DIW Wochenbericht 8 / 2020, S. 116
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Es läuft nicht gut mit dem deutschen Klimaschutz. Zwar wird Deutschland die vereinbarten Emissionsminderungsziele bis 2020 nicht so stark verfehlen, wie ursprünglich angenommen. Dennoch werden die bisher beschlossenen Maßnahmen kaum ausreichen, um die Klimaziele bis 2030 zu erfüllen. Bei weiterer Untätigkeit werden wir weder die in Deutschland vereinbarten, noch die gemäß Pariser Klimabeschlüssen notwendigen und ambitionierteren Klimaziele erreichen. Das CO2-Emissionsbudget ist bald aufgebraucht.
Je länger wir warten, desto weniger Zeit haben wir noch und desto unwahrscheinlicher wird es, die Pariser Klimabeschlüsse überhaupt noch erfüllen zu können. Schon das im September im Bundestag beschlossene Klimapaket für die Sektoren Verkehr und Wärme ist unzureichend. Auch die nachgebesserte Version mit einem erhöhten CO2-Preis wird kaum ausreichen. Da somit im Gebäude- und Verkehrssektor keine schnellen Emissionsminderungen zu erwarten sind, muss der Energiesektor mehr leisten – und zwar rasch. Das heißt: Der Kohleausstieg muss so schnell wie möglich umgesetzt werden. Wenn wir die Pariser Klimaziele überhaupt noch erreichen und hohe Kosten durch den Zukauf von Zertifikaten in Europa vermeiden wollen, müsste Deutschland eigentlich bis 2030 aus der Kohle ausgestiegen sein.
Doch noch lässt der Kohleausstieg auf sich warten. Vor einem Jahr hatte die Kohlekommission ihre Empfehlungen für einen konkreten Fahrplan vorgelegt. Dieses Jahr hat man damit zugebracht, das zunächst formulierte Windenergieausstiegsgesetz in ein Kohleausstiegsgesetz umzuwandeln. Ein Jahr hat man offenbar mit Diskussionen in erster Linie mit Kohleunternehmen vertan, die dann leider im Ergebnis nicht mehr viel mit den Empfehlungen der Kohlekommission gemein hatten. Zumindest in wesentlichen Punkten wurden sie geändert: Der jetzige Kohleausstiegsfahrplan sieht eine zu zögerliche Abschaltung der Kraftwerke vor, für die größtenteils üppige Entschädigungen gezahlt werden.
Besonders bedauerlich ist neben dem verspäteten Kohleausstieg die Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerks in Nordrhein-Westfalen: Datteln 4. Selbst der VW-Chef reibt sich verwundert die Augen, dass ein neues Steinkohlekraftwerk in Betrieb genommen wird, obwohl selbst VW seine Steinkohlekraftwerke durch fossiles Erdgas ersetzt. Was nebenbei bemerkt zwar richtig ist, noch besser wäre aber eine Energieversorgung mit zu 100 Prozent erneuerbaren Energien – das gilt übrigens auch für das Tesla-Werk in Brandenburg.
Die Inbetriebnahme von Datteln 4 ist sowohl aus energiewirtschaftlichen, aber vor allem aus klimapolitischen Gründen ein Fehler. Die Rechnung ist einfach: Ein beschleunigter Kohleausstieg könnte insgesamt die Emissionen von über 130 Millionen Tonnen CO2 senken. Datteln 4 wird allein zu Mehremissionen von 40 Millionen Tonnen CO2 führen. Durch den verschleppten Kohleausstieg werden also die Emissionen unnötig hoch sein, obwohl gerade die Energiewirtschaft deutlicher ihre Emissionen senken müsste. Gerade wenn auch die anderen Sektoren wie Verkehr und Gebäude kaum in kurzer Zeit ihre Emissionen ausreichend mindern können.
Zudem: Der Ausbau erneuerbarer Energien muss deutlich schneller vorangetrieben werden, wollen wir nicht in eine Ökostrom- und Versorgungslücke laufen. Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, kommen wir nicht umhin, den Kohleausstieg zu beschleunigen. Aber auch die Sektoren Wärme und Verkehr müssen sehr viel mehr tun, um Emissionen zu senken.
Es bleibt also enorm viel zu tun: Die Emissionsminderungsziele müssen an die Vorgaben von Paris angepasst werden, was bedeutet, dass die Emissionen schneller sinken müssen als geplant. Da das Klimapaket in der jetzigen Form dies kaum ermöglichen wird, müssen die Kohlekraftwerke so schnell wie möglich vom Netz. Der Kohleausstieg ist also ein erster notwendiger Schritt. Parallel müssen die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut werden. Nur wenn dies gelingt, wird es endlich etwas mit dem Klimaschutz in Deutschland.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-8-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219341