Statement vom 24. Februar 2025
Nach der gestrigen Bundestagswahl kommentiert DIW-Präsident Marcel Fratzscher die Ergebnisse der Wahl und die Herausforderungen der neuen Bundesregierung wie folgt:
Diese Bundestagswahl ist eine Zäsur. Die SPD ist der größte Verlierer, und auch die Union hat als Wahlsieger bemerkenswert schlecht abgeschnitten, sodass eine schwarz-rote Koalition es schwer haben könnte, einen mutigen und dringend benötigten Reformkurs durchzusetzen. Wirtschaftlicher Abstieg, gesellschaftliche Polarisierung und ein weiteres Erstarken der AfD wären das unweigerliche Resultat.
Die möglichen Koalitionspartner sollten jetzt ihre Fehden beilegen und sich an den Koalitionsvertrag machen. In einer Welt eskalierender Krisen muss Deutschland endlich aus der politischen und wirtschaftlichen Lähmung herauskommen.
Eine neue Bundesregierung sollte drei große Prioritäten setzen. Erstens muss sie das verlorengegangene Vertrauen zurückgewinnen und Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen eine klare Perspektive für die Zukunft bieten. Die neue Bundesregierung braucht Mut und Ehrlichkeit, denn die nächsten vier Jahre werden für Deutschland hart und die schwierigsten der letzten 75 Jahre werden. Vor allem die Unternehmen in der Industrie, aber auch Bürgerinnen und Bürger, werden sich auf Verzicht und Zumutungen einstellen müssen. Die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft bedeutet Veränderung, bei der es unweigerlich auch Verlierer geben wird. Die neue Bundesregierung sollte zweitens hohe Priorität auf eine Investitionsoffensive legen, zum einen für Infrastruktur, Innovation und Bildung und zum anderen für Verteidigung. Sie sollte dogmatischen Streit vermeiden und die Investitionen pragmatisch über Sondervermögen finanzieren, da eine sinnvolle Reform der Schuldenbremse unmöglich sein dürfte.
Als dritte Priorität muss die neue Bundesregierung den Kurs in der Europapolitik radikal ändern. Deutschland wird seine eigenen Interessen nur als Teil eines starken und geeinteren Europas wahren können – nur so wird die Welt sicherer sein. Deutschland darf Europa nicht weiter schwächen, wie es manche Parteien im Wahlkampf gefordert haben. Vielmehr brauchen wir bei Verteidigung, Binnenmarkt, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit primär einen gemeinsamen europäischen Ansatz.
Themen: Europa , Konjunktur , Öffentliche Finanzen , Unternehmen , Verbraucher