DIW Wochenbericht 10 / 2020, S. 153-158
Christoph Breuning, Iuliia Grabova, Peter Haan, Felix Weinhardt, Georg Weizsäcker
get_appDownload (PDF 294 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 3.31 MB)
„Frauen neigen dazu, ihr tatsächliches Lohnsteigerungspotential zu unterschätzen. Insbesondere junge Akademikerinnen erwarten viel geringere Lohnzuwächse als die Befragten in der männlichen Vergleichsgruppe. Maßnahmen, mit denen es gelingt, die unterschiedlichen Erwartungshaltungen weiter anzugleichen, sollten auch den tatsächlichen Gender Pay Gap reduzieren.“ Iuliia Grabova, Studienautorin
Basierend auf Auswertungen repräsentativer Umfragedaten zeigt dieser Wochenbericht, dass sich Frauen und Männer in ihren Erwartungen über Lohnentwicklungen deutlich unterscheiden, vor allem bezüglich ihrer langfristigen Erwartungen (über zehn Jahre). Die stärksten geschlechtsspezifischen Unterschiede treten für die Gruppe der jungen Befragten mit hohem Bildungsabschluss auf, die geschlechtsübergreifend die höchsten Lohnzuwächse erwarten kann. Der gemessene Gender Gap in den Lohnerwartungen ist problematisch, da er die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der tatsächlichen Lohnentwicklung verstärken kann. Über den tatsächlichen Gender Pay Gap hinaus erwarten Frauen zusätzlich ein geringeres Lohnwachstum als Männer. Entscheidungen, die auf Grundlage dieser pessimistischen Erwartungshaltung getroffen werden, können die tatsächlichen Lohnunterschiede zementieren. Politische Lösungsansätze gegen den Gender Pay Gap sollten daher darauf abzielen, auch Diskrepanzen in den Gehaltserwartungen anzugleichen. Wenn junge Frauen beobachten, dass sich die Löhne und Gehälter ihrer Kolleginnen positiv entwickeln und mehr Führungspositionen von Frauen eingenommen werden, dürften sich auch ihre Erwartungen anpassen.
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt sind auch jenseits des Gender Pay Gaps enorm: Die Beschäftigungsquote von Frauen liegt in Deutschland 6,6 Prozentpunkte unter der von Männern,Bundesagentur für Arbeit (2018): Beschäftigungsquoten (Jahreszahlen und Zeitreihen) (online verfügbar, abgerufen am 29. Januar 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). 47,2 Prozent aller Frauen arbeiten in Teilzeit verglichen mit 9,9 Prozent bei Männern,Eurostat: Teilzeitbeschäftigung und befristete Arbeitsverträge – vierteljährliche Daten (online verfügbar). die Arbeitsstunden von Frauen liegen um 8,2 Stunden pro Woche unter denen von MännernStatistisches Bundesamt (2020): Arbeitszeitwünsche 2018: 2,2 Millionen Erwerbstätige wollen mehr arbeiten, 1,4 Millionen weniger. Pressemitteilung Nr. 020 vom 16. Januar 2020 (online verfügbar) und nur 9,3 Prozent aller Vorstände deutscher Börsenunternehmen in DAX, MDAX, SDAX und TecDAX sind weiblich.Anja Kirsch und Katharina Wrohlich (2020): Frauenanteile in Spitzengremien großer Unternehmen steigen – abgesehen von Aufsichtsräten im Finanzsektor. DIW Wochenbericht Nr. 4, 38–49 (online verfügbar). Es gibt zahlreiche Untersuchungen zu diesen Unterschieden und eine Vielzahl von Erklärungen. Beispielsweise werden Geschlechterunterschiede in Interessen, Präferenzen, Fähigkeiten und in der Risikobereitschaft genannt, sowie zusätzliche gesellschaftliche Faktoren wie fehlende Kinderbetreuung und Diskriminierung.Francine Blau und Lawrence Kahn (2017): The Gender Wage Gap: Extent, Trends, and Explanations. Journal of Economic Literature, 55 (3), 789–865 sowie Claudia Goldin, Sari Kerr, Claudia Olivetti und Erling Barth (2017): The Expanding Gender Earnings Gap: Evidence from the LEHD-2000 Census. American Economic Review, 107 (5), 110–114.
Bei allen Entscheidungen auf dem Arbeitsmarkt spielen jedoch auch Erwartungen eine große Rolle. Jede Frau und jeder Mann muss Erwartungen über den Lohn und dessen zukünftige Entwicklung bilden, wenn es um die Ausbildungs- oder Berufsentscheidung geht. Wie hoch ist mein Einkommen, wenn ich arbeite? Wie entwickelt sich mein Lohn, wenn ich in Teil- statt in Vollzeit beschäftigt bin? Wie steigt er an, wenn ich befördert werde?
Diese Fragen sind schwer zu beantworten – vor allem Fragen über die Lohnentwicklungen in der späteren Zukunft sind komplex und erfordern eine gute Vorstellungskraft. Verzerrte oder falsche Erwartungen hingegen können leicht Entscheidungen herbeiführen, die langfristig negative Auswirkungen haben. Beispielsweise kann eine Unterschätzung der Lohnentwicklung in einem bestimmten Beruf junge Menschen davon abhalten, eine für diesen Beruf vorbereitende Ausbildung zu beginnen. Für Personen, die bereits über eine solche Ausbildung verfügen, kann die Unterschätzung dazu führen, dass Menschen den Beruf verlassen und sich somit das Arbeitsangebot reduziert. Darüber hinaus kann die Unterschätzung eine zu gering gesteckte generelle Ambition im Beruf erzeugen sowie das Engagement bei Gehalts- und Beförderungsverhandlungen verringern. Umgekehrt kann eine zu optimistische Einschätzung der Lohnentwicklung die eigene Risikobereitschaft erhöhen oder zu Überschuldung führen. Die aktuelle Forschung im Bereich Gender Economics legt nahe, dass zumindest einige dieser Effekte zwischen Männern und Frauen stark unterschiedlich ausgeprägt sind.Vgl. Linda Babcock, Maria Recalde, Lise Vesterlund und Laurie Weingart (2017): Gender Differences in Accepting and Receiving Requests for Tasks with Low Promotability. American Economic Review, 107 (3), 714–747 sowie Linda Babcock und Julia Bear (2017): Gender Differences in Negotiation. In: Andrea Schneider und Christopher Honeyman (Hrsg.): Negotiator’s Desk Reference, DRI Press sowie Muriel Niederle (2016). Gender. In: John Kagel und Alvin Roth (Hrsg.): Handbook of Experimental Economics, Princeton University Press.
Eine quantitative Beurteilung der Relevanz dieser Argumente erfordert Messungen darüber, welche Erwartungen die aktuelle Population der (potentiellen) Arbeitnehmer Innen über ihre Löhne und deren Entwicklung haben und ob diese Erwartungen realistisch oder verzerrt sind. Eine mögliche Differenz in den Erwartungen und Fehleinschätzungen zwischen Männern und Frauen kann als Gender Gap in den Lohnerwartungen bezeichnet werden.
Um einen solchen Gender Gap identifizieren zu können, werden in diesem Wochenbericht Daten aus der Innovations-Stichprobe des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-IS) ausgewertet (Kasten).Dieser Wochenbericht basiert auf der Studie Christoph Breunig et al. (2019): Long-run Expectations of Households. CRC TRR 190 Discussion Paper No. 218 (online verfügbar), die durch den Sonderforschungsbereich Transregio 190 „Rationalität und Wettbewerb“ gefördert wurde.
Die Studie nutzt Daten aus der Innovations-Stichprobe des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-IS) David Richter und Jürgen Schupp (2015): The SOEP Innovation Sample (SOEP IS). Schmollers Jahrbuch: Journal of Applied Social Science Studies/Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 135 (3), 389–400.. Das SOEP-IS ist eine repräsentative Haushaltsbefragung der deutschen Bevölkerung, die neben sozioökonomischen Standardfragen separate Erhebungsmodule bietet, um bestimmte Forschungsbereiche näher zu untersuchen. Ab dem Jahr 2016 beinhaltet SOEP-IS ein Umfragemodul, das jährlich die kurzfristigen und langfristigen Lohnerwartungen von Einzel personen ermittelt. Ingesamt wurden 710 beschäftigten Personen unter 56 Jahren folgende Fragen gestellt:
Nehmen Sie an, Sie arbeiten auch in den kommenden Jahren weiter in Vollzeit/Teilzeit. Denken Sie bitte an Vollzeitjobs/Teilzeitjobs, die Sie mit Ihrer Qualifikation ausüben können.
Kurzfristig, also für ein Jahr nach der Befragung, gehen die Beschäftigten im Durchschnitt (Mittelwert) von einer positiven Lohnsteigerung von etwa sechs Prozent aus. Langfristig, für einen Zeitpunkt zehn Jahre nach der Befragung, erwarten sie einen Anstieg von etwa 32 Prozent im Vergleich zum aktuellen Lohn. Diese durchschnittlichen Werte werden jedoch durch einen relativ kleinen Anteil sehr optimistischer Personen wesentlich beeinflusst. Die Erwartungen am Median – also die „typischen“ Erwartungen, die oberhalb und unterhalb von jeweils der Hälfte der Beobachtungen liegen – fallen mit etwa zwei Prozent Wachstum nach einem Jahr und 18 Prozent Wachstum nach zehn Jahren deutlich geringer aus als der Durchschnitt (Abbildung 1).
Durchschnitt und Median weichen zu allen abgefragten Zeitpunkten deutlich voneinander ab. Ebenso lässt sich erkennen, dass zumindest die durchschnittlichen Erwartungen im Zeitverlauf deutlich unter einem linearen Wachstum liegen: Viele Personen erwarten also, dass ihre Löhne im Zeitverlauf immer weniger zunehmen.
Die erwarteten Lohnsteigerungen unterscheiden sich deutlich zwischen unterschiedlichen Gruppen (Abbildung 2). Insbesondere gehen weibliche Befragte im Vergleich zu den männlichen Befragten von einem geringeren Lohnwachstum aus. Kurzfristig erwarten Frauen im Durchschnitt einen Anstieg ihrer Löhne um knapp fünf Prozent, bei Männern liegt der vergleichbare Wert bei sieben Prozent. Noch deutlicher ist der Unterschied bei den Erwartungen über einen Zeithorizont von zehn Jahren: Frauen rechnen mit einem Anstieg von 26 Prozent, Männer hingegen mit einem Anstieg von 36 Prozent – der Unterschied beträgt also etwa zehn Prozentpunkte.
Diese Unterschiede können einerseits mit einer unterschiedlich optimistischen Erwartungsbildung zwischen Männern und Frauen, andererseits aber auch mit tatsächlichen Unterschieden in der Lohnentwicklung auf dem Arbeitsmarkt erklärt werden. Wie im ersten Bericht dieser Themenausgabe gezeigt wurde, unterscheiden sich die Löhne von Männern und Frauen deutlich, insbesondere die Löhne von Müttern und Vätern.Vgl. dazu in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts Annekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt stark mit dem Alter, Erwerbsbiografien von Männern und Frauen äußerst unterschiedlich. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137-145 (online verfügbar). Allerdings zeigen empirische Auswertungen für Deutschland,Vgl. Charlotte Lauer und Viktor Steiner (2000): Returns to education in West Germany: an empirical assessment. ZEW Discussion Papers Nr. 00–04 (online verfügbar) sowie Sandra Black und Alexandra Spitz-Oener (2007): Explaining Women´s Success: Technological Change and the Skill Content of Women´s Work. NBER Working Paper Nr. 13116 (online verfügbar). dass sich die Unterschiede im Lohnwachstum zwischen Frauen und Männern deutlich verringern, sobald Unterschiede in der Arbeitszeit, Berufswahl oder in der Ausbildung berücksichtigt werden.
Diese Beobachtungen legen nahe, dass auch unterschiedliche Einstellungen den Gender Gap in den Lohnerwartungen erklären können. Andere Befunde stützen diese Hypothese: Sowohl experimentelleFür einen Überblick vgl. Rachel Croson und Uri Gneezy (2009): Gender Differences in Preferences. Journal of Economic Literature, 47 (2), 448–74. als auch empirischeVgl. Brad Barber und Terrance Odean (2001): Boys will be Boys: Gender, Overconfidence, and Common Stock Investment. The Quarterly Journal of Economics, 116 (1), 261–292 sowie Lena Dahlbom, Adam Jakobsson, Niklas Jakobsson und Andreas Kotsadam (2011): Gender and overconfidence: are girls really overconfident? Applied Economics Letters, 18 (4), 325–327. Studien zeigen, dass Erwartungen von Frauen in vielen Fällen pessimistischer sind als die von Männern und Frauen sich und ihre Fähigkeiten oft unterschätzen. Männer dagegen überschätzen sich häufiger. Weitere Studien zeigen, dass sich Individuen mit hohem Selbstvertrauen häufiger für kompetitiv gestaltete Schul- oder Studienprogramme entscheiden. Diese Untersuchungen legen also nahe, dass sich der beobachtbare Gender Gap in den Lohnerwartungen direkt auf die zukünftigen Berufschancen von Männern und Frauen auswirkt.Vgl. Thomas Buser, Muriel Niederle und Hessel Oosterbeeck (2014): Gender, Competitiveness, and Career Choices. The Quarterly Journal of Economics, 129 (3), 409–1447.
Neben dem Geschlecht unterscheiden sich die Erwartungen auch nach anderen Merkmalen. Beispielsweise rechnen jüngere Befragte mit einem deutlich höheren Lohnanstieg als Menschen, die älter als 45 Jahre alt sind. Das gilt sowohl kurz- als auch langfristig. Diese altersspezifischen Unterschiede reflektieren eine einfache empirische Wahrheit: Lohnsteigerungen fallen zu Beginn der Karriere deutlich höher aus als am Ende des Arbeitslebens.
Zudem variieren die Lohnerwartungen nach Bildungsniveau. Menschen mit einem Hochschulabschluss haben deutlich höhere Lohnerwartungen als Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss. Diese hohen Erwartungen spiegeln die Tatsache wider, dass die Verdienstmöglichkeiten für AkademikerInnen deutlich höher sind als für Menschen ohne universitäre Ausbildung.OECD (2019): Education at a Glance 2019: OECD Indicators. OECD Publishing, Paris (online verfügbar). Eine wichtige Ursache für die voneinander abweichenden Lohnerwartungen sind die Unterschiede in den Lohnstrukturen der Betriebe und Branchen, die abhängig vom Bildungsabschluss für die ArbeitnehmerInnen wählbar sind.
Die Erwartungsunterschiede zwischen den Personengruppen mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen können vor allem auf die Gruppe von Männern unter 35 Jahren zurückgeführt werden. Die Daten zeigen, dass junge und hochschulgebildete Männer im Vergleich zu Männern ohne Hochschulabschluss eine doppelt so hohe Steigerung des monatlichen Bruttoverdienstes erwarten (83 gegenüber 42 Prozent, gemessen an den Erwartungen in zehn Jahren, Abbildung 3). Überraschend ist, dass dies bei Frauen überhaupt nicht der Fall ist. Die langfristigen Lohnerwartungen junger Frauen mit Hochschulabschluss unterscheiden sich nicht wesentlich von den Erwartungen junger Frauen ohne Hochschulabschluss (38 gegenüber 41 Prozent, ebenfalls gemessen an den Erwartungen in zehn Jahren). Das ist bemerkenswert, weil sich der tatsächliche Lohnzuwachs für beide Geschlechter deutlich nach Bildung unterscheidet.Siehe OECD (2019), a.a.O. Für die in diesem Wochenbericht untersuchten Gruppen enthält die Studie Breunig et al. (2019), a.a.O., eine relevante Gegenüberstellung zwischen Erwartungen und tatsächlicher Entwick lung: Junge deutsche Frauen mit Hochschulabschluss erwarten im Durchschnitt ein Lohnwachs tum von lediglich 21 Prozent über den Zeitraum von 10 Jahren. Der empirische Mittelwert tatsäch licher Lohnentwicklungen für diese Gruppe, im Zeitraum 2004 bis 2014, war ein Wachstum von 64 Prozent, also mehr als dreimal so hoch wie die Erwartungen.
Erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei den erwarteten Verdiensten junger Menschen sind übrigens nicht nur ein deutsches Phänomen. Eine Studie, die die Erwartungen von französischen HochschulstudentInnen hinsichtlich ihres Einkommens in zehn Jahren nach Abschluss analysiert, stellt einen Gender Gap von 20 Prozent fest.Claire Bonnard und Jean-Francois Giret (2016): Gender differences in French undergraduates’ academic plans and wage expectations. Gender and Education, 28 (4), 581–598.
Erwartungen über Löhne und die Lohnentwicklung können wichtige Entscheidungen auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. In diesem Wochenbericht wird auf Basis von für deutsche Haushalte repräsentativen Daten gezeigt, dass Frauen vor allem in der langen Frist (nach zehn Jahren) deutlich geringere Lohnzuwächse erwarten als Männer. Dieser Gender Gap in den Lohnerwartungen kann Bildungs- und Arbeitsmarktentscheidungen beeinflussen. Damit trägt er dazu bei, dass es nach wie vor deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt gibt. Die Auswertungen zeigen zudem, dass insbesondere junge Frauen mit hohem Bildungsabschluss ihre Einkommensentwicklung sehr pessimistisch einschätzen, obwohl diese Gruppe generell hohe Lohnzuwächse erwarten kann. Diese niedrigen Lohnerwartungen von Frauen sind konsistent mit den Ergebnissen anderer Studien zu den Unterschieden zwischen Männern und Frauen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass bei gleichen Fähigkeiten nicht nur das Selbstbewusstsein von Frauen geringer ausfällt als bei Männern, sondern dass sie auch seltener kompetitive Umgebungen wählen.
Die festgestellten geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Lohnerwartung legen nahe, dass zusätzlich zu den bisher diskutierten Reformen zur Stärkung der Position der Frauen, etwa die Abschaffung des Ehegattensplittings, weitere Maßnahmen hilfreich wären. Beispielsweise sollten junge Menschen rechtzeitig vor ihren Ausbildungs- und Berufsentscheidungen eine umfassendere Aufklärung über den Arbeitsmarkt erhalten, insbesondere hinsichtlich relevanter Informationen über spätere Verdienstmöglichkeiten. Solche Informationen sollten auch während des weiteren beruflichen Werdegangs vermittelt werden. Eine verbesserte Informationspolitik darf sich jedoch nicht auf die reine Übermittlung von empirischen Befunden beschränken. Ebenfalls von Bedeutung sind Vorbilder und die Darstellung positiver Entwicklungen. Wenn junge Frauen beobachten, dass sich die Karrieren ihrer Kolleginnen positiv entwickeln, etwa indem mehr Führungspositionen von Frauen eingenommen werden oder sich unbegründete geschlechtsspezifische Lohnunterschiede verringern, dürften sich auch die Erwartungen von Frauen und Männern angleichen. So kann eine Arbeitsmarktpolitik, die die Position der Frauen stärkt, zusätzliche positive Rückkopplungseffekte haben.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Gender, Familie, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: D63;D83;I24;J31
Keywords: Long-run expectations, biased beliefs, returns to education, Gender Gap
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-10-4
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219348