DIW Wochenbericht 39 / 2024, S. 603-608
Charlotte Bartels, Simon Jäger, Natalie Obergruber
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„Heutzutage finden wir zwar eine höhere Konzentration von Einkommen und Vermögen in den ehemaligen Realteilungsgebieten. Aber die mittleren Einkommen sind dort auch höher. Es geht also den Menschen in diesen Regionen im Durchschnitt heute besser.“ Charlotte Bartels
Noch heute wirken in Deutschland die verschiedenen erbrechtlichen Bräuche und Regelungen nach, die im 19. Jahrhundert die Weitergabe von landwirtschaftlichem Grundbesitz an die folgende Generation bestimmten. Eine ökonometrische Analyse zeigt, dass die gleichmäßigere Verteilung von landwirtschaftlichem Grundbesitz in Deutschland langfristig zu höherem regionalem Wachstum geführt hat. Ein gleichmäßigerer Zugang zu Land und dem daraus resultierenden Einkommen gab in den Gebieten mit gleicher Erbschaftsteilung unter den Geschwistern (Realteilung) mehr Menschen die Möglichkeit, unternehmerisch tätig zu werden, im Vergleich zu Gebieten, wo nur das erstgeborene Kind erbte (Anerbenrecht). Diese unternehmerische Tätigkeit bildete während der Transformation zur Industriegesellschaft den Nährboden für den heutigen innovativen Mittelstand. Bis heute gibt es in den Realteilungsgebieten mehr Unternehmen und ökonomischen Wohlstand. Diese Unternehmen sind im Durchschnitt kleiner, aber produktiver als Unternehmen in Gebieten mit historischem Anerbenrecht. Langfristig erwies sich die Realteilung als eine wichtige Institution für inklusives Wirtschaftswachstum.
Seit den 1980er Jahren hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in zahlreichen Industrieländern wie Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, den USA oder dem Vereinigten Königreich wieder stärker geöffnet.Thomas Piketty und Emmanuel Saez (2014): Inequality in the long run. Science 344(6186), 838–843 (online verfügbar, abgerufen am 9. September 2024. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht). Über denselben Zeitraum ist das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern deutlich zurückgegangen. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, ob Ungleichheit dem Wachstum schadet. Diese Frage beschäftigt Ökonom*innen zwar schon seit langem, ist aber nicht einfach zu beantworten, da viele Faktoren, wie technologischer Wandel, Steuer- und Sozialpolitik oder ein ungleicher Zugang zu Bildung, Ungleichheit und Wachstum gleichzeitig beeinflussen können.OECD (2015): In It Together: Why Less Inequality Benefits All, OECD Publishing, Paris (), OECD (2014): Focus on inequality and growth. Does income inequality hurt economic growth? Paris (online ). Eine Analyse bedarf daher eines Vergleichs zwischen Regionen, die sich nur in einem Faktor unterscheiden, aber in allen anderen möglichen Einflussfaktoren vergleichbar sind.
Die hier vorgestellte StudieCharlotte Bartels, Simon Jäger und Natalie Obergruber (2024): Long-Term Effects of Equal Sharing: Evidence from Inheritance Rules for Land. The Economic Journal (online verfügbar). nutzt die unterschiedlichen historischen Bräuche und Regelungen für die Vererbung von Land in deutschen Regionen, um die langfristigen Auswirkungen einer gleichmäßigeren Verteilung von ökonomischen Ressourcen zu untersuchen. Seit dem Mittelalter wurde in einigen deutschen Gebieten geerbtes Land zu gleichen Teilen unter den Kindern aufgeteilt (Realteilung), während in anderen Gebieten das Land als unteilbar galt (Anerbenrecht) (Kasten). Die erbrechtlichen Bräuche und Regelungen variierten über politische, sprachliche, geologische und religiöse Grenzen hinweg. Für die Untersuchung wurden Daten aus feingliedrigen, historischen Erhebungen digitalisiert und georeferenziert, um eine Karte der erbrechtlichen Bräuche und Regelungen zur Zeit des Deutschen Reichs am Ende des 19. Jahrhunderts zu erstellen. Es zeigt sich, dass tendenziell landwirtschaftliche Flächen in Südwestdeutschland gleichmäßig unter den Geschwistern aufgeteilt wurden (Abbildung 1). Im Norden, Osten und Bayern wurde größtenteils Anerbenrecht praktiziert. Die gleiche Aufteilung des vererbten Landbesitzes hat tatsächlich in den entsprechenden Regionen langfristig kleinere Grundstücke generiert, die stärker gleichverteilt waren. Die historischen und langfristigen Auswirkungen der verschiedenen Erbschaftsregeln werden mithilfe von OLS-Regressionen mit einer Vielzahl von Kontrollvariablen und einem geografischen Regressionsdiskontinuitätsdesign (RD) analysiert.
Seit dem Mittelalter bestanden in Deutschland unterschiedliche Bräuche und Regelungen für die Vererbung von Höfen und Grund. In weiten Teilen Deutschlands galt Grund als unteilbar und wurde an einen einzigen Nachkommen weitergegeben (Anerbenrecht). Der Alleinerbe war meist der erstgeborene Sohn und die Geschwister erhielten kein oder nur ein geringes kompensierendes Erbe. Die nicht erbenden Kinder blieben meist ohne Landbesitz am Hof und halfen der/dem Erstgeborenen, arbeiteten in Fabriken oder heirateten in eine Familie mit Grundbesitz. In anderen deutschen Regionen, vor allem im Südwesten, wurde das Land zu gleichen Teilen unter allen Kindern aufgeteilt, zum Teil auch unter den Töchtern (Realteilung). Auch in Spanien gab es regionale Variation bei den erbrechtlichen Bräuchen und Regelungen für Land, während in England überwiegend Anerbenrecht und seit Napoleon in Frankreich und Italien Realteilung galt.
Zentral für die Studie ist, dass die Erbschaftsregeln in Deutschland über politische, sprachliche, geologische und religiöse Grenzen hinweg variierten, in manchen Fällen von einem Dorf zum anderen. Die Grenze zwischen den Erbschaftsregeln verläuft beispielsweise mitten durch Baden-Württemberg und hat langfristig unterschiedliche Verteilungen von Land generiert.
Die Gründe für die unterschiedlichen Vererbungsregeln werden von Historiker*innen bis heute diskutiert. Zwei frühe Gesetze regelten bereits die Vererbung von Land: Die Lex Salica aus dem Jahr 507 nach Christus schrieb Realteilung in Franken im Südwesten Deutschlands vor und der Sachsenspiegel von 1220 schrieb Anerbenrecht im Nordosten Deutschlands vor. Das Anerbenrecht soll es den lokalen Fürsten erleichtert haben, die dort größeren Flächen zu besteuern.Max Weber (1924): Abriss der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Duncker & Humblot, Berlin. Eine Studie zeigt, dass ein Drittel der Variation der Erbschaftsregeln in Baden-Württemberg durch Ebenheit der Flächen, Bodenqualität, neolithische Siedlungen oder römische Straßen erklärt werden kann, während zwei Drittel der Variation unerklärt bleibt.Thilo Huning und Fabian Wahl (2021): The origins of agricultural traditions. Journal of Comparative Economics 49, 660–674 (online verfügbar).
Das Land in Realteilungsgebieten war möglicherweise nach der Vererbung zunächst noch gleichmäßiger verteilt. Die Erb*innen könnten aber dann die kleineren Landstücke verkauft und untereinander strategisch so geheiratet haben, dass wieder größere Flächen entstanden sind und das Land dann doch nicht gleichmäßiger verteilt war als in Anerbenrechtsgebieten. Allerdings zeigen Daten aus dem 19. Jahrhundert, dass die Ungleichheit des Landbesitzes in Realteilungsgebieten tatsächlich geringer war. An der Grenze zwischen den Realteilungs- und Anerbenrechtsgebieten lag der Gini-Koeffizient für Land in Anerbenrechtsgebieten mit 0,65 (links der vertikalen Linie) deutlich höher als in Realteilungsgebieten bei 0,6 (rechts der vertikalen Linie) (Abbildung 2). Der niedrigere Gini-Koeffizient in Realteilungsgebieten weist dabei auf eine geringere Ungleichheit in der Landverteilung hin.
Heute weisen Gebiete mit historischer Realteilung ein höheres Durchschnittseinkommen und mehr unternehmerische Tätigkeit auf. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass, während sich Deutschland von einer Agrargesellschaft zur Industrienation entwickelte, die gleichmäßigere Verteilung von Grund und Boden technologische Innovation förderte und somit langfristig Unternehmertum begünstigte.
Eine gleichmäßige Aufteilung des Bodens führte langfristig zu einem höheren Wachstum. Anhand eines großen Paneldatensatzes, der von der Frühindustrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart reicht, wird der Verlauf des wirtschaftlichen Wohlstands in Gebieten mit Realteilung und Anerbenrecht nachgezeichnet. Während um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Deutschen Reich noch keine signifikanten Unterschiede im Einkommen zwischen den Gebieten entstanden waren, kam es in der Zwischenkriegszeit zu einer bemerkenswerten Divergenz der Steuereinnahmen pro Kopf, die in der Zeit der Weimarer Republik als Messwert für regionale Einkommensunterschiede dienen. Dies deutet auf eine wachsende Einkommens- und Vermögenskluft zwischen Regionen mit Realteilung und Anerbenrecht hin. Dieses Ergebnis zeigt sich sowohl für die Regionen insgesamt als auch für die Grenzregionen, die maximal 35 Kilometer von der Grenze zur jeweils anderen Erbschaftsregel entfernt sind (Abbildung 3). In dieser Zeit entwickelte sich die Chemie- und Elektronikindustrie rasant. Neue Industriezweige, wie die Automobilindustrie mit ihren lokalen Zulieferketten, entstanden verstärkt in Gebieten, die historisch Realteilung praktizierten. Dieser Trend setzte sich in der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik fort und gipfelte in einem erheblichen Produktivitätsgefälle, das sich in den 2000er und 2010er Jahren stabilisierte (Abbildung 4). In der Bundesrepublik heute liegt die Einkommenslücke der Haushalte in historischen Realteilungsgebieten und solchen, die sich in historischen Anerbenrechtsgebieten befinden, bei etwa sechs Prozent. Der Unterschied der regionalen Wirtschaftskraft ist mit etwa 15 Prozent sogar höher als das verteilte Einkommen. Das deutet darauf hin, dass Arbeitnehmer*innen, die in Gebieten des historischen Anerbenrechts leben, zur Arbeit in historische Realteilungsgebiete pendeln. In einer Studie für Baden-Württemberg zeigt sich, dass Gebiete mit Realteilung heute höhere Einkommen aufweisen und größere Industriegebiete mit mehr Fabriken beheimaten.Thilo Huning and Fabian Wahl (2021): The fetters of inheritance? Equal partition and regional economic development. European Economic Review 136(7), July 2021, 103776 (online verfügbar). Andere langfristige Effekte der verschiedenen erbrechtlichen Bräuche und Regelungen in Deutschland sind eine größere Geschlechtergleichheit, gemessen an einem größeren Anteil von Frauen in Stadträten und Rotary Clubs in Gebieten mit Realteilung.Anselm Hager and Hanno Hilbig (2019): Do inheritance customs affect political and social inequality? American Journal of Political Science 63(4), 758–773 (online verfügbar).
Zentral für die Interpretation dieser Ergebnisse ist, dass die Regionen mit Realteilung nicht schon aus anderen Gründen bessere Ausgangsbedingungen für langfristig höheres Wirtschaftswachstum hatten, zum Beispiel durch besseren Zugang zu Bildung oder ertragreichere Böden. Die Regionen sollten tatsächlich vergleichbar sein. Daher werden zahlreiche historische Indikatoren auf Unterschiede zwischen Realteilungs- und Anerbenrechtsgebieten geprüft. Die Analyse zeigt keine Hinweise auf vorteilhaftere Ausgangsbedingungen für Realteilungsgebiete vor der industriellen Revolution in Bezug auf landwirtschaftliche Produktivität, allgemeine Bildung, städtische Bevölkerung, Bevölkerungsdichte, Fertilität oder Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Die Einflussfaktoren für die langfristige Entwicklung und auch für eine bestimmte Erbteilungsregel unterscheiden sich nicht an der Grenze zwischen den Regimen. Dies deutet darauf hin, dass die analysierte Variation der erbrechtlichen Bräuche und Regelungen idiosynkratisch ist und nicht systematisch mit anderen Wachstumsfaktoren zusammenhängt. Auf einer feingliedrigen geografischen Ebene stützen die Daten daher die Hypothese, dass die geringere Ungleichheit des Landbesitzes im 19. Jahrhundert in historischen Realteilungsgebieten langfristig die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands positiv beeinflusst hat.
Indem sie einen gerechten Zugang zu Land und dem daraus resultieren landwirtschaftlichen Einkommen boten, vergrößerten Gebiete mit Realteilung den Pool potenzieller Unternehmer*innen. In Realteilungsgebieten waren die landwirtschaftlichen Flächen zwar über die Generationen zum Teil so klein geworden, dass die landwirtschaftlichen Einkommen oft kaum mehr eine Familie ernähren konnten. Aber dieses kleinere landwirtschaftliche Einkommen erhöhte den Anreiz für unternehmerische Tätigkeit und bot gleichzeitig finanzielle Mittel, in Bildung und Innovation zu investieren und Risiken abzufedern. Im Gegensatz zu den Anerbenrechtsgebieten, wo nur ein Geschwister erbte und über das landwirtschaftliche Einkommen verfügte, hatte also in Realteilungsgebieten ein größerer Anteil der Bevölkerung eigenen Zugang zu finanziellen Ressourcen. Menschen in Realteilungsgebieten waren während der Hochindustrialisierung Deutschlands (1870 bis 1914) unternehmerisch aktiver. In den landwirtschaftlichen Betrieben entstanden kleine Handwerksbetriebe beispielsweise zur Herstellung von Papier, Farben, Seife, Soda, Arzneimittel, Kunstdünger, Uhren und Maschinen. Unter dem Dach des landwirtschaftlichen Betriebs konnte experimentiert werden, um immer spezialisiertere Produkte zu entwickeln. Fabrikbetriebe entstanden auf dem Land vor allem in Gebieten mit Realteilung, um die bereits erfahrenen Arbeitskräfte aus den häuslichen Nebenerwerben aufzunehmen, zum Beispiel in der Tabak-, Zigarren-, Möbel- und Textilindustrie.Klaus Eiler (1984): Hessen im Zeitalter der industriellen Revolution, Insel Verlag. Statistiken zeigen, dass ein größerer Bevölkerungsanteil im Verarbeitenden Gewerbe tätig war; dieser Unterschied vergrößerte sich im Zeitraum von 1895 bis 1907. Die zusätzliche Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe ist vollständig auf besonders innovative Sektoren mit hoher Patentaktivität zurückzuführen, wie die chemische, elektronische und pharmazeutische Industrie.Die Patentaktivität wurde gemessen anhand der Daten von Streb et al. (2006): Jochen Streb, Jörg Baten und Shuxi Yin (2006): Technological and geographical knowledge spillover in the German Empire 1877–1918. Economic History Review 59(2), 347–373 (online verfügbar). Auch die Patentaktivität selbst war zwischen 1877 und 1914 in Realteilungsgebieten höher. Diese Ergebnisse für eine gleichmäßigere Verteilung stützen theoretische Modelle, nach denen eine größere Ungleichheit des Landbesitzes die Berufswahl einschränkt und damit das Wirtschaftswachstum hemmt.Laut Doepke und Zilibotti (2008) spielte die Berufswahl während der industriellen Revolution eine entscheidende Rolle und hatte einen gleichzeitigen Niedergang der Landelite zur Folge. Matthias Doepke und Fabrizio Zilibotti (2008): Occupational choice and the spirit of capitalism. Quarterly Journal of Economics 123(2), 747–793 (online verfügbar).
Der größere Wohlstand in den Realteilungsgebieten geht auch mit einer höheren Konzentration von Einkommen und Vermögen einher. Die letzte Erhebung der Vermögensteuer im Jahr 1995 zeigt, dass in Gebieten mit Realteilung im Durchschnitt etwa 35 Vermögensteuerpflichtige und sieben Millionär*innen mehr pro 10000 Einwohner lebten. Personen und Paare im obersten Einkommensdezil und dem obersten Einkommensperzentil verdienten im Jahr 2013 in Kreisen mit historischer Realteilung neun bis 14 Prozent mehr als die entsprechenden Spitzenverdiener*innen in Kreisen mit historischem Anerbenrecht. Da die Spitzenverdiener*innen in Deutschland Unternehmenseigentümer*innen sindCharlotte Bartels (2019): Top incomes in Germany, 1871–2014. Journal of Economic History 79(3), 669–707, Stefan Bach, Charlotte Bartels und Theresa Neef (2023): Distributional National Accounts (DINA) for Germany, 1992–2016. SSRN Working Paper (online verfügbar). und diese in der Regel ein höheres Einkommen erzielen als ihre Angestellten, erhöht ein höherer Bevölkerungsanteil von Unternehmenseigentümer*innen die Einkommenskonzentration an der Spitze. Folglich ist auch die Einkommenskonzentration innerhalb der Kreise mit Realteilung deutlich höher, was sich an einem höheren Einkommensanteil der Spitzenverdiener*innen dort zeigt.
Eine Studie aus den USA bestätigt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Einkommenskonzentration und Innovation in US-Bundesstaaten seit den 1980er Jahren besteht.Philippe Aghion et al. (2019): Innovation and Top Income Inequality. The Review of Economic Studies, 86(1), 1–45 (online verfügbar). Die Spitzeneinkommen sind vor allem für Unternehmer*innen, Ingenieur*innen, Wissenschaftler*innen und Manager*innen gestiegen. Diese Berufsgruppen üben Tätigkeiten aus, die eng mit Innovationen verbunden sind.
Eine weitere Erklärung für die heute höhere Vermögenskonzentration in Realteilungsgebieten ist die unterschiedliche Entwicklung von kleinen und großen Erbschaften: Eine Studie für Schweden zeigt, dass große Erbschaften, insbesondere in Form von Unternehmen, mit größerer Wahrscheinlichkeit im Laufe der Zeit bestehen bleiben, während kleinere Erbschaften durch erhöhten Konsum aufgebraucht werden.Arash Nekoei und David Seim (2023): How do inheritances shape wealth inequality? Theory and evidence from Sweden. Review of Economic Studies 90(1), 463–498 (online verfügbar).
Die gleichmäßigere Verteilung von Grund und Boden – der wichtigsten Vermögensform im Deutschland des 19. Jahrhunderts – ermöglichte es breiten Teilen der Bevölkerung, sich unternehmerisch zu betätigen. Diese unternehmerische Tätigkeit bildete während der Transformation zur Industriegesellschaft den Nährboden für den heutigen innovativen Mittelstand, prägte somit die deutsche Unternehmenslandschaft und das System der Arbeitsbeziehungen.Simon Jäger, Shakked Noy und Benjamin Schoefer (2022): The German model of industrial relations: Balancing flexibility and collective action. Journal of Economic Perspectives 36(4), 53–80 (online verfügbar). Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass eine gleichmäßigere Verteilung ökonomischer Ressourcen die Einstiegsbarrieren für Unternehmer*innen senkt. In Gebieten mit Realteilung waren die landwirtschaftlichen Flächen über die Generationen zwar kleiner geworden, aber obwohl dadurch auch das landwirtschaftliche Einkommen geringer war, bot es allen Geschwistern eigene finanzielle Mittel zum Experimentieren und zum Abfedern unternehmerischer Risiken.
Langfristig hat die Kombination aus Anreiz zu unternehmerischer Tätigkeit und Zugang zu finanziellen Ressourcen die Zahl der Unternehmer*innen erhöht und der Bevölkerung in den Gebieten mit Realteilung mehr Wohlstand gebracht.
Themen: Verteilung, Unternehmen, Ungleichheit, Regionalwirtschaft, Konjunktur
JEL-Classification: O1;O3;D3;N33
Keywords: Economic Development, Economic Growth, Distribution
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-39-1