DIW Wochenbericht 10 / 2025, S. 138
Katharina Wrohlich, Erich Wittenberg
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Frau Wrohlich, wie groß ist aktuell der Gender Pay Gap und wie hat er sich in den letzten Jahren entwickelt? Der (unbereinigte) Gender Pay Gap lag zuletzt bei 16 Prozent. Das war ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den Jahren davor, da lag er nämlich vier Jahre lang bei 18 Prozent.
Ab welchem Alter zeigen sich Unterschiede in den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen von Männern und Frauen und in welchem Alter ist der Gender Pay Gap am größten? Interessanterweise ist die Lohnlücke in jungen Jahren bis zum Alter von 30 noch gar nicht so groß. Insbesondere das Lohnwachstum, das die Beschäftigten in diesen Jahren erleben, ist bei Frauen und Männern ungefähr gleich. Aber ab einem Alter von etwa Anfang 30 ändert sich das: Das Lohnwachstum setzt sich für Männer in dieser Altersgruppe weiter fort, bis weit in die Vierzigerjahre hinein. Für Frauen hingegen bleibt es konstant. Der starke Anstieg des Gender Pay Gaps im Lebensverlauf fällt also ungefähr mit dem durchschnittlichen Alter bei der Familiengründung zusammen.
Inwieweit gibt es dabei einen Zusammenhang mit dem Bildungsstand? Wir haben uns in dieser Studie drei grob eingeteilte Bildungsgruppen angeschaut und sehen, dass in allen drei Bildungsgruppen der Gender Pay Gap mit zunehmendem Alter steigt. Am deutlichsten ist der Anstieg allerdings für die am höchsten Gebildeten, also die Gruppe der Hochschulabsolvent*innen.
Wie ist das zu erklären? Je höher die Bildung, desto höher ist auch der Stundenlohn. Das trifft für Frauen und für Männer zu. Aber je höher die Bildung, desto höher ist im fortgeschrittenen Alter auch der Gender Pay Gap. Das liegt daran, dass höher gebildete Beschäftigte sehr häufig in Berufen tätig sind, in denen sich lange Arbeitszeiten überproportional auszahlen. In diesen Berufen verdient man auch pro Stunde deutlich mehr, wenn man in Vollzeit tätig ist und eventuell sogar Überstunden macht, ganz im Gegensatz zu einer Teilzeittätigkeit. In allen Bildungsgruppen arbeiten Frauen jedoch deutlich häufiger in Teilzeit als Männer. Das ist der Hauptgrund dafür, dass wir diesen hohen Gender Pay Gap bei der höchstgebildeten Gruppe sehen.
Das heißt also, auch Bildung schützt nicht vor dem Gender Pay Gap? Ganz genau. Bildung führt zwar dazu, dass Frauen und Männer im Durchschnitt einen höheren Stundenlohn haben, aber Bildung schützt nicht vor dem Gender Pay Gap.
Wenn eine höhere Bildung nicht vor dem Gender Pay Gap schützt – was dann? So hart das klingt, Vollzeitarbeit schützt eher vor dem Gender Pay Gap als Bildung. Wir wissen, dass unter den verschiedenen Faktoren des Gender Pay Gaps die unterschiedliche Erwerbsarbeitszeit, also Wochenarbeitsstunden, mittlerweile ein sehr wichtiger Erklärungsfaktor ist. In Vollzeit tätig zu sein bedeutet, dass man auch pro Stunde mehr verdient.
Was könnte die Politik tun, um die Unterschiede in der Bezahlung von Frauen und Männern zu verringern? Wenn wir über Verdienstunterschiede sprechen, geht es im Hintergrund auch immer um Unterschiede in der Erwerbsarbeitszeit. Diese ungleiche Aufteilung der Erwerbsarbeitszeit geht natürlich auch mit der ungleichen Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit einher, denn der Grund für die viel häufigere Teilzeit bei Frauen ist ja, dass sie sehr viel mehr unbezahlte Sorgearbeit zu Hause übernehmen: Kinderbetreuung, Haushaltstätigkeiten, Pflege von Angehörigen und anderes mehr. Solange diese unbezahlte Sorgearbeit so ungleich aufgeteilt bleibt, werden wir auch Ungleichheiten in der Erwerbsarbeitszeit und auch Ungleichheiten in der Bezahlung sehen.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Gender, Arbeit und Beschäftigung