Die neue Plutokratie: Wie Tech-Giganten Demokratie und Wettbewerb bedrohen: Kommentar

DIW Wochenbericht 4 / 2025, S. 56

Tomaso Duso

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Die Machtkonzentration der Tech-Konzerne wie Amazon, Google, Meta, Microsoft und, in neuer Form, des Tech-Imperiums von Elon Musk hat enorme Ausmaße erreicht. Die Folgen sind gravierend, wie sich in den vergangenen Monaten gezeigt hat. Unternehmen, die einst als Innovationswunder gefeiert wurden, entwickeln sich zunehmend zu einer Bedrohung für Wettbewerb, Demokratie und Freiheit. Wie viel Macht darf sich in den Händen weniger konzentrieren? Und wie können wir die Grundprinzipien von Wettbewerb und Demokratie verteidigen?

Wettbewerb ist weit mehr als ein ökonomisches Instrument. Er ist, wie der Jurist Franz Böhm einmal sagte, „das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“. Doch genau diese „Entmachtung“ widerspricht den Interessen der Tech-Giganten. Ihre Geschäftsmodelle bauen darauf, Märkte zu kontrollieren, Mitbewerber auszuschalten und sich über die Stärkung ihrer Ökosysteme unantastbar zu machen. Sie streben nicht nach Wettbewerb, sondern nach Dominanz. Oder wie es der libertäre US-Investor Peter Thiel formuliert: „Competition is for losers.“

Besonders besorgniserregend sind in diesem Zusammenhang die jüngsten Äußerungen von Mark Zuckerberg. Er drängte zum einen die US-Regierung, die EU-Kommission davon abzuhalten, Wettbewerbssanktionen gegen US-Technologiekonzerne zu verhängen. Zum anderen kündigte er an, auf seinen Plattformen auf Faktenchecks zu verzichten. Die erste Äußerung zeigt, wie sehr Meta bereit ist, wirtschaftliche und politische Interessen zu vermischen, um sich regulatorischer Kontrolle zu entziehen. Die zweite Entscheidung schafft Platz für Desinformation und manipulative Kampagnen. Es ist ein Schritt, der die gesellschaftliche Verantwortung eines der größten sozialen Netzwerke der Welt ad absurdum führt.

Doch das Problem reicht noch weiter. Die ökonomische Macht dieser Konzerne ermöglicht es ihnen, direkten politischen Einfluss zu nehmen. Mit Milliardenbudgets für Lobbyarbeit formen sie Gesetze zu ihren Gunsten, schwächen Regulierungsbehörden und gestalten die Rahmenbedingungen der digitalen Welt nach ihren Vorstellungen. Die Einmischung geht zudem über klassischen Lobbyismus hinaus: Unternehmer wie Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos nutzen ihre Plattformen und Medienimperien, um den politischen Diskurs aktiv zu beeinflussen. Musk etwa steuert über X öffentliche Debatten, zensiert Inhalte nach Belieben und nutzt sie gezielt zur politischen Einflussnahme. Bezos besitzt die Zeitung Washington Post und kontrolliert damit einen der einflussreichsten politischen Meinungsbildner der USA.

Was hier entsteht, ist eine Plutokratie – eine Herrschaft der Reichen –, die die Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft bedroht. Demokratische Systeme leben von Vielfalt, Wettbewerb und Chancengleichheit. Wenn jedoch einige wenige Konzerne sowohl die wirtschaftliche als auch die politische Agenda dominieren, wird diese Balance zerstört. Es besteht damit die Gefahr, dass politische Entscheidungen in bisher ungekanntem Ausmaß den Interessen derjenigen dienen, die das meiste Kapital und den größten Einfluss besitzen. Für die breite Gesellschaft bleibt wenig Raum, ihre Stimme einzubringen oder echte Alternativen zu entwickeln.

Die Konsequenzen sind offensichtlich: Eine Gesellschaft, die den Menschen nicht die Freiheit lässt, sich wirtschaftlich und politisch zu entfalten, kann nicht demokratisch sein. Wettbewerb ist ein Grundprinzip dieser Freiheit. Die laufenden Wettbewerbsverfahren gegen Google, Meta und Amazon sind ein erster Schritt, doch sie müssen konsequent zu echten Veränderungen führen. Es reicht aber nicht, Strafzahlungen zu verhängen oder Auflagen für Geschäftspraktiken aufzuerlegen; es braucht strukturelle Reformen, die den Wettbewerb wiederherstellen und Macht dezentralisieren. Wettbewerb ist das Mittel, um diese Konzentration aufzubrechen – ein Prinzip, das wir verteidigen müssen. Die Alternative wäre eine Welt, in der wirtschaftliche und politische Macht untrennbar miteinander verschmelzen, gesteuert von einer Handvoll Unternehmen und ihren milliardenschweren CEOs. Eine solche Welt ist weder demokratisch noch frei.

Dieser Beitrag ist am 14. Januar 2025 bei Zeit Online erschienen.

Tomaso Duso

Abteilungsleiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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