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So wird das Lindner-Depot noch besser

Blog Marcel Fratzscher vom 14. Oktober 2024

Finanzminister Christian Lindner will die private Altersvorsorge reformieren, gut so. Doch sein Vorschlag hat drei zentrale Schwächen – die sich zum Glück beheben lassen.

Finanzminister Christian Lindner hat einen wichtigen Reformvorschlag der privaten Altersvorsorge vorgelegt. Er enthält viele richtige Elemente, es sind aber drei konkrete Veränderungen nötig, damit er breite Schichten der Bevölkerung erreicht und nicht nur Besserverdienende und zudem nicht primär die Interessen von Finanzinstitutionen bedient.

Das von der Bundesregierung vorgeschlagene Rentenpaket II zeigt das Dilemma der gesetzlichen Altersvorsorge in einer stark alternden Gesellschaft: Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent lässt Beitragssatz und Steuermittel für die Rente deutlich steigen. Gleichzeitig ist dieses Rentenniveau so gering, dass Menschen mit dem Renteneintritt ihren Lebensstandard reduzieren müssen oder gar in Altersarmut fallen, wenn sie keine anderen Ressourcen im Alter haben. Die Idee, die Altersvorsorge auf mehrere Säulen aufzubauen, ist richtig und sinnvoll – aber nur, wenn die anderen Säulen neben der gesetzlichen Rentenversicherung auch gut funktionieren. Daher ist es sogar überfällig, die private Altersvorsorge zu stärken. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers beinhaltet einen staatlichen Zuschuss von 20 Prozent für jährliche Ersparnisse von bis zu 3.000 Euro. Der Zuschuss steigt, wenn die Versicherten Kinder haben oder jung sind.

Diese Kolumne von Marcel Fratzscher und Johannes Geyer erschien am 11. Oktober 2024 auf ZEIT ONLINE in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.

Die Reform sieht drei Fördermodelle der privaten Altersvorsorge vor:

  • Die bisherige Riester-Rente soll im Kern bestehen bleiben, sodass Menschen weiterhin die volle Garantie gegen mögliche Verluste auf ihre eingezahlten Beträge haben, aber auch eine geringe Rendite erzielen. 
  • Eine zweite Option beinhaltet eine Garantie von 80 Prozent der eingezahlten Beträge, im Gegenzug führt das zu etwas höheren Renditen, da die Gelder auch in Aktien und somit risikoreicher angelegt werden. 
  • Bei der dritten Variante gibt es keine Garantien, aber die langfristigen Renditeerwartungen sind am höchsten, da die Gelder in unterschiedlichen Anlagen, etwa Einzelaktien, ETFs oder Schuldverschreibungen, investiert werden können. Wenn man nicht selbst über die Anlage entscheiden möchte, soll es ein standardisiertes Referenz-Depot geben, das einem diese komplexe Entscheidung abnimmt. 

Verbesserungen gegenüber Riester

Hinzu kommt die Möglichkeit, statt einer Leibrente einen Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr zu vereinbaren. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers beinhaltet zudem, dass alle Bürger*innen Zugang zu einem kostenlosen Vergleichsportal haben, um Transparenz und Wettbewerb zu verbessern und sie mehr Flexibilität erhalten, zwischen Optionen und Anbietern zu wechseln.

Dieser Reformvorschlag ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der Riester-Rente, die Anfang der Nullerjahre eingeführt wurde. Zwar gibt es mittlerweile 15 Millionen Verträge, viele davon werden jedoch nicht mehr aktiv bespart, auch weil die Kosten durch die privaten Anbieter häufig hoch sind, die Anlagen kaum eine Rendite abwerfen und die Transparenz gering ist.

1. Bislang nur freiwillige Registrierung

Eine erste Schwäche ist, dass weiterhin alle Fördermodelle sogenannte Opt-in-Modelle sind. Menschen müssen sich also aktiv registrieren. Dies war einer der Fehler der Riester-Rente und hat mit dazu beigetragen, dass vor allem Menschen, die besonders stark von einer privaten Vorsorge profitieren würden, diese nicht abschließen. Besser wäre eine obligatorische Lösung oder – wenn das politisch nicht konsensfähig erscheint – ein Opt-out-Modell, so wie es beispielsweise bei der betrieblichen Altersvorsorge in Großbritannien (NEST) geschieht. Denn ansonsten wird die Verbreitung weiterhin sehr selektiv und nicht hinreichend hoch ausfallen. Typischerweise machen eher Besserverdienende und Menschen mit hoher Bildung davon Gebrauch, profitieren von der staatlichen Förderung, während breite Teile der Bevölkerung außen vor bleiben.

2. Geringverdiener werden überfordert

Die zweite Schwäche des Reformvorschlags sind dessen Verteilungswirkungen. Selbst bei einem geförderten Sparmodell ist es für viele Menschen mit geringen Einkommen schwierig, eine größere zusätzliche private Vorsorge aufzubauen. Viele Familien mit wenig Einkommen brauchen schlichtweg jeden Euro für ihren Lebensunterhalt. Und hier zeigt sich eine Schwierigkeit, mitten im demografischen Wandel eine kapitalbasierte zusätzliche Säule aufzubauen; denn beides kostet heute Geld, die Kapitalerträge werden aber erst in Jahrzehnten einen relevanten Einkommensbestandteil im Alter liefern. 

Das heißt, Beschäftigte – insbesondere aus den jüngeren Generationen – werden durch die deutliche Erhöhung der Beitragssätze von heute 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent im Jahr 2035 finanziell belastet, gleichzeitig sollen sie zusätzlich einen weiteren Teil ihres Einkommens für ein Altersvorsorgedepot abgeben. Viele Geringverdiener dürfte dies finanziell überfordern und dazu führen, dass vor allem ärmere Menschen keine solche private Vorsorge abschließen. Ein zusätzlicher Widerspruch besteht darin, dass das Einkommen aus der privaten Vorsorge im Alter auf die Grundrente angerechnet wird, sodass sich in manchen Fällen die Anreize für private Vorsorge zusätzlich relativieren. Immerhin gibt es Zuschüsse für junge Erwerbstätige, einkommensschwache Menschen und für Kinder. Sinnvoll wäre es hier, die Zuschüsse auch zu dynamisieren, damit der reale Wert der nominalen Zuschüsse mit der Zeit nicht ständig abnimmt.

3. Gefahr von verdeckten Kosten

Eine dritte Schwäche des Vorschlags ist die zentrale Rolle der privaten Finanzinstitutionen. Bürgerinnen und Bürger erhalten zwar ein gewisses Maß an Transparenz und Informationen über ein unabhängiges Vergleichsportal, aber die Anlage selbst soll durch private Finanzinstitutionen stattfinden, die selbst Geld verdienen wollen und Gebühren erheben werden. Die Produktvielfalt ist heute schon enorm und erhält durch die Reform weitere Elemente wie das Depot und die Möglichkeit des Auszahlungsplans, wird also eher komplexer und unübersichtlicher. Die Anbieter werden versuchen, diese Vielfalt für sich auszunutzen. Das schmälert letztlich die Rendite, die bei den Sparenden ankommt, und damit die Alterseinkommen der Bürgerinnen und Bürger. Wenn staatliche Institutionen dies nicht eng regulieren und die Kosten begrenzen, dann ist die Gefahr groß, dass sich die Erfahrung der Riester-Rente mit fehlender Transparenz und hohen Kosten wiederholt.  

Gleichzeitig dürfen die Erwartungen an die neue private Vorsorge auch nicht zu hoch sein, denn ein Altersvorsorgedepot wird die gesetzliche Rente erst langfristig merklich unterstützen. Ein Durchschnittsverdiener, der ab 2026 jedes Jahr die maximal geförderte Summe einzahlt, könnte – unter günstigen Annahmen – ab 2040 sein Rentenniveau um fünf Prozentpunkte (von 48 Prozent auf 53 Prozent) und ab 2065 um 15 Prozentpunkte, also auf 63 Prozent, erhöhen. Das wäre eine erhebliche Verbesserung, gerade für Menschen mit geringen Ansprüchen an die gesetzliche Rente. Aber die neue private Vorsorge wird eben auch erst in Jahrzehnten ihre volle Wirkung entfalten und mittelfristig wenig an der Altersarmut ändern.

Die Wirkung wird langfristig sein

Das Altersvorsorgedepot des Bundesfinanzministers ist ein ambivalenter Schritt, dessen Potenziale nicht unterschätzt werden sollten. Bundesregierung und Bundestag sollten ein schlüssiges Konzept möglichst schnell erarbeiten und umsetzen, denn es wird seine Wirkung nur langfristig entfalten. Daher gilt auch für die kommenden zwei Jahrzehnte, dass eine auskömmliche gesetzliche Rente für viele Menschen mit geringen Einkommen und Rentenansprüchen ohne Alternative sein wird. Für den wesentlichen Teil der Beschäftigten heute sind stabile Erwerbskarrieren, gute Löhne und Einkommen weiterhin der beste Weg für eine gute Altersvorsorge.

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