ist er laut dem Statistikamt Berlin-Brandenburg am höchsten bei Menschen, die dem Unternehmen 26 bis 30 Jahre lang angehören: Da verdienen Männer 20 Prozent mehr als Frauen. Wie kann das sein? Sammelt nicht jede*r, der länger im Arbeitsleben steht, mehr Erfahrung, ergo sollten auch die Gehaltssprünge ähnlich sein?

1. Frauen sind öfter in Teilzeit

Katharina Wrohlich forscht zum Gender Pay Gap und leitet die Forschungsgruppe Gender Economics. Die Ökonomin führt den Gender Pay Gap auch bei zunehmendem Alter und Erfahrung auf vier zentrale Faktoren zurück.

„Für jüngere Beschäftigte ist der Gender Pay Gap deutlich niedriger, er beträgt sechs bis  sieben Prozent“, sagt sie. Zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr steige der Lohn besonders, für jedes weitere Jahr Berufserfahrung wachse er in dieser Zeit so viel wie sonst in keiner Lebensphase. „Dieses Lohnwachstum ist bei Männern und Frauen in diesem Alter gleich groß“, sagt Wrohlich. In den 1990ern  und 2000ern war der Unterschied dort noch größer. Ab einem Punkt aber haben sich die Werte seitdem kaum verändert: „Beim Alter von 30 hört das Lohnwachstum bei Frauen auf“, sagt Wrohlich. Da beginnt die Phase der Familiengründung. Mit 29,9 Jahren bekommt  eine Frau in Deutschland durchschnittlich ihr erstes Kind. Bei Männern steige der Lohn auch ab 30 weiter, bis sie durchschnittlich 46 Jahre alt seien. Aber Frauen „behalten im Durchschnitt den Bruttostundenlohn, den sie im Alter von 30 Jahren haben“.

Mit der Elternzeit, die Frauen deutlich länger nähmen als Männer, gäbe es eine erste Pause. Viel mehr auf den Gender Pay Gap wirken sich allerdings die anschließenden Jahre in Teilzeit aus, sagt Wrohlich: „Frauen kehren selten wieder in Vollzeit zurück.“ Mehr als die Hälfte  der Frauen bleibe für den Rest ihres Arbeitslebens in Teilzeit. Und das Problem dabei sei, sagt Wrohlich: „In Teilzeit macht man weniger Karriere. Man wird seltener befördert, hat seltener eine Projektleitung inne.“ Den „Part Time Wage Gap“, auf den Stundenlohn bezogen, gebe es auch bei Männern. Aber die seien eben im „Haupterwerbsalter“, wo die großen Gehaltserhöhungen und Beförderungen passieren, selten in Teilzeit. 

2. Frauen seltener in Führungspositionen

„Die Teilzeit erklärt den Gender Pay Gap nicht komplett“, sagt Wrohlich. In niedrig bezahlten Jobs sei er seit der Einführung des  Mindestlohns geringer, ab mittel bezahlten Jobs steige er. „Unter Beschäftigten in Führungspositionen ist der Gender Pay Gap noch größer, weil da die richtig hohen Löhne verdient werden, aber seltener von Frauen“, sagt Wrohlich. Frauen seien in Führungsverantwortung oft in kleinen Unternehmen, auf der zweiten Leitungsebene oder in Branchen, wo weniger verdient wird.

3. Gehaltsverhandlungen

Ein möglicher weiterer Grund: die Gehaltsverhandlung. „Typischerweise verhandeln Frauen für sich selbst schlechter als Männer“, sagt Wrohlich. Das zeigten Untersuchungen. „Frauen werden als unsympathisch wahrgenommen und sozial bestraft, wenn sie für sich selbst  hart verhandeln. Bei Männern gilt das nicht: Sie werden als durchsetzungsstark wahrgenommen.“ Verhandeln Frauen hart für andere, sei  das hingegen sozial akzeptiert, zum Beispiel als Mutter. Und je länger im Berufsleben, desto mehr Gehaltsverhandlungen, bei denen Männer mehr für sich rausholen.

4. Mehr Care-Arbeit

Warum bleiben Frauen oft nach der Familiengründung in Teilzeit? Wrohlich bringt den Begriff „Gender are Gap“ als mögliche Erklärung ins Spiel. Er beschreibt die Differenz zwischen der Zeit, die Frauen und Männer für sogenannte Sorgearbeit aufwenden. Dazu zählen  Spülmaschinentabs kaufen, Windeln wechseln oder Wäsche aufhängen. Schon vor dem klassischen Gebäralter würden Frauen einen  größeren Teil der Sorgearbeit tragen. Bis Mitte 40 würde er ansteigen. „Wenn die Kinder älter werden, ist weniger zu tun, aber der Gender Care Gap kommt nie wieder auf das Niveau zurück, wo er vor der Familiengründung war.“ Frauen bleiben also mit einem Plus an Sorgearbeit zurück.

Wrohlich kritisiert: „Irgendjemand muss die Arbeit machen. Aber diese ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit  wird in Deutschland institutionell gefördert“, zum Beispiel durch das Ehegattensplitting in Kombination mit der steuerlichen Begünstigung von Minijobs.

Vollzeit im Osten normaler

Im Osten ist der Gender Pay Gap immer kleiner als im Westen. Der Unterschied geht auf die DDR zurück, wo Mütter früher in den Beruf zurückkehrten und die Rollenbilder etwas egalitärer waren.

Wrohlich sagt: „Die Frauen in Ostdeutschland unterbrechen seltener und kürzer ihre Erwerbstätigkeit. Ihre Vollzeitquote ist höher als im Westen.“ Durch die Teilungsgeschichte hat Berlin einen Sonderstatus. Das macht sich bis heute im Gender Pay Gap bemerkbar. Dieser ist noch immer größer als in Brandenburg.

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