DIW Wochenbericht 40 / 2021, S. 667-673
Johannes Geyer, Markus M. Grabka, Peter Haan
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„Die Riester-Rente hat Schwierigkeiten, ihre wichtigste Zielgruppe zu erreichen. Diejenigen, die sie am meisten brauchen, weil sie von Altersarmut bedroht sind, nutzen sie nur selten. Wenn die Riester-Rente ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge in Deutschland sein will, ist eine umfassende Reform notwendig.“ Peter Haan
Vor 20 Jahren wurde im Zuge der Rentenreform 2001 die Einführung der Riester-Rente beschlossen: Die Riester-Rente sollte ein wesentlicher Baustein des Alterssicherungssystems in Deutschland werden und das sinkende Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung mindestens ausgleichen. Daten, die im Rahmen des Sozio-oekonomischen Panels erhoben wurden, zeigen, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht wurde. Die Verbreitung der Riester-Rente stagniert seit zehn Jahren bei etwa 25 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Ein Großteil der Haushalte wird also nicht erreicht. Aus sozialpolitischer Sicht ist es besonders problematisch, dass es eine starke Ungleichheit in der Verbreitung gibt, die sich über die Zeit noch verstärkt hat. Im Jahr 2020 hatten nur etwa 13 Prozent der Personen im untersten Einkommensquintil einen Riester-Vertrag im Vergleich zu knapp 32 Prozent im obersten Quintil. Bei den RentenbezieherInnen zeigt sich, dass die Riester-Rente gemessen an allen eigenen Alterseinkommen mit einem Anteil von etwa fünf Prozent bisher nur eine geringe Bedeutung für die Lebensstandardsicherung hat. Die Riester-Rente muss grundlegend reformiert werden, wenn sie ein wesentlicher Baustein des Alterssicherungssystems in Deutschland sein soll. Eine Möglichkeit wäre es, die private Altersvorsoge über einen verpflichtenden staatlichen Vorsorgefonds zu organisieren in Anlehnung an das schwedische Modell eines standardisierten Altersvorsorgeprodukts mit geringen Bürokratiekosten. Dabei muss jedoch garantiert werden, dass die obligatorischen Beiträge auch geleistet werden können, wenn Menschen nur über geringe Einkommen verfügen oder arbeitslos sind.
Vor 20 Jahren beschloss die Bundesregierung die sogenannte Riester-Rente. Mit diesem Instrument sollte die private Altersvorsorge durch Zuschüsse und steuerliche Vorteile gefördert werden. Laut Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) stagniert die Verbreitung von Riester-Verträgen in den letzten zehn Jahren allerdings bei rund 16 Millionen Verträgen. Zudem wird schätzungsweise ein Fünftel der Verträge nicht mehr aktiv bespart.Deutscher Bundestag (2020): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP „Zukunft der Riester-Rente und der Beitragsgarantie bei Lebensversicherungen“. Bundestagsdrucksache Nr. 19/25586 (22. Dezember 2020). Damit ist die Verbreitung deutlich hinter den Erwartungen geblieben. Die scheidende Bundesregierung war 2018 mit dem Versprechen gestartet, die Riester-Rente grundlegend zu reformieren, um wieder mehr Dynamik in diese Form der Altersvorsorge zu bringen.Vgl. der Koalitionsvertrag auf der Webseite der Bundesregierung (, abgerufen am 4. Oktober 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Ein entsprechender Gesetzgebungsprozess kam jedoch nicht zustande und die Verbreitung der Riester-Rente stagniert weiterhin. In den kommenden Koalitionsverhandlungen könnte sie daher wieder ein Thema sein.
Seit Einführung der Riester-Rente zum 1. Januar 2002 steht diese Form der staatlichen geförderten privaten Altersvorsorge in der Kritik.Vgl. für eine Übersicht zum Beispiel die Beiträge in Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 2/2012 (online verfügbar). So werden beispielsweis die hohen Verwaltungs- und Abschlusskosten und die Intransparenz der Verträge kritisiert. Positive Renditen bringen viele Produkte nur durch die staatliche Förderung, die bei den etwa elf Millionen geförderten Personen rund vier Milliarden Euro im Jahr 2018 betrug.Vgl. Informationen auf der Webseite des Bundesministeriums für Finanzen, das regelmäßig statistische Auswertungen zur Förderung erstellt (online verfügbar). Auf der anderen Seite klagen die Anbieter über restriktive Garantiebedingungen im Niedrigzinsumfeld. Zum Jahreswechsel 2021/2022 droht für Neuverträge das finanzielle Aus, da der sogenannte HöchstrechnungszinsDer Höchstrechnungszins wird durch das Bundesfinanzministerium vorgegeben und legt den Zinssatz fest, den ein Versicherer bei der Berechnung von Rückstellungen höchstens ansetzen darf. Je geringer dieser Zinssatz ist, desto schwieriger ist es für Versicherer, die in der Riester-Rente zugesicherte Beitragsgarantie zu erreichen, nach der die eingezahlten Beträge wieder mindestens an den Kunden zurückgezahlt werden müssen. für Lebensversicherungen von aktuell 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent sinkt. Mit diesem vorgegebenen Zinssatz ist die vollständige Beitragsgarantie in der Riester-Rente kaum noch zu erfüllen. Im Ergebnis dürften sich verschiedene Anbieter aus dem Neukundengeschäft zurückziehen. So hat beispielsweise der Vermögensverwalter DWS angekündigt, zum 1. Juli 2021 keine neuen Riester-Verträge mehr abzuschließen.Pressemitteilung der DWS vom 17. Juni 2021: DWS stellt Riester-Neugeschäft ein und setzt auf garantiefreie Produktlösungen (online verfügbar). Auch die Stuttgarter Versicherung hat angekündigt, ihr Neukundengeschäft bei Riester-Verträgen zum 1. August 2021 einzustellen.
Aber auch aus sozialpolitischer Sicht wird die Riester-Rente kritisiert. Da die Riester-Rente nicht verpflichtend eingeführt wurde, besteht eine Selektionsgefahr, die privaten Versicherungsmärkten inhärent ist: Menschen, die von geringem Einkommen im Alter bedroht sind und besonders von einer zusätzlichen Rente profitieren könnten, schließen keinen Riester-Vertrag ab. Ziel der vorliegenden Studie ist daher, die Charakteristika von Riester-SparerInnen zu beschreiben und aufzuzeigen, welche Faktoren den Zugang zur Riester-Rente einschränken.Vgl. auch frühere Publikationen des DIW Berlin zum Thema: Johannes Geyer (2011): Riester-Rente: Rezept gegen Altersarmut? DIW Wochenbericht Nr. 45, S. 16–21 (online verfügbar). Darüber hinaus können knapp 20 Jahre nach Einführung der Riester-Renten auch die Verteilung und die Charakteristika der Riester-BezieherInnen unter den RentnerInnen untersucht werden. Datengrundlage für die Analysen bilden die Informationen des am DIW Berlin angesiedelten Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird; vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360 (online verfügbar)., die in Zusammenarbeit mit Kantar erhoben wurden.
Laut Angaben des SOEP besitzen im Jahr 2020 rund 12,9 Millionen Personen einen Riester-Rentenvertrag (Tabelle). Dies entspricht einem Anteil von 25,3 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (17 bis einschließlich 65 Jahre). Im Vergleich zu den Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), die 16,4 Millionen Verträgen angeben, wird in den SOEP-Daten eine etwas geringere Zahl von Verträgen berichtet. Dies kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass in den Angaben des BMAS die Zahl der Verträge gezählt wird, eine Person aber mehrere solcher Verträge halten kann. Zum anderen dürften Befragte, die einen Riester-Vertrag nicht mehr aktiv besparen, eher vergessen, diesen bei einer entsprechenden Frage anzugeben. Zudem könnte es sein, dass Personen, die die Kriterien für eine staatliche Förderung zum Zeitpunkt der Befragung nicht erfüllen, ihren Vertrag nicht angeben.Deswegen ist es auch nicht überraschend, dass die Zahl der tatsächlich geförderten Personen unter der Zahl der Verträge im Versicherungsbestand liegt. Laut Bundesministerium der Finanzen (BMF) wurden in den Jahren 2016 bis 2019 nur ungefähr elf Millionen Personen durch Zulagen und/oder Steuerentlastung gefördert.
Merkmale | Anteil |
---|---|
Gesamt (Anteil) | 25,3 |
Geschlecht | |
Männer | 22,6 |
Frauen | 28,0 |
Zahl der Kinder im Haushalt | |
0 | 21,5 |
1 | 29,6 |
2 | 38,4 |
3 und mehr | 38,1 |
Altersgruppen | |
bis 25 | 9,0 |
26 bis 35 | 23,3 |
36 bis 45 | 33,9 |
46 bis 55 | 32,4 |
56 bis 65 | 20,9 |
Familienstand | |
verheiratet | 30,9 |
ledig | 18,8 |
geschieden | 21,9 |
verwitwet | 14,7 |
Region | |
Westdeutschland | 25,0 |
Ostdeutschland | 26,6 |
Migrationshintergrund | |
kein | 28,4 |
direkt | 14,7 |
indirekt | 18,2 |
Wohnform | |
EigentümerInnen | 30,6 |
MieterInnen | 20,3 |
Bildungsniveau | |
ohne | 11,0 |
Lehre | 25,9 |
Fachhochschule | 36,2 |
Uni | 27,1 |
Zahl der Jahre in Arbeitslosigkeit | |
0 Jahre | 26,3 |
bis 1 Jahr | 29,1 |
mehr als 1 bis 2 Jahre | 24,3 |
mehr als 2 bis 5 Jahre | 17,0 |
mehr als 5 Jahre | 13,6 |
Dezile des Bruttoerwerbseinkommens | |
1. Dezil | 16,6 |
2. | 24,7 |
3. | 27,3 |
4. | 28,8 |
5. | 32,6 |
6. | 31,9 |
7. | 32,1 |
8. | 29,9 |
9. | 29,6 |
10. Dezil | 32,7 |
Gesamt (absolut, in Millionen Personen) | 12,9 |
Quelle: SOEP-Core v36 sowie vorläufige Daten aus 2020. Personen in Privathaushalten im erwerbsfähigen Alter von 17 bis 65 Jahren.
Frauen haben mit 28 Prozent häufiger einen Riester-Vertrag abgeschlossen als Männer (rund 23 Prozent). Dies ist mit der Förderstruktur des Instruments zu erklären (Kasten), da die Kinderzulagen den Abschluss eines Vertrages attraktiver machen und häufiger von Frauen genutzt werden. Entsprechend steigt auch der Anteil der Riester-SparerInnen mit der Zahl der Kinder. Junge Erwachsene bis 25 Jahren weisen eine geringe Quote auf, da sie sich häufig noch in Ausbildung befinden. Die höchste Quote mit rund einem Drittel wird für die Altersgruppen der 36- bis 55-Jährigen erreicht. In der ältesten Altersgruppe (56-65 Jahre) sinkt der Anteil der Riester-SparerInnen wieder auf gut 21 Prozent ab. Da ledige Personen häufig eher jünger sind, ist ihre Quote mit rund 19 Prozent ebenfalls unterdurchschnittlich. Aber auch Geschiedene und Verwitwete weisen eine unterdurchschnittliche Abschlussquote auf. Nach Region gibt es kaum Unterschiede. Anders verhält es sich mit dem Migrationshintergrund: Personen mit direktem Migrationshintergrund nutzen mit rund 15 Prozent deutlich seltener Riester-Verträge als die autochthone Bevölkerung (28 Prozent).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht regelmäßig Daten über die Entwicklung der geförderten Altersvorsorge. Seit 2012 liegt ihre Zahl bei ungefähr 16 Millionen, seit 2017 geht der Bestand leicht zurück. Das Bundesministerium schätzt, dass rund ein Fünftel der Verträge ruhend gestellt wurden, das heißt, es werden keine Beiträge geleistet.Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Verträge wird auch gekündigt, siehe dazu Michael Ziegelmeyer und Julius Nick (2013): Backing out of Private Pension Provision: Lessons from Germany. Empirica 40 (3): 505–539 (online verfügbar).
Nicht alle Menschen sind zu jedem Zeitpunkt förderberechtigt. Da aber gut 89 Prozent der Bevölkerung Anwartschaften an die gesetzliche Rentenversicherung hat, ist ein Großteil der Bevölkerung auf ergänzende Altersvorsorge angewiesen.Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2020 gemäß § 154 Abs. 2 SGB VI (Alterssicherungsbericht 2020), S. 15. Für die Untersuchung wurde auf Basis der SOEP-Daten nicht versucht zu ermitteln, welche Personen zum Zeitpunkt der Befragung nach § 10a EStG förderberechtigt waren.Dazu gehören unter anderem pflichtversicherte ArbeitnehmerInnen in der gesetzlichen Rentenversicherung, BeamtInnen, ErwerbsminderungsrentnerInnen, Auszubildende, nichterwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, Mini-JobberInnen mit Verzicht auf die Versicherungsfreiheit, Wehr- und Zivildienstleistende, pflichtversicherte Selbständige, BezieherInnen von AlG I beziehungsweise AlG II. Außerdem sind deren EhepartnerInnen förderberechtigt. Für eine Abschätzung dieses Personenkreises auf Basis früherer Daten siehe Stephan Fasshauer und Nora Toutaoui (2009): Die Anzahl des förderberechtigten Personenkreises der Riester-Rente – eine Annäherung. Deutsche Rentenversicherung 64(6): 478–86.
Die Förderung der Riester-Renten besteht aus direkten Zulagen und Steuergutschriften. Sie sieht eine jährliche Grundzulage von 175 Euro vor (seit 2018). Für Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld besteht, gibt es eine Zulage von 185 Euro (geboren bis 31. Dezember 2007) beziehungsweise 300 Euro (geboren ab dem 1. Januar 2008). Der Mindesteigenbeitrag beträgt vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Einkommens des Vorjahres, höchstens jedoch 2100 Euro (inklusive der Zulage). Zudem gibt es eine Zulage von 200 Euro vor Erreichen des 25. Lebensjahres bei Abschluss eines Neuvertrags (geboren ab dem 1. Januar 1983). Weiterhin müssen mindestens 60 Euro im Jahr selbst geleistet werden, um die Zulagen zu erhalten.
Die Riester-Rente wird nachgelagert besteuert.Wird Grundsicherung im Alter und gleichzeitig eine Riester-Rente bezogen, so gilt derzeit ein Freibetrag für die Riester-Rente von 100 Euro pro Monat zuzüglich 30 Prozent des übersteigenden Betrags. Maximal beträgt der Freibetrag 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1, so dass Einkommen aus einer Riester-Rente nur oberhalb dieses Schwellenwerts voll auf die Grundsicherung angerechnet wird. Beiträge und Zulagen können als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Es findet dann eine Günstigerprüfung von Zulagenanspruch und Sonderausgabenabzug statt.
Um die volle Zulage zu erhalten, muss der Mindesteigenbeitrag geleistet werden. Auswertungen des BMF für das Jahr 2017 zeigen, dass etwa 52 Prozent der geförderten Personen ihre Zulage vollständig erhalten, ungefähr 20 Prozent erhalten weniger als 50 Prozent der Zulage.Vgl. Informationen auf der Webseite des Bundesministeriums für Finanzen (online verfügbar).
Im Hinblick auf das Bildungsniveau zeigt sich, dass vor allem Personen mit einem Fachhochschulabschluss Riester-Renten abschließen – etwa 36 Prozent. Je höher die berufliche Position, desto häufiger wird ein Riester-Vertrag gehalten. So haben beispielsweise 42 Prozent der Angestellten mit umfassenden Führungsaufgaben einen Riester-Vertrag – aber nur elf Prozent der ungelernten ArbeiterInnen. Unter Arbeitslosen liegt die Verbreitung bei nur zehn Prozent. Zudem sinkt unter ihnen die Quote der Riester-SparerInnen mit der Länge der Arbeitslosigkeit. Das deutet darauf hin, dass die Höhe des Einkommens die Verbreitung wesentlich erklärt. Dies spiegelt sich auch mit Blick auf die Höhe des laufenden Bruttoerwerbseinkommens aus einer Haupttätigkeit wider. Unterteilt nach DezilenDas unterste Dezil gibt die Einkommenssituation der ärmsten zehn Prozent der Erwerbstätigen an. ist erkennbar, dass GeringverdienerInnen unterdurchschnittlich häufig Riester-SparerInnen sind. Ab dem fünften Dezil liegt die Quote der Riester-SparerInnen bei etwa einem Drittel. Zudem finden sich auch Unterschiede nach der Wohnsituation: EigentümerInnen einer selbstgenutzten Immobilie besitzen mit knapp 31 Prozent deutlich häufiger einen Riester-Vertrag als MieterInnen (20 Prozent).
Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wie sich der Anteil der Riester-SparerInnen nach der Einkommensposition über die Zeit entwickelt hat. Hierzu wird das bedarfsgewichteteVgl. auch den Begriff „Äquivalenzeinkommen“ im DIW Glossar (online verfügbar). Haushaltsnettoeinkommen anstatt des Bruttoerwerbseinkommens herangezogen, da ersteres die finanzielle Lage eines Haushalts besser beschreibt. Zudem ist zu beachten, dass auch Personen ohne einen aktuellen Lohn mittels Riester-Rente für das Alter vorsorgen können. Betrachtet werden die Jahre ab 2004, dem ersten Jahr, in dem Informationen zu Riester-Verträgen im SOEP erhoben werden. Es werden Quintile des Haushaltsnettoeinkommens ausgewiesen. Diese erhält man, wenn man die Bevölkerung nach der Höhe des Einkommens sortiert und in fünf Gruppen gleicher Größe einteilt. Das erste Quintil beschreibt die Einkommenssituation der einkommensschwächsten 20 Prozent der Bevölkerung.
Nach der Einführung der Riester-Rente zum 1. Januar 2002 entwickelte sich für alle Einkommensgruppen eine spürbare Dynamik. Zwischen 2004 und 2010 hat sich der Anteil der Riester-SparerInnen insgesamt von knapp acht auf 25 Prozent mehr als verdreifacht. Seitdem stagniert der Anteil der Riester-SparerInnen jedoch auf diesem Niveau (Abbildung 1).Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Stagnation des Gesamtmarktes der Verträge wider (Kasten). Jedoch gab es schon von Beginn an große Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen. Denn je niedriger die Einkommensposition ist, desto geringer ist der Anteil der Riester-SparerInnen. Dieses Muster hat sich über die Zeit deutlich verstärkt. 2020 betrug die entsprechende Quote nur noch etwa 13 Prozent im untersten Quintil im Vergleich zu knapp 32 Prozent im obersten Quintil.Dieses Ergebnis bestätigt frühere Untersuchungen. Vgl. dazu Johannes Geyer (2012): Riester-Rente und Niedrigeinkommen: was sagen die Daten? Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung/Quarterly Journal of Economic Research 81(2), 165–180; Johannes Geyer und Viktor Steiner (2009): Zahl der Riester-Renten steigt sprunghaft – aber Geringverdiener halten sich noch zurück. Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 32, 534–541. Die vorliegenden Befunde zeigen zum einen, dass die Verbreitung der Riester-Rente mit gerade einmal einem Viertel an der erwerbsfähigen Bevölkerung weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben ist und damit die sich aufgetanen Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht annähernd schließen kann. Zum anderen zeigt sich das sozialpolitische Problem, dass gerade niedrige Einkommensgruppen die staatlich geförderte Altersvorsorge kaum wahrnehmen, obwohl bei dieser Bevölkerungsgruppe ein dringender Handlungsbedarf besteht, um künftiger Altersarmut zu begegnen.
Seit Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 sind knapp 20 Jahre vergangen, in denen mit dieser Sparform für das Alter vorgesorgt werden konnte. Daher lohnt sich auch ein Blick auf diejenigen Personen, die bereits eine Riester-Rente beziehen. Noch ist der Bestand an Riester-Renten relativ klein. Im Jahr 2020 bezogen nach Angaben des SOEP hochgerechnet rund 300000 Personen eine Rente aus einem Riester-Vertrag. Deren durchschnittliche monatliche Bruttorente aus dem Riestervertrag belief sich auf 83 Euro (Abbildung 2). Der Wert des MedianDer Median ist der Einkommenswert, der die reichere Hälfte von der ärmeren trennt. Vgl. Definition des Begriffs „Medianeinkommen“ im DIW Glossar (online verfügbar). fällt mit 60 Euro pro Monat geringer aus. Auch bei der Gruppe der RentenbezieherInnen sind Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen erkennbarDieser ist insofern erwartbar, da die eigenen Beiträge zur Riester-Rente sich an der Höhe des früheren Bruttoeinkommens orientieren und damit die frühere Einkommenshierarchie widerspiegeln., da im ersten Einkommensquintil nur eine Rente in Höhe von etwas mehr als 50 Euro, im obersten Quintil dagegen mehr als 100 Euro aus einer Riester-Rente bezogen werden. Dies spiegelt sich auch beim Bildungsniveau, da RentenbezieherInnen ohne beruflichen Bildungsabschluss nur knapp 40 Euro Riester-Rente erhalten gegenüber rund 80 Euro bei denen mit einem formalen Bildungsabschluss. Männer erhalten mit rund 100 Euro annähernd doppelt so hohe Riester-Renten wie Frauen mit einem Wert von 55 Euro.Vgl. zum Gender Pension Gap Christian Westermeier et al. (2017): Veränderung der Erwerbs- und Familienbiografien lässt einen Rückgang des Gender Pension Gap erwarten. DIW Wochenbericht Nr. 12, S. 235–243 (online verfügbar). Unterschieden nach Region zeigt sich, dass in Ostdeutschland die Bruttorente aus einem Riester-Vertrag mit rund 90 Euro leicht höher liegt als in Westdeutschland mit rund 80 Euro. Bezüglich der Wohnform finden sich keine relevanten Unterschiede.
Von Interesse ist auch, wie hoch der Anteil der Riester-Rente an allen eigenen Alterseinkommen ist. Diese Quote liegt gemessen am Mittelwert gerade einmal bei rund fünf Prozent – gemessen am Median sogar nur bei vier Prozent. Das bedeutet, dass die Riester-Rente bei den heutigen RentnerInnen bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt und damit die Lücken des rückläufigen Versorgungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung kaum schließen kann. Für kommende RentnerInnen wird die Bedeutung der Riester-Rente zwar steigen, da längere Ansparphasen als bei den heutigen Riester-RentnerInnen vorliegen werden, jedoch zeigen die Analysen zu den abgeschlossenen Verträgen (Tabelle und Abbildung 1), dass das nicht für alle RentnerInnen gelten wird. Insbesondere werden RentnerInnen, die über längere Zeit arbeitslos waren, nur niedrige Bildungsabschlüsse erzielt haben, alleinstehend waren oder geringe Einkommen erzielt haben, kaum Ansprüche an die Riester-Rente haben.Ein großer Teil der SparerInnen spart zudem so geringe Beiträge, dass die staatlichen Zuschüsse nicht vollständig abgerufen werden können. Diese Gruppen haben in der Regel auch geringere Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung und sind im besonderen Maße von Altersarmut bedroht.
Zwanzig Jahre nach dem Start in das Mehrsäulensystem der Alterssicherung muss festgestellt werden, dass die Ziele der Riester-Rente nicht erreicht wurden – und wertvolle Zeit für eine Reform verstrichen ist. Die Riester-Rente war ursprünglich als wesentlicher Baustein des Alterssicherungssystems in Deutschland konzipiert. Die hohen Erwartungen an die private Vorsorge wurden jedoch nicht erfüllt. Die Verbreitung liegt laut SOEP nur bei etwa 25 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Ohne die staatliche Förderung von immerhin vier Milliarden Euro pro Jahr wäre die Verbreitung wohl noch deutlich geringer. Im Vergleich zu anderen privaten Vorsorgeprodukten ist die Anzahl der Riester-Verträge sicherlich hoch, aber das sollte nicht das Erfolgskriterium sein. Berücksichtigt man die Funktion der Riester-Rente, nämlich die gesetzliche Rentenversicherung so zu ergänzen, dass eine Lebensstandardsicherung möglich bleibt, müsste die Verbreitung eher bei 90 Prozent liegen, denn so hoch liegt der Anteil mit Menschen, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen.
Wie zu erwarten stellen sich auch bekannte selektive Muster auf dem Versicherungsmarkt ein. Menschen mit höherem Einkommen und höherer Bildung finden einen einfacheren Zugang zu diesem Markt und schließen häufiger Vorsorgeverträge ab, was auch der steuerlichen Absetzbarkeit geschuldet ist, die bei höheren Einkommen attraktiver ist.Giacoma Corneo, Johannes König und Carsten Schröder (2018): Distributional Effects of Subsidizing Retirement Savings Accounts: Evidence from Germany. FinanzArchiv 74(4), 415–445. Umgekehrt ist es bei Menschen mit langen Phasen der Arbeitslosigkeit, geringer Bildung und geringem Einkommen. Diese profitieren zwar besonders von der staatlichen Förderung, dennoch haben sie deutlich seltener Riester-Verträge abgeschlossen und somit wird auch nur ein kleiner Teil aus diesem Personenkreis Auszahlungen in der Rentenphase bekommen. Diese Gruppen haben in der Regel auch geringere Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung als auch an die betriebliche Altersversorgung und sind damit im besonderen Maße von Altersarmut bedroht. Das ist ein zentrales Problem für die Sozialpolitik, das in den kommenden Jahren noch größer werden wird.Das Risiko für Altersarmut wird in den kommenden Jahren deutlich zunehmen, siehe u.a. Johannes Geyer at al. (2019): Anstieg der Altersarmut in Deutschland: Wie wirken verschiedene Rentenreformen? Gütersloh (online verfügbar). Die Riester-Rente muss also auch vor dem Hintergrund, dass erste Anbieter sich aus dem Neukundengeschäft zurückziehen, grundlegend reformiert werden, wenn sie ein wesentlicher Baustein des Alterssicherungssystems in Deutschland sein soll. Eine Möglichkeit wäre es, die private Altersvorsoge über einen verpflichtenden staatlichen Vorsorgefonds zu organisieren in Anlehnung an das schwedische Modell eines standardisierten Altersvorsorgeprodukts mit geringen Bürokratiekosten. Dazu liegen bereits zahlreiche Vorschläge der verschiedenen Parteien auf dem Tisch. Bei den Vorschlägen zu einem verpflichtenden kapitalgedeckten Vorsorgesystem sind jedoch wichtige sozialpolitische und auch organisatorische Fragen zu klären. Insbesondere muss garantiert werden, dass die obligatorischen Beiträge auch geleistet werden können, wenn Menschen nur geringe Einkommen haben oder arbeitslos sind. Hier könnte der Staat eingreifen und die Beiträge übernehmen oder subventionieren, ähnlich wie die Arbeitslosenversicherung auch die Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitslosen zahlt oder die Riester-Förderung Haushalte mit geringen Einkommen unterstützt. Alternativ werden auch Opt-out-Regeln (also die Möglichkeit, sich bei einer verpflichtenden Versicherung auf eigenen Wunsch von der Versicherungspflicht befreien lassen zu können) diskutiert, jedoch besteht hier die Gefahr, dass sich vor allem Menschen, die später auf die private Rente angewiesen sind, rausoptieren und somit in der Rentenphase keine Ansprüche haben. Sollte die Frage der Beiträge von Menschen mit geringen Einkommen geklärt werden können, könnte ein solcher staatlicher Vorsorgefonds einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Alterssicherungssystems in Deutschland leisten.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Rente und Vorsorge
JEL-Classification: J32
Keywords: Private retirement provision, Riester pension, SOEP
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-40-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/245820