In der Energiekrise sparten private Haushalte Heizenergie auch stark aus nichtmonetären Gründen

DIW Wochenbericht 20 / 2025, S. 281-287

Sophie M. Behr, Till Köveker

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  • Studie untersucht, inwieweit in der Energiekrise 2022 Preiserhöhungen oder nichtmonetäre Faktoren zu Heizenergieeinsparungen beigetragen haben
  • Nichtmonetäre Faktoren wie Energiesparappelle hatten kurzfristig rund viermal so hohen Einfluss auf das Heizverhalten der privaten Haushalte wie Preisanstiege
  • Haushalte mit stärkeren Preiserhöhungen haben absolut mehr eingespart, dennoch ist kurzfristige Preiselastizität über verschiedene Preiserhöhungsniveaus konstant niedrig
  • Haushalte in Gebäuden mit Fernwärme sparten preisbedingt mehr und hatten höhere kurzfristige Preiselastizität als Haushalte in gasbeheizten Gebäuden
  • Lenkungswirkung von nichtmonetären Faktoren sollte bei künftigen Krisen stärker genutzt werden

„Da nichtmonetäre Faktoren, wie politische und solidarische Motive, zumindest kurzfristig offenbar einen stärkeren Effekt auf Einsparungen hatten als Preisanstiege, sollten öffentliche Appelle oder Informationskampagnen im Falle einer zukünftigen Energiekrise verstärkt genutzt werden.“ Till Köveker

Der russische Überfall auf die Ukraine hat im Jahr 2022 in Deutschland eine Energiekrise ausgelöst: Die Verbraucherpreise für Heizenergieträger stiegen im Laufe des Jahres drastisch. Aus Sorge vor einer Gasmangellage wurden verschiedene Energiesparprogramme aufgelegt. Die Bundesregierung und zahlreiche Verbände appellierten an alle Verbraucher*innen, so viel Energie wie möglich einzusparen. Dieser Bericht geht der Frage nach, welcher Anteil der Einsparungen privater Haushalte in Höhe von insgesamt 16 Prozent auf die gestiegenen Preise und welcher Anteil auf nichtmonetäre Faktoren, wie öffentliche Appelle, Informationskampagnen oder die Angst vor Preisanstiegen, zurückzuführen ist. Die Analyse eines umfangreichen Datensatzes zu Heizenergiepreisen und -verbräuchen in Mehrfamilienhäusern in Deutschland zeigt, dass nur gut zwei Prozentpunkte der Einsparungen den Preissteigerungen geschuldet waren. Nichtmonetäre Faktoren hatten demnach zumindest kurzfristig mit mehr als acht Prozentpunkten einen fast viermal so großen Effekt auf den Heizenergieverbrauch. Der Rest geht auf Faktoren wie das Wetter zurück. Bei zukünftigen Energiekrisen sollte die in der kurzen Frist eingeschränkte Lenkungswirkung von Heizenergiepreisen wieder durch nichtmonetäre Instrumente ergänzt werden.

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat in Europa zu einer Energiepreiskrise geführt und Befürchtungen geschürt, dass es im Winter 2022/23 zu einem Versorgungsengpass kommen könnte. Vor dem Krieg war Russland Europas größter Erdgaslieferant.infoFranziska Holz et al. (2022): Europa kann die Abhängigkeit von Russlands Gaslieferungen durch Diversifikation und Energiesparen senken. DIW Aktuell 81 (online verfügbar, abgerufen am 11. April 2025. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Deutschland bezog in den 2010er Jahren mehr als 40 Prozent seines Erdgases aus Russland.infoAlexander Roth und Felix Schmidt (2023): Not only a mild winter: German consumers change their behavior to save natural gas. Joule, 7(6), 1081–1086 (online verfügbar). Schon in den Monaten vor Kriegsbeginn hatte der staatliche russische Energieversorger Gazprom begonnen, seine Liefermengen nach Deutschland zu drosseln. Nach Beginn des Krieges wurden die Gaslieferungen nach Deutschland weiter reduziert und sanken im September 2022 auf null.infoPressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 6. Januar 2023: Bundesnetzagentur veröffentlicht Zahlen zur Gasversorgung 2022 (online verfügbar).

Der Rückgang und der schlussendlich vollständige Ausfall der russischen Gaslieferungen führten dazu, dass die Großhandelspreise für Gas von 20 Euro pro Megawattstunde (MWh) Mitte 2021 im Jahr 2022 für mehrere Monate auf über 100 Euro stiegen und im August 2022 zwischenzeitlich sogar mehr als 300 Euro pro MWh erreichten.infoVgl. Daten auf der Website der Bundesnetzagentur (online verfügbar). Die Preise für Haushalte sind zwar nicht direkt an den Großhandelspreis gekoppelt, aber wenn Heizenergieverträge während der Krise endeten oder Energieversorger Insolvenz anmeldeten, mussten die betroffenen Haushalte beziehungsweise Vermieter neue Verträge zu höheren Preisen abschließen. Zudem wurden in einigen Fällen auch Preise bestehender Verträge erhöht, wenn zum Beispiel die entsprechenden Energieversorger erhöhten Beschaffungskosten ausgesetzt waren. Auch stieg nicht nur der Preis für Gas, sondern auch für andere Wärmequellen wie Fernwärme oder Heizöl. Im Jahr 2022 zahlten die in diesem Wochenbericht betrachteten Haushalte in Deutschland durchschnittlich 42 Prozent höhere Preise für Heizenergie als im Jahr zuvor (Abbildung 1).

Neben den starken Preissteigerungen wurde auch die Gefahr, dass es im Winter 2022/23 zu einer Gasmangellage kommen könnte, viel diskutiert. Da private Haushalte im Falle einer Gasmangellage vorrangig versorgt würden, hätten Zwangsabschaltungen von Industrieproduktionsanlagen vorgenommen werden müssen – mit potenziell schädlichen wirtschaftlichen Folgen. Um dem vorzubeugen, rief die Europäische Union (EU) ein Einsparziel von 15 Prozent aus.infoPressemitteilung des Rats der Europäischen Union vom 5. August 2022: Council adopts regulation on reducing gas demand by 15 % this winter (online verfügbar). Der EU-Plan sah auch vor, neben Industrie und Gewerbe Privathaushalte dazu anzuhalten, ihren Gasverbrauch zu senken.infoEuropean Commission (2022): Questions and Answers on the EU „Save Gas for a Safe Winter“ Plan (online verfügbar).

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz startete gemeinsam mit zahlreichen Verbänden im Juni 2022 eine Kampagne, die zum Energiesparen aufrief und Energiespartipps gab.infoPressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 10. Juni 2022: Breites Bündnis ruft zum Energiesparen auf (online verfügbar). Darüber hinaus wurden weitere regulatorische Maßnahmen zum Energiesparen in Wohn- und Nichtwohngebäuden, wie die Absenkung von Mindest- und Höchsttemperaturen und die obligatorische Optimierung von Heizungssystemen, erlassen.infoVgl. Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung – EnSikuMaV) (online verfügbar) Obwohl die Energiekrise durch eine Gasknappheit ausgelöst wurde, lag der Fokus der Kampagne wegen der hohen Energiepreise auf Energiesparen allgemein und bezog sich auf alle Energieträger.

Die Politik befand sich in einem Dilemma: Einerseits musste sie aufgrund der hohen Preisanstiege private Haushalte finanziell entlasten, andererseits würde eine finanzielle Entlastung den Druck verringern, Energie einzusparen. Mit der Energiepreisbremse, die die Bundesregierung im Dezember 2022 beschloss und die im März 2023 in Kraft trat, versuchte sie, einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden: Der Preisdeckel galt nur für 80 Prozent des prognostizierten Verbrauchs; Anreize zum Energiesparen blieben damit erhalten.infoVgl. auf der Website der Bundesregierung: Fragen und Antworten zu den Energiepreisbremsen (online verfügbar). Tatsächlich erreichte Deutschland das EU-Ziel und reduzierte im Jahr 2022 den Erdgasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 15,7 Prozent.infoVgl. Informationen auf der Website der AG Energiebilanzen (online verfügbar).

In der Rückschau stellt sich die Frage, welcher Anteil der Heizenergieeinsparungen gestiegenen Preisen und welcher Anteil nichtmonetären Motiven, wie Appellen, Informationskampagnen und der Befürchtung eines Preisanstiegs, zuzurechnen ist.infoMehr Details zur ökonometrischen Analyse findet sich in Sophie M. Behr, Till Köveker und Merve Kücük (2025): Understanding Energy Savings in a Crisis: The Role of Prices and Non-monetary Factors. DIW Discussion Paper 2112 (online verfügbar). Diese Frage wird im Folgenden auf Basis der Heizkostenabrechnungen von über 100000 Mehrfamilienhäusern in Deutschland, die der Gebäudedienstleister ista dem DIW Berlin zur Verfügung gestellt hat, kausal untersucht (Kasten 1).infoFür eine ausführliche Beschreibung der ista-Daten vgl. Sophie M. Behr, Till Köveker und Merve Kücük (2024): Wärmemonitor 2023: Trotz weiter gestiegener Preise sparen private Haushalte weniger Heizenergie. DIW Wochenbericht Nr. 45, 691–701 (online verfügbar). Betrachtet werden Gebäude, die mit Fernwärme oder Gas beheizt werden, im Zeitraum 2017 bis 2022.infoIn der Analyse werden nur Gas und Fernwärme betrachtet. Bei anderen Energieträgern wie Heizöl ist auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht nachvollziehbar, welche Haushalte Dezemberhilfen erhalten haben, sodass die 2022 tatsächlich gezahlten Heizenergiepreise nicht genau berechnet werden können. Auch in diesen Gebäuden wurden im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich rund 16 Prozent Heizenergie gespart.

Grundlage der Analyse ist ein von dem Immobiliendienstleister ista SE zur Verfügung gestellter Datensatz, der die jährlichen gebäudespezifischen Heizkostenabrechnungen deutscher Mehrfamilienhäuser der Jahre 2017 bis 2022 umfasst. Die Heizkostenabrechnungen enthalten Informationen zu Energie- und Heißwasserverbrauch, Abrechnungsperiode, Heizenergieträger, Energiekosten sowie Lage und Größe der Immobilie. Die abgerechneten Heizenergiepreise sind reine Brennstoffkosten ohne Heiznebenkosten wie Wartungskosten oder Kosten für die Erfassung der Verbräuche. Die sogenannten Dezemberhilfen im Jahr 2022 werden bei der Berechnung der tatsächlich gezahlten Preise berücksichtigt. Gebäude, in denen die Heizenergiepreise im Jahr 2022 gesunken sind, sowie Gebäude, die im Betrachtungszeitraum saniert wurden oder bei denen die Heizenergieträger gewechselt wurden, sind von der Betrachtung ausgeschlossen. Der Analysedatensatz enthält mehr als 140000 Gebäude.

Um Temperatureinflüsse zu berücksichtigen, werden regionale Klimafaktoren des Deutschen Wetterdienstes verwendet. Die Daten zur regionalen Homeoffice-Nutzung stammen von infas360 und sind mit dem deutschlandweiten Trend mit Daten von Destatis in Einklang gebracht

Differenz-von-Differenzen-Methode mit Propensity Score Matching

Die Differenz-von-Differenzen-Methode ist eine statistische Methode, um den kausalen Effekt eines Ereignisses auf eine abhängige Variable zu ermitteln. Hierbei werden die Beobachtungseinheiten in zwei Gruppen eingeteilt: eine Preisschockgruppe, die dem Ereignis eines Preisanstiegs für Heizenergie in der Energiekrise ausgesetzt war, und eine Kontrollgruppe, die dem Ereignis nicht ausgesetzt war. Zur Schätzung des kausalen Effekts wird zunächst für beide Gruppen jeweils die Differenz in der abhängigen Variable (in dem Fall der Heizenergieverbrauch) vor und nach dem Ereignis berechnet. Anschließend wird die Differenz der Preisschockgruppe mit der Differenz der Kontrollgruppe verglichen. Die Differenz dieser beiden Differenzen ergibt dann den kausalen Effekt. Dabei wird der Einfluss weiterer Faktoren wie Wetter, Homeoffice-Nutzung, Gebäudezustand und Kalenderjahr berücksichtigt.

Um die Vergleichbarkeit beider Gruppen zu erhöhen, wird der Differenz-von-Differenzen-Ansatz mit einem sogenannten Propensity Score Matching kombiniert. Hierfür wird zunächst für jedes Gebäude auf Grundlage mehrerer Kontrollvariablen (Gebäudegröße, Energieverbrauch und Energiepreise im Vorkrisenzeitraum) eine individuelle Wahrscheinlichkeit (Propensity) geschätzt, dass das Gebäude in der Energiekrise einem Preisanstieg ausgesetzt war. Danach wird für jedes Gebäude, das im Jahr 2022 einem Preisanstieg ausgesetzt war, ein Gebäude aus der Kontrollgruppe ohne Preisanstieg gesucht, das eine möglichst ähnliche Wahrscheinlichkeit hat, in der Krise einem Preisanstieg ausgesetzt gewesen zu sein. Dadurch wird sichergestellt, dass die beiden Gebäude ähnliche Eigenschaften haben. Mit diesem gepaarten Datensatz wird dann die Differenz-von-Differenzen-Methode durchgeführt.infoVgl. Sophie M. Behr, Till Köveker und Merve Kücük (2025): Understanding Energy Savings in a Crisis: The Role of Prices and Non-monetary Factors. DIW Discussion Paper 2112 (online verfügbar). In diesem gepaarten Datensatz kann die für die Differenz-von-Differenzen-Methode zentrale Hypothese eines gemeinsamen Trends der Energieverbräuche im Vorkrisenzeitraum von Gebäuden mit und ohne Preisanstieg in der Energiekrise nicht verworfen werden (Abbildung 2).

Schätzung nichtmonetärer Einsparungen

Um die nichtmonetären Einsparungen zu berechnen, werden für Gebäude, die in der Energiekrise keinem Preisanstieg ausgesetzt waren, kontrafaktische Energieverbräuche (Energieverbräuche ohne Krise) für das Jahr 2022 geschätzt.infoVgl. Behr, Köveker und Kücük (2025), a.a.O. Hierfür wird ein Lasso-Modell (Least Absolute Shrinkage and Selection Operator)infoRobert Tibshirani (1996): Regression shrinkage and selection via the lasso. Journal of the Royal Statistical Society Series B: Statistical Methodology, 58(1), 267–288 (online verfügbar). auf die Vorkrisenjahre trainiert, um den Energieverbrauch auf Grundlage des Gebäudeenergieverbrauchs des Vorjahres und verschiedener Variablen, die zu kurzfristigen Verbrauchsänderungen führen (wie Wetter und Homeoffice-Quote), vorherzusagen. Preiseffekte sind ausgeschlossen, da die Vorhersage nur für diejenigen Gebäude durchgeführt wird, deren Preise in der Krise konstant blieben. Effekte durch energetische Sanierungen werden ebenfalls ausgeschlossen, indem Gebäude, die saniert wurden, aus dem Datensatz entfernt wurden. Für diese Gebäudegruppe stellt die Differenz zwischen kontrafaktischen und beobachteten Energieverbräuchen die Schätzung der nichtmonetären Einsparungen dar.

Nichtmonetäre Einsparungen deutlich höher als preisbedingte Einsparungen

Die überwiegende Mehrzahl der beobachteten Gebäude (96,3 Prozent) war in der Energiekrise 2022 Preisanstiegen ausgesetzt. Ein kleiner Anteil der Gebäude (3,7 Prozent), deren Versorger die Preise bestehender Verträge im Jahr 2022 nicht erhöhten, war von diesen Preisanstiegen ausgenommen. Durch den Vergleich dieser beiden Gruppen ergibt sich die Möglichkeit, die Wirkung der Energiepreisanstiege auf die Heizenergieeinsparungen kausal zu ermitteln und von der Wirkung nichtmonetärer Faktoren zu unterscheiden.

Um zu analysieren, wie die Nachfrage auf Preisänderungen reagiert hat und um die Höhe der preisbedingten Einsparungen zu berechnen, wird ein Differenz-in-Differenzen-Ansatz in Kombination mit Propensity Score Matching angewendet (Kasten 1). Darüber hinaus werden zahlreiche weitere Faktoren berücksichtigt, insbesondere Klimafaktoren, um Temperatureinflüsse herauszurechnen.

Die Ergebnisse zeigen, dass in der Gruppe der Gebäude, die einem Preisanstieg ausgesetzt war (Preisschockgruppe), durchschnittlich rund zwei Prozentpunkte statistisch signifikant mehr Heizenergie eingespart wurde als in der Kontrollgruppe ohne Preisanstiege (Abbildung 2). Die preisbedingten Einsparungen betrugen im Jahr 2022 demnach im Durchschnitt rund zwei Prozent. Im Vergleich zu den Gesamteinsparungen von durchschnittlich rund 16 Prozent zeigt sich, dass nur ein relativ geringer Anteil der beobachteten Einsparungen durch tatsächliche Preisanstiege bedingt war. Der Großteil der Einsparungen ist demnach auf nichtmonetäre Faktoren wie öffentliche Appelle, Energiesparprogramme oder die Befürchtung von Preisanstiegen zurückzuführen. Zudem spielten nichtkrisenbedingte Faktoren wie etwas weniger Homeoffice-Nutzung und das vergleichsweise warme Wetter im Jahr 2022 eine Rolle.

Um zu berechnen, wie hoch die nichtmonetär motivierten Einsparungen waren, wird mit einer zweiten Methode, einem Lasso-Modell, zunächst der kontrafaktische Energieverbrauch für 2022 ohne Energiekrise geschätzt (Kasten 1). Danach wird für die Gruppe der Gebäude mit konstanten Preisen die Differenz zwischen diesem kontrafaktischen Energieverbrauch und dem tatsächlichen Energieverbrauch berechnet; dies ermöglicht eine Schätzung der nichtmonetär bedingten Einsparungen. Demnach sind die nichtmonetären Einsparungen mit im Durchschnitt rund 8,5 Prozent etwa viermal so hoch wie die preisbedingten Einsparungen.

Kurzfristige Preiselastizität der Energienachfrage ist relativ gering

Auf Grundlage der berechneten preisbedingten Einsparungen kann die Preiselastizität der Heizenergienachfrage bestimmt werden (Kasten 2). Diese gibt an, wie stark die nachgefragte Menge auf Preisänderungen reagiert. Zur Berechnung der Preiselastizität werden die durchschnittlichen prozentualen preisbedingten Einsparungen durch den durchschnittlichen prozentualen Preisanstieg der Preisschockgruppe geteilt. Die prozentualen preisbedingten Einsparungen werden wie oben beschrieben mit dem Differenz-in-Differenzen-Ansatz berechnet. Da Haushalte in Gebäuden mit konstanten Preisen während der Energiekrise denselben nichtmonetären Einflüssen ausgesetzt waren wie Haushalte in Gebäuden mit Preisanstiegen, ist sichergestellt, dass die geschätzte Preiselastizität nicht durch nichtmonetär bedingte Einsparungen verzerrt wird.

Die Preiselastizität der Nachfrage ist ein Maß dafür, wie sehr die nachgefragte Menge eines Gutes auf Veränderungen des Preises reagiert. Die Preiselastizität gibt an, um wieviel Prozent sich die nachgefragte Menge ändert, wenn der Preis um ein Prozent steigt. Da die nachgefragte Menge eines Gutes normalerweise sinkt, wenn der Preis steigt, ist die Preiselastizität in den allermeisten Fällen negativ. Eine Preiselastizität von –1 bedeutet, dass ein einprozentiger Preisanstieg zu einem einprozentigen Rückgang der nachgefragten Menge führt. Eine Preiselastizität zwischen 0 und –1 bedeutet, dass ein Preisanstieg zu einem prozentual geringeren Nachfragerückgang führt. Eine Preiselastizität, die in absoluten Zahlen größer ist als –1, bedeutet, dass ein Preisanstieg zu einem prozentual größeren Nachfragerückgang führt. Um die Preiselastizität der Nachfrage in der Energiekrise zu bestimmen, wird die Mittelwertmethode der Bogenpreiselastizität verwendet, also die relative Preisänderung berechnet, indem die Preisänderung zwischen 2021 und 2022 durch den Durchschnittspreis der Jahre 2021 und 2022 geteilt wird. Die relative Änderung der nachgefragten Menge wird analog berechnet.infoFür eine detailliertere Beschreibung der Berechnung der Preiselastizität vgl. Behr, Köveker und Kücük (2025), a.a.O.

In der Energiekrise betrug die kurzfristige Preiselastizität der Heizenergienachfrage –0,07.infoUnter kurzfristig wird in dieser Analyse ein Zeitraum von bis zu einem Jahr verstanden. Das heißt, bei einem einprozentigen Preisanstieg sinkt der Heizenergieverbrauch nur um 0,07 Prozent.infoBei einer Verdopplung des Preises (also einer Erhöhung um 100 Prozent) verringert sich die Nachfrage entsprechend um sieben Prozent. Angesichts des starken Rückgangs des Gesamtheizenergieverbrauchs erscheint diese Preiselastizität gering. Das erklärt sich dadurch, dass die Energieeinsparungen von Haushalten in der Krise in erster Linie durch das Wetter sowie durch nichtmonetäre Faktoren, wie politische Motivation oder die allgemeine Diskussion um hohe Energiepreise, getrieben wurden. Die eher geringe Reaktion auf steigende Preise kann daran liegen, dass es zum einen im deutschen Heizenergiemarkt starke Informationsfriktionen gibt. Viele Haushalte werden nur jährlich mit der Heizkostenabrechnung über ihren Verbrauch informiert.infoIm Jahr 2022 wurden die Informationspflichten erweitert, sie gelten aber nur für fernablesbare Geräte. Preisänderungen müssen bei bestehenden Verträgen zwar dem Vertragspartner schriftlich mitgeteilt werden, trotzdem kennen viele Haushalte ihren genauen Heizenergiepreis nicht.infoVgl. Markus Dertwinkel-Kalt et al. (2024): Household reduction of gas consumption in the energy crisis is not explained by individual economic incentives. Proceedings of the National Academy of Sciences, 121 (48), e2411740121 (online verfügbar). Ein weiterer möglicher Grund für die niedrige Preiselastizität ist, dass einige Haushalte schon vor der Energiekrise die größten Einsparpotenziale ausgeschöpft hatten und ihren Heizenergieverbrauch in der Krise daher nur begrenzt anpassen konnten.

Vorherige Studien zur Preiselastizität der Energie- und Gasnachfrage während der Energiekrise in Deutschland, die diese nichtmonetär motivierten Einsparungen in der statistischen Analyse nicht berücksichtigen, kommen zu Preiselastizitäten, die deutlich größer sind.infoEine Studie berechnet beispielsweise eine Preiselastizität der Gasnachfrage von mindestens –0,16 für Kleinverbraucher*innen (Haushalte und kleine Unternehmen), vgl. Oliver Ruhnau et al. (2023): Natural gas savings in Germany during the 2022 energy crisis. Nature Energy, 8(6), 621–628 (online verfügbar). Studien, die die nichtmonetären Einsparmotive berücksichtigen, kommen hingegen zu Preiselastizitäten in einer ähnlichen Größenordnung wie in der hier vorgestellten Studie.infoVgl. David Jamissen et al. (2024): The price elasticity of natural gas demand of small consumers in Germany during the energy crisis 2022. Energy Efficiency, 17(8), 98 (online verfügbar); vgl. Dertwinkel-Kalt et al. (2024), a.a.O.

Die großen Unterschiede der geschätzten Preiselastizitäten der Energienachfrage zwischen den verschiedenen Studien verdeutlichen, wie wichtig es ist, nichtmonetäre Einsparmotive bei der Schätzung von Preiselastizitäten in Krisenzeiten zu berücksichtigen. Zudem unterstreicht es die Bedeutung nichtmonetärer Faktoren, um in Krisenzeiten kurzfristige Heizenergieeinsparungen zu erreichen. Nichtmonetäre Faktoren, wie politische und/oder solidarische Motive, hatten zumindest kurzfristig offenbar einen noch stärkeren Effekt auf Einsparungen als Preissteigerungen. Daher könnte in künftigen Energiekrisen noch stärker auf öffentliche Appelle oder Informationskampagnen gesetzt werden.

Einsparungen steigen mit höheren Preisanstiegen

Die Preisanstiege für Heizenergie während der Energiekrise waren um ein Vielfaches größer als die bis dahin üblichen Preisschwankungen in den Vorjahren. Um zu verstehen, welchen Einfluss die Höhe des Preisanstiegs und die Heizenergieträger auf die preisbedingten Einsparungen der Haushalte hatten, wurden die untersuchten Gebäude in Gruppen mit unterschiedlich hohen Preissteigerungen eingeteilt. Lediglich bei Haushalten mit Preisanstiegen von mehr als 25 Prozent im Jahr 2022 ließen sich statistisch signifikante Heizenergieeinsparungen beobachten. In der Gruppe mit niedrigen Preisanstiegen von weniger als 25 Prozent war kein statistisch signifikanter Effekt messbar (Abbildung 3). In der Gruppe mit Preisanstiegen zwischen 25 und 50 Prozent sparten die Haushalte preisbedingt rund 2,2 Prozent. In der Gruppe mit den höchsten Preisanstiegen von über 50 Prozent waren die preisbedingten Einsparungen mit 4,4 Prozent am höchsten. Es wurde also umso mehr eingespart, je größer die Preissteigerungen waren. Die Preiselastizität der Heizenergienachfrage war für alle drei Gruppen mit –0,07 gleich hoch (wenn auch nicht signifikant unterschiedlich von null für die Gruppe mit geringen Preissteigerungen).

Auch wenn die privaten Haushalte in Deutschland zwar wie erwartet mit stärkeren Preisanstiegen mehr Heizenergie einsparten, haben die preisbedingten Einsparungen nur einen kleinen Teil der gesamten Einsparungen ausgemacht. Ein signifikanter Effekt auf den Verbrauch ist nur dann messbar, wenn die Preise für den Haushalt um mehr als 25 Prozent stiegen. Das könnte unter anderem daran liegen, dass einige Vermieter*innen bei geringen Preisanstiegen nicht um eine Anpassung der monatlichen Abschlagszahlungen gebeten haben. Mieter*innen hätten in diesem Fall erst gegen oder nach Ende des Jahres 2022 durch die verpflichtenden Informationsschreiben oder sogar erst im folgenden Jahr durch die Jahresendabrechnung von diesen kleineren Preisanstiegen erfahren.

Preiselastizität bei Fernwärme höher als bei Gas

Beim Vergleich der beiden Energieträger Gas und Fernwärme zeigen sich deutliche Unterschiede bei den preisbedingten Einsparungen (Abbildung 4) und bei der Preiselastizität der Heizenergienachfrage. Die Heizenergiepreise für Gas und Fernwärme stiegen im Jahr 2022 in den beobachteten Mehrfamilienhäusern ähnlich stark, nämlich um 43 Prozent für Gas und um 40 Prozent für Fernwärme. In Gebäuden, die mit Gas beheizt wurden, waren die preisbedingten Einsparungen mit durchschnittlich rund zwei Prozent allerdings deutlich niedriger als in Gebäuden, die mit Fernwärme beheizt wurden. Dort wurden preisbedingt rund fünf Prozent eingespart. Entsprechend ergibt sich auch ein Unterschied bei der Preiselastizität, die bei Fernwärme mit –0,17 deutlich größer war als bei Gas mit –0,06.

Die höhere Preiselastizität bei Fernwärme könnte unter anderem daran liegen, dass es örtlich meist nur einen Fernwärmeanbieter gibt. Lokal waren Haushalte mit Fernwärme also alle demselben Preisanstieg ausgesetzt, was dazu geführt haben kann, dass sich Informationen über die Preiserhöhungen besser verbreiteten.

Fazit: Nichtmonetäre Instrumente in künftigen Krisen für Energieeinsparungen nutzen

Die Energiekrise, ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, ließ die Energiepreise drastisch steigen. Die vorliegende Studie analysiert, in welchem Ausmaß die Preisanstiege und nichtmonetäre Faktoren, wie öffentliche Appelle und Informationskampagnen, in Deutschland zu Heizenergieeinsparungen geführt haben. Insgesamt wurden in den untersuchten Gebäuden im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr 16 Prozent Heizenergie eingespart. Nur gut zwei Prozentpunkte davon können auf Preissteigerungen zurückgeführt werden.

An der geringen durchschnittlichen Preiselastizität von –0,07 zeigt sich, dass Haushalte in der kurzen Frist nur wenig auf Preisveränderungen reagieren, selbst bei den hohen Preissteigerungen im Jahr 2022.infoIn der langen Frist kann die Preiselastizität höher sein, weil dann energetische Sanierungen oder ein Heizungsaustausch umgesetzt werden können. Das kann verschiedene Gründe haben. Einerseits werden viele Haushalte nicht oft genug über ihren Verbrauch und ihre Heizkosten informiert. Daher sollten Informationsdefizite reduziert werden, um für Haushalte eine bessere Information und Sichtbarkeit von aktuellen Preisen und Verbräuchen zu gewährleisten. Die Novellierung der Heizkostenabrechnungsverordnung, die ab dem 1. Januar 2022 eine monatliche Verbrauchsinformation vorschreibt, sofern dies technisch möglich ist, ist daher zu begrüßen. Zum anderen könnte es daran liegen, dass viele Haushalte ihre Einsparpotenziale bereits vor der Krise ausgeschöpft hatten.infoVgl. Behr, Köveker und Kücük (2025), a.a.O.; vgl. Lassi Ahlvik et al. (2025): Household-Level Responses to the European Energy Crisis. CEPR Discussion Paper No. 19972 (online verfügbar). Dabei sollte berücksichtigt werden, dass insbesondere einkommensschwache Haushalte und Mietende überproportional von hohen Heizenergiekosten betroffen sind.infoVgl. Sophie M. Behr et al. (2024): Sanierung sehr ineffizienter Gebäude sichert hohe Heizkostenrisiken ab. DIW Wochenbericht Nr. 19, 279–286 (online verfügbar). Gleichzeitig haben sie weniger Spielraum, um beispielsweise mit Sanierungsmaßnahmen auf Preisanstiege zu reagieren.Auch in künftigen Krisen sollte die Politik daher erwägen, vulnerable Haushalte durch Energiepreislimits oder finanzielle Unterstützung gezielt zu entlasten. Diese können und sollten so ausgestaltet werden, dass Einsparanreize durch Preise bestehen bleiben (so wie bei der sogenannten Dezember-Soforthilfe und Energiepreisbremse geschehen).

Viel deutlicher als die Preisanstiege haben aber nichtmonetäre Faktoren die Energieeinsparungen im Jahr 2022 bestimmt. Der Anteil der nichtmonetären Faktoren war mit 8,5 Prozentpunkten mehr als viermal so hoch wie die preisbedingten Einsparungen von zwei Prozentpunkten. Die restlichen Einsparungen sind auf krisenunabhängige Faktoren wie das Wetter oder die Homeoffice-Nutzung zurückzuführen. Welche nichtmonetären Motive die privaten Haushalte im Detail zum Sparen bewegt haben, kann mithilfe der vorliegenden Datengrundlage zwar nicht beantwortet werden. Es liegt jedoch nahe, dass öffentliche Appelle zum Energiesparen, um eine Gasmangellage abzuwenden, politische Motivation rund um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die allgemeine Diskussion über hohe Energiepreise eine Rolle gespielt haben. Da sich nichtmonetäre Faktoren als wirksamer Hebel für kurzfristige Einsparungen erwiesen haben, sollten neben monetären Energiesparanreizen und gezielten Entlastungen auch nichtmonetäre Instrumente wie Energiesparappelle und Spartipps im Falle einer zukünftigen Energiekrise wieder und verstärkt genutzt werden.

Sophie M. Behr

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Klimapolitik

Till Köveker

Doktorand in der Abteilung Klimapolitik



JEL-Classification: Q41;Q48
Keywords: Energy crisis, Energy policy, Causal inference, Price elasticity
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-20-1

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