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Zehn Jahre nach der Finanzkrise: Italien braucht neue Investitionsziele

Pressemitteilung vom 27. Februar 2019

Italiens Wirtschaftsleistung noch immer unter Vorkrisenniveau – Gründe dafür sind Schwächen im produzierenden Gewerbe, kleinteilige Wirtschaftsstruktur und Stagnation in Zukunftsbranchen – Gezielte Investitionen in Kombination mit der Fortsetzung der Strukturreformen können Abhilfe schaffen

Italien ist durch den jüngsten Haushaltsstreit mit Brüssel wieder in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerutscht. Das Land hat trotz Sparmaßnahmen und einiger Strukturreformen im Unterschied zu Spanien oder Portugal nicht den Sprung aus der Krise geschafft. Warum zehn Jahre nach der Finanz- und Wirtschaftskrise die Wirtschaftsleistung in Italien immer noch schwach ist, warum sich sowohl die Beschäftigung als auch das Pro-Kopf-Einkommen unterdurchschnittlich entwickeln und wie dem Land zu helfen wäre, hat eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) untersucht.

Reformen tragen bisher keine Früchte

Die Analyse der fünf DIW-Ökonomen zeigt, dass die bisherigen Anstrengungen des Landes unter anderem deswegen wenig erfolgreich waren, weil sie sich nur auf die Deregulierung der Arbeitsmärkte und die Konsolidierung des Haushalts konzentriert haben. Sie haben damit weder den Beschäftigungsabbau stoppen – allein im verarbeitenden Gewerbe und im Bauwesen gingen rund 1,5 Millionen Stellen verloren –, noch die Staatsschuldenquote senken können. „Das Wohlstandsniveau Italiens, einst in der Liga von Frankreich, passt sich langsam dem Niveau einkommensschwächerer Länder im Euroraum, etwa von Spanien an“, berichtet Studienautor Stefan Gebauer.

© DIW Berlin

Die bisherigen Anstrengungen haben der besonderen Wirtschaftsstruktur des Landes zu wenig Rechnung getragen: der hohen Konzentration von Kleinst- und Kleinbetrieben und den schlechten Rahmenbedingungen für Wachstumsbranchen. Fast die Hälfte der italienischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Privatwirtschaft arbeitet in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten. Die Wertschöpfung der Kleinst- und Kleinbetriebe ist nicht nur geschrumpft, sie setzen auch wenig Impulse für Innovationen. „Während die Großunternehmen Geld in Forschung und Entwicklung stecken und ihre Wertschöpfung seit 2008 deutlich gestiegen ist, verharrt vor allem die Wertschöpfung in den kleinen Betrieben noch heute unter ihrem Vorkrisenniveau“, sagt DIW-Forschungsdirektor Alexander Kritikos, „so wird Italien leider seine kleinteilige Wirtschaftsstruktur zum Verhängnis“.

Hinzu kommt, dass in Italien die Bedingungen für Innovationen denkbar schlecht sind; das liegt aber nicht nur an den niedrigen Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung, sondern auch an den Finanzierungsbedingungen oder der schwierigen Durchsetzung von rechtlichen Ansprüchen. „Wachstumsbranchen wie wissensintensive Dienstleistungen, die in anderen Ländern stark zum Beschäftigungsaufbau beitragen, stagnieren in Italien“, berichtet Studienautor Anselm Mattes.

Höhere Staatsausgaben könnten sich lohnen

Die Studienautoren haben sich nicht nur die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre angeschaut, sondern auch berechnet, wie sich höhere Staatsausgaben in Italien auswirken würden. Eine Erhöhung des Staatskonsums um ein Prozent steigert den DIW-Berechnungen zufolge die Wertschöpfung der Unternehmen um 1,8 Prozent im selben Jahr. „Jeder nachfragewirksame staatliche Euro führt also zu einem überproportionalen Anstieg der Wertschöpfung“, schließt DIW-Ökonom Malte Rieth aus den Berechnungen. Die dadurch gewonnenen wirtschaftlichen Spielräume könnten genutzt werden, um den in den Krisenjahren begonnenen Reformkurs fortzusetzen, statt von ihm abzukehren. „Die Strukturreformen sollten neben der bereits erfolgten Flexibilisierung der Arbeitsmärkte eine Verbesserung des Innovations- und Justizsystems in Angriff nehmen, flankiert von wachstumsorientierten Investitionen“, fordert Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen der derzeitigen Regierung wie die Absenkung des Rentenalters und das Bürgereinkommen lösen die Probleme des Landes dagegen ebenso wenig wie der diskutierte Austritt aus dem Euroraum. Zu sehr sind die Maßnahmen auf Transferleistungen ausgerichtet. In ihrer Schlussfolgerung schlagen die fünf Autoren vor, dass Italien die im jüngsten Haushaltsentwurf vorgesehenen Mittel gezielt für Staatsausgaben einsetzen sollte, die wachstumsorientiert sind: etwa für die brachliegende Baubranche, für Forschung und Entwicklung sowie für die digitale Infrastruktur.

Alexander Kriwoluzky

Abteilungsleiter in der Abteilung Makroökonomie

Malte Rieth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

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