DIW Wochenbericht 41 / 2025, S. 657
Johannes Geyer, Erich Wittenberg
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Herr Geyer, der Grundrentenzuschlag soll das Alterseinkommen von langjährig Versicherten mit unterdurchschnittlichen Einkommen anheben. Wie viele Menschen in Deutschland erhalten aktuell diesen Zuschlag und wie hat sich deren Zahl in den letzten Jahren entwickelt? Im Jahr 2024 haben rund 1,4 Millionen Personen den Grundrentenzuschlag erhalten; im Einführungsjahr 2022 lagen wir bei 1,1 Millionen. Die Zahl der Begünstigten hat sich also deutlich erhöht. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Rentner*innen, die jetzt in Rente gehen, häufiger anspruchsberechtigt sind und die kleineren Kohorten, die sterben, seltener diesen Anspruch hatten. Das heißt, wir werden diese Zunahme wahrscheinlich noch in den kommenden Jahren beobachten.
Inwieweit gibt es dabei Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Die Hauptbegünstigten sind mit über 70 Prozent Frauen. Das hat vor allem damit zu tun, dass diese Frauen häufiger und über eine längere Zeit in Teilzeit gearbeitet haben, während Männer häufig Vollzeit beschäftigt waren und dadurch seltener in dem Einkommensbereich liegen, der für den Grundrentenzuschlag berechtigt.
Gibt es beim Grundrentenzuschlag regionale Unterschiede? In Ostdeutschland gibt es einen höheren Anteil von Berechtigten. Insbesondere bei den Männern hat das damit zu tun, dass in Ostdeutschland geringere Löhne gezahlt wurden, aber trotzdem über einen langen Zeitraum eingezahlt wurde. Die ostdeutschen Frauen waren häufiger erwerbstätig und qualifizierten sich auch häufiger für die Grundrente, weil sie es eher als die westdeutschen Frauen schafften, mindestens 33 Jahre erwerbstätig versichert gewesen zu sein.
Wie häufig gehen die Personen mit Grundrentenanspruch noch einer Erwerbstätigkeit nach? Im Altersbereich von 63 bis 74 Jahre sind von den Personen, die eine Grundrente beziehen, 22 Prozent immer noch beschäftigt. Davon arbeiten rund 15 Prozent in Minijobs und knapp sieben Prozent sogar mehr als geringfügig. Bei Personen, die keine Grundrente beziehen, liegt der Anteil der Beschäftigten ungefähr bei 16 Prozent.
Warum gibt es auch Personen, die keine Grundrente beziehen, obwohl sie einen Anspruch haben? Das ist eine Besonderheit der Grundrente, denn die Grundrente ist einkommensgeprüft. Das heißt, wir haben einen relativ großen Personenkreis, der zwar im Prinzip den Grundrentenzuschlag erhalten würde, aber aufgrund des zu hohen Haushaltseinkommens wird die Grundrente dann nicht ausgezahlt. Das betrifft aktuell ungefähr 1,3 Millionen Personen, bei denen wir allerdings auch eine relativ hohe Erwerbsbeteiligung beobachten.
Was bedeuten Ihre Ergebnisse für den Fortbestand und die weitere Ausgestaltung des Grundrentenzuschlags? Dies ist eine der ersten Evaluationen der Statistiken zur Grundrente. Wir haben zum Beispiel noch keine Bevölkerungsbefragungen in Kombination mit dem Grundrentenanspruch. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie stark die Grundrente gegen Altersarmut wirkt. Was wir sehen, ist dieser starke Anstieg bei der Grundrente, der sich wahrscheinlich auch fortsetzen wird. Das wird das gesellschaftliche Interesse an dem Grundrentenzuschlag wahrscheinlich weiter hochhalten. Eine weitere Frage ist, wie sich die Einkommensprüfung genau auswirkt. Aufgrund der komplizierten Abwicklung verstehen die Menschen häufig nicht, wie diese durchgeführt wird. Da gibt es sicherlich noch Verbesserungsmöglichkeiten. Eine andere Frage ist, wie man mit der Erwerbstätigkeit der Grundrentenbeziehenden umgeht. Die aktuell diskutierte Aktivrente, die Erwerbseinkommen von Rentner*innen bis zu einem gewissen Betrag steuerfrei stellt, könnte für Grundrentenbeziehende tatsächlich eine interessante Option sein.
Themen: Steuern, Rente und Vorsorge, Gender, Arbeit und Beschäftigung