DIW Wochenbericht 46 / 2022, S. 595-605
Karsten Schulz-Sandhof, Jürgen Schupp
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„Obwohl die ärmeren Haushalte in Deutschland einen höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens spenden als die einkommensstärksten Haushalte, werden sie steuerlich benachteiligt. Ein einheitlicher Abzug von der Steuerschuld könnte dieser Ungleichbehandlung entgegenwirken.“ Jürgen Schupp
Die regelmäßige Haushaltsbefragung des SOEP zum Spendenverhalten hat sich im Jahr 2020 erstmals auch an eine Zufallsstichprobe von Hochvermögenden gerichtet, die im Jahr zuvor in das SOEP aufgenommen wurden. Bei Einbeziehung der Hochvermögenden erhöht sich das private Spendenvolumen im Berichtsjahr 2019 von 9,7 auf 10,3 Milliarden Euro, obwohl insgesamt weniger Menschen spenden als im Jahr 2017 und die Quote von 46,8 auf 43,3 Prozent sinkt. Im Jahr 2021 steigt das Spendenvolumen unter Fortschreibung auf Grundlage des DZI Spenden-Index auf 12,9 Milliarden Euro. Die Analysen der SOEP-Daten zeigen einen klaren Einfluss der Höhe des Einkommens auf die Spendentätigkeit. Die einkommensstärksten zehn Prozent der Haushalte bringen zwar 37 Prozent des gesamten Spendenaufkommens auf. Relativ zu ihrem verfügbaren Einkommen spenden sie allerdings weniger als die unteren Einkommensgruppen. Jedoch ist die steuerliche Begünstigung bei niedrigen Einkommen weitaus geringer als bei hohen, da sie sich nach dem Grenzsteuersatz richtet. Eine steuerliche Gleichbehandlung könnte die Spendenbereitschaft erhöhen.
Das Spenden von Geld für gemeinnützige Zwecke ist ein wichtiges Zeichen der gesellschaftlichen Solidarität. Die Teilnehmer*innen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 jährlich in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird, vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360 (online verfügbar, abgerufen am 12. November 2022. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). werden seit 2010 in bestimmten Abständen danach gefragt, ob und wie viel sie im jeweils vergangenen Kalenderjahr gespendet haben.Schutzsuchende sind von der Spendenfrage ausgenommen. Die Befragten werden in der Regel persönlich zu Hause aufgesucht und computergestützt interviewt. Zur genauen Ausgestaltung der Spendenfrage im SOEP vgl. Kantar Public (2021): SOEP-Core – 2020: Personenfragebogen, Stichproben A-L3, M1-M2 + N-Q. SOEP Survey Papers 1056: Series A (online verfügbar). Unter Spenden wird dabei das Geben von Geld für soziale, kirchliche, kulturelle, gemeinnützige und wohltätige Zwecke verstanden, ohne dass man dafür direkte Gegenleistungen erhält. Auch Spenden in Sammelbüchsen und Kollekten in der Kirche gehören dazu. Der vorliegende Bericht ist die inzwischen vierte Befragung zum SpendenverhaltenVgl. hierzu den letzten Spendenbericht auf Basis des SOEP: Zbignev Gricevic, Karsten Schulz-Sandhof und Jürgen Schupp (2020a): Das Spendenvolumen in Deutschland betrug im Jahr 2017 rund zehn Milliarden Euro und ist seit 2009 deutlich gestiegen. DIW Wochenbericht Nr. 8, 103–112 (online verfügbar). und bezieht sich auf die Angaben der Befragten für das Jahr 2019. Mithilfe des Spenden-Index des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), der sich aus den 30 nach Geldspenden größten Spendenorganisationen mit DZI Spenden-Siegel zusammensetzt, werden die Zahlen bis zum Jahr 2021 fortgeschrieben (Kasten 1).
Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) schreibt die Schätzungen des Spendenvolumens, die sich aus den Daten des Sozio-oekonomischen Panels ergeben, mit seinem Spenden-Index fort (Abbildung 5). Der Index setzt sich aus den 30 nach Geldspenden größten Spendenorganisationen zusammen, die das DZI Spenden-Siegel tragen.Nähere Informationen zum DZI Spenden-Index finden sich in: Karsten Schulz-Sandhof (2021): DZI Spendenstatistik. DZI Spenden-Almanach 2021, 286–310 (online verfügbar). Zum Spenden-Siegel siehe die Webseite des DZI. Die Summe der Geldspenden der Indexorganisationen lag im Jahr 2021 bei zwei Milliarden Euro. Das entspricht rund 15 Prozent des gesamten Spendenvolumens in Deutschland.
Die Fortschreibung des SOEP-Spendenvolumens erfolgt auf Basis der jährlichen Veränderungsrate der Geldspendensumme der Indexorganisationen. Aus dieser Summe werden gegebenenfalls zuvor jedoch außerordentliche Katastrophenspenden herausgerechnet. Typischerweise sind dies Katastrophenfälle, die medial stark aufgegriffen werden und bei denen in besonderem Maße zu Spenden aufgerufen wird (etwa in den Nachrichten im Fernsehen).
Die Bereinigung des Index um außerordentliche Katastrophenspenden ist erforderlich, weil den Indexorganisationen ein Großteil dieser Spenden zufließt und sie deshalb im Index übermäßig vertreten sind. Die Katastrophenspenden gehen bei der Berechnung des Spendenvolumens aber nicht verloren. Sie werden am Ende des Berechnungsprozesses wieder hinzuaddiert. Grundlage für die Ermittlung der Katastrophenspenden sind Erhebungen des DZI, die das Institut in solchen Fällen bei allen relevanten Spendenorganisationen in Deutschland durchführt, unabhängig davon, ob sie das Spenden-Siegel tragen (Abbildung 6).
43,3 Prozent der Befragten geben im Frühjahr 2020 an, dass sie im Jahr 2019 gespendet haben.Bei den Angaben zur Spendenquote und Spendenhöhe handelt es sich um gewichtete Werte. Mit den Gewichten wird eine Feinabstimmung mit der Bevölkerungsstruktur erreicht und damit die Repräsentativität der Untersuchung erhöht. Damit reduziert sich die Spendenquote gegenüber dem vorherigen Berichtsjahr 2017 um 3,5 Prozentpunkte. Zugleich steigt jedoch der auf das Jahr bezogene Spendenbetrag, der 2019 im Durchschnitt gespendet wurde – kurz: die Spendenhöhe –, von 300 auf 347 Euro. Hochgerechnet führt dies trotz der gesunkenen Spendenquote zu einem Anstieg des Spendenvolumens von 9,7 auf 10,3 Milliarden Euro (Tabelle 1).In Deutschland gibt es verschiedene Erhebungen zum Spendenverhalten. Während die sozio-strukturellen Ergebnisse ähnlich gelagert sind, unterscheiden sich die Ergebnisse zur Höhe der Spendenquote und des Spendenvolumens zum Teil deutlich. Dies ist im Wesentlichen methodisch bedingt. Vgl. hierzu Zbignev Gricevic, Karsten Schulz-Sandhof und Jürgen Schupp (2020b): Spenden in Deutschland – Analysen auf Basis des SOEP und Vergleiche mit anderen empirischen Studien. SOEP Paper 1074 (online verfügbar). Knapp 30 Millionen erwachsene Menschen in Deutschland bringen diesen Betrag auf.Die Spendenfrage richtet sich an Erwachsene. Da jedoch nach der Spendentätigkeit im vorherigen Kalenderjahr gefragt wird, ist ein sehr kleiner Teil der Spender*innen zum Zeitpunkt der Spende 17 Jahre alt.
2009 | 2014 | 2017 | 20191 | |||
---|---|---|---|---|---|---|
ohne Hochvermögende | mit Hochvermögenden | nur Hochvermögende | ||||
Spendenquote (in Prozent) | 40,1 | 46,6 | 46,8 | 42,9 | 43,3 | 71,0 |
95%-Konfidenzintervall, untere Grenze | 39,4 | 46,0 | 46,2 | 42,3 | 42,7 | 68,9 |
95%-Konfidenzintervall, obere Grenze | 40,9 | 47,2 | 47,4 | 43,6 | 43,9 | 73,1 |
Fallzahl | 16648 | 25045 | 25620 | 24036 | 25758 | 1722 |
Spendenhöhe (in Euro) | 205 | 257 | 300 | 316 | 347 | 1642 |
95%-Konfidenzintervall, untere Grenze | 193 | 246 | 285 | 300 | 327 | 1359 |
95%-Konfidenzintervall, obere Grenze | 217 | 269 | 316 | 331 | 367 | 1924 |
Median | 80 | 100 | 100 | 100 | 100 | 500 |
Fallzahl | 6911 | 11208 | 11344 | 9644 | 10862 | 1218 |
Anzahl der Spender*innen (in Millionen) | 27,6 | 31,8 | 32,2 | 29,6 | 29,8 | – |
untere Schätzung | 27,1 | 31,4 | 31,8 | 29,2 | 29,4 | – |
obere Schätzung | 28,1 | 32,3 | 32,6 | 30,0 | 30,2 | – |
nachrichtlich: Gesamtbevölkerung2 | 68,8 | 68,3 | 68,8 | 68,9 | 68,9 | – |
Spendenvolumen (in Milliarden Euro) | 5,7 | 8,2 | 9,7 | 9,3 | 10,3 | – |
untere Schätzung | 5,2 | 7,7 | 9,1 | 8,8 | 9,6 | – |
obere Schätzung | 6,1 | 8,7 | 10,3 | 9,9 | 11,1 | – |
1 2019 enthält im Unterschied zu den Vorjahren auch die Hochvermögenden (Zusatzstichprobe P).
2 Bevölkerung ab einem Alter von 17 Jahren, ohne Schutzsuchende (Statistisches Bundesamt).
Anmerkungen: Spendenquote und Spendenhöhe gewichtet, Spendenhöhe mit 0,1-prozentigem Top-Coding. Die Anzahl der Spender ergibt sich durch Multiplikation der Gesamtbevölkerung mit der Spendenquote, geteilt durch 100. Durch weitere Multiplikation mit der Spendenhöhe kommt man auf das Spendenvolumen. Grundlage für die unteren und oberen Schätzungen sind die Grenzwerte der Konfidenzintervalle.
Quelle: SOEP v37, eigene Berechnungen.
Die Zunahme des Spendenvolumens ist jedoch auf einen methodisch bedingten Effekt zurückzuführen. Denn die Spendenfrage wird 2020 erstmals auch den Hochvermögenden gestellt, die im Jahr zuvor durch eine neue Stichprobe (Sample P) in die Befragung einbezogen wurden.Vgl. Rainer Siegers, Hans Walter Steinhauer und Johannes König (2021): SOEP-Core – 2019: Sampling, Nonresponse, and Weighting in the Sample P. SOEP Survey Papers 1080: Series C (online verfügbar). Durch diese Zusatzstichprobe werden im SOEP nun auch Personen mit Nettovermögen von etwa drei bis 250 Millionen Euro repräsentativ erfasst, die in Bevölkerungsumfragen typischerweise nicht oder kaum vertreten sind.Vgl. Carsten Schröder et al. (2020): MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher ausgewiesen. DIW Wochenbericht Nr. 29, 511–521 (online verfügbar). Ohne eine Berücksichtigung dieses Personenkreises fällt das Spendenvolumen im Jahr 2019 um eine Milliarde Euro geringer aus (9,3 statt 10,3 Milliarden Euro), sinkt also im Vergleich zu 2017.
Das auf Basis der SOEP-Daten hochgerechnete Spendenaufkommen ist etwa doppelt so hoch wie das jährlich vom Deutschen Spendenrat und der GfK in der Bilanz des Helfens geschätzte Volumen. Dies ist auf die umfassendere SOEP-Methodik zurückzuführen (Kasten 2).
Neben dem Sozio-oekonomischen Panel gibt es weitere Bevölkerungsumfragen, die Daten zur Spendentätigkeit in Deutschland erheben. Im öffentlichen Fokus steht dabei insbesondere die Bilanz des Helfens. Sie basiert auf dem GfK CharityScope Panel und wird jährlich von der GfK und dem Deutschen Spendenrat veröffentlicht. Im Vergleich zur Bilanz des Helfens ergibt sich aus den SOEP-Daten jedoch ein etwa doppelt so hohes Spendenvolumen. Während sich das SOEP-Spendenaufkommen im Jahr 2019 auf 10,3 Milliarden Euro beläuft, kommt die Bilanz des Helfens für das Jahr auf 5,1 Milliarden EuroVgl. Bilanz des Helfens 2022, 11 (online verfügbar).. Die höhere SOEP-Schätzung erscheint aus folgenden Gründen plausibelVgl. hierzu schon die vorläufigen Berechnungen für das Jahr 2017 von Zbignev Gricevic, Karsten Schulz-Sandhof und Jürgen Schupp (2020): Spenden in Deutschland – Analysen auf Basis des SOEP und Vergleiche mit anderen empirischen Studien. SOEP Paper 1074, 12ff. (online verfügbar).:
Im Rahmen des SOEP werden die Zwecke, für die die Menschen in Deutschland Geld spenden, nicht erhoben. Aus den Daten des Deutschen Freiwilligensurvey 2019 ergibt sich, dass etwa 60 Prozent der Spenden für humanitäre Zwecke gegeben werden (Abbildung 1).Die von der GfK und dem Deutschen Spendenrat veröffentlichte „Bilanz des Helfens“ kommt auf einen Spendenanteil von rund 75 Prozent für humanitäre Hilfe. Der höhere Anteil hängt damit zusammen, dass dort – anders als in der hier vorgelegten Berechnung – die Spenden für Kirche/Religion zur humanitären Hilfe gezählt werden. Vgl. GfK und Deutscher Spendenrat e.V. (2022): Bilanz des Helfens 21 ff (online verfügbar). Im SOEP wird lediglich gefragt, und dies bereits zum dritten Mal, ob man in den vergangenen zwei Jahren geflüchtete Menschen mit Geld- oder Sachspenden unterstützt hat.Die Frage nach Geld- und Sachspenden für geflüchtete Menschen in den vergangenen zwei Jahren fällt im SOEP nur im Befragungsjahr 2020 zeitlich mit der Frage nach den Geldspenden im vorherigen Kalenderjahr zusammen. Dies bejahen rund 16 Prozent der im Jahr 2020 befragten Personen. Bei der Befragung zwei Jahre zuvor waren es noch über 20 Prozent, 2016 sogar 28 Prozent.Siehe hierzu auch die Analysen von Jannes Jacobsen, Philipp Eisnecker und Jürgen Schupp (2017): Rund ein Drittel der Menschen in Deutschland spendete 2016 für Geflüchtete, zehn Prozent halfen vor Ort – Immer mehr äußern aber auch Sorgen. DIW-Wochenbericht Nr. 17, 347–358 (online verfügbar). Aktuelle Studien zur Unterstützung ukrainischer Geflüchteter im Jahr 2022 zeigen, dass das zivilgesellschaftliche Engagement für Schutzsuchende – wozu auch Geldspenden zählen – sehr hoch ist.Vgl. Jörg Dollmann et al. (2022): Weiterhin hohe Unterstützungsbereitschaft für ukrainische Geflüchtete in Deutschland. Eine Längsschnittanalyse des DeZIM.panels. DeZIM.insights, Working Paper #04 (online verfügbar) sowie Gesine Höltmann, Swen Hutter und Charlotte Rößler-Prokhorenko (2022): Solidarität und Protest in der Zeitenwende. Reaktionen der Zivilgesellschaft auf den Ukraine-Krieg. WZB-Discussion Paper No. ZZ 2022-601 (online verfügbar). Zur Höhe des Geldspendenaufkommens für die Nothilfe Ukraine vgl. weiter unten in diesem Bericht die Ausführung zu den Erhebungen des DZI sowie Abbildung 6. Demnach ist zu erwarten, dass die Spendenquote für Geflüchtete 2022 wieder höher ausfallen wird.
Nimmt man alle vier Berichtsjahre 2009, 2014, 2017 und 2019 in den Blick, so spendet etwa ein Viertel der Befragten in keinem der Jahre. 30 Prozent haben sich in einem oder in zwei der Berichtsjahre engagiert und rund 46 Prozent in drei oder vier Jahren. Die jährliche Spendenhöhe hängt mit der Häufigkeit des Spendenverhaltens zusammen. Die Spender*innen, die in allen vier Berichtsjahren des SOEP gespendet haben, geben mit durchschnittlich 525 Euro den weitaus höchsten jährlichen Spendenbetrag. Bei Personen, die in nur einem der Jahre gespendet haben, sind es durchschnittlich 132 Euro (Abbildung 2).
Eine auffallende Tendenz über die vier Berichtsjahre gibt es bei der Spendenhöhe – unterteilt nach Größenklassen. Während der Anteil der Personen, die pro Jahr bis zu 50 Euro spenden, von Berichtsjahr zu Berichtsjahr deutlich sinkt, so steigt er bei Spenden zwischen 100 und 500 Euro sowie bei Spenden über 500 Euro deutlich an. Der Anteil der Spenden zwischen 50 und 100 Euro bleibt hingegen nahezu konstant.
Aus den SOEP-Daten ergibt sich wie schon in den früheren Jahren weiterhin ein statistisch signifikanter Unterschied in der Spendenbereitschaft zwischen den Geschlechtern. Einerseits liegt die Spendenquote bei Frauen mit 45 Prozent um rund vier Prozentpunkte über der von Männern (Tabelle 2). Andererseits spenden Männer im Schnitt pro Jahr aber einen höheren Betrag (416 gegenüber 286 Euro bei Frauen). Dieser Unterschied ist auch aus anderen Studien, etwa dem Deutschen Freiwilligensurvey, bekannt.Vgl. Corinna Kausmann und Nora Karnick (2021): Geldspenden und freiwilliges Engagement. In: Julia Simonson et al. (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Empirische Studien zum bürgerschaftlichen Engagement. Wiesbaden, 134–145 (online verfügbar). Einem Feldexperiment des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zufolge spielen bei dem Geschlechtereffekt neben Aspekten wie der Bildung und dem Einkommen unterschiedliche Präferenzen eine Rolle. Demnach ist für Frauen die Fairness wichtig, während Männer eher Wert auf Effizienz und Prestige legen.Maja Adena und Katharina Dorn (2018): Auch das Spenden hat ein Geschlecht – Frauen und Männer sind unterschiedlich großzügig. WZB-Mitteilungen Nr. 161, 37–38 (online verfügbar).
Anteil in Prozent an der volljährigen Gesamtbevölkerung, durchschnittliche Pro-Kopf-Spendenhöhe je Jahr in Euro
Spendenquote in Prozent | Spendenhöhe in Euro | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2009 | 2014 | 2017 | 2019 | 2009 | 2014 | 2017 | 2019 | |
Insgesamt | 40 | 47 | 47 | 43 | 205 | 257 | 300 | 347 |
Geschlecht | ||||||||
Frauen | 42 | 48 | 49 | 45 | 172 | 216 | 252 | 286 |
Männer | 38 | 45 | 45 | 41 | 243 | 303 | 355 | 416 |
Altersgruppen | ||||||||
17 bis 29 Jahre1 | 21 | 27 | 28 | 23 | 65 | 80 | 128 | 110 |
30 bis 39 Jahre | 33 | 39 | 42 | 38 | 167 | 210 | 227 | 228 |
40 bis 49 Jahre | 41 | 46 | 48 | 45 | 184 | 272 | 268 | 268 |
50 bis 59 Jahre | 42 | 48 | 49 | 45 | 197 | 255 | 318 | 432 |
60 bis 69 Jahre | 47 | 54 | 51 | 47 | 235 | 257 | 308 | 401 |
über 70 Jahre | 52 | 61 | 60 | 55 | 265 | 329 | 407 | 420 |
Bildung | ||||||||
niedrig | 25 | 30 | 30 | 25 | 109 | 155 | 161 | 224 |
mittel | 38 | 45 | 45 | 41 | 160 | 189 | 231 | 257 |
hoch | 57 | 64 | 64 | 61 | 323 | 412 | 458 | 505 |
Arbeitslos gemeldet | ||||||||
ja | 16 | 20 | 22 | 19 | 78 | 105 | 121 | 229 |
nein | 42 | 48 | 48 | 45 | 209 | 261 | 305 | 349 |
Region | ||||||||
Ostdeutschland | 33 | 36 | 38 | 36 | 131 | 138 | 160 | 221 |
Westdeutschland | 42 | 49 | 49 | 45 | 219 | 277 | 323 | 368 |
Regionsgrundtyp (BBSR) | ||||||||
städtischer Raum | 41 | 48 | 48 | 44 | 226 | 276 | 326 | 381 |
ländlicher Raum | 38 | 45 | 45 | 41 | 159 | 215 | 240 | 270 |
Nationalität | ||||||||
deutsch | 41 | 48 | 48 | 45 | 208 | 260 | 307 | 353 |
ausländisch | 27 | 32 | 36 | 29 | 154 | 213 | 235 | 269 |
Religion | ||||||||
evangelisch | 46 | 53 | 53 | 51 | 200 | 236 | 319 | 347 |
katholisch | 47 | 52 | 52 | 48 | 206 | 259 | 282 | 312 |
andere | 33 | 40 | 41 | 34 | 468 | 579 | 615 | 653 |
konfessionslos | 30 | 37 | 40 | 37 | 169 | 216 | 247 | 336 |
Ehrenamtliche Tätigkeit | ||||||||
mindestens einmal pro Woche | 59 | 66 | 68 | 61 | 368 | 460 | 565 | 703 |
mindestens einmal pro Monat | 58 | 64 | 63 | 63 | 231 | 314 | 401 | 360 |
seltener | 52 | 53 | 54 | 52 | 226 | 245 | 259 | 350 |
nie | 34 | 40 | 40 | 37 | 161 | 198 | 227 | 252 |
Lebenszufriedenheit (Skala 0 bis 10) | ||||||||
sehr niedrig (0/1) | 20 | 26 | 17 | 21 | 167 | 110 | 200 | 183 |
niedrig (2/3) | 27 | 33 | 33 | 27 | 125 | 230 | 215 | 296 |
mittel (4/6) | 33 | 37 | 37 | 35 | 161 | 189 | 224 | 271 |
hoch (7/8) | 43 | 49 | 48 | 45 | 198 | 254 | 288 | 329 |
sehr hoch (9/10) | 45 | 54 | 55 | 48 | 296 | 315 | 383 | 429 |
1 Ein kleiner Teil der Befragten war zum Zeitpunkt der Befragung volljährig, aber im Vorjahr (Berichtsjahr) erst 17 Jahre alt.
Anmerkungen: Spendenquote und Spendenhöhe gewichtet, Spendenhöhe mit 0,1-prozentigem Top-Coding, 2019 inklusive Hochvermögende (Zusatzstichprobe P).
Quelle: SOEP v37, eigene Berechnungen.
Das Lebensalter und der Bildungsgrad der Menschen sind bedeutsame Einflussfaktoren für das Spendenverhalten. Höheres Alter und höhere Bildung gehen mit einem deutlich steigenden Engagement einher. Auch bei der Lebenszufriedenheit zeigt sich ein klarer positiver Zusammenhang. Ehrenamtliches Engagement spielt ebenfalls eine Rolle. Personen, die sich wöchentlich oder zumindest einmal im Monat freiwillig gesellschaftlich engagieren, spenden mit über 60 Prozent weit häufiger als der allgemeine Durchschnitt. Die jährliche Spendenhöhe liegt bei denjenigen Menschen, die sich jede Woche ehrenamtlich engagieren, mit 700 Euro sogar außerordentlich hoch.
Auffällig ist zudem der Unterschied bei der Nationalität. Sowohl die Spendenquote als auch die Spendenhöhe heben sich bei Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft deutlich gegenüber denjenigen ab, die in Deutschland leben, aber nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen.
Auch die Zugehörigkeit zu einer christlichen Religionsgemeinschaft ist ein wichtiger Einflussfaktor für das Spenden. Bei Mitgliedern der evangelischen oder katholischen Kirche liegt die Spendenbeteiligung mit 51 beziehungsweise 48 Prozent am höchsten. Bei Menschen anderer Konfessionen beträgt die Spendenquote durchschnittlich 34 Prozent, Konfessionslose weisen eine Quote von 37 Prozent auf. Bei der Spendenhöhe liegen die Werte für Katholik*innen, Protestant*innen und Konfessionslose hingegen mehr oder weniger gleich auf bei gut 300 Euro. Bei Menschen anderer Konfessionen liegt der Wert weitaus höher.
Nach regionalen Gesichtspunkten unterscheidet sich die Spendenbeteiligung zwischen West- und Ostdeutschland. Mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern fallen die Spendenquoten und Spendenhöhen in den östlichen Bundesländern deutlich niedriger aus (Abbildung 3).Die hier präsentierten bundeslandspezifischen Ergebnisse zeigen sich in sehr ähnlicher Form auch in der vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen Statistik der geleisteten Spenden im Rahmen der Lohn- und Einkommensteuerstatistik, vgl. Statistisches Bundesamt (2022): Geleistete Spenden, geltend gemachte und abzugsfähige Zuwendungen 2018 (online verfügbar). Die Spendenquote liegt in Ostdeutschland bei 36 Prozent, während es im Westen 45 Prozent sind. Der Unterschied bei der durchschnittlichen Spendenhöhe beträgt fast 150 Euro. Eine Differenz zeigt sich – in schwächerer Ausprägung – auch beim Vergleich der ländlichen Gebiete Deutschlands mit den Städten, wo die Spendenbeteiligung drei Prozentpunkte höher ist.
Die Höhe des verfügbaren Einkommens hat einen deutlichen Einfluss darauf, ob und wie viel jemand spendet (Abbildung 4).Im Unterschied zu den anderen Analysen in diesem Wochenbericht, die sich auf die Personenebene beziehen, stellt die Einkommensanalyse auf die Haushaltsebene ab. Herangezogen wurde dafür das verfügbare Haushaltseinkommen im Jahr der Spende. Es enthält auch Sozialtransfers. Im Schnitt spendet etwa jeder zweite Haushalt in Deutschland im Jahr 2019 durchschnittlich rund 450 Euro.Ein Haushalt wurde als spendender Haushalt qualifiziert, wenn mindestens ein Haushaltsmitglied die Spendenfrage bejaht hat. Falls mehr als ein Haushaltsmitglied gespendet hat, wurden die entsprechenden Spendenbeträge addiert. Die Spendenquote und Spendenhöhe liegen bei Haushalten höher als bei der personenbezogenen Betrachtung. Im untersten EinkommensdezilZur Abgrenzung der Einkommensdezile wurden die verfügbaren jährlichen Haushaltseinkommen der Höhe nach geordnet und dann in Zehntel aufgeteilt. Grundlage war die jeweils relevante Fallzahl. liegt die Spendenquote der Haushalte bei 30 Prozent. Sie steigt nahezu kontinuierlich über die Dezile und beläuft sich im obersten Zehntel auf mehr als 80 Prozent. Bei der Spendenhöhe ist der Verlauf ähnlich. Im ersten Einkommenszehntel sind es rund durchschnittlich 150 Euro, am oberen Ende 1265 Euro.
Die einkommensstärksten zehn Prozent der Haushalte bringen alleine 37 Prozent des gesamten Spendenvolumens auf. Durch die Einbeziehung der Hochvermögenden hat sich dieser Anteil im Vergleich zu früheren Analysen deutlich erhöht. Ohne diese Gruppe liegt der Anteil bei knapp 30 Prozent des Spendenaufkommens.
Bezogen auf das ihnen zur Verfügung stehende Jahreseinkommen spenden die einkommensstarken Haushalte aber weniger als die einkommensschwachen.Dieser Befund zeigt sich nicht nur beim verfügbaren Haushaltseinkommen, sondern auch bei der hier nicht dargestellten Berechnung auf Basis des Haushaltsnettoeinkommens. Letzteres enthält im Vergleich zum verfügbaren Einkommen keine Transferzahlungen. Im einkommensstärksten Dezil beträgt der Anteil der Spenden am verfügbaren Jahreseinkommen der spendenden Haushalte gut 0,9 Prozent, im einkommensschwächsten sind es mit 1,9 Prozent sogar doppelt so viel. Im zweiten Dezil fällt der Anteil auf 1,0 Prozent, steigt dann auf 1,5 Prozent im vierten Dezil an, geht anschließend wieder zurück und verharrt in den obersten drei Dezilen bei etwa 0,9 Prozent. Der Durchschnitt beläuft sich auf ein Prozent.
Bezieht man die Spenden in einer erweiterten gesellschaftlichen Betrachtung nicht nur auf das Einkommen der spendenden Haushalte, sondern auch auf das der Haushalte, die nicht spendenBei dieser Betrachtung wird für die nicht spendenden Haushalte implizit eine Spendenhöhe von null angesetzt., so ändert sich das Bild. Die Spendenanteile sind dann in den beiden obersten Dezilen etwa doppelt so hoch wie in den beiden untersten. Im Schnitt liegt der so berechnete Anteil am Einkommen bei gut 0,6 Prozent.
Mit Hilfe eines logistischen Regressionsmodells, in das verschiedene Einflussgrößen auf das Spendenverhalten aufgenommen werden, wird im Folgenden untersucht, wie bestimmte Merkmale (Geschlecht, Bildung, Alter, Einkommen etc.) die Wahrscheinlichkeit bestimmen, Geld zu spenden.Anstelle der Regressionskoeffizienten (logits) werden die durchschnittlichen marginalen Effekte dargestellt. Sie lassen sich leichter interpretieren. Beispielsweise bedeutet der Wert von −4,7 bei Männern, dass diese gegenüber Frauen (Referenzkategorie) eine um durchschnittlich rund 4,7 Prozentpunkte geringere Spendenwahrscheinlichkeit haben (unter Kontrolle aller übrigen in das Modell einbezogenen Einflussfaktoren). Bei den metrisch skalierten Variablen (Alter, Lebenszufriedenheit und Reziprozitäten) bezieht sich der durchschnittliche marginale Effekt auf die Veränderung um eine Stufe: So steigt die Spendenwahrscheinlichkeit mit jedem zusätzlichen Lebensjahr um 0,4 Prozentpunkte.
Sämtliche in das Modell aufgenommenen erklärenden Variablen erweisen sich als statistisch hochsignifikant (Tabelle 3). So führt etwa ein hoher Bildungsgrad (zum Beispiel Hochschulabschluss) zu einer um 14 Prozentpunkte höheren Spendenwahrscheinlichkeit im Vergleich zur Referenzkategorie eines mittleren Abschlusses (zum Beispiel Abitur). Bei einem niedrigen Schulabschluss (Realschule oder darunter) sind es elf Punkte weniger als in der Referenzkategorie.
Abweichung vom Referenzwert in Prozentpunkten
Geschlecht (Referenz: Frauen) | |
---|---|
Männer | −4,7 *** |
Alter (in Jahren) | 0,4 *** |
Bildung (Referenz: mittel) | |
niedrig | −10,8 *** |
hoch | 14,0 *** |
Region (Referenz: Ostdeutschland) | |
Westdeutschland | 3,0 *** |
Haushaltsgröße (Referenz: 1 Person) | |
2 Personen | −8,1 *** |
3 oder mehr Personen | −13,7 *** |
Haushaltseinkommen (Referenz: Dezile 5/6) | |
Unterstes Dezil | −18,5 *** |
2. Dezil | −11,6 *** |
3. Dezil | −7,1 *** |
4. Dezil | −4,8 *** |
7. Dezil | 5,3 *** |
8. Dezil | 8,0 *** |
9. Dezil | 14,3 *** |
Oberstes Dezil | 21,4 *** |
Nationalität (Referenz: ausländisch) | |
deutsch | 9,1 *** |
Arbeitslos gemeldet (Referenz: nein) | |
ja | −7,6 *** |
Religion (Referenz: konfessionslos) | |
evangelisch | 11,0 *** |
katholisch | 9,1 *** |
andere | 12,2 *** |
Ehrenamtliche Tätigkeit (Referenz: selten/nie) | |
wöchentlich/monatlich | 15,3 *** |
Lebenszufriedenheit (Skala 0 bis 10, ansteigend) | 1,4 *** |
Positive Reziprozität (Skala 1 bis 7, ansteigend) | 1,4 *** |
Negative Reziprozität (Skala 1 bis 7, ansteigend) | −0,8 *** |
Fallzahl (Personen) | 20900 |
Anzahl der Cluster (Haushalte) | 13843 |
Anmerkungen: Logistisches Regressionsmodell mit robusten Standardfehlern (Haushalte als Cluster). Abhängige Variable: im Jahr 2019 Geld gespendet (ja/nein). Ausgewiesen sind die durchschnittlichen marginalen Effekte (zu lesen in Prozentpunkten). Einkommensdezile personenbezogen berechnet auf der Grundlage des im Jahr 2019 verfügbaren Haushaltseinkommens (inklusive Sozialtransfers). Die Sternchen geben das Signifikanzniveau an. Sämtliche Effekte sind hochsignifikant, die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt unter 0,1 Prozent.
Lesebeispiel: Männer haben unter Kontrolle der anderen in das Modell aufgenommenen erklärenden Variablen im Durchschnitt eine um 4,7 Prozentpunkte niedrigere Wahrscheinlichkeit zu spenden als Frauen.
Quelle: SOEP v37, eigene Berechnungen
Der schon angesprochene Geschlechtereffekt bestätigt sich im Modell und zeigt darüber hinaus, dass er insgesamt über das Altersspektrum zu beobachten ist. Frauen weisen im Vergleich zu Männern über alle Altersstufen eine höhere Spendenwahrscheinlichkeit auf.
Auch beim Einkommen bestätigen sich klar die in der deskriptiven Analyse gefundenen Zusammenhänge. Personen, die in Haushalten leben, deren verfügbares Haushaltseinkommen im obersten Einkommensdezil liegt, spenden gegenüber Personen in den mittleren Dezilen mit einer um 21 Prozentpunkte erhöhten Wahrscheinlichkeit. Bei Menschen mit Haushaltseinkommen im untersten Dezil verhält es sich umgekehrt. Die Spendenwahrscheinlichkeit liegt hier um 18 Prozentpunkte niedriger als in den mittleren Dezilen. Damit korrespondiert eine um knapp acht Prozentpunkte niedrigere Spendenwahrscheinlichkeit arbeitslos gemeldeter Menschen. Die Haushaltsgröße spielt ebenfalls eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen spenden, die in Zwei- oder Mehrpersonenhaushalten leben, ist im Vergleich zu Singlehaushalten bedeutend geringer.
In regionaler Hinsicht liegt die Spendenwahrscheinlichkeit bei Menschen, die im Osten Deutschlands leben, im Schnitt um drei Prozentpunkte niedriger als im Westen. Lässt man die Variable zur Religionszugehörigkeit aus dem Modell heraus, dann zeigt sich ein noch weit höherer, statistisch ebenfalls hochsignifikanter Effekt von mehr als sieben Prozentpunkten.Vgl. Gricevic, Schulz-Sandhof und Schupp (2020b), a.a.O., 25. Die niedrigere Spendenbetätigung im Osten Deutschlands hängt also offenbar deutlich mit der dort viel selteneren Kirchenzugehörigkeit zusammen.Vgl. Gert Pickel (2020): Kirchenbindung und Religiosität in Ost und West. Veröffentlicht auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung.
Bei den einbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Spendenfreude, wobei hier die Kausalität in beide Richtungen gehen kann. Zufriedene Menschen spenden nicht nur häufiger, sondern Spenden können sich auch positiv auf die Zufriedenheit auswirken. Nicht zuletzt zeigt die hier vorgelegte multiple Schätzung – wie schon die erste SOEP-Studie zum SpendenverhaltenVgl. Eckhard Priller und Jürgen Schupp (2011): Wer spendet was – und wieviel? Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 29 (online verfügbar). – erneut, dass Reziprozität menschlichen Verhaltens eine Rolle spielt. Personen, die nach eigener Einschätzung stärker dazu neigen, auf angenehme Erfahrungen positiv zu reagieren, spenden auch eher. Umgekehrt gilt dies auch im Fall negativ reziproken Agierens. Die Neigung, schlechte Erfahrungen negativ zu erwidern, zeigt sich auch in einer geringeren Spendenwahrscheinlichkeit.
In den Jahren 2020 und 2021 ist eine starke Zunahme der Spenden zu beobachten – trotz oder vielleicht gerade wegen der Corona-Pandemie. Nach den Berechnungen des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) auf der Grundlage des vom ihm ermittelten Spenden-Index steigen die Geldspenden in den beiden Jahren jeweils um mehr als zehn Prozent und damit deutlich stärker als in den Vorjahren. Auf der Basis der jüngsten SOEP-Schätzung kommt das DZI für das Jahr 2021 auf ein Spendenvolumen in Deutschland in Höhe von 12,9 Milliarden Euro (Abbildung 5). Hierbei dürften die sprunghaft gestiegene SparneigungNach den Daten des Statistischen Bundesamtes belief sich die Sparquote in den Jahren 2020 und 2021 auf 16,1 beziehungsweise 15,0 Prozent. In den Jahren zuvor lag sie etwa zwischen zehn und elf Prozent. Vgl. Statistisches Bundesamt (2022): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen – Private Konsumausgaben und Verfügbares Einkommen, 1. Vierteljahr 2022, 10 (online verfügbar). und der deutliche Anstieg des GeldvermögensVgl. Deutsche Bundesbank (2022): Monatsbericht Juli, 56 (online verfügbar). der privaten Haushalte eine Rolle gespielt haben. Die eigene Betroffenheit infolge der Pandemie und die schicksalhafte globale Verbundenheit haben möglicherweise ebenfalls zu einer generellen Steigerung der Spendenbereitschaft geführt.Eine von der Stiftung Warentest im September 2020 zusammen mit dem Marktforschungsinstitut GfK durchgeführte Umfrage kam hingegen zu dem Ergebnis, dass die Corona-Pandemie das Spendenverhalten kaum beeinflusst hat, vgl. Webseite der Stiftung Warentest.
Hinzu kommen die enormen Hilfen für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021. Für diesen Zweck kamen allein 655 Millionen Euro an Geldspenden zusammen.Vgl. Pressemitteilung des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen vom 12.07.2022: Ein Jahr danach: 655 Millionen Euro Hochwasser-Spenden (online verfügbar).
Die Solidarität der Bevölkerung in Deutschland zeigt sich besonders auch wieder in der aktuellen Krise. Anlässlich des russischen Krieges gegen die Ukraine wurden nach den Erhebungen des DZI im Jahr 2022 bislang 862 Millionen Euro für die Betroffenen gespendetVgl. Pressemitteilung des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen vom 14. Juni 2022: Schon 812 Millionen Euro Geldspenden für die Ukraine-Hilfe (online verfügbar). Die Umfrage zum Geldspendenaufkommen für die Nothilfe Ukraine wurde vom DZI kürzlich aktualisiert (Spendenstand 14. Oktober). – ganz abgesehen von dem vielfältigen ehrenamtlichen Einsatz und den nicht bezifferbaren Sachspenden. Das ist nominal das höchste anlassbezogene Spendenaufkommen, das bislang in Deutschland gespendet wurde. Inflationsbereinigt wird diese Summe nur leicht von den Spenden nach dem Tsunami in Südostasien im Dezember 2004 übertroffen (Abbildung 6).
Mit der Erweiterung des SOEP um eine Stichprobe von Hochvermögenden konnte auch die Datenbasis zum Spendenverhalten präzisiert werden. So zeigt sich, dass nunmehr 37 Prozent des Spendenaufkommens von der Gruppe im obersten Einkommensdezil aufgebracht wird. Gleichwohl belegen die aktualisierten Analysen, dass auch in den unteren Einkommensdezilen durchaus – relativ zur durchschnittlichen Höhe des verfügbaren Einkommens – ähnliche und teils sogar deutlich höhere Anteile gespendet werden.Dies zeigt auch eine Studie auf Basis der Einkommensteuerstatistik. Demnach liegt der Anteil der Spendenhöhe gemessen am Gesamtbetrag der Einkünfte in den untersten Einkommensgruppen höher als in den obersten. Vgl. Ulrike Gerber und Kathrin Kann (2019): Wer spendet wie viel? Wirtschaft und Statistik, Heft 6, Tabelle 3 (online verfügbar). Dies ist bemerkenswert, da gerade in den beiden unteren Einkommensdezilen nur wenig Rücklagen vorhanden sind. Zu befürchten ist, dass angesichts der aktuell hohen Inflation gerade künftig Spenden aus diesen Einkommensdezilen reduziert oder ganz ausbleiben werden.
In Krisensituationen wie dem Krieg Russlands gegen die Ukraine oder der Flutkatastrophe im Ahrtal sind Spenden und ehrenamtliches Engagement eine große Hilfe. Daher ist es wichtig, dass der Staat die Spendenbereitschaft insgesamt fördert. Dies geschieht über das Einkommensteuergesetz, in dem Spenden als Sonderausgaben absetzbar sind. Jedoch ist die Förderung einkommensabhängig: Je höher das steuerpflichtige Einkommen, desto höher ist der Einkommensteuersatz und damit auch der Steuervorteil.
So wird eine Spende in Höhe von 100 Euro von einer alleinstehenden Person mit einem jährlich zu versteuernden Einkommen von 60000 Euro zum derzeit gelten Höchststeuersatz von 42 Prozent vom Staat mit 42 Euro gefördert. Wird die gleiche Spendenhöhe hingegen von einer alleinstehenden Person mit einem zu versteuernden Einkommen von rund 11000 Euro aufgebracht, so fördert der Staat mit dem Grenzsteuersatz von rund 15 Prozent die Spende lediglich mit rund 15 Euro.
Diese Ungleichbehandlung ließe sich beseitigen, indem der Staat jeden Spendenbetrag unabhängig von der individuellen Einkommenssituation in gleicher prozentualer Höhe steuerlich fördert, angelehnt etwa an den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Erreichen ließe sich dies durch einen entsprechenden Abzug von der Steuerschuld – eine Regelung, die derzeit bereits bei Parteispenden angewendet wird. Dies würde nicht nur mehr Gerechtigkeit schaffen, sondern könnte auch die Spendenbereitschaft in der Breite positiv beeinflussen und die Pluralität der durch Spenden begünstigten Organisationen erhöhen.Vgl. zu ähnlichen Überlegungen Kausmann und Karnick (2021), a.a.O., 135: „Wenn demnach finanziell bessergestellte Personen Geldspenden leisten, die der eigenen Interessenvertretung positiv zugutekommen, während finanziell schlechter gestellte Personen weniger Geldspenden zum Zwecke der eigenen Interessenvertretung leisten, können Geldspenden somit auch zu einer Vergrößerung sozialer Ungleichheit beitragen.“ Nicht zuletzt würde ein fester Prozentsatz die Transparenz über die Höhe der steuerlichen Rückerstattung verbessern, sowohl im Hinblick auf die eigene Rückerstattung als auch die der anderen.
Themen: Verteilung
JEL-Classification: D31;D64;Z13
Keywords: donations, charitable giving, income, SOEP
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-46-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/266749