Medienbeitrag vom 13. November 2023
Der Streit um das Klimaschutzgesetz geht am Kern der Transformation vorbei, meint Karsten Neuhoff. Er empfiehlt Schlüssel-Indikatoren für Wirtschaft, Politik und Verwaltung.
Die Diskussion zum Klimaschutzgesetz hat sich festgefahren. Innerhalb der Bundesregierung rangeln die Klimaschützer mit den Liberalen.
Außerhalb der Regierung fordern Umweltverbände, dass bei der Verfehlung der Klimaschutzziele eines Sektors (zum Beispiel in der Industrie, der Landwirtschaft oder im Verkehr) Maßnahmen mit Sofortprogrammen umgesetzt werden – nur so könnten im folgenden Jahr die verfehlten Emissionsminderungen nachgeholt werden.
Dem steht wiederum die FDP gegenüber, die glücklich ist, dass mit der Abschaffung der Sofortprogramme (und damit de facto der Abschaffung der Sektorenziele) solche Ad-hoc-Maßnahmen, die möglicherweise ineffizient oder ohne längerfristige Wirkung sind, für einen Sektor vermieden werden.
Dieser Gastbeitrag von Karsten Neuhoff erschien am 13. November 2023 im Handelsblatt.
Doch sind diese Konflikte nötig? Der Streit über das Klimaschutzgesetz geht bisher am Kern der Transformation vorbei. Emissionsminderungen sind vor allem mit längerfristig wirksamen transformativen Maßnahmen zu erreichen.
Es geht um Veränderungen, die nicht nur kurzfristig die Symptome bekämpfen, sondern einen strukturellen und systemischen Wandel anstoßen, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien, die Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs oder die energetische Sanierung von Gebäuden.
Wenn Sofortmaßnahmen zuallererst Emissionen im folgenden Jahr reduzieren sollen, dann stellt sich diese Vorgehensweise nicht zwingend als hilfreich für die erfolgreiche Transformation dar. Langfristig sind allerdings transformative Maßnahmen für die Erfüllung der Sektorenziele notwendig.
Denn wenn eine Ministerin oder ein Minister solche Maßnahmen nicht voranbringt, dann steigt in den Folgejahren das Risiko, Minderungsziele zu verfehlen und dann Sofortprogramme umsetzen zu müssen.
Sollte also mit der Abschaffung der Sektorenziele den einzelnen Bundesministerien keine klare Verantwortung für die Emissionen ihres Sektors mehr zugewiesen werden, dann wird es ihnen noch schwerer fallen, die transformativen Maßnahmen voranzubringen.
Gehen wir einmal davon aus, dass alle das gleiche Ziel teilen, nämlich transformative Klimaschutzmaßnahmen wirksam umzusetzen. Nur damit wird nämlich die Industrie fit für den internationalen Wettbewerb der Zukunft.
Auf diese Weise reduzieren sich Kosten- und Versorgungssicherheitsrisiken durch die Energieimportabhängigkeit. Und so können nicht nur Klimaziele, sondern bei guter Umsetzung auch weltweite Umwelt- und Entwicklungsziele erreicht werden. Es stellt sich also die Frage: Wie können diese Ziele im Klimaschutzgesetz gemeinsam erreicht werden?
Wichtig wäre ein stärkerer Fokus auf die transformativen Maßnahmen: Diese sollten mit verständlichen Kennzahlen erfasst und ins Zentrum des politischen Diskurses gestellt werden.
Das Klimaschutzgesetz beschränkt sich bisher auf das Monitoring von Emissionen. Dadurch wird allerdings das rechtzeitige Erkennen von ausbleibenden Fortschritten verzögert und transformative Maßnahmen können „übersehen“ werden.
Als erfolgreich hat sich bisher die Kennzahl zum Anteil der erneuerbaren Energien bei der Energieversorgung erwiesen. Zur Messung des Klimaschutzfortschritts wäre eine begrenzte Anzahl solcher Kennzahlen für die großen sektoralen Transformationen sinnvoll.
Beispiele für solche Kennzahlen wären der Anteil von klimaneutral produzierten Grundstoffen an der Gesamtproduktion und der Anteil des tatsächlich recycelten Abfalls.
Wenn in einem Sektor die Emissionsminderungsziele oder die relevanten Transformationsziele verfehlt werden, so sollte das jeweilige Ministerium verpflichtet sein, sofort nachzulegen.
Der Fokus müsste dann dementsprechend viel stärker auf die Transformationsziele gesetzt werden.
Die Transformation zur Klimaneutralität könnte auf diese Weise tatsächlich gelingen und die Transformationsziele kämen sehr viel glaubwürdiger zur Geltung. Auch regulatorische Unsicherheiten, die bisher Investitionen in Produktionskapazitäten für klimaneutrale Technologien wie Windräder, Energiespeicher oder die Wärmedämmung zurückhalten, wären damit beseitigt.
Zugleich könnten wie in der Wirtschaft Key-Performance-Indikatoren (KPIs) für die wichtigen Entwicklungsziele auch für Politik und Verwaltung genutzt werden.
Durch die weitere Operationalisierung der Klimaschutzziele hin zu Transformationskennzahlen entstünde ein Frühwarnsystem oder ein Kontrollmechanismus für den Erfolg des Regierungshandelns. Letztlich sollte es darum gehen, die Energiewende für alle besser verständlich zu machen und sie gemeinsam umzusetzen.
Themen: Energiewirtschaft , Klimapolitik , Umweltmärkte