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Das Weltwirtschaftsforum in Davos war eine Enttäuschung

Blog Marcel Fratzscher vom 27. Januar 2020

Die Politik hat die Probleme zwar erkannt, doch sie ist unfähig sie zu lösen. Es braucht globale Regeln für Klima und Handel.

Kolumne

Dieser Beitrag ist am 24. Januar 2020 im Tagesspiegel erschienen. 

Das Weltwirtschaftsforum in Davos war eine Enttäuschung. Selten lagen zwar die globalen Probleme so klar auf der Hand, selten haben aber auch Politik und Wirtschaft mögliche Lösungswege so blockiert, wie es aktuell der Fall ist. Der Klimawandel mit seinen massiven sozialen und wirtschaftlichen Kosten, internationale Wirtschaftskonflikte – vom Handels- bis zum Währungskrieg – und wachsende geopolitische Spannungen verdüstern die Zukunft. Zwar scheint die Politik – nationale Regierungen wie auch internationale Organisationen – diese Probleme erkannt zu haben. Sie ist jedoch offensichtlich nicht in der Lage, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Zwei globale Krisen sind exemplarisch für das Scheitern der Politik. Die eine ist die Finanzkrise von 2008/09, die weltweit viele Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit oder Armut getrieben hat, Vermögen zerstört und viele junge Menschen ihrer Zukunftschancen beraubt hat. Viele Länder haben sich bis heute nicht erholt.

Die Instabilität von Banken und die europäische Niedrigzinspolitik sind letztlich das Resultat dieser Entwicklungen und der folgenden europäischen Schuldenkrise. Das zweite ist die Klimakrise, bei der spätestens seit den 1990er Jahren klar ist, dass eine deutliche CO2-Reduktion sehr bald erreicht werden muss. Stattdessen ist der globale CO2-Ausstoß weiter gestiegen.

Deregulierte Märkte

Drei grundlegende Probleme liegen diesen Krisen zugrunde, die eine Kehrtwende der Politik erfordern. Zum einen hat es die Politik versäumt, die Marktwirtschaft ausreichend zu regulieren und zu kontrollieren. In der Hoffnung, Unternehmen und Banken wüssten selbst am besten, wie sie sich zu regulieren und zu verhalten hätten, hat sie die Finanzmärkte in den 1990er und 2000er Jahren weitgehend dereguliert.

Schlimmer noch, die Politik weltweit hat sich von Unternehmen überzeugen lassen, einer Hyper-Globalisierung zuzustimmen, bei der Unternehmen Regierungen gegeneinander ausspielen können, um die eigene Steuerlast zu minimieren, Löhne zu reduzieren und Regeln zu umgehen. Das blinde Vertrauen in unregulierte Märkte ist letztlich fast allen Regierungen, Bürgerinnen und Bürgern und auch vielen kleineren Unternehmen auf die Füße gefallen.

Nationalismus statt Multilateralismus

Das zweite zentrale Problem ist der derzeitige Rückgang des Multilateralismus. Es ist klarer denn je, dass alle wichtigen Fragen unserer Zeit nicht innerhalb nationaler Grenzen gelöst werden können, sondern nur in der globalen Gemeinschaft. Von Klimawandel und Finanzkrisen bis hin zu geopolitischen Konflikten und der Digitalisierung der Wirtschaft: Keine dieser Herausforderungen macht an Grenzen halt oder lässt sich von nationalen Regierungen beherrschen.

Donald Trumps Politik wirft die Weltgemeinschaft um Jahre zurück

Daher ist es umso bedenklicher, dass sowohl die USA als auch China dem Multilateralismus immer häufiger den Rücken kehren und hoffen, sich durch ihre Marktmacht kurzfristig Vorteile zu verschaffen. Die Handelskonflikte, das Aufkündigen des Klimaabkommens und des Atomabkommens mit dem Iran sind nur drei Beispiele für eine katastrophale Politik von US-Präsident Donald Trump, die die Weltgemeinschaft um Jahre zurückwirft.

Auch europäische Nationen wie Deutschland versuchen noch immer, nationalen Lösungen vor europäischen oder globalen Antworten Vorrang zu geben. Ohne eine starke, gemeinsame Stimme Europas wird auch Deutschland die internationalen Herausforderungen nicht beeinflussen können.

Soziales Gegeneinander

Die dritte große Herausforderung ist die zunehmende soziale Polarisierung. Eine Laissez-faire-Politik der Globalisierung und Deregulierung hat eine Zunahme der sozialen Ungleichheit befeuert. Der Populismus und Protektionismus eines Donald Trumps, der vielen abgehängten Amerikanerinnen und Amerikanern eine bessere Zukunft verspricht, ist genauso das Resultat dieser zunehmenden sozialen Polarisierung wie der Brexit und der immer stärker national orientierten Politik vieler europäischen Regierungen.

Es braucht einen Kurswechsel der Politik

Dass die großen globalen Krisen unserer Zeit nicht konsequent angegangen werden, ist letztlich das Resultat einer gescheiterten Politik. Sie konnte keine funktionierende Marktwirtschaft und globale Ordnung gewährleisten, in der alle nach den gleichen Regeln spielen und jeder für sein Handeln Verantwortung trägt.

Klimakrise und Finanzkrisen werden so lange nicht unter Kontrolle gebracht werden können, wie die Politik keinen Kurswechsel vollzieht und den Multilateralismus stärkt und global bindende Regeln für Unternehmen etabliert. Davon sind wir in Zeiten eines Donald Trumps, eines aggressiver agierenden Chinas und eines zerstrittenen Europa weiter entfernt denn je.

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