Einsamkeit in Deutschland: die gefährdetste Gruppe sind Menschen mit niedrigem Einkommen

DIW Wochenbericht 5 / 2025, S. 59-67

Theresa Entringer, Linda Kumrow, Barbara Stacherl

get_appDownload (PDF  6.37 MB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  8.63 MB - barrierefrei / universal access)

  • Studie untersucht auf Basis von aktuellen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) Einsamkeit in Deutschland sowie ihre regionale Verteilung und besondere Risikoprofile
  • Ergebnisse zeigen, dass sich 19 Prozent der Menschen manchmal oder häufiger einsam fühlen; vor der Pandemie waren es lediglich 14 Prozent
  • Im Westen und Süden Deutschlands kommt das Gefühl, Gesellschaft zu vermissen, häufiger vor als im Osten
  • Besonders einsam sind Menschen mit eher niedrigem Einkommen, vor allem wenn sie dazu männlich sind und einen Migrationshintergrund haben
  • Aufklärungskampagnen und Maßnahmen, die angesichts der Gesundheitsrisiken erforderlich sind, sollten diese Befunde berücksichtigen und zielgerichtet erfolgen

„Um Einsamkeit effektiv zu bekämpfen, bedarf es eines umfassenden Ansatzes, der das Gesundheitsrisiko von Einsamkeit verdeutlicht, Betroffenen hilft und zur Entstigmatisierung des Themas beiträgt. Ziel muss es dabei sein, Einsamkeit, analog zu Stress, als zentrales Gesundheitsrisiko wahrzunehmen. Aufklärung ist genauso wichtig wie gezielte Ansprache von Risikogruppen.“ Theresa M. Entringer

Einsamkeit stellt ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko dar. Sie beeinträchtigt die Lebensqualität und kann sogar die Lebensdauer verkürzen. Diese Studie untersucht Einsamkeit in Deutschland basierend auf den aktuellen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zur Einsamkeit aus dem Jahr 2021. Die Analysen beleuchten die Verbreitung verschiedener Facetten von Einsamkeit (Alleinsein, Isolation, Ausgeschlossenheit) sowie regionale Unterschiede und besonders betroffene Personengruppen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich 19 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen manchmal oder häufiger einsam fühlen. Vor der Pandemie waren es lediglich 14 Prozent. Regionale Unterschiede existieren ohne das Ost-West-Muster, das in früheren Studien zu erkennen war: Im Westen und Süden Deutschlands kommt jetzt das Gefühl, Gesellschaft zu vermissen, häufiger vor als im Osten. Besonders einsam sind Menschen mit einem Einkommen, das unterhalb des Medians liegt, vor allem wenn sie dazu männlich sind und einen Migrationshintergrund haben. Aufklärungskampagnen und Maßnahmen, die zur Prävention von Einsamkeit angesichts der Gesundheitsrisiken erforderlich sind, sollten diese Befunde berücksichtigen und zielgerichtet erfolgen.

Einsamkeit ist ein belastendes Gefühl, das entsteht, wenn Menschen sich mehr oder intensivere soziale Beziehungen wünschen, als sie tatsächlich erleben.infoVgl. Letitia A. Peplau und Daniel Perlman (1982): Perspectives on loneliness. In: Letitia A. Peplau und Daniel Perlman (Hg.): Loneliness: A sourcebook of current theory, research and therapy. New York, 1–18. Im Gegensatz zu objektiven Zuständen, wie wenige soziale Kontakte oder eine geringe Anzahl enger Freund*innen, ist Einsamkeit ein subjektives Empfinden. Die Gründe für Einsamkeit können vielfältig sein: Manche Menschen sehnen sich nach einem Partner oder einer Partnerin, andere wünschen sich engere oder mehr Freundschaften und wieder andere vermissen eine stärkere Einbindung in ihre soziale Umgebung, wie etwa die Gemeinde, in der sie leben. Diese verschiedenen Ursachen von Einsamkeit können gemeinsam auftreten – sie müssen jedoch nicht zwangsläufig zusammenfallen.

In den vergangenen Jahren ist das Thema Einsamkeit zunehmend in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dies liegt unter anderem daran, dass zahlreiche Studien auf die gesundheitlichen Risiken von Einsamkeit hingewiesen haben.infoVgl. Jeppe Henriksen et al. (2019): Loneliness, health and mortality. Epidemiology and Psychiatric Sciences, 28, 234–239; Nicholas Leigh-Hunt et al. (2017): An overview of systematic reviews on the public health consequences of social isolation and loneliness. Public Health, 152, 157–171; Caroline Park et al. (2020): The Effect of Loneliness on Distinct Health Outcomes: A Comprehensive Review and Meta-Analysis. Psychiatry Research, 294, 113514. Forschungsergebnisse zeigen, dass Einsamkeit oft erhebliches psychisches Leid verursacht. Obwohl Einsamkeit selbst keine psychische Erkrankung ist, kann sie die Entstehung von Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen fördern.infoVgl. Park et al. (2020), a.a.O. Gleichzeitig wird Einsamkeit mit einem erhöhten Risiko für physische Erkrankungen wie Adipositas, koronare Herzerkrankungen und Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht.infoVgl. Ruth A. Hackett, Joanna L. Hudson und Joseph Chilcot (2020): Loneliness and type 2 diabetes incidence: findings from the English Longitudinal Study of Ageing. Diabetologia, 63(11), 2329–2338; Nicole K. Valtorta et al. (2016): Loneliness and social isolation as risk factors for coronary heart disease and stroke: systematic review and meta-analysis of longitudinal observational studies. Heart, 102(13), 1009–1016. Insgesamt stellt Einsamkeit ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko dar, das nicht nur die Lebensqualität beeinträchtigt, sondern auch die Lebensdauer verkürzen kann.infoVgl. Julianne Holt-Lunstad et al. (2015): Loneliness and Social Isolation as Risk Factors for Mortality: A Meta-Analytic Review. Perspectives on Psychological Science, 10(2), 227–237; Henriksen et al. (2019), a.a.O.

Auch politische Entscheidungsträger*innen haben die Bedeutung des Themas Einsamkeit erkannt. Ende 2023 verabschiedete die Bundesregierung eine nationale Strategie zur Bekämpfung von Einsamkeit in Deutschland.infoBundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2023): Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit (online verfügbar, abgerufen am 21. November 2024. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Diese Strategie umfasst Aufklärungsarbeit und zielgerichtete Kampagnen, die das Thema entstigmatisieren sollen. Um Risikogruppen besser zu identifizieren und gezielte Maßnahmen sowie maßgeschneiderte Angebote für diese Gruppen zu entwickeln, sieht sie ferner die Bereitstellung zusätzlicher Forschungsgelder vor.

Die vorliegende Studie knüpft an diese Bemühungen an, indem sie Einsamkeit in Deutschland untersucht.infoDie vorliegende Studie wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts „DDR – Vergangenheit und psychische Gesundheit: Schutz- und Risikofaktoren” (online verfügbar) sowie im Rahmen des von der Leibniz Gemeinschaft geförderten Wissenschaftscampus SOEP-Regio Hub angefertigt (online verfügbar). Dabei werden die Verbreitung von Einsamkeit anhand spezifischer Facetten von Einsamkeit (Alleinsein, Isolation, Ausgeschlossenheit), regionale Unterschiede und besonders betroffene Personengruppen analysiert. Die Analysen basieren auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2021 – den aktuellen verfügbaren repräsentativen Daten zur Einsamkeit der in Deutschland lebenden Menschen (Kasten). Die Umfragen wurden zwischen Mai 2021 und Februar 2022 durchgeführt, als es bereits Corona-Impfstoffe gab und die Kontaktbeschränkungen nach und nach zurückgefahren wurden. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass das Einsamkeitsempfinden der in Deutschland lebenden Menschen zwar noch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie stand, aber nicht mehr direkt durch sie und die mit ihr einhergehenden Kontaktrestriktionen beeinflusst war.

Datengrundlage und methodisches Vorgehen

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte repräsentative Panelstudie privater Haushalte in Deutschland und die einzige, die alle Erwachsenen innerhalb eines Haushalts einbezieht. Jährlich werden nahezu 15000 Haushalte mit rund 30000 Personen zu Themen wie Bildung, Gesundheit oder Arbeitsmarktsituation befragt.infoVgl. Jan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(2), 345–360 (online verfügbar). Für diesen Bericht wurden die Angaben zum subjektiven Einsamkeitsempfinden der SOEP-Befragten des Jahres 2021 verwendet. Die SOEP-Befragung wurde 2021 ab Mai durchgeführt und fand damit zu einem Zeitpunkt statt, als die pandemiebedingten Kontaktrestriktionen nach und nach zurückgefahren wurden. Einsamkeit wird im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) seit 2013 in vierjährigem Abstand gemessen. Hierfür wird eine Einsamkeitsskala verwendet, die sogenannte UCLA-Einsamkeitsskala.infoVgl. Mary E. Hughes et al. (2004): A short scale for measuring loneliness in large surveys: Results from two population-based studies. Research on Aging, 26(6), 655–672.

Einsamkeitsmessung

Diese Einsamkeitsskala misst Einsamkeit anhand von drei Fragen: „Wie oft haben Sie das Gefühl,…“ 1) „… dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt?“ (=Alleinsein), 2) „… außen vor zu sein?“ (=Ausgeschlossenheit) und 3) „… dass Sie sozial isoliert sind?“ (=Isolation). Die Antworten werden auf einer Skala von 1 bis 5 mit den folgenden Bezeichnungen vergeben: (1) sehr oft, (2) oft, (3) manchmal, (4) selten und (5) nie.infoVgl. Theresa M. Entringer et al. (2022): SOEP Scales Manual (updated for SOEP-Core v37). SOEP Survey Papers 1217 Series C (online verfügbar). Die Berechnungen in diesem Bericht basieren auf den aktuellen Einsamkeitswerten von 2021 und schließen nur Personen ein, die in diesem Jahr alle drei Fragen beantwortet haben. Für diesen Bericht wurden die Skalenwerte der Fragen umgekehrt, sodass höhere Werte stärkere Einsamkeit darstellen: (1) nie, (2) selten, (3) manchmal, (4) oft, (5) sehr oft.

Zur Ermittlung eines Gesamtwerts, der die allgemeine Einsamkeit abbildet, wurden die drei Facetten kombiniert, indem ein Mittelwert aus den drei Fragen erstellt wurde. Anschließend wurde auf Basis dieses Mittelwerts ein binärer Indikator gebildet, um die Prävalenz von Einsamkeit zu schätzen. Dieser stuft Personen als einsam ein, wenn der Mittelwert, also ihre allgemeine Einsamkeit, bei 3 oder höher liegt, sie sich also zumindest manchmal einsam fühlen. Durch dieses Vorgehen wird die Vergleichbarkeit der vorliegenden Ergebnisse mit anderen Studien sichergestellt.infoInsbesondere lassen sich die Befunde direkt mit den Ergebnissen aus der Expertise des Kompetenznetzwerks Einsamkeit vergleichen, vgl. Theresa M. Entringer (2022): Epidemiologie von Einsamkeit in Deutschland. KNE Expertise 4/2022 (online verfügbar). Die gleiche binäre Einteilung wurde für die einzelnen Facetten angewandt, sodass auch hierfür angegeben werden kann, wie viele Menschen sich zumindest manchmal allein, sozial isoliert oder ausgeschlossen fühlen.

Methodisches Vorgehen bei der regionalen Messung

Zur Darstellung der regionalen Verteilung von Einsamkeit in Deutschland wurden Einsamkeitskarten erstellt. Die Karten basieren auf kleinräumigen Schätzungen von regionalen Einsamkeitsmittelwerten. Für diese kleinräumige Schätzung wurde die sogenannte „actor-based clustering“-Methode verwendet.infoVgl. Susanne Buecker et al. (2021): In a lonely place: Investigating regional differences in loneliness. Social Psychological and Personality Science, 12, 147–155; Thomas Brenner (2017): Identification of clusters: An actor-based approach. Working Papers of Innovation and Space, No. 02.17 (online verfügbar). Die regionalen Einsamkeitswerte werden hierbei geschätzt, indem ein distanzgewichteter Mittelwert berechnet wird. Dies bedeutet, dass für jede Gemeinde ein Einsamkeitswert auf Basis aller SOEP-Befragten geschätzt wird, wobei Befragte in unmittelbarer Nähe zur Gemeinde stärker in den Schätzwert eingehen als Befragte in größerer Entfernung. Konkret werden Befragte innerhalb eines 30-Kilometer-Radius rund um die Gemeinde voll gewichtet, während weiter entfernte Befragte geringer gewichtet werden. Die Fallzahlen zur Schätzung der Gemeindewerte übersteigen damit deutlich die Fallzahl pro Gemeinde. Das SOEP ist repräsentativ für die Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik sowie für die einzelnen Bundesländer, nicht jedoch auf kleineren regionalen Ebenen. Aus diesem Grund sei darauf verwiesen, dass die vorliegenden Befunde zur regionalen Verteilung von Einsamkeit keine exakten Aussagen über Einsamkeit in einzelnen Gemeinden zulassen, sondern nur zur Darstellung regionaler Tendenzen dienen.

Identifikation der Risikoprofile

Um besonders von Einsamkeit betroffene Personengruppen zu identifizieren, wurden zunächst aus der Literatur besonders relevante Risikofaktoren für Einsamkeit identifiziert: junges Alter (hier unter 35), weibliches Geschlecht, niedrigeres Einkommen (unter Medianeinkommen), Migrationshintergrund (die Person selbst oder mindestens ein Elternteil wurde nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren) und Wohnsituation alleinlebend. Anhand dieser fünf Risikofaktoren wurden Personengruppen gebildet, die unterschiedliche Kombinationen dieser Risikofaktoren aufweisen (zum Beispiel junge alleinlebende Frauen mit höherem Einkommen und ohne Migrationshintergrund). Für jede dieser Personengruppen wurde der Anteil der Personen berechnet, die sich zumindest manchmal einsam fühlen. Eine Personengruppe wurde als Risikogruppe definiert, wenn dieser Anteil signifikant über jenem in der Gruppe ohne Risikofaktoren (Referenzgruppe: nichtalleinlebende Männer über 35 Jahren mit höherem Einkommen und ohne Migrationshintergrund) lag. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse für die Gesamtbevölkerung repräsentativ sind, wurden dabei SOEP-Gewichte genutzt. Die prozentuale Schätzung der Anteile wurde um ein 95-Prozent- Konfidenzintervall ergänzt.

Im SOEP werden drei Facetten von Einsamkeit erfasst: Alleinsein (Gefühl, dass Gesellschaft anderer fehlt), Isolation (Gefühl, sozial isoliert zu sein) und Ausgeschlossenheit (Gefühl, außen vor zu sein). Aus diesen Facetten wird ein Einsamkeitsindex berechnet, der das allgemeine Einsamkeitsempfinden beschreibt. Die Facetten können aber auch für sich genommen interpretiert werden (Kasten).

Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland fühlt sich manchmal allein

Im Jahr 2021 fühlten sich 19 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen mindestens manchmal einsam.infoDer Gesamtindex der allgemeinen Einsamkeit ist ein Mittelwert aus den drei Facetten (Alleinsein, Isolation, Ausgeschlossenheit). Die Prävalenz-Unterschiede zeigen, dass bei den meisten Menschen nicht alle Facetten hoch sind, sodass der Mittelwert unter 3 (weniger als manchmal einsam) liegen kann, auch wenn einzelne Facetten über 3 liegen (mindestens manchmal allein). Die in der Bevölkerung empfundene Einsamkeit lag damit 2021 über den Werten, die vor der Pandemie gemessen wurden (2013: 15 Prozent, 2017: 14 Prozent).infoDas von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Einsamkeitsbarometer weist für das Jahr 2021 einen niedrigeren Wert von 11,3 Prozent aus. Vgl. BMFSFJ (2024): Einsamkeitsbarometer 2024 – Langzeitentwicklung von Einsamkeit in Deutschland (online verfügbar). Die Expertise für das Kompetenznetz Einsamkeit ermittelte hingegen einen Anteil von 42,3 Prozent; vgl. Theresa M. Entringer (2022): Epidemiologie von Einsamkeit in Deutschland. KNE-Expertise 4 (online verfügbar). Die Unterschiede in den Einsamkeitsprävalenzen lassen sich auf methodische und zeitliche Faktoren zurückführen. Die Schätzungen des Einsamkeitsbarometers basieren auf einer strengeren Definition von Einsamkeit (Mittelwert > 3, hier Mittelwert ≥ 3), weshalb die ermittelten Werte niedriger ausfallen als die Ergebnisse des vorliegenden Berichts und der KNE-Expertise. Die KNE-Expertise weist für 2021 deutlich höhere Werte aus, da sie Daten einer Corona-Sondererhebung verwendet, die während des zweiten Corona-Lockdowns im Januar und Februar 2021 stattfand. Die Schätzungen dieses Berichts beziehen sich auf die SOEP-Haupterhebung, die zwischen Mai 2021 und Februar 2022 stattfand. Der hohe Wert des Jahres 2021 ist vermutlich noch auf die Nachwirkungen der durch die Corona-Pandemie bedingten Kontaktbeschränkungen zurückzuführen.

Eine Betrachtung der verschiedenen Facetten von Einsamkeit zeigt bemerkenswerte Unterschiede: Besonders häufig gaben die in Deutschland lebenden Menschen im Jahr 2021 an, sich allein zu fühlen (56 Prozent), also die Gesellschaft anderer Menschen zu vermissen. Weniger verbreitet waren dagegen Gefühle von sozialer Isolation (20 Prozent) oder Ausgeschlossenheit (28 Prozent). Der hohe Wert für das Alleinsein legt nahe, dass selbst nach der weitgehenden Aufhebung der pandemiebedingten Kontaktrestriktionen vielen Menschen die Gesellschaft anderer weiterhin fehlte. Alleinsein stellte im Jahr 2021 somit den zentralen Faktor für das Einsamkeitsempfinden dar.

Im Süden und im Westen wird Gesellschaft anderer häufiger vermisst als im Osten

Die regionalen Unterschiede im allgemeinen Einsamkeitsempfinden wurden zwar schon zuvor dokumentiert.infoVgl. Susanne Buecker et al. (2021): In a lonely place: Investigating regional differences in loneliness. Social Psychological and Personality Science, 12, 147–155; Theresa M. Entringer und Barbara Stacherl (2024): Einsamkeit in Deutschland – Prävalenz, Entwicklung über die Zeit und regionale Unterschiede. Bundesgesundheitsblatt, 67, 1103–1112. Die vorliegende Studie analysiert aber darüber hinaus die regionale Ausprägung der verschiedenen Facetten von Einsamkeit (Kasten).

Im Jahr 2021 lag die Einsamkeit in nahezu allen Regionen Deutschlands in Durchschnitt über dem Wert 2 (Abbildung 1, links).infoDie regionalen Einsamkeitsmittelwerte werden geschätzt, indem ein distanzgewichteter Mittelwert berechnet wird. Die vorliegenden Befunde zur regionalen Verteilung von Einsamkeit lassen keine exakten Aussagen über Einsamkeit in einzelnen Gemeinden zu, sondern dienen zur Darstellung regionaler Tendenzen (Kasten), vgl. Buecker et al. (2021), a.a.O.; Thomas Brenner (2017): Identification of clusters: An actor-based approach. Working Papers of Innovation and Space, No. 02.17 (online verfügbar). Das bedeutet, dass die Menschen im Mittel „selten“ bis „manchmal“ einsam waren. Bei genauerer Betrachtung der Karte zeigten sich zwar kleine regionale Unterschiede, diese waren insgesamt jedoch eher gering. Interessant ist hierbei die historische Perspektive: Eine Studie aus dem Jahr 2013 hatte ein deutliches Ost-West-Gefälle der Einsamkeit dokumentiert: Menschen, die in Ostdeutschland lebten, waren damals tendenziell einsamer als Menschen, die in Westdeutschland lebten.infoVgl. Buecker et al. (2021), a.a.O. Diese Veränderungen deuten auf eine Angleichung in der regionalen Verbreitung von Einsamkeit hin.

Ein Blick auf die einzelnen Facetten von Einsamkeit weist auf ähnlich geringe regionale Unterschiede in der Verteilung des Empfindens sozialer Isolation und Ausgeschlossenheit hin wie in der Verteilung der allgemeinen Einsamkeit. Das Empfinden sozialer Isolation war grundsätzlich überall niedriger ausgeprägt als das Gefühl von Ausgeschlossenheit.

Hinsichtlich des Gefühls von Alleinsein deuten die Ergebnisse schließlich auf augenfälligere regionale Unterschiede hin. Dieses Gefühl war insgesamt überall stärker ausgeprägt als das allgemeine Einsamkeitsempfinden. Die regionalen Mittelwerte für die Alleinsein-Facette lagen 2021 in fast allen Regionen in Deutschland deutlich über dem Wert 2, also näher an „manchmal“ als an „selten“. Besonders hohe Werte zeigten sich in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und der Mitte Bayerns. Im Gegensatz dazu war das Gefühl von Alleinsein in den ostdeutschen Bundesländern weniger stark ausgeprägt.

Niedrigeres Einkommen ist der höchste Risikofaktor für Einsamkeit

Die Forschung hat zahlreiche Risikofaktoren für das Empfinden von Einsamkeit identifiziert.infoVgl. Jenny de Jong Gierveld, Theo G. van Tilburg und Pearl A. Dykstra (2006): Loneliness and Social Isolation. In: Anita L. Vangelisti und Daniel Perlman (Hg.): The Cambridge Handbook of Personal Relationships. Cambridge, 485–499; Martin Pinquart und Silvia Sörensen (2003): Risk factors for loneliness in adulthood and old age—a meta-analysis. In: Serge P. Shohov (Hg.): Advances in Psychology Research, Vol. 19, 111–143. Zu den häufig genannten Faktoren zählen ein jüngeres Alter, weibliches Geschlecht, ein niedrigeres Einkommen, das Leben in einem Einpersonenhaushalt sowie ein Migrationshintergrund. Letzterer umfasst Menschen, die selbst oder von denen mindestens ein Elternteil ohne deutsche Staatsbürgerschaft geboren wurden.infoJüngeres Alter wird als Risikofaktor unter anderem genannt in Christina R. Victor und Keming Yang (2012): The prevalence of loneliness among adults: a case study of the United Kingdom. The Journal of Psychology, 146(1-2), 85–104 sowie in Maike Luhmann und Louise C. Hawkley (2016): Age differences in loneliness from late adolescence to oldest old age. Dev. Psychol., 52(6), 943–959; weibliches Geschlecht in Entringer (2022), a.a.O.; niedriges Einkommen in Entringer und Stacherl (2024), a.a.O. sowie Bridget Shovestul et al. (2020): Risk factors for loneliness: The high relative importance of age versus other factors. PLoS One, 15(2), 1–18; das Alleinleben in Entringer und Stacherl (2024), a.a.O.; der Migrationshintergrund in Entringer und Stacherl (2024), a.a.O. sowie Katrine Rich Madsen et al. (2016): Loneliness, immigration background and self-identified ethnicity: a nationally representative study of adolescents in Denmark. Journal of Ethnic and Migration Studies, 42(12), 1977–1995. Obwohl auch Arbeitslosigkeit ein bedeutsamer Risikofaktor für Einsamkeit ist, wird dieser Faktor aus zwei Gründen nicht in diese Analyse einbezogen. Erstens sind die Fallzahlen so gering, dass damit keine sinnvollen Gruppen gebildet werden können. Zweitens kann Arbeitslosigkeit nur schwer vom Alter und vom Einkommen getrennt werden. Jüngere Menschen, Frauen, Personen mit geringerem Einkommen, Alleinlebende und Personen mit Migrationshintergrund fühlen sich demnach häufiger einsam als ältere Menschen, Männer, Personen mit höherem Einkommen, Personen, die in Mehrpersonenhaushalten leben und Personen ohne Migrationshintergrund. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen untersucht die vorliegende Studie, welche Personengruppen besonders stark von den verschiedenen Facetten der Einsamkeit betroffen sind.

Anstatt die fünf Risikofaktoren, wie in vorherigen Studien üblich, isoliert zu betrachten, werden im Folgenden Risikoprofile – also Kombinationen mehrerer Risikofaktoren – gebildet. Dadurch lassen sich besonders vulnerable Gruppen besser identifizieren und Erkenntnisse darüber erzielen, welche Kombinationen von individuellen Merkmalen mit einem besonders hohen Risiko des Einsamkeitsempfindens einhergehen. Dazu wird für verschiedene Merkmalskombinationen (im Folgenden als Risikoprofile bezeichnet) der Anteil der Personen ausgewiesen, die sich zumindest manchmal einsam fühlen. Diese Risikoprofile werden mit einer Referenzgruppe ohne Risikofaktoren (über 35 Jahre alt, männlich, mit höherem Einkommen, ohne Migrationshintergrund, in Mehrpersonenhaushalt) verglichen, die ein niedriges Einsamkeitsrisiko aufweist.

Insbesondere Personengruppen mit mindestens drei der fünf Risikofaktoren wiesen demnach deutlich höhere Anteile an Einsamkeit auf als die Referenzgruppe ohne Risikofaktoren. Beispielsweise war der Anteil einsamer Personen bei Menschen unter 35 Jahren mit niedrigerem Einkommen (definiert als Einkommen der unteren Hälfte der NettoäquivalenzeinkommeninfoVgl. den Glossareintrag zum Äquivalenzeinkommen auf der Website des DIW Berlin (online verfügbar). in Deutschland) und mit Migrationshintergrund drei- bis viermal so hoch wie in der Referenzgruppe (Abbildung 2).

Interessant ist, dass das Risiko, einsam zu sein, am höchsten in der Gruppe war, die männliches Geschlecht mit niedrigerem Einkommen und Migrationshintergrund kombinierte. Dies ist bemerkenswert, da für sich betrachtet weibliches Geschlecht einen Risikofaktor darstellte. In Kombination mit niedrigerem Einkommen und Migrationshintergrund schienen jedoch Männer besonders gefährdet zu sein.

Ein vergleichender Blick auf die verschiedenen Risikofaktoren zeigt, dass ein niedrigeres Einkommen eine besonders zentrale Rolle spielte. Beinahe alle Risikoprofile mit erhöhtem Einsamkeitsanteil hatten ein niedrigeres Einkommen als gemeinsamen Faktor. Darüber hinaus war ein Migrationshintergrund ebenfalls häufig in den Profilen der besonders gefährdeten Gruppen vertreten.

Insbesondere Frauen fühlen sich häufig allein

Im Folgenden werden dieselben Analysen getrennt für die drei untersuchten Facetten von Einsamkeit durchgeführt. Hinsichtlich des Gefühls von Alleinsein wird deutlich, dass es nur wenige Unterschiede über die verschiedenen Personengruppen hinweg gab (Abbildung 3). Die Personengruppen mit dem höchsten Anteil von Menschen, die sich zumindest manchmal allein fühlten, hatten ein niedrigeres Einkommen und einen Migrationshintergrund. Interessant ist hier, dass es eine Risikogruppe gibt, die mit nur einem Risikofaktor – weibliches Geschlecht – signifikant höhere Einsamkeitswerte hatte als die Referenzgruppe. Insbesondere beim Gefühl von Alleinsein scheint also weibliches Geschlecht eine wichtige Rolle zu spielen.

Bei dem Gefühl der sozialen Isolation zeigte sich ein sehr ähnliches Muster wie bei der allgemeinen Einsamkeit (Abbildung 4). Auch hier gab es deutliche Unterschiede über die verschiedenen Personengruppen hinweg: Einige Risikogruppen wiesen drei- bis viermal höhere Anteile sozial isolierter Personen auf als die Referenzgruppe. Die Gruppen mit den höchsten geschätzten Anteilen subjektiv empfundener sozialer Isolation waren erneut Personen männlichen Geschlechts, mit niedrigerem Einkommen und Migrationshintergrund. Besonders ein niedrigeres Einkommen und Migrationshintergrund scheinen für das Empfinden sozialer Isolation zentrale Risikofaktoren zu sein.

Ein ähnliches Muster zeigte sich auch beim Gefühl von Ausgeschlossenheit. Hier waren die Unterschiede zwischen der Referenzgruppe und den Risikogruppen allerdings weniger stark ausgeprägt. Die am stärksten betroffenen Risikogruppen wiesen etwa doppelt so hohe Werte auf wie die Referenzgruppe (Abbildung 5). Erneut erwies sich ein niedrigeres Einkommen als konsistenter Risikofaktor in nahezu allen Risikoprofilen. Auch hier war in der Gruppe der Männer mit Migrationshintergrund und niedrigerem Einkommen der Anteil derer, die sich ausgeschlossen fühlten, am höchsten, was ihre besondere Vulnerabilität unterstreicht.

Fazit: Gezielte Ansprache, größere Wirkung: Maßnahmen gegen Einsamkeit für spezifische Gruppen notwendig

Die vorliegenden Analysen zeigen drei zentrale Ergebnisse. Erstens treten verschiedene Facetten von Einsamkeit (Alleinsein, Isolation, Ausgeschlossenheit) in der Bevölkerung unterschiedlich häufig auf: Während im Jahr 2021 mehr als die Hälfte der Menschen berichtete, sich mindestens manchmal allein zu fühlen, war das Gefühl sozialer Isolation und das Gefühl von Ausgeschlossenheit seltener. Diese hohen Werte des Alleinseins sind möglicherweise der Nachwirkung der Corona-Beschränkungen geschuldet. Zweitens zeigen regionale Unterschiede im Jahr 2021 kein typisches Ost-West-Muster, wie es in der Sozialforschung und früheren Studien zur Einsamkeit häufig beobachtet wurde. Inzwischen finden sich vor allem regionale Unterschiede des Alleinsein-Empfindens, und dieses ist – anders als zuvor – im Westen und Süden Deutschlands ausgeprägter als in Ostdeutschland. Drittens zeigt sich, dass sich Menschen mit niedrigerem Einkommen häufiger einsam fühlen als Menschen mit höherem Einkommen. Die gefährdetste Gruppe für Einsamkeit sind Männer mit niedrigerem Einkommen und Migrationshintergrund.

Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das jede*n treffen kann. Um Einsamkeit effektiv zu bekämpfen, bedarf es eines umfassenden Ansatzes, der das Gesundheitsrisiko von Einsamkeit verdeutlicht, Betroffenen hilft und zur Entstigmatisierung des Themas beiträgt. Ziel muss es dabei sein, Einsamkeit, analog zu Stress, als zentrales Gesundheitsrisiko wahrzunehmen. Um dies zu erreichen, sind breit angelegte Kampagnen notwendig, die die Bevölkerung, politische Entscheidungsträger*innen und Fachkräfte im Gesundheitswesen, wie Hausärzt*innen und Pflegekräfte, sensibilisieren.

Die Prävention von Einsamkeit erfordert außerdem maßgeschneiderte Ansätze für unterschiedliche Risikogruppen. Da besonders häufig Menschen mit niedrigerem Einkommen, Migrationshintergrund oder einer Kombination aus mehreren Risikofaktoren einsam sind, sollten daher Maßnahmen spezifisch auf die Bedürfnisse und Lebensrealitäten dieser Zielgruppen abgestimmt sein. Die Befunde sollten auch bei politischen Entscheidungen, die die soziale Teilhabe betreffen, insbesondere bei Grundsicherung und Bürgergeld, berücksichtigt werden.

Neben der gezielten Ansprache von Risikogruppen ist es essenziell, mehr Angebote für einsame Menschen zu schaffen. Neben der wertvollen Arbeit, die hier bereits auf kommunaler Ebene und von freien Trägern geleistet wird, könnte ein Ansatz darin bestehen, einsamen Menschen den Zugang zu sozialen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten zu erleichtern und zumindest teilweise zu finanzieren – analog zu Entspannungs- oder Achtsamkeitskursen in der Präventionsarbeit von chronischem Stress. Solche Angebote, Social Prescribing genannt, helfen erwiesenermaßen, Einsamkeit zu reduzieren.infoVgl. Genevieve A. Dingle et al. (2024): A controlled evaluation of social prescribing on loneliness for adults in Queensland: 8-week outcomes. Front. Psychol., 15, 1359855; Ryka C. Chopra et al. (2024): Efficacy of community groups as a social prescription for senior health—insights from a natural experiment during the COVID-19 lockdown. Scientific Reports, 14, 24579. Daneben helfen sie, soziale Kontakte zu fördern und gleichzeitig die individuellen Bewältigungsressourcen zu stärken.infoVgl. Alexis Foster et al. (2021): Impact of social prescribing to address loneliness: A mixed methods evaluation of a national social prescribing programme. Health Soc Care Community, 29(5), 1439–1449; Ji Eon Kim et al. (2021): Effects of social prescribing pilot project for the elderly in rural area of South Korea during COVID-19 pandemic. Health Sci Rep, 4(3), e320; Dingle et al (2024), a.a.O.

Barbara Stacherl

Doktorandin in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

Theresa M. Entringer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel



JEL-Classification: I31
Keywords: loneliness, regional differences, risk groups
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-5-1

keyboard_arrow_up