Pressemitteilung vom 2. Oktober 2019
Individuelle Nettovermögen legen zwischen 2012 und 2017 im Schnitt um ein Fünftel an Wert zu – Vor allem Immobilien und Betriebsvermögen tragen zur Wertsteigerung bei – Ungleichheit bleibt auch im internationalen Vergleich hoch – Ostdeutsche nur halb so vermögend wie Westdeutsche
Die Deutschen werden reicher: Nachdem das Nettovermögen zwischen 2002 und 2012 nominal nur wenig gestiegen war, hat es in den Jahren ab 2012 wieder deutlich zugelegt. Die Bevölkerung ab 17 Jahren verfügte im Jahr 2017 durchschnittlich über 22 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren: Waren es im Jahr 2012 noch knapp 85.000 Euro, stieg es bis 2017 auf knapp 103.000 Euro. Ostdeutsche liegen mit einem individuellen Nettovermögen von 55.000 Euro im Jahr 2017 weit unter diesem Schnitt.
Dies ergab eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Erstmals wurden auch die Kraftfahrzeuge und Studien-/Ausbildungskredite in die Vermögensberechnung miteinbezogen. Dies erhöhte das durchschnittliche Vermögen auf 108.000 Euro.
„Eine Vermögenssteuer, wie erst jüngst wieder mal gefordert wurde, wird zwar fiskalische Mehreinnahmen schaffen, die aber nicht automatisch den vermögensschwachen Bevölkerungsgruppen zugutekommen.“ Markus Grabka
Der Median der Vermögensverteilung, also der Wert, der die reichsten 50 Prozent der Bevölkerung von der ärmeren Hälfte trennt, lag im Jahr 2017 mit rund 26 000 Euro oder einem Viertel wesentlich niedriger als der Durchschnittswert, was auf eine stark ungleiche Verteilung hinweist. Die reichsten zehn Prozent besitzen den aktuellen Zahlen zufolge mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens (56 Prozent), während die ärmere Hälfte der Bevölkerung über 17 Jahren nur 1,3 Prozent des Gesamtvermögens hält. Das oberste eine Prozent besitzt 18 Prozent des Gesamtnettovermögens – so viel wie die unteren 75 Prozent zusammen.
„Die Vermögensungleichheit ist zwar in Deutschland – auch im internationalen Vergleich – sehr hoch, sie verharrt aber in den letzten zehn Jahren auf diesem Niveau“, fasst Studienautor Markus Grabka das Ergebnis zusammen. Zwar haben in absoluten Zahlen vor allem die reichsten zehn Prozent ihr Vermögen stark vergrößern können, da Immobilien und Betriebsvermögen überproportional zugelegt haben. Relativ haben aber nahezu alle Vermögensdezile in den Jahren 2012 bis 2017 ähnlich stark von Zuwächsen profitiert, mit Ausnahme der Personen, die über kein Vermögen verfügen – immerhin 15 Prozent der Bevölkerung.
© DIW Berlin
Wie hoch das individuelle Nettovermögen ist, hängt stark von Alter, Region und Einkommen ab. „Personen, die zwischen 1940 und 1950 geboren wurden, in Westdeutschland leben und eine Immobilie besitzen, verfügen im Schnitt über besonders viel Vermögen“, fasst Studienautor Christoph Halbmeier zusammen. Das Nettovermögen der Erwachsenen in Westdeutschland ist im Schnitt mit gut 120.000 Euro mehr als doppelt so hoch wie in Ostdeutschland mit 55.000 Euro. Der Abstand verkleinert sich in den jüngeren Alterskohorten: Während die 71- bis 80-jährigen Ostdeutschen im Schnitt noch 133.000 Euro weniger Vermögen haben als die Westdeutschen, beträgt der Abstand in der Generation der 21- bis 25-Jährigen nur 5000 Euro.
Entscheidend für die Vermögensverteilung ist auch, ob die untersuchten Personen Immobilien besitzen. EigentümerInnen einer selbstgenutzten Immobilie verfügen im Schnitt über ein zehnmal so hohes Vermögen (rund 225.000 Euro) wie Personen, die zur Miete wohnen (24.000 Euro) – immerhin in Deutschland die Hälfte der gesamten erwachsenen Bevölkerung. Stagnierte zwischen 2002 und 2012 noch das Nettovermögen beider Gruppen, wirken sich ab 2012 Wertsteigerungen von Immobilien positiv auf die Nettovermögen der EigentümerInnen aus. Ähnliches gilt für das Betriebsvermögen, das seit 2012 auch deutlich zugelegt hat, aber vor allem in den Händen der oberen Vermögensdezile liegt.
„Um die Vermögensungleichheit zu reduzieren, wird es nicht reichen, große Vermögen ein wenig zu besteuern. Eine Vermögenssteuer, wie erst jüngst wieder mal gefordert wurde, wird zwar fiskalische Mehreinnahmen schaffen, die aber nicht automatisch den vermögensschwachen Bevölkerungsgruppen zugutekommen“, gibt Markus Grabka zu bedenken. Stattdessen sollten vor allem der Bevölkerung mit unteren und mittleren Einkommen bessere Möglichkeiten zur Vermögensbildung angeboten werden, um auch drohender Altersarmut vorzubeugen. Die bisherigen Instrumente wie Baukindergeld, Wohnungsbauförderung und Arbeitnehmersparzulage förderten nur einen begrenzten Personenkreis und dies oftmals nur mit geringen Beträgen. Privater Immobilienbesitz könne viel effizienter gefördert werden – zum Beispiel durch ein staatliches Mietkaufmodell. „Das staatliche Fördervolumen sollte zumindest wieder auf das Niveau des Jahres 2004, also zwölf Milliarden Euro, angehoben werden“, fordert Grabka. Darüber hinaus biete es sich an, insbesondere die private Altersvorsorge stärker an Modellen aus dem Ausland zu orientieren, die weitaus höhere Renditen erzielen als die in Deutschland geförderten Riester- und Rürup-Renten.
Themen: Ungleichheit , Verteilung