Pressemitteilung vom 28. Februar 2018
Durchschnittlicher realer Bruttostundenlohn ist zwischen 2013 und 2016 um fünf Prozent gestiegen, im untersten Dezil wesentlich stärker – Ungleichheit sinkt bei Bruttostundenlöhnen seit 2014, bei Bruttomonats- und -jahreslöhnen stagniert sie – Trotz Einführung des gesetzlichen Mindestlohns steigen Bruttomonats- und -jahreslöhne im untersten Dezil kaum.
Schon vor Einführung des allgemeinen Mindestlohns sind die Bruttostundenlöhne nach vielen Jahren des Rückgangs und anschließender Stagnation wieder gestiegen. Vor allem die Stundenlöhne am unteren Ende der Verteilung haben zugelegt und befinden sich wieder auf dem Niveau von 1992. Entsprechend ist auch die Lohnungleichheit vor Steuern gesunken. Das beschleunigte Wachstum im unteren Lohnsegment spiegelt sich allerdings nicht in den Bruttomonats- und -jahreslöhnen wider. Diese liegen gerade in den unteren Dezilen immer noch weit unter dem Niveau von 1992. Die unterschiedliche Entwicklung von Stunden- sowie Monats- und Jahreslöhnen ist auf eine verringerte bezahlte Arbeitszeit sowie rückläufige Sonderzahlungen zurückzuführen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer aktuellen DIW-Studie, für die die Ökonomen Markus Grabka und Carsten Schröder Daten auf Basis des Sozio-ökonomischen Panels für die Jahre 1992 bis 2016 ausgewertet haben.
Demnach stiegen die Bruttostundenlöhne bis Anfang der 2000er Jahre über alle Lohnsegmente hinweg an. Dieser Trend änderte sich ab 2003: Der Durchschnittslohn sank parallel zum Ausbau des Niedriglohnsektors mit einer wachsenden Zahl von Minijobs bis 2006 stark ab und stagnierte dann für mehrere Jahre. Zwischen 2013 und 2016 stiegen die realen Löhne um fünf Prozent, im Gesamtbetrachtungszeitraum um elf Prozent.
„Dass der Effekt bei den Bruttomonatslöhnen geringer als bei den -stundenlöhnen ist, liegt an einer verringerten bezahlten Arbeitszeit.“ Carsten Schröder
Vom Anstieg der Stundenlöhne haben vor allem die zehn Prozent mit dem geringsten Verdienst pro Stunde profitiert. Die Bruttostundenlöhne des untersten Dezils stiegen von 2013 bis 2016 um 13 Prozent, seit 1992 allerdings nur um knapp zwei Prozent. Durch das Wachstum seit 2013 ist auch die Ungleichheit zwischen den verschiedenen Lohnsegmenten gesunken. Während derjenige mit dem niedrigsten Stundenlohn im obersten Lohndezil im Jahr 2005 noch fast das Vierfache dessen verdiente, was die Person mit dem höchsten Verdienst aus dem untersten Dezil erhielt (90:10-Perzentilverhältnis), war es 2016 nur das 3,5fache.
Der Blick der Ökonomen über die Stundenlöhne hinaus offenbart: Die Bruttomonats- und Jahreslöhne stiegen mit neun beziehungsweise fünf Prozent zwischen 1992 und 2016 nicht ganz so stark wie die Stundenlöhne. Die Abweichung erklärt sich zum einen damit, dass sich die monatliche Arbeitszeit verringert hat (zum Beispiel durch Kürzung von Arbeitgeberseite oder Wechsel in Teilzeit). Zum anderen schlagen in den Bruttojahreslöhnen Einmal- und Sonderzahlungen sowie Phasen der Nicht-Erwerbstätigkeit zu Buche.
Vor allem im untersten Dezil sanken die Monats- und Jahreslöhne und liegen nur bei 50 beziehungsweise 60 Prozent des Niveaus von 1992. Entsprechend ist hier die Ungleichheit nicht zurückgegangen. Gemessen am 90:10-Perzentilverhältnis betrug der Faktor bei den Bruttomonatslöhnen 1992 knapp vier und ist bis 2010 auf mehr als zehn gestiegen, wo er seitdem stagniert – ein Anstieg von 170 Prozent (siehe Abbildung). Bei den Jahresbruttolöhnen ist er von acht im Jahr 1992 auf 13,6 im Jahr 2015 gestiegen (+ 70 Prozent).
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„Der Mindestlohn wirkt sich zwar positiv auf die Bruttostundenlöhne aus, jedoch ist dieser Effekt noch nicht bei den Bruttomonats- beziehungsweise -jahreslöhnen angekommen“, erläutert Studienautor Markus Grabka. Vermutlich wäre die Entwicklung ohne die Einführung des Mindestlohns nicht so positiv ausgefallen, doch ist „der Effekt auf die Stundenlöhne bei vielen Beschäftigten auch nicht so hoch wie vom Gesetzgeber intendiert. Dass der Effekt bei den Bruttomonatslöhnen geringer als bei den -stundenlöhnen ist, liegt an einer verringerten bezahlten Arbeitszeit“, ergänzt Studienautor Carsten Schröder. Diese sei vor allem in den unteren Dezilen gefallen.
Der Mindestlohn hat also bisher nur bedingt dazu beigetragen, die Monatslöhne von GeringverdienerInnen zu erhöhen und diese damit in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften. Gespannt sind die DIW-Studienautoren nun auf den Bericht der Mindestlohnkommission, die die ersten Ergebnisse im Sommer vorstellen wird. Unabhängig von den Berichtsergebnissen plädieren sie aber dafür, die Einhaltung des Mindestlohns effektiv zu kontrollieren.
Themen: Arbeit und Beschäftigung , Ungleichheit , Verteilung