DIW Wochenbericht 46 / 2024, S. 707-714
Martin Gornig, Katrin Klarhöfer
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„Der Fokus bei der energetischen Sanierung liegt meist auf Wohngebäuden. Doch auch bei gewerblichen und öffentlichen Gebäuden gibt es enormes Potenzial. Teilweise sind diese Gebäude so schlecht gedämmt, dass man hier mit höheren Investitionen die Heizemissionen möglicherweise schneller reduzieren könnte.“ Martin Gornig
Angesichts steigender Preise für Öl und Gas sind die Investitionen in die energetische Gebäudesanierung in Deutschland zuletzt nominal gestiegen. Im Wohnungsbau sowie im öffentlichen und gewerblichen Hochbau wurden dafür im Jahr 2023 insgesamt rund 72 Milliarden Euro ausgegeben, gut zwölf Milliarden mehr als zwei Jahre zuvor. Da in diesem Zeitraum aber auch die Baupreise stark stiegen, sind die Investitionen preisbereinigt um mehr als sechs Prozent gesunken. Zur Erreichung der Klimaziele braucht es jedoch nicht weniger, sondern deutlich mehr reale Investitionen in die energetische Gebäudesanierung. Um dies zu erreichen, sind nicht nur in Deutschland, sondern europaweit entsprechende Rahmenbedingungen nötig. Eine wichtige Rolle spielen auch Investitionshilfen für energetische Sanierungsmaßnamen. Entsprechende Fördermittel hat die Bundesregierung für das Jahr 2024 zwar auf 16,7 Milliarden Euro erhöht. Will die Politik aber tatsächlich eine Trendwende hin zu mehr energetischer Sanierung erreichen, wird sie angesichts gestiegener Finanzierungs- und Baukosten künftig wohl noch höhere Fördergelder bereitstellen müssen.
Der Expertenrat für Klimafragen mahnt in seinem aktuellen Gutachten, dass gerade im Gebäudesektor deutlich mehr unternommen werden müsse als bisher, wenn die Reduktionsziele bei den Treibhausgasemissionen in Deutschland erreicht werden sollen.Expertenrat für Klimafragen (2024): Gutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2024. Sondergutachten gemäß § 12 Abs. 4 Bundes-Klimaschutzgesetz. Ein großes Einsparpotenzial liegt in der Senkung des Heizenergieverbrauchs im Gebäudebestand. Seit mehr als einem Jahrzehnt fordern Fachleute, den energetischen Zustand der Gebäude durch erhöhte Dämmung der Gebäudehülle (Wände, Fenster, Dach) und effizientere Heizungssysteme zu verbessern.Jürgen Blazejczak, Dietmar Edler und Wolf-Peter Schill (2014): Steigerung der Energieeffizienz: ein Muss für die Energiewende, ein Wachstumsimpuls für die Wirtschaft. DIW Wochenbericht Nr. 4, 47–60 (online verfügbar; abgerufen am 4. November 2024. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt).
In welchem Umfang in den vergangenen Jahren durch energetische Sanierungsmaßnahmen Fortschritte beim energetischen Zustand von Gebäuden erzielt werden konnten, ist allerdings schwer zu quantifizieren. Detaillierte Untersuchungen diesbezüglich sind ausgesprochen aufwendig und liegen nur für einzelne Stichjahre vor.Holger Cischinsky und Nikolaus Diefenbach (2018): Datenerhebung Wohngebäudebestand 2016. Forschungsbericht, Institut Wohnen und Umwelt; Holger Cischinsky et al. (2021): Der Bestand der Nichtwohngebäude in Deutschland ist vermessen. Projektinformationen, Institut Wohnen und Umwelt. Auch Auswertungen auf Basis kleinerer Stichproben lassen nur grobe Tendenzen zur Entwicklung der energetischen Gebäudesanierung für wenige Jahre erkennen. Sie beschränken sich zudem auf den Bestand an Wohngebäuden. Danach hat sich die jährliche energetische Sanierungsquote – also der Anteil der Gebäudeoberfläche, die im betreffenden Jahr energetisch saniert wurde – seit der Jahrtausendwende kaum verändert und lag zuletzt geschätzt für das Jahr 2017 bei weniger als einem Prozent.Puja Singhal und Jan Stede (2019): Wärmemonitor 2018: Steigender Heizenergiebedarf, Sanierungsrate sollte höher sein. DIW Wochenbericht Nr. 36, 519–628 (online verfügbar).
Eine Alternative für das Monitoring der energetischen Gebäudesanierung setzt nicht bei physischen Indikatoren, sondern bei den Ausgaben für die entsprechenden Aktivitäten an. Wie viel Geld in die energetische Gebäudesanierung geflossen ist, lässt sich auf Basis der beobachteten Bauaktivitäten schätzen. Dabei können allerdings nicht die konkreten Mehraufwendungen der energetischen Verbesserung bestimmt werden, die beispielsweise durch den Einbau eines Dreischeibenglases anstelle eines Doppelglasfensters entstehen. Wohl aber lassen sich die Gesamtaufwendungen für den Fenstereinbau einschließlich Vor- und Nacharbeiten bestimmen. Diese Bruttokosten liegen weit höher als die spezifischen energetisch bedingten Mehraufwendungen. Ältere Studien für den Wohnungsbau weisen hier darauf hin, dass die Investitionskosten insgesamt doppelt so hoch sind wie die spezifischen Mehrkosten.Institut der deutschen Wirtschaft (2012): Energetische Modernisierung des Gebäudebestandes: Herausforderungen für private Eigentümer. Untersuchung im Auftrag von Haus & Grund Deutschland; Prognos (2013): Ermittlung der Wachstumswirkungen der KfW-Programme zum Energieeffizienten Bauen und Sanieren. Untersuchung im Auftrag der KfW-Bankengruppe.
Die Gesamtinvestitionssummen für die energetische Gebäudesanierung werden geschätzt, indem heruntergebrochene, aggregatstatistische amtliche Auswertungen im Rahmen der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin kombiniert werden mit Hochrechnungen von Befragungsergebnissen des Baudienstleisters Heinze GmbH (Kasten). Die wertmäßigen Investitionen in die energetische Sanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden, die sich aus DIW-Bauvolumen und Heinze-Modernisierungsvolumen ergeben, veröffentlichen das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSREinschließlich Photovoltaik, siehe Martin Gornig und Hanna Révész (2024): Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe. Berechnungen für das Jahr 2023. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (online verfügbar).) und das Umweltbundesamt (UBAOhne Photovoltaik, siehe Jürgen Blazejczak et al. (2024): Ökonomische Indikatoren von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz – Materialien Berichtsjahr 2023. Umweltbundesamt. Umwelt, Innovation, Beschäftigung, Heft 3.) regelmäßig.
Um die Investitionen in die energetische Gebäudesanierung schätzen zu können, werden heruntergebrochene, aggregatstatistische amtliche Auswertungen der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin mit hochgerechneten Befragungsergebnissen des Baudienstleisters Heinze GmbH kombiniert (Abbildung). Das DIW-Bauvolumen erfasst die Summe aller Leistungen, die auf die Herstellung oder Erhaltung von Gebäuden und Bauwerken gerichtet sind. Insofern geht der Nachweis über die vom Statistischen Bundesamt berechneten Bauinvestitionen hinaus, denn bei den Investitionen bleiben konsumtive Bauleistungen unberücksichtigt – dies sind vor allem nicht werterhöhende Reparaturen (also Instandsetzungsleistungen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes). Anders als in der amtlichen Statistik unterscheidet das DIW-Bauvolumen zudem zwischen Bauleistungen an vorhandenen Gebäuden und beim Neubau.
Die Abschätzung der Bestandsmaßnahmen beziehungsweise des Bestandsbauvolumens aus der Makroperspektive beruht im Wesentlichen auf einer Differenzenbetrachtung zwischen der Gesamtbauleistung nach Baufachstatistik und der aus der Bautätigkeitsstatistik abgeleiteten Neubauleistung.Martin Gornig, Claus Michelsen und Hanna Révész (2021): Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe. Berechnungen für das Jahr 2020. BBSR-Online-Publikation Nr. 32 (online verfügbar). Dies hat insbesondere den Vorteil, dass sich im Zeitverlauf konsistente Vergleiche durchführen lassen. Den Modellrechnungen auf Basis des Differenzenansatzes fehlen aber Strukturinformationen.
Um solche Strukturinformationen zu identifizieren, werden die Ergebnisse aus Modellrechnungen auf Basis amtlicher Statistiken betrachtet. Diese werden dann den Hochrechnungen zum Modernisierungsvolumen gegenübergestellt, die auf Umfragen beruhen. Die Hochrechnungsergebnisse basieren auf gesonderten umfassenden Untersuchungen der Heinze GmbH für die Jahre 2014, 2018, 2020 und 2022.Klarhöfer, Kramp und Tiller (2024), a.a.O.
In den Untersuchungen der Heinze GmbH wird das Modernisierungsvolumen über die Verknüpfung sekundärstatistischer Marktdaten berechnet. Dafür werden Befragungsergebnisse von für den Modernisierungsmarkt relevanten Zielgruppen herangezogen. Zentrale Informationsbasis im Wohnungsmarkt ist eine Befragung repräsentativ ausgewählter Mieter*innen- und Eigentümer*innenhaushalte. Zudem wurden gewerbliche Wohnungsbauunternehmen befragt. Die Ergebnisse für den Nichtwohnungsbau beruhen auf Auswertungen von Fragebögen zu von Architekt*innen betreuten Modernisierungsmaßnahmen. Zudem wurden Befragungen bei Handwerker*innen genutzt. Auf dieser Grundlage lassen sich die Bestandsmaßnahmen nach Produktbereichen differenzieren. Zur energetischen Sanierung werden Maßnahmen aus den Produktbereichen Wärmedämmung (etwa am Dach oder der Fassade), Austausch von Fenstern und Außentüren sowie der Erneuerung der Heizung und von Klima- und Lüftungsanlagen gezählt.
Die Strukturinformationen zur Bedeutung der oben genannten Produktbereiche aus dem Mikroansatz werden konsistent in die Bauvolumenrechnung des DIW Berlin eingepasst.Zur Methode vgl. Martin Gornig und Hanna Révész (2023): Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe. Berechnungen für das Jahr 2022. BBSR-Online-Publikation Nr. 53 (online verfügbar). Voraussetzung für die Integration der Ergebnisse des Mikroansatzes in die Bauvolumenrechnung ist, dass die Ergebnisse der beiden Methoden miteinander korrespondieren. Dies gilt sowohl für das quantitative Gesamtergebnis als auch die spezifischen Abgrenzungen der Bauleistungen. So stehen bei den Befragungsergebnissen der Heinze GmbH investive Bauleistungen im Vordergrund. Dies gilt wegen der Bindung an die Architekt*innenumfrage insbesondere für den Bereich des Nichtwohnungsbaus. Beim Wohnungsbau wiederum werden die Eigenleistungen einschließlich Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit anders als in der Bauvolumenrechnung nicht bewertet.
Die aus den Umfragen der Heinze GmbH gewonnenen Strukturinformationen werden daher nicht unmittelbar auf das Bauvolumen insgesamt, sondern nur auf den investiven Teil des Bauvolumens bezogen. Um eine derartige Integration der Werte des Heinze-Strukturergebnisses zu ermöglichen, ist im Bauvolumen eine Modellrechnung zur Trennung der Bauleistungen nach investiven und nichtinvestiven Maßnahmen erforderlich. Das DIW Berlin hat dazu speziell die Strukturinformationen zu den Reparaturmaßnahmen aus den Heinze-Befragungen ausgewertet und entsprechende Hochrechnungen für die durchschnittlichen Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Die zeitliche Differenzierung der Maßnahmen erfolgte über die Anbindung an die Entwicklung des Bruttoanlagevermögens im Hochbau, wozu das DIW Berlin spezielle Modellrechnungen entwickelt hat.Susanne Hotze et al. (2016): Struktur der Bestandsinvestitionen 2014. Investitionstätigkeit in den Wohnungs- und Nichtwohnungsbeständen. BBSR-Online-Publikation Nr. 03 (online verfügbar).
Der vorliegende Wochenbericht präsentiert darüber hinaus eine differenzierte Auswertung nach drei Einzelbereichen der energetischen Sanierung.Die Werte für das Jahr 2023 beruhen dabei auf vorläufigen Berechnungen. Zudem wird hier die reale Entwicklung der Investitionen in die energetische Sanierung dargestellt, um auch die starken Preissteigerungen der letzten Jahre zu berücksichtigen. Für die Deflationierung wird ein Mix aus Preisindikatoren verwendet, da sich in den amtlichen Preisstatistiken die Einzelbereiche der energetischen Sanierung nicht unmittelbar wiederfinden. Den drei Bereichen Dach-/Wanddämmung, Fenster/Türen und Heizung/Klima werden entsprechend Preisindizes für passende Produktbereiche und Wirtschaftsklassen zugeordnet.
Ein wesentlicher Teil der Ausgaben für die energetische Sanierung fließt in die verbesserte Dämmung der Gebäudehülle. In die Dämmung von Dach, Kellerdecke und Fassade von Wohngebäuden wurden zu laufenden Preisen im Jahr 2023 mehr als 16 Milliarden Euro investiert. Noch einmal gut sechs Milliarden Euro wurden für die Dämmung von gewerblichen und öffentlichen Nichtwohngebäuden verausgabt (Abbildung 1).
Die nominalen Investitionssummen in die Dämmung sind in den vergangenen Jahren insbesondere bei Wohngebäuden deutlich gestiegen. So lagen die Ausgaben für die Fassaden- und Dachdämmung von Wohngebäuden 2023 fast doppelt so hoch wie 2018. Berücksichtigt man allerdings die enormen Preissteigerungen seit 2021, nahm der reale Wert der Investitionen in die Dämmung von Wohngebäuden in den beiden letzten Jahren nicht mehr zu.
Bei Nichtwohngebäuden verlief die Entwicklung im Bereich der Dämmung deutlich weniger dynamisch. Zwar stiegen ab 2019 die Ausgaben für die Gebäudedämmung im gewerblichen und öffentlichen Bereich wieder, aber nur im Jahr 2020 reichten die nominalen Zuwächse aus, um zumindest wieder das reale Investitionsniveau von 2013 zu erreichen. Preisbereinigt liegen die Investitionen in die Dämmung von Nichtwohngebäuden dagegen heute nur bei knapp 80 Prozent des Ausgangsniveaus.
Im Bereich der Erneuerung von Fenstern und Außentüren von Wohngebäuden hat sich das Ausgabenniveau über viele Jahre kaum verändert (Abbildung 2). So wurden in den Jahren 2017 bis 2020 jeweils etwa 13,5 Milliarden Euro dafür verausgabt. Erst in den letzten Jahren legten die Ausgaben für den Austausch von Wohnfenstern und -türen spürbar zu. Allerdings lagen die nominellen Zuwächse deutlich unter den – aufgrund der extrem verteuerten Glasherstellung – hohen Preissteigerungen. Entsprechend sind die realen Investitionen im Bereich Fenster/Außentüren in den letzten drei Jahren sogar stark rückläufig gewesen: Das reale Investitionsniveau lag 2023 um fast 25 Prozent unter dem des Jahres 2013.
Der Umfang erneuerter Fenster und Außentüren bei gewerblichen und öffentlichen Nichtwohngebäuden nahm preisbereinigt im Beobachtungszeitraum noch stärker ab. Die realen Investitionen lagen 2023 um 30 Prozent niedriger als zehn Jahre zuvor. In nominaler Rechnung geben gewerbliche und öffentliche Bauherren heute gut fünf Milliarden Euro für neue Fenster und Außentüren aus.
Im Vergleich zur energetischen Ertüchtigung der Gebäudehülle durch Dämmung oder Fenster- und Türenaustausch legten die Ausgaben für die Erneuerung der Heizungsanlagen stärker zu (Abbildung 3). Im Wohngebäudebestand haben sich die Ausgaben für die Heizungserneuerung innerhalb von zehn Jahren nominal fast verdoppelt. Auch wenn die Preise im Heizungsbau nochmals stärker gestiegen sind als bei den Energiesparmaßnahmen an der Gebäudehülle, reichten die Ausgabenzuwächse dennoch aus, die realen Investitionen in die Erneuerung der Heizungen in Wohngebäuden auf hohem Niveau zu halten. Dabei ist zu vermuten, dass Haushalte auch in neue Gasheizungen investierten, bevor diese Heizungsart stark reglementiert wurde. Der Spitzenwert der realen Investitionen aus dem Jahr 2017 wurde aber auch 2023 knapp verfehlt.
Im Bereich Heizungs- und Klimatechnik bei Nichtwohngebäuden ist über die Jahre ebenfalls eine positive Tendenz der Investitionen zu verzeichnen. Von 2013 bis 2017 legten entsprechende Ausgaben von gut sechs auf fast neun Milliarden Euro zu. Die Ausgabenzuwächse lagen zudem über den Preissteigerungen in diesem Bereich, so dass auch die realen Investitionen stiegen. Gegenüber 2017 allerdings schrumpften die Ausgaben der gewerblichen und öffentlichen Bauherren deutlich. Da gleichzeitig die Preise im Bereich Heizungs- und Klimatechnik besonders stark zulegten, gingen die realen Investitionen gegenüber 2013 sogar um nahezu 30 Prozent zurück.
Unter dem Strich ergibt sich mit Blick auf die Investitionen in die energetische Wohngebäudesanierung ein trübes Bild: In den letzten zehn Jahren sind die jährlichen Ausgaben für die energetische Sanierung insgesamt zwar um über 65 Prozent auf fast 53 Milliarden Euro gestiegen. Berücksichtigt man die Preissteigerungen, lagen die realen Investitionen im Jahr 2023 aber kaum höher als 2013 (Abbildung 4). Der Tiefpunkt der realen Investitionen in die energetische Wohngebäudesanierung war das Jahr 2015. Es folgte eine zwischenzeitlich deutliche Erholung der realen Investitionstätigkeit. Im Jahr 2021 erreichte sie ihren bisherigen Höchstwert, die jährlichen realen Investitionssummen lagen damals gut acht Prozent über dem Niveau des Ausgangsjahres. Mit den starken Preissteigerungen der Jahre 2022 und 2023 gingen die realen Zuwächse der Investitionen aber wieder nahezu vollständig verloren.
Die Investitionen in die energetische Gebäudesanierung entwickelten sich damit deutlich schlechter als die in andere Bereiche des Wohnungsbaus. Insbesondere der Neubau von Wohnungen legte bis 2020 stark zu. Trotz der aktuellen Schwächephase lagen die Neubauinvestitionen 2023 preisbereinigt noch rund elf Prozent höher als 2013. Auch andere Maßnahmen an bestehenden Gebäuden jenseits der energetischen Sanierung – wie die Modernisierung der Sanitäreinrichtungen oder allgemeine Instandhaltungen – konnten über den Gesamtzeitraum reale Zuwächse erzielen. Preisbereinigt lagen solche Ausgaben 2023 um 15 Prozent über dem Wert von 2013.
Die Gründe für die Investitionszurückhaltung sind vielfältig.Martin Gornig und Katrin Klarhöfer (2023): Investitionen in die energetische Gebäudesanierung auf Talfahrt. DIW Wochenbericht Nr. 33, 441–448 (online verfügbar). Ein wesentlicher Faktor waren über viele Jahre sicherlich die vergleichsweise geringen Preise für Öl und Gas, die den Handlungsdruck mit Blick auf energetische Sanierungen in Grenzen hielten. Mit dem Anstieg der Energiepreise seit 2021 hat das Motiv des Energiesparens als Grund für eine Modernisierung der selbstgenutzten oder vermieteten Wohngebäude spürbar zugelegt (Abbildung 5).Katrin Klarhöfer, Christopher Kramp und Christian Tiller (2024): Bestandsinvestitionen 2022.Struktur der Investitionstätigkeit in den Wohnungs- und Nichtwohnungsbeständen. BBSR-Online-Publikation Nr. 80 (online verfügbar). Im Jahr 2022 gaben 16 Prozent der Investierenden als ein Motiv der Gebäudemodernisierung Energieeinsparungen an. Zwei Jahre zuvor waren es nur neun Prozent.
Dass sich die geänderte Motivlage nicht auch in real steigenden Investitionen in die energetische Wohngebäudesanierung niedergeschlagen hat, dürfte auf die parallel stark steigenden Finanzierungkosten und Baupreise zurückzuführen sein. Zudem zeigt die Befragung zu den Modernisierungsmotiven, dass auch noch im Jahr 2022 die Komforterhöhung und Werterhaltung mit Antwortquoten von 23 Prozent beziehungsweise 20 Prozent als wichtigere Investitionsmotive angesehen wurden.
Führt man die Resultate zu den Investitionen für die einzelnen Bereiche der energetischen Sanierung von öffentlichen und gewerblichen Gebäuden zusammen, zeigt sich sogar ein erschreckendes Bild. Im Jahr 2023 wurden zwar knapp 20 Milliarden Euro für die energetische Sanierung von Nichtwohngebäuden ausgegeben, etwa 25 Prozent mehr als 2013. Da gleichzeitig aber die Preise für entsprechende Bauleistungen im selben Zeitraum um mehr als 50 Prozent gestiegen sind, wird heute real um ein Viertel weniger in die energetische Sanierung öffentlicher und gewerblicher Gebäude investiert als vor zehn Jahren (Abbildung 6).
Die Investitionstätigkeit in der energetischen Gebäudesanierung hat sich damit deutlich schlechter entwickelt als in anderen Bereichen des öffentlichen und gewerblichen Hochbaus. Insbesondere der Bau von neuen Gebäuden legte stark zu. Die Neubauinvestitionen lagen im Jahr 2023 trotz der aktuellen Abschwächung preisbereinigt um gut 25 Prozent höher als 2013. Auch andere als energetische Maßnahmen an bestehenden Gebäuden mussten real Einbußen hinnehmen. Preisbereinigt lagen die Ausgaben 2023 um 17 Prozent unter dem Wert von 2013. Der Rückgang war damit aber spürbar geringer als im Bereich der energetischen Sanierung.
Der Grund für die Zurückhaltung öffentlicher und gewerblicher Investoren bei der energetischen Gebäudesanierung dürfte lange Jahre ebenfalls bei vergleichsweise geringen Öl- und Gaspreisen zu suchen sein. Hinzu kommt, dass sich der Strukturwandel im Gebäudebestand im Nichtwohnungsbau stärker als im Wohnungsbau über den Neubau vollzieht. Am aktuellen Rand ist zudem zu berücksichtigen, dass insbesondere öffentliche Träger an nominelle Investitionsbudgets gebunden sind und ihre Haushaltsansätze nur teilweise den sprunghaft gestiegenen Baupreisen anpassen konnten.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Energieeffizienz im Gebäudebestand dringend verbessert werden muss. Gerade angesichts der in den vergangenen Jahren schwachen realen Investitionstätigkeit ist eine Vervielfachung der Aktivitäten zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands notwendig. Um eine Trendwende bei den Sanierungsaktivitäten einzuleiten, sollten verbindliche Mindeststandards und Sanierungsziele gesetzt werden.Sophie M. Behr, Merve Kücük und Karsten Neuhoff (2023): Energetische Modernisierung von Gebäuden sollte durch Mindeststandards und verbindliche Sanierungsziele beschleunigt werden. DIW aktuell Nr. 87 (online verfügbar). Ein entscheidender Faktor für die Bereitschaft, in die energetische Sanierung von Gebäuden zu investieren, ist die langfristig erwartete Entwicklung der Energiepreise. Eine Schlüsselrolle spielen hier unabhängig von schwankenden Rohstoffpreisen die politischen Festsetzungen zur CO2-Bepreisung. Ein verlässlich absehbarer Kurs weiter steigender Energiekosten ist unverzichtbar, um Investitionsanreize zur Erreichung der Klimaziele zu setzen.
Darüber hinaus müssen für eine spürbare Erhöhung der Investitionen in die energetische Sanierung des Gebäudebestands aber auch angemessene Förderbedingungen gelten. Die Bundesregierung hat Ende 2023 im Rahmen des Klimaschutzprogramms eine Neuordnung der Fördermaßnahmen im Gebäudebereich vorgenommen. Zentraler Ansatz für die energetischen Verbesserungen im Bestand ist die Bundesförderung für effiziente Gebäude.Deutscher Bundestag (2023): Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung. Drucksache 20/8150 (online verfügbar). Seit Anfang 2024 stehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle neu strukturierte Förderprogramme zur energetischen Ertüchtigung von Wohn- und Nichtwohngebäuden bereit.
Mit der Neuausrichtung der Förderprogramme ist eine starke Aufstockung der Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung einhergegangen. Im Klima- und Transformationsfonds sind für das Jahr 2024 Gelder in Höhe von 16,7 Milliarden Euro für die Bundesförderung effizienter Gebäude vorgesehen.Bundesregierung (2023): Der Klima- und Transformationsfonds 2024. Mitteilung vom 22. Dezember 2023 (online verfügbar). Gegenüber den 2023 abgeflossenen Mitteln entspricht dies einer Steigerung um fast 50 Prozent.DIHK (2023): Weiterhin langsamer Mittelabfluss beim Klima- und Transformationsfonds. Deutsche Industrie- und Handelskammer. Mitteilung vom 3. Mai 2024 (online verfügbar). Im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt liegen die Fördermittel sogar mehr als dreimal so hoch.Gornig und Klarhöfer (2023), a.a.O. Der gestiegene Förderumfang dürfte allerdings nicht ausreichen, um den notwendigen starken Impuls auf die Sanierungsaktivitäten auszulösen. Der Aufstockung der nominellen Fördersumme stehen insbesondere gestiegene Bau- und Finanzierungskosten entgegen. Im Vergleich zum Ende der 2010er Jahre dürften auch nach den erfolgten weiteren Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank die Zinsbelastungen um fast das Dreifache höher liegen. Die Baukosten sind im gleichen Zeitraum im Durchschnitt um mehr als 40 Prozent gestiegen. Will die Politik tatsächlich einen starken Impuls auf die energetischen Sanierungsaktivitäten im Wohngebäudebestand auslösen, darf sie sich nicht auf der für 2024 erreichten Steigerung der Förderung ausruhen. Vielmehr muss sie bereit sein, in den nächsten Jahren noch deutlich höhere Fördersummen einzusetzen.
Bei der Ausgestaltung der Förderprogramme sollte zudem darauf geachtet werden, dass eine flexible Umsetzung der genehmigten Maßnahmen möglich ist. Denn obwohl durch die Rückgänge im Wohnungsneubau die Auslastung der Baukapazitäten deutlich gesunken ist,Martin Gornig und Laura Pagenhardt (2024): Bauvolumen dürfte erstmals seit der Finanzkrise nominal sinken – Lage am Wohnungsbau spitzt sich zu. DIW Wochenbericht Nr. 1+2, 4–14 (online verfügbar). bestehen partiell immer noch Engpässe bei einzelnen Handwerksleistungen.
JEL-Classification: E22;Q40
Keywords: Energy-efficient building renovation, construction industry, building investment
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-46-1