Deutschland lebt seit Jahren in einer Illusion der 1980er
Aber auch auf nationaler Ebene müssen deutlich mehr öffentliche Investitionen mobilisiert werden, beispielsweise für das Bildungssystem sowie Forschung und Innovation. Anders als in Griechenland oder Italien ist die Hürde dafür in Deutschland nicht eine zu hohe Staatsverschuldung, sondern eine schädlichen Schuldenbremse, die ausreichende öffentliche Investitionen verhindert. Und dabei verringert sie langfristig nicht einmal die Schuldenquote, sondern reduziert die Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und somit den Wohlstand und erhöht damit die Schulden langfristig sogar noch.
Mario Draghi drückt aus, was eigentlich eine Binsenweisheit ist: Ohne deutlich mehr private und öffentliche Investitionen werden Produktivität und Wachstum noch schwächer werden, Arbeitsplätze und innovative Unternehmen abwandern und viel des Wohlstands verloren gehen. Jede Bundesregierung der vergangenen 25 Jahre hat eine systematische Stärkung Europas und eine Verlagerung wichtiger Kompetenzen von nationaler auf europäische Ebene jedoch abgelehnt. Wir leben noch immer in der Illusion einer kleinen, offenen Volkswirtschaft der 1980er Jahre, in der unser nationales, exportorientiertes Wirtschaftsmodell die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand sichern wird. Dies war bereits vor zehn Jahren ein Irrglaube und ist es heute in einer digitalen Welt mit immer stärker national agierenden Ländern, wie China und den USA, umso mehr.
Die Hoffnung bleibt, dass die verantwortliche Politik in Berlin, Paris und anderswo in Europa endlich ihre nationalen Scheuklappen ablegt, Europa stärkt und dadurch eine große Deindustrialisierung verhindert und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichert.