Blog Marcel Fratzscher vom 10. Juni 2024
Der Klimawandel wird zur Bedrohung der Daseinsfürsorge und Wirtschaft. Die Kosten können langfristig nur über eine öffentliche Klimarücklage abgemildert werden.
Als Reaktion auf die Katastrophen im Ahrtal und nun in Süddeutschland fordern manche die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung sowie das Aussetzen und die Reform der Schuldenbremse, damit der Staat zumindest für einen Teil der Kosten aufkommen kann. Keine dieser beiden Forderungen stellt jedoch eine ausreichende oder dauerhafte Lösung dar.
Diese Kolumne erschien am 7. Juni 2024 auf ZEIT ONLINE in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.
Die Logik einer verpflichtenden Elementarversicherung beruht auf drei Argumenten. Zum einen soll das Verursacherprinzip gelten, also die Betroffenen sollen selbst für den Schaden an ihrem Eigentum aufkommen. Zudem soll eine Versicherungspflicht bessere Anreize setzen, beispielsweise keine Immobilien in von Hochwasser bedrohten Gegenden zu bauen. Drittens setzt die Logik die Annahme voraus, der private Markt könne am besten die Risiken minimieren und umverteilen. Versicherungskonzerne sollen die Risiken einschätzen, Versicherungen anbieten und im Schadensfall die Kosten zwischen den Versicherten umverteilen. Die Verpflichtung soll sicherstellen, dass die Kosten nicht auf den Staat und damit die Gesellschaft als Ganzes abgewälzt werden.
Keines dieser drei Argumente ist jedoch überzeugend. Denn verantwortlich für die zunehmende Häufigkeit und Schwere der Naturkatastrophen sind nicht die privaten Eigentümer*innen von Immobilien oder Unternehmen, sondern die Verursacher*innen des Klimawandels, also vor allem Menschen und Unternehmen mit einem großen CO₂-Fußabdruck. Zudem wird es zunehmend unmöglich zu identifizieren, welche Regionen besonders stark von Naturkatastrophen bedroht sein werden.
Drittens besteht ein Marktversagen, da private Versicherungen unmöglich alle künftigen Naturkatastrophen versichern können– zum einen, weil ein enormes Maß an Unwissen darüber besteht, wie künftige Katastrophen aussehen und wen sie betreffen werden, und zum anderen, weil das Ausmaß der Schäden die Möglichkeiten auch privater Versicherungsunternehmen übersteigt.
Eine öffentliche Klimarücklage ist eine sinnvolle und notwendige Antwort auf dieses Marktversagen und zur Finanzierung der Kosten sowohl von Naturkatastrophen als auch des Umbaus der öffentlichen Infrastruktur — wie die Verlegung oder Neugestaltung von Straßen, Brücken, Schienen und öffentlichen Bauten.
Finanziert werden sollte eine solche Klimarücklage durch einen Solidaritätszuschlag von drei Prozent auf die Einkommensteuer, wie er in den 1990er-Jahren für die Finanzierung des Wiederaufbaus Ostdeutschland eingeführt wurde. Eine solche Finanzierung würde knapp 25 Milliarden Euro an Einnahmen pro Jahr ermöglichen. Als Beispiel könnte die Rücklage in der gesetzlichen Rentenversicherung dienen: Auch darin wurden viele Milliarden Euro an Rücklagen aufgebaut, um die zu erwartenden, höheren Kosten für die gesetzliche Rente in Zukunft mitfinanzieren zu können. Ähnlich sollte man es beim Klima machen und so in Jahren ohne größere Katastrophen Überschüsse aufbauen. Allerdings muss man damit rechnen, dass es in Jahren von großen Katastrophen auch ein Defizit geben könnte. Trotzdem wäre eine solche Finanzierung für den Wiederaufbau eine verlässliche Lösung und könnte helfen, Klima- und Umweltschäden abzumildern. Zudem wäre die Finanzierung progressiv, also Menschen mit geringen Einkommen würden nicht oder nur geringfügig zur Kasse gebeten. Der größte Teil entfällt auf diejenigen, die ein höheres Einkommen haben und generell stärker zum Klimawandel beitragen.
Unternehmen dagegen würden durch die Abgabe nicht direkt belastet. Sie werden bereits durch die CO₂-Bepreisung an den Kosten des Klimaschutzes beteiligt, deren Einnahmen – so wie von der Bundesregierung versprochen – als Klimageld größtenteils an die Bürger*innen zurückfließen sollten. Eine Klimarücklage würde auch eine verpflichtende Elementarschadenversicherung nicht ersetzen, sondern diese punktuell für diejenigen ergänzen, die die Versicherungskosten nicht allein tragen können.
Angesichts der erneuten Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland fordern einige ein Aussetzen der Schuldenbremse beim Bund und bei den betroffenen Ländern. Dies ist kurzfristig richtig und notwendig, denn ein weiteres dogmatisches und ideologisches Festhalten an der Schuldenbremse bei gleichzeitig hohen staatlichen Kosten zur Bewältigung der Katastrophe würde einen enormen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Bund und Länder sollten sich ein Beispiel an der CDU-geführten Landesregierung in Schleswig-Holstein nehmen, die jüngst ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse unter anderem aufgrund der Ostseesturmflut beschlossen hatte.
Die Schuldenbremse wird obsolet, wenn fast jedes Jahr Ausnahmen wegen Naturkatastrophen gemacht werden. Sie sollte reformiert werden, um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen, nicht jedoch, um dauerhaft höhere Kosten für Naturkatastrophen zu stemmen.
Die finanziellen Kosten des Klimawandels werden eine zunehmende, auch wirtschaftliche Belastung darstellen. Die Politik sollte einen Plan zur Finanzierung der Kosten zur Bewältigung und Mitigation des Klima- und Umweltwandels entwickeln — zumindest erst einmal in Deutschland, dann auch global.
Themen: Klimapolitik , Konjunktur , Öffentliche Finanzen